R¨¹ckblicke The Project Gutenberg EBook of R¨¹ckblicke, by Dr. rer. pol. Walter Gr¨¹nfeld ** This is a COPYRIGHTED Project Gutenberg eBook, Details Below ** ** Please follow the copyright guidelines in this file. ** Copyright (C) 1998 by Frank Dekker This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: R¨¹ckblicke Author: Dr. rer. pol. Walter Gr¨¹nfeld Release Date: December, 2004 [EBook #7049C] [Yes, we are more than one year ahead of schedule] [This file was first posted on February 28, 2003] Edition: 10 Language: German Character set encoding: Latin-1 *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, RUECKBLICKE, BY GRUENFELD *** Copyright (C) 1998 by Frank Dekker R¨¹ckblicke Dr. rer. pol. Walter Gr¨¹nfeld Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Fr¨¹hes Panorama und Vorgeschichte Kapitel 2 Die Familie und Kattowitz Kapitel 3 Kindheit und fr¨¹he Jugend Kapitel 4 Kattowitz kommt zu Polen Kapitel 5 Als Student in der Weimarer Republik A) Berlin a) Leben und Studium b) ... und politische Bet?tigung B) M¨¹nchen C) Zwischen Breslau und zu Hause Kapitel 6 Nach dem Ende von Weimar Kapitel 7 Emigration nach Hause, in Polen Kapitel 8 Der 2. Weltkrieg bricht aus Kapitel 9 Kriegsfl¨¹chtling Anmerkungen Literatur Kapitel 1 Fr¨¹hes Panorama und Vorgeschichte Wenn man von einem Nachmittagsausflug nach dem Franziskanerkloster Panewnik durch einen damals reichen, gr¨¹nen Laubwald zur¨¹ckwanderte und aus dem Wald trat, da hatte man, von leichter Anh?he, ein gutes Panorama von Kattowitz vor sich, mit dem benachbarten Zalenze und einigen noch weiter westlich und ?stlich gelegenen Industriegemeinden, aber man erschrak auch, denn man sah, wie alle diese bewohnten Gegenden in dichte Wolken von Dunst und Rauch getaucht waren. Und dort lebten wir also. Mu?te man also jetzt dorthin zur¨¹cklaufen? Das war aber nur eines von recht wenigen Malen, da? ich das als Kind gefragt habe. F¨¹r mich war diese Silhouette der Kohlengruben, Eisen- und Zinkh¨¹tten, die sich da wie eine Kette von Ost nach West inmitten der Ortschaften hinzogen, eine Faszination, es war die Heimat, in der und mit der man lebte. Ja, es gab dort oft so einen Geruch und Geschmack nach Rauch, er war w¨¹rzig, man kannte ihn. Aber die Natur reichte an die Stadt heran; um die Stadt war viel unbebautes Feld, teils angebaut mit Roggen, Hafer, viel Kartoffeln, Kohl und R¨¹ben, teils ganz leer, hart und steinig, holprig, die sogenannten Bruchfelder, die besonders stark von einer Grube unterbaut waren. Dann weiter im S¨¹den begann der Wald, das waren die Ausl?ufer der gro?en W?lder des F¨¹rstentums Ple?, die etwa drei?ig Kilometer bis Ple? sich ausstreckten. Man konnte zum Nachmittagskaffee durch den Wald nach "Emanuelssegen", Murcki, laufen. Da war nicht nur eine Gartenwirtschaft, sondern auch eine gro?e Kohlengrube, die eigentlich in einer sehr gro?en Lichtung im Wald lag. Weiter s¨¹dlich lag dann in den Plesser W?ldern der Paprozaner See. Dort gab es nicht nur das Jagdschl??chen Promnitz. Da war auch einmal ein "Eisenhammer". Man konnte die ¨¹berreste noch sehen. Es wurde viel Holz und Holzkohle daf¨¹r gebraucht, aber jetzt war die Eisenverh¨¹ttung zu den Kohlenfl?zen gezogen, wo sie zu enormen Unternehmungen wurde, das oberschlesische Industrierevier. Es entstand aus alten Dorfgemeinden die Kette von Industrieortschaften. Vor allem an den Hauptverkehrsadern gingen sie ineinander ¨¹ber. Dazwischen waren gr??ere und alte St?dte wie Beuthen und die viel j¨¹ngere, erst im 19. Jahrhundert entstandene Stadt Kattowitz. Die Orte hatten eine oder mehrere Kohlengruben als wirtschaftliche Basis und einige hatten Eisenh¨¹tten und Stahlwerke oder Zinkerzgruben und -h¨¹tten. Das war ein fr¨¹her Eindruck meiner Kindheit. Wir lebten in Kattowitz, ein Teil der Familie in Beuthen, und wir besuchten sie dort oft. Das waren etwa eineinhalbst¨¹ndige Wagenreisen, sp?ter nach 1918 nur noch halbst¨¹ndige Autofahrten durch diesen Teil des Industriereviers, etwa f¨¹nfzehn Kilometer. Ich kannte bald die Namen der Orte, Gruben und Werke, an denen wir vorbeifuhren, alle mit Halden, besonders russig und rauchig. Meine ersten Kindheitserinnerungen an die Menschen in Oberschlesien zeigen kaum Spuren von den gro?en Konflikten sp?terer Jahre und wie man von Heute darauf zur¨¹ckblickt. Ich war 1908 in Kattowitz geboren. Dazwischen liegen zwei Weltkriege, der Zerfall von drei Kaiserreichen, die so tragisch vergeblichen Existenzk?mpfe der Weimarer Republik und des unabh?ngigen Polens und dann die Nazikatastrophe, die Deutschland, Europa und die ganze Welt, und noch so besonders unbeschreiblich uns Juden betroffen hat. ¨¹ber den oberschlesischen Menschen ist oft geschrieben worden. Die Sprache hatte in breiten Schichten der deutschsprechenden Oberschlesier einen Akzent, der die Nachbarschaft mit den polnisch sprechenden Oberschlesiern durchscheinen lie?, und durchsetzt war mit manchen heimischen polnischen Kraftausdr¨¹cken. Es war eine recht hart klingende, aber eine gem¨¹tliche Sprache. Bei uns zu Hause, in der Schule und im Bekanntenkreis wurde Hochdeutsch gesprochen, die Kraftausdr¨¹cke und der Akzent waren verp?nt, aber das oberschlesische Deutsch war doch um einen herum, man lebte damit. Auch das Polnisch h?rte man. In der Stadt wurde ganz vorwiegend Deutsch gesprochen, aber polnisch h?rte man als Kind zum Beispiel im Kontakt mit Bauern und B?uerinnen der Umgebung, die man bei den t?glichen Spazierg?ngen traf, oder wenn man auf den Markt mitging. Aber mir fehlte als Kind das Gef¨¹hl f¨¹r eine starke Spannung zwischen deutsch und polnisch sprechenden Menschen in Oberschlesien, und ich glaube, nicht nur wegen meiner Kindheit, sondern auch, da? diese Spannung vor 1918 nicht so entwickelt war. Es ist richtig, Oberschlesien war bereits im Reichstag durch den polnischen Abgeordneten Korfanty vertreten, es gab polnische Vereine und Zeitungen, Wahlk?mpfe, aber es gingen alle in den Krieg 1914. Wenn man ¨¹ber die Jahrhunderte zur¨¹ckblickt, dann war Schlesien, und besonders Oberschlesien so stark und h?ufig ein Gebiet der ¨¹berg?nge, mit wechselnden Siedlungseinfl¨¹ssen und politischen Oberhoheiten. Die Bev?lkerung, die die Umwelt meiner Kindheit war, trug noch die Zeichen davon. Es war auch ein Dialekt des Polnischen, bei uns Wasserpolnisch genannt, im heutigen Polen "gwara", der in Oberschlesien gesprochen wurde. Es hatte ja lange getrennt vom polnischen Hauptland und zeitweise unter b?hmischen (tschechischen) und deutschen Einfl¨¹ssen gelebt, die zu dieser Dialektbildung beigetragen hatten. Die S¨¹dostecke Oberschlesiens, wo Kattowitz lag, war so ganz besonders ein Grenzland. Wenn man an klaren Tagen nach S¨¹den sah, oder gar s¨¹dlich auf dem Wege nach Ple? fuhr, dann sah man die Gebirgskette der Beskiden, des n?rdlichen Teils der Karpaten, das war in ?sterreich. Es war das ?stereichische Schlesien, das der preu?ische K?nig Friedrich der Gro?e am Ende seiner Schlesischen Kriege der Kaiserin Maria Theresia noch belassen mu?te. Wenn man auf einem gr??eren Ausflug nach Bielitz am Rande der Beskiden fuhr, dann ging man ins Kaffee Bauer, und das war, so wurde uns Kindern gesagt, wie ein richtiges Wiener Kaffeehaus, die Leute in der Stadt sprachen deutsch mit einem ?sterreichischen Akzent. Sie waren in ?sterreichische Schulen gegangen, bei uns in Kattowitz waren es preussische. Im Osten von Kattowitz aber war die russische Grenze. Nur etwa zehn Kilometer weg bei Myslowitz war die Dreikaiserecke, wo das deutsche, ?sterreichische und russische Kaiserreich zusammenstie?en. F¨¹r uns als Kinder war diese Idee nat¨¹rlich faszinierend. Aber die russische Grenze lief noch n?her bei Kattowitz vorbei, in wenigen Autominuten war man in Czeladz und Sosnowitz, wie es damals bei uns genannt wurde, aber es war nat¨¹rlich die polnische Stadt Sosnowiec, die damals unter Herrschaft des russichen Zaren stand. Mein Gro?vater und Vater waren Bauunternehmer in Kattowitz. In Sosnowitz selbst hatten sich im l9. Jahrhundert mehrere s?chsische Textilindustrielle niedergelassen. Mein Gro?vater und Vater hatten die Bauten ausgef¨¹hrt, und waren mit der Familie Dietel befreundet. Ich erinnere mich an Besuche bei ihnen. Ihr Wagen mir Pferden wurde bei uns im Hof abgestellt, wenn jemand von der Familie nach Kattowitz zum Einkaufen kam. Dann sprachen wir mit dem Kutscher, der aus Ru?land kam. Aber das sind Erinnerungen an das eher Fernere und Fremde aus der Welt meiner Kindheit und fr¨¹heren Jugend. Es waren Dinge am Rande der Umwelt, denn die Umwelt war eben "Oberschlesien", so wie es sich in etwa 160 Jahren als ein Regierungsbezirk der preu?ischen Provinz Schlesien entwickelt hatte, und uns in unserer Jugend erschien. Man versteht Vieles besser, wenn man versucht, von dem Heute aus einen neuen, unbefangenen Blick auf die Geschichte zu werfen. Bereits f¨¹r die vorgeschichtliche Zeit gibt es erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen deutschen und polnischen Historikern. Schriftliche ¨¹berlieferung beginnt sp?t, aber arch?ologische Forschung hat, verglichen mit meiner Schulzeit, das Bild der Fr¨¹hgeschichte des ?stlichen Mitteleuropas sehr erweitert, bis weit vor der V?lkerwanderung. Vor den Kelten und nachwandernden Germanen wei? man heute ¨¹ber die vorherige Bev?lkerung und ihre Kulturen, sieht fr¨¹heste Einfl¨¹sse ¨¹ber das Donaugebiet von S¨¹den(1), mit eigenen Handwerkszentren und Metallverarbeitung in Schlesien. Nach polnischen Auffassungen (2) waren Tr?ger dieser fr¨¹hen Kulturen bereits indogermanische, n?mlich slawische St?mme, so die bekannte Lausitzer Kultur, und die sp?ter erscheinenden Kelten und Germanen nur durchwandernde V?lker, die vor¨¹bergehende Herrschaft ¨¹ber bestehende Urbev?lkerung aus¨¹bten, ?hnlich wie man es von Awaren oder Hunnen wei?. Andere bleiben bei fr¨¹herer Auffassung, da? slawische St?mme erst den nach Westen weiterziehenden Germanen nachger¨¹ckt sind. Als fr¨¹he slawische Staatsbildung erscheint im 9. Jahrhundert n.Chr ein Gro?m?hrisches Reich, bald ¨¹berholt vom B?hmischen Reich der Przemysliden Dynastie, das, durch Mission von benachbarten bayrischen Bist¨¹mern her zum r?mischen Christentum bekehrt, seinen Eintritt in die abendl?ndische Welt findet und in diese auch Schlesien einbezieht, von wo 950 n.Chr. ein Missionar nach Posen geht. Dort hatte sich inzwischen der Kern eines polnischen Reiches unter dem Piasten Mieszko I. entwickelt. Unter dem Einflu? sowohl von B?hmen wie von Sachsen auch zum Katholizismus bekehrt, ¨¹berragte es bald das ?ltere B?hmen und eroberte Schlesien, das f¨¹r Jahrhunderte nun Gebiet wechselnder Einfl¨¹sse und oft erneuerten Streits zwischen B?hmen und Polen bleibt. Die polnischen Piasten teilten sich in verschiedene Linien, eine war in Schlesien, teilte sich weiter in mehrere schlesische Herzogt¨¹mer. Die kirchliche Oberhoheit blieb bei dem polnischen Bistum Gnesen und im s¨¹dlichsten Oberschlesien bei Krakau, aber staatliche Oberhoheit wechselte und fiel schlie?lich durch Vertrag 1335 an die b?hmische Krone, damals, nach Aussterben der tschechischen Przemysliden, in der Hand der Luxemburger, die auch mehrere deutsche Kaiser stellten. Die Mongoleneinf?lle des 13. Jahrhunderts waren in Schlesien zum Benefit f¨¹r ganz Europa gemeinsam von schlesischen, polnischen und deutschen Kr?ften aufgehalten worden, aber gro?e Verw¨¹stungen blieben. Vielleicht waren diese Anla? f¨¹r verst?rkte Siedlung von Deutschland her, auf Einladung schlesischer Piasten und von Kl?stern, bestehend aus b?uerlicher und st?dtischer Siedlung, beide unter aus deutschen Gebieten mitgebrachten Rechtsordnungen, von denen dann auch ¨¹ber Schlesien hinaus in polnischen Gebieten Gebrauch gemacht wurde. Die Welle deutscher Siedlung dauerte bis ins 14. Jahrhundert, hinterlie? unterschiedliche Spuren in der Bev?lkerung, das Bild ver?ndert sich im Laufe der Jahre wieder, mancherorts sieht man fortschreitende Assimilation von Siedlern an die polnisch sprechende Umgebung. Deutsche Siedlung, ebenso wie zunehmende Verschw?gerung schlesischer Piastenherz?ge mit deutschen F¨¹rstenfamilien k?nnten mit ein Antrieb gewesen sein f¨¹r die Entscheidung schlesischer Piasten f¨¹r b?hmische statt polnischer Oberhoheit. Man mu? aber wohl vorsichtig sein bei der Interpretation mittelalterlicher dynastischer Entscheidungen. Schlesien blieb nun bei der b?hmischen Krone f¨¹r 400 Jahre, hatte aber durchaus nicht so langen Frieden, es wurde in deren Konflikte einbezogen, so die Hussitenkriege mit tschechischen, ungarischen und dann polnisch-jagiellonischen Interregnen zwischen Luxemburgern und schliesslich den Habsburger Herrschern, die alles 1526 ererbten. Die Reformation drang fr¨¹h in Schlesien ein. Die Struktur der Herrschaft hatte sich ge?ndert. Die schlesischen Piastenherzogt¨¹mer fielen bei Aussterben der Linien als Standesherrschaften an ausw?rtige F¨¹rsten, darunter auch Hohen- zollern, oder wurden durch Prag an Neuank?mmlinge vergeben. Die schlesischen "St?nde" wurden somit eine immer komplexere Versammlung. Die adligen St?nde B?hmens und M?hrens hatten w?hrend der Wirren um die b?hmische Krone sehr an Macht gewonnen. Das trug dazu bei, da? die Reformation in B?hmen und M?hren besonders gro?e Fortschritte machte; auch in Schlesien breitete sie sich aus unter Einfl¨¹ssen aus verschiedenen Richtungen. In Polen machte die Reformation zun?chst auch Eindruck und findet Anh?nger auch unter polnischen Adligen und Gemeinden in Oberschlesien. Es war nicht so, da? mit dem ¨¹bergang der Hoheit an B?hmen der wirtschaftliche und kulturelle Kontakt mit den angrenzenden polnischen Gebieten aufgeh?rt h?tte. Es bestand weiter die kirchliche Verflechtung der meisten oberschlesischen Dekanate mit dem Bistum Krakau. Auch zum Universit?tstudium gehen Oberschlesier nach Krakau, aber man liest auch von einem polnischen protestantischen Geistlichen im zur Standesherrschaft Pless geh?rigen Dorf Woschczytz, der zum Studium nach Wittenberg gegangen war (4). Die Erw?hnung von Woschczytz interessierte mich, weil sich dann dort sp?ter die ersten Spuren unserer Familie Gr¨¹nfeld in Oberschlesien finden. Die Gegenreformation, mit ?u?erster Strenge von den Habsburger Kaisern in Schlesien durchgef¨¹hrt, reduzierte hier den Protestantismus bald, aber in B?hmen blieben die Beziehungen der St?nde mit dem habsburgischen Kaiser so gespannt, da? von dort der drei?igj?hrige Krieg ausbrach, der das benachbarte Schlesien furchtbar in Mitleidenschaft ziehen sollte. Wallensteins und Mansfelds Heere zogen durch und kampierten, es dauerte lange, bis der R¨¹ckschlag im Wohlstand Schlesiens ¨¹berwunden war. Eine notwendige Anmerkung Nach dem R¨¹ckblick auf geschichtliche Entwicklungen in Oberschlesien, der uns schon auf das engere Gebiet gebracht hat, in dem ich meine Familie dann im fr¨¹hen l9. Jahrhundert anfinde, ist es Zeit, sich zu erinnern, da? dies eine j¨¹dische Familie war, und das Schicksal der Juden in Oberschlesien, wie in Europa ¨¹berhaupt, noch eine besondere Betrachtung erfordert. Einer m¨¹ndlichen Tradition nach soll unsere Familie aus M?hren nach Oberschlesien gekommen sein und urspr¨¹nglich aus Iglau stammen. Wenn ich mir vorzustellen versuche, wie es meinen j¨¹dischen Vorfahren in der Zeit ergangen sein k?nnte, von der wir gesprochen haben, denke ich vorerst an die Geschichte der Juden in M?hren. Fr¨¹heste beurkundete Besuche von Juden als "beglaubigte Kaufleute" in M?hren gibt es von 903 AD., aber Beginn ihrer Ansiedlung wird erst f¨¹r das 12. Jahrhundert angenommen (5). Man bemerkt sie als st?dtische Siedlung, wie in den deutschen St?dten Speyer und Worms gibt es Rechtsschutz f¨¹r Juden als Minderheit. In Prag wird er in einem Statut von ca. 1174 gemeinsam f¨¹r deutsche, fl?mische und j¨¹dische Kaufleute geregelt, und in M?hren zuerst im Stadtrecht von Iglau, einer schnell gewachsenen Stadt, die bald eine der gr??ten j¨¹dischen Gemeinden M?hrens hatte, aber 1426 wurden die Juden aus der Stadt vertrieben, weil sie die Hussiten unterst¨¹tzt h?tten. Bald folgte Vertreibung aus den anderen selbstst?ndigen St?dten, wegen des mehr gebr?uchlichen Vorwurfs des Wuchers. Gewi? hatte sich auch schon in Iglau wirtschaftlicher Neid der St?dter mit religi?sem Eifer neuer Herrscher gepaart. Die m?hrischen Juden fanden Refugium in kleineren, adligen Grundherren untert?nigen St?dten, konnten dort und auch den angrenzenden D?rfern, die oft demselben Adligen geh?rten, Handel treiben (6). Sie konnten auch an den regelm?ssigen M?rkten in den gr?sseren St?dten, aus denen sie vertrieben waren, teilnehmen gegen Zahlung von Besuchergeb¨¹hren. Die schon erw?hnte unabh?ngige Eigenwilligkeit des Adels in M?hren zeigte sich nicht nur im starken Anteil von Protestanten, sondern auch im z?hen Widerstand gegen Beschr?nkung ihrer M?glichkeiten, von wirtschaftlicher T?tigkeit von Juden Gebrauch zu machen. Juden betrieben nicht nur Handel, sie wurden P?chter oder Verleger f¨¹r neue gewerbliche Betriebe adliger G¨¹ter, wie Gerbereien oder Branntweinbrennereien (7). Der Refugiumcharakter M?hrens dehnte sich auch auf die M?hren benachbarten Gebiete der einstigen oberschlesischen Herzogt¨¹mer Ratibor und Oppeln aus (8). M?hren wurde auch Refugium f¨¹r andere Juden, so bei Judenvertreibungen aus Wien, w?hrend der Wirren des dreissigj?hrigen Krieges und auch der blutigen Verfolgungen im ?stlichen Polen (Ukraine) 1648. In Schlesien hatte sich die vom gegenreformatorischen Eifer gegen alles "Akatholische" inspirierte und mit der wirtschaftlichen Gegnerschaft der St?dte gegen die Juden gepaarte antij¨¹dische Politik der Habsburger Kaiser bis ins 17. Jahrhundert soweit durchgesetzt, dass es Juden mit Aufenthaltsrechten nur noch in den beiden St?dten Glogau und Z¨¹lz gab, aber sich im s¨¹dlichen Oberschlesien eine kleine j¨¹dische Bev?lkerung auf dem Land erhalten konnte. Wirtschaftliche Bed¨¹rfnisse aber sprachen f¨¹r Aufrechterhaltung j¨¹discher Teilnahme, vor allem aus Polen, an den st?dtischen M?rkten, und es kam zu kleinen Ansiedlungen (9). Zu Beginn des 18. Jahrhunderts versuchte Maria Theresia wie schon ihr Vater, die Beschr?nkungen gegen j¨¹dische Residenz auch in B?hmen und M?hren wieder zu verst?rken, und 1744 verf¨¹gte sie die Ausweisung aller Juden aus ihrem "Erbk?nigreich B?heimb" wegen vermeintlicher preu?enfreundlicher Haltung der Juden w?hrend des Schlesischen Kriegs (10). Das betraf auch M?hren. Die Fristen wurden ?rtlich verschieden verl?ngert. Es scheint also, da? Zuwanderung von m?hrischen Juden in das nahe, unterde? zu Preussen geh?rige s¨¹dliche Oberschlesien gerade f¨¹r diese Zeit gut erkl?rlich ist. Kapitel 2 Die Familie in Kattowitz Diese f¨¹hrt uns zu den Anf?ngen j¨¹discher Emanzipation, etwas vom Leben in einer der oberschlesischen, kleineren St?dte wie Sohrau, dann der Entwicklung im oberschlesischen Industriegebiet und der Entstehung der Stadt Kattowitz. Die deutsch-polnische Problematik stellt sich vornehmlich in den durch die Teilungen Polens an Preu?en gefallenen Provinzen Posen und Westpreu?en, aber spielt auch eine Rolle im stark polnisch-sprechenden Oberschlesien. Wir denken an kulturelle und kommunale Entwicklung in der jungen Stadt Kattowitz, in der ich dann 1908 geboren wurde. Meinen Urgro?vater Hirschel Gr¨¹nfeld findet man in der Liste der durch die Hardenberg'schen Reformen 1812 zu preu?ischen Staatsb¨¹rgern werdenden schlesischen Juden (1). 1817 zieht er mit seiner Frau und drei ihrer Kinder von Woschczytz nach der Stadt Sohrau. Nach dem Tod seiner Frau 1818 (3) heiratet er 1820 Lewine (sp?ter Louise) Huldschinsky (4). Diese neue Familie Gr¨¹nfeld hat dann drei S?hne und f¨¹nf T?chter bis Hirschel Gr¨¹nfeld 1840 in Sohrau stirbt. Ich habe kaum Anhaltspunkte, mir ein Bild von ihm zu machen, h?chstens von der Umgebung, in der er gelebt hat. Das Dorf Woschczytz, schon von mir erw?hnt, ist 1836 ausgewiesen mit einer Wasser- und S?gem¨¹hle und einem Frischfeuer, 57 H?usern und 352 Einwohnern (5). Im Verlauf der wieder zunehmenden Ansiedlung von Juden in Oberschlesien wird es f¨¹r 1693 erw?hnt (6), aber bereits f¨¹r 1678 erscheint ein j¨¹discher Messegast in Leipzig aus Woschczytz(7). Die N?he der Stadt Sohrau hat vermutlich auch j¨¹dische Kaufleute nach dem benachbarten Woschczytz gezogen, da Ansiedlung f¨¹r sie in Sohrau begrenzt war. Wirtschaftlich wurde Sohrau stark durch seine Woll- und sp?ter Leinwandweberei, und dazu kam schon im 16. Jahrhundert ein bedeutendes Schuhmachergewerbe(8), mit zeitweise 32 Meistern. Hirschel Gr¨¹nfelds Beruf "Lederhandel" kann damit zu tun gehabt haben. ¨¹ber Umfang und Erfolg seines Gesch?fts haben sich in der Familie keine Informationen erhalten. Er starb mit etwa 60 Jahren, seine Frau war wesentlich j¨¹nger, das j¨¹ngste der acht Kinder wurde erst im selben Jahr geboren. Eine Schwester der Frau hatte den Gastwirt Hirschel Loebinger in Sohrau geheiratet. Mein Vater hat oft betont, da? die Familien eng zusammenlebten, auch da? die Familie Loebinger ebenso wie die Gr¨¹nfelds von M?hren nach Oberschlesien gekommen waren. Die beiden ?lteren S?hne Hirschel Gr¨¹nfelds verlie?en Sohrau bald nach seinem Tode, also noch sehr jung, n?mlich Abraham, geboren 1823 und Isaak, sp?ter Ignatz genannt, geboren 1826, mein Gro?vater. Er wird sp?ter ein Maurerlehrling und hat dann verschiedene Stellungen als Geselle und Polier, bis er sich 1855 in der Dorf- und Industriegemeinde Kattowitz als Meister niederl??t. Einen Abraham Gr¨¹nfeld aber finden wir in Sohrau wieder, meist als Lehrer bezeichnet, manchmal als Kaufmann. Auch meine Urgro?mutter hat noch bis um 1870 in Sohrau gelebt, es blieb auch f¨¹r meinen Vater eine Art Begriff eines Herkunftsorts der Familie, ich konnte mir auch heute nachtr?glich ein gewisses Bild vom Leben dort machen, denn es gibt eine sehr ausf¨¹hrliche Stadtgeschichte (9). Meine Heimatstadt Kattowitz gab es ja noch gar nicht als Stadt in der 1.H?lfte des 19. Jahrhunderts, aber Sohrau war eine alte Stadt mit althergebrachtem b¨¹rgerlichem und Zunftleben, ¨¹berwiegend katholisch geblieben. Ich fand es interessant zu sehen, wie zur Zeit meiner Urgro?eltern das Leben sich da ver?nderte, mit zunehmender Gewerbefreiheit, und was man ¨¹ber die Emanzipation der Juden und ihre Probleme dabei sehen kann. Juden waren mit dem Wirtschaftsleben von Sohrau wohl lange verbunden. Schon f¨¹r 1511 werden "Judenacker" neben der Stadt erw?hnt (10). Die St?dte lie?en Juden zu ihren M?rkten zu, auch wenn sie sich lange Zeit nicht ansiedeln durften. Erst f¨¹r das 18. Jahrhundert h?ren wir dann von j¨¹dischen Einwohnern. 1791 leben aber an Juden erst 34 Personen in der Stadt, 103 in den "Vorst?dten". 1856 waren es dann schon 471, nach der Emanzipation hatte Sohrau starken Zuzug j¨¹discher Familien vor allem aus den D?rfern der Kreise Rybnik und Pless erhalten. Anfang des 19. Jahrhunderts wird eine Synagoge gebaut, ein Friedhof eingerichtet, ein Rabbiner engagiert, und es gab j¨¹dische Lehrer. Die Schulung der Kinder ist gerade auch nach der Emanzipation ein gewisses Problem in kleinen Gemeinden. Unter den schlesischen Landjuden, wo ja oft nur wenige, oft nur einzelne j¨¹dische Familien in einem Dorf lebten, gab es die Einrichtung der Hauslehrer, und Privatlehrer gab es dann auch zun?chst in Sohrau. Die ?ffentlichen beaufsichtigten Schulen, die eingerichtet wurden, waren konfessionell, auch der j¨¹dischen Gemeinde oblag nach Emanzipation, f¨¹r die vorschriftsm??ige Schulung ihrer Kinder zu sorgen. F¨¹r kleinere Gemeinden war es finanziell nicht einfach, den neuen beh?rdlichen Verpflichtungen f¨¹r die Erziehung ihrer Kinder nachzukommen. Ein System, junge j¨¹dische Leute als Hauslehrer aufzunehmen, hatte wohl gutsituierten Landjuden geholfen. Um der Schulpflicht nach der Emanzipation zu gen¨¹gen, wurden aber an dazu befugte Lehrer ganz andere Anforderungen gestellt, und die j¨¹dische Gemeinde hatte einen dauernden Kampf, f¨¹r die von ihr angestellten Lehrer beh?rdliche Genehmigung zu bekommen. Viele konnten die nachtr?glich abzulegenden Examen nicht bestehen. So gab es einen h?ufigen Wechsel. Zeitweise konnte die Gemeinde eine j¨¹dische Volksschule oder sogar einige Klassen einer fortgeschrittenen Schule unterhalten. Wenn in katholischen Volksschulen Platz war, konnten j¨¹dische Kinder auch aufgenommen werden, schon in den 1820er Jahren scheinen manche j¨¹dischen Familien das sogar bevorzugt und sich f¨¹r die Aufrechterhaltung j¨¹discher Schulen gar nicht mehr so interessiert zu haben. Aber noch 1858 mu? eine j¨¹dische Schule wieder errichtet werden, da in der katholischen kein Platz ist. Dazwischen gab es auch einen christlichen Privatlehrer, der eine Schule f¨¹r die protestantischen und j¨¹dischen Kinder unterhielt. Wenn Kinder in nichtj¨¹dische Schulen gingen, mu?te die Gemeinde f¨¹r ihren Religionsunterricht durch einen hinreichend qualifizierten Lehrer sorgen. Als solcher wird fortlaufend A. Gr¨¹nfeld erw?hnt (11), auch noch f¨¹r 1858. Als Religionslehrer t?tig, blieb er also wohl der j¨¹dischen Tradition verhaftet. In der j¨¹dischen Bev?lkerung sehen wir das bekannte Bild fortschreitender Emanzipation und Assimilation. Schon in der 1. H?lfte des 19. Jahrhunderts finden wir zwei in der Stadt allgemein angesehene j¨¹dische ?rzte (Wachsmann und Karfunkel), mehrere Fabrikbesitzer, aus der M¨¹hlenbesitzer Familie Stern kommt der sp?tere Nobelpreistr?ger f¨¹r Physik Otto Stern (1943 geboren in Sohrau). Auch in den Gremien der Stadtverwaltung finden wir fr¨¹h j¨¹dische Namen, und ebenso in verschiedenen st?dtischen Vereinen, z.B. Frauenverein und Freiwillige Feuerwehr. Im 18. Jahrhundert gab es noch die alten Strukturen in der Stadt Sohrau. Industrie ist ein handwerkliches Gewerbe, und die Z¨¹nfte kennzeichnen die Organisation des st?dtischen Lebens. Im 19. Jahrhundert ?ndert sich das Bild. Auch unter den in die Stadt ziehenden oder dort aufwachsenden Juden gibt es manche Handwerker, recht spezifisch f¨¹r Oberschlesien. ¨¹ber den beruflichen Werdegang meines Gro?vaters Ignatz Gr¨¹nfeld bis er sich 1855 in Kattowitz niederlie?, haben sich einige seiner Zeugnisse erhalten. Nur m¨¹ndlicher ¨¹berlieferung nach war er zun?chst als Lehrling bei dem ebenfalls j¨¹dischen Maurermeister Lubowski in Gleiwitz angestellt. 1847 ist er bereits Maurergeselle und arbeitet bei Maurermeister Petzholtz in Potsdam beim Kuppelbau der dortigen Nikolaikirche, danach weiter als Maurergeselle in Stettin (M¨¹nch) und Breslau (Hoseus), von 1850 als Maurerpolier in Gleiwitz (Wachter und Lubowski). Als Meisterbau wird im Zeugnis vom 16. September 1857 ein Wohnhaus f¨¹r Simon Goldstein in Kattowitz genannt, das sp?ter durch das Caf¨¦ Otto bekannt wurde, und heute noch mit Kawarnia Krysztalowa an der Hauptstra?e in Katowice steht. Seine Umwelt und Erfahrungen waren deutlich verschieden von denen des Lehrers A. Gr¨¹nfeld in Sohrau. Mit einigem Stolz wurde noch uns Enkeln erz?hlt, da? er in Potsdam an der Kuppel der Nikolaikirche gearbeitet hatte. Die "Wanderschaft" auch au?erhalb Oberschlesiens hatte sicher dazu beigetragen, seinen Blick zu erweitern f¨¹r die erfolgreiche Unternehmerschaft seiner sp?teren Jahre. Aber das Kattowitz, in dem er sich 1855 niederlie?, war zun?chst noch ein Dorf (13). Der benachbarte Bogutzker Hammer war seit 1756 nicht mehr in Betrieb. Diese Form der Eisengewinnung war gegen¨¹ber neueren Entwicklungen nicht mehr konkurrenzf?hig, sowohl wirtschaftlich wie in Qualit?t des Produkts, auch war die Beschaffung von Holz und Erz schwieriger geworden. 1799 wurde das Rittergut an Kommissionsrat Koulhaass verkauft, von dem es seine Tochter Frau Wedding erbte, und das sind schon Namen, die mit der rapiden Entwicklung des Berg- und H¨¹ttenwesens in Oberschlesien eng verbunden sind. Nachdem die aus England kommende sensationelle erste Dampfmaschine (sogar Goethe kam, sie zu besichtigen) auf einer Grube bei Tarnowitz 1788 und der erste Kokshochofen in Preu?en 1792/96 errichtet worden waren, kamen diese Entwicklungen noch n?her an Kattowitz durch den Bau der gleichfalls staatlichen K?nigsh¨¹tte (1798/1802), deren Direktor (bis 1818) H¨¹tteninspektor Wedding es unternahm, den Bogutzker Hammer durch Bau eines Hochofens zu modernisieren. Die Herrschaft erwarb 1839 Franz Winkler, Absolvent der Tarnowitzer Bergschule, nach einer schon erfolgreichen Karriere reich verheiratet. Er entwickelte entscheidende Initiative f¨¹r den wirtschaftlichen Fortschritt von Kattowitz und wurde 1840 geadelt. F¨¹r die Kontinuit?t der Verwaltung und des Beitrags zur Entwicklung von Kattowitz sorgte Winklers Studienfreund und Mitarbeiter Friedrich Wilhelm Grundmann, der sp?ter zusammen mit seinem in Kattowitz als Arzt niedergelassenen Schwiegersohn Dr. Holtze als Gr¨¹nder der Stadt Kattowitz, das hei?t, die Vork?mpfer f¨¹r die Stadtwerdung des Dorfes 1865 angesehen werden. Mein Gro?vater war also seit 1855 dort ans?ssig, und heiratete die 1837 im benachbarten Dorf Zalenze geborene Johanna Sachs, Tochter des Arendators der Gutsherrschaft Zalenze, Peretz Sachs (14). Die industrielle Entwicklung hatte sich durchaus nicht auf den Gutsbezirk Bogutzker Hammer mit Dorf Kattowitz beschr?nkt. Nach der K?nigsh¨¹tte war in Welnowiec 1809 die Hohenloheh¨¹tte mit Kokshochofen, dann an der Grenze zwischen Kattowitz, Zalenze und Domb 1828 die von dem Engl?nder John Baildon (15) erbaute Baildonh¨¹tte f¨¹r Stahlerzeugung in Betrieb gekommen und in Zalenze auch 1840 die Kohlengrube Kleofas von Giesche. Das Restaurant, das zur Arende meines Urgro?vaters Peretz Sachs geh?rte, konnte sich also auf ein wachsendes Publikum st¨¹tzen. Jakob Gr¨¹nfeld aus Sohrau, der j¨¹ngere Bruder meines Gro?vaters, heiratete eine andere Tochter, Maria, des Peretz Sachs, und ¨¹bernahm sp?ter das Restaurant. Es wurde als "Gr¨¹nfeld's Garten" f¨¹r viele Jahrzehnte sehr bekannt. Die Gro?mutter ging in den 1840er Jahren in Zalenze in die katholische Dorfschule. Ich habe versucht, mir im Zusammenhang mit dieser Familien¨¹berlieferung ein Bild von damaligen Schulverh?ltnissen zu machen. Dabei st??t man gleich auf die Sprachenfrage zwischen preu?ischer Verwaltung und stark polnisch sprechender Bev?lkerung. Ich habe keine Daten f¨¹r Zalenze gefunden, aber im benachbarten Dorf Kattowitz war 1827 eine zun?chst einklassige Schule er?ffnet worden, und zwar zweisprachig (16). Die Kinder von Kattowitz gingen vorher zur Schule in Bogutsch¨¹tz, die schon f¨¹r 1804 erw?hnt wird (17). Die preu?ische Politik gegen¨¹ber der gro?en polnischen Bev?lkerung, in den durch die Teilungen Polens zugefallenen Gebieten unterlag im 19. Jahrhundert mehrfachen Stimmungs- und Zielwechseln. Unter dem Einflu? der Stein-Hardenberg'schen Reformideen, besonders verk?rpert durch den Schulminister Altenstein, war die Einstellung konziliant gewesen (18). Er beg¨¹nstigte den Aufbau eines polnischen Schulwesens, vornehmlich in Posen, das ja ein Kernland des K?nigreichs Polen gewesen war. Der polnische Aufstand in Russisch-Polen 1830/31 f¨¹hrte zu einem v?lligen Umschwung gegen¨¹ber den Polen auch in Preu?en, der aber in den 1840er Jahren wieder einer liberaleren Haltung Platz machte. Die polnische Sache war ja zu einem Lieblingsthema der liberalen Freiheitsk?mpfer in Europa geworden, und der neue preu?ische K?nig Friedrich Wilhelm IV. entzog sich diesen Stimmungen nicht (19). Die polnische Bev?lkerung Oberschlesiens wird schon damals in diesen innerpreu?ischen Argumenten erw?hnt (20). Im M?rz 1848 geh?rte es jedenfalls auch zu den Ideen in der Paulskirche, da? mit der ersehnten deutschen Einigung auch die Teilung Polens r¨¹ckg?ngig gemacht werden sollte, in die sich Preu?en seinerzeit verwickelt hatte. Aber es kam ja 1848 nicht zu dieser deutschen Einigung. In Preu?en verst?rkten sich danach die antiliberalen Tendenzen wieder, und als es 1871 zur deutschen Einigung unter preu?ischer F¨¹hrung kam, gab das neue deutsche Nationalbewu?tsein der preu?ischen antipolnischen Politik sogar eine ganz neue Note. Es war nun nicht mehr nur die Loyalit?t der polnischen Einwohner gegen¨¹ber der preu?ischen Monarchie gefordert, sondern das Ziel mu?te ihre vollkommene Germanisierung sein. So versch?rfte sich zur Zeit Bismarck's die ganze Preu?ische Nationalit?ten- und Schulpolitik so rigoros wie sie dann sp?ter in Erinnerung geblieben ist. Es war ¨¹berdies auch die Zeit des "Kulturkampfes", dem sich die deutsche katholische Zentrumspartei ausgesetzt fand. Aus der offiziellen Politik verschwand der Sinn f¨¹r Berechtigung des Schutzes der gesamtpreu?isch gesehen nationalen und sprachlichen polnischen Minderheit, und aller staatlicher Schutz wurde dem wachsenden deutschen Bev?lkerungsanteil in den fraglichen Provinzen gegeben. Ein interessanter Gedanke von M.Broszat dazu ist (21), da? die Erwartung von Loyalit?t seitens der Minderheit f¨¹r die staatliche Oberhoheit eigentlich strikter Neutralit?t des Staates auch dort bedurft h?tte, wo es um die ?rtlichen Belange der deutschen Bev?lkerung ging. Aber die verblassende Staatsideen von Imperium und Krone waren eben von der Omnipr?senz nationalstaatlichen Denkens verdr?ngt worden, und das schien keinen Raum zu lassen f¨¹r Vorstellungen von pluralistischen Ordnungen auch f¨¹r das Zusammenleben von verschiedenen Nationalit?ten. Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts scheinen daran wenig ge?ndert zu haben, obwohl die Verwirklichung von Hoffnungen auf eine europ?ische Einigung davon abzuh?ngen scheint. Auf diesen Gedankenflug sind wir gekommen von der Vermutung, da? die Dorfschule meiner Gro?mutter m?glicherweise damals noch zweisprachig war. Ich wei? auch, da? beide Gro?eltern das oberschlesische Polnisch sprechen konnten; mein Vater erz?hlte, da? sie es benutzten, wenn ihre rein deutschsprachig aufwachsenden Kinder etwas nicht verstehen sollten. Das Dorf Kattowitz war in der 1.H?lfte des 19. Jahrhunderts erstaunlich gewachsen (22). 1846 wurde es eine wichtige Station der neuen Eisenbahn Breslau-Myslowitz als ein Umschlagplatz f¨¹r Zweigverbindungen zu einem gro?en Umkreis von vielen Gruben und Werken mit ihren zugeh?rigen Ortschaften. Schlie?lich war Kattowitz so gewachsen, da? es 1865 zu einer Stadt gemacht wurde. Dies geschah aber erst nach scharfen Auseinandersetzungen zwischen den alteingesessenen Dorfbewohnern und den Neuank?mmlingen. Unter der Dorfverfassung herrschte die "Gromada", die Versammlung der Grundbesitzer, also der alteingesessenen Bauern, d.h. G?rtnerstellenbesitzer und denjenigen unter den Neuzugezogenen, die unterdessen Hausbesitz hatten erwerben k?nnen. Urspr¨¹nglich kamen auch alle Gemeindesteuern nur von diesen Einwohnern, aber 1856 ?nderten sich die Steuergesetze, alle Einwohner zahlten Gemeindesteuern, aber die Dorfverfassung wurde nicht ge?ndert, und die immer noch von den polnisch sprechenden Bauern beherrschte Gromada konnte allein ¨¹ber die Verwendung der Einnahmen entscheiden. Unter einer st?dtischen Verfassung w?re das anders gewesen. F¨¹r ein Stadtparlament gab es das allgemeine Wahlrecht nach dem preu?ischen Dreiklassenwahlrecht mit Stimmen zugunsten der h?heren Einkommen gewogen. Der Streit mit der Gromada kam, weil es unter den Neuank?mmlingen viele Anspruchsvollere und Besserverdienende gab mit eigenen Ideen allein schon ¨¹ber Stra?enpflasterung und Beleuchtung etc. F¨¹r die eingesessenen Bauern h?tte es schon eine naheliegende Idee sein k?nnen, da? der Ort mit den Gegebenheiten und Anforderungen der gro?en industriellen Entwicklung zum eigenen Nutzen Schritt halten sollte. War nun b?uerlicher Widerstand dagegen und gegen Erwerb der Stadtrechte eine ganz ¨¹bliche Situation und aus dem Gegensatz der sachbezogenen Interessen beider Seiten gut verst?ndlich, oder war es eine besondere Situation durch die nationalen Gegens?tze in Oberschlesien? Vom heutigen Blickpunkt des sp?ten 20. Jahrhunderts k?nnte man auch sagen, diese Bauern waren anscheinend ganz fr¨¹he Umweltsch¨¹tzer, die ihre Dorfwelt nicht von der sich breitmachenden Industrie verdr?ngt sehen wollten. Aber wie so oft, die deutschpolnische Spannung wird hier, sowohl von Zeitgenossen, wie in sp?teren R¨¹ckblicken, von beiden Seiten als der Hauptgrund angef¨¹hrt. Schon Dr. Holtze berichtet in seiner Stadtgeschichte von 1871, da? die polnischen Bauern alle Forderungen der, wie sie sagten, "Deutschen und Juden" mit einem "nie chca" ablehnten, und der Gymnasialdirektor G.Hoffmann kommentiert in seiner Stadtgeschichte von 1895 dazu: "Es war eben der Widerstand des polnisch-b?uerlichen Elements gegen den von deutscher und j¨¹discher Seite vertretenen Fortschritt" (23). Heutige polnische Stimmen aus Katowice erinnern an den Widerstand der Bauern gegen die Germanisierungstendenzen der Neuank?mmlinge, denen allein die Verleihung der Stadtrechte dienen sollte, und an den letzten polnischen Dofschulzen Kazimierz Skiba, der bis 1859 20 Jahre im Amt gewesen war, f¨¹r polnische Sprache und Schule gek?mpft und eine gro?e polnische Bibliothek f¨¹r sich gesammelt habe (24). Also wird seiner jetzt als Seele des damaligen nicht nur b?uerlichen, sondern nationalen polnischen Widerstands gegen die Stadtwerdung gedacht. Inzwischen ist das kleine Dorf aber nicht nur zur Hauptstadt Oberschlesiens, sondern auch zu einer der bedeutendsten St?dte des heutigen Polen mit etwa 500.000 Einwohnern angewachsen. Deutsche und Juden werden dabei zwar separat identifiziert, aber sitzen auf derselben Bank als Gegner der urspr¨¹nglichen Dorfbewohner. Obwohl Juden schon 1702 und 1737 erw?hnt sind, wird als erster j¨¹discher Ansiedler im Dorf Kattowitz Hirschel Fr?hlich erw?hnt (25), der 1825 die Arrende pachtete. Seinen Sohn Heimann Fr?hlich finden wir prominent in den Berichten ¨¹ber den Streit zwischen Bauern und Zuz¨¹glern, der sich von 1859 bis zur Stadtwerdung 1865 hinzog. Als mein Gro?vater 1855 nach Kattowitz zog, lebten dort unterdessen 105 j¨¹dische Personen, 1865 waren es 573 unter 4815 Einwohnern, also 11. 9%, ihr Anteil an den Gemeindesteuern aber betrug 36.7% (26). Durch die Industrialisierung und als Folge der j¨¹dischen Emanzipation zogen die sich st?rker entwickelnden Industriest?dte viele Juden aus kleineren oberschlesischen St?dten und D?rfern an. Kattowitz, die sich so rasch entwickelnde Industriegemeinde, bis dahin ohne gr??eren eingesessenen B¨¹rgerstand bot ihnen besonders guten Raum f¨¹r Tatkraft und Profilierung. Der Geist der Emanzipation, wie ¨¹berall in Europa, mit der Anziehung an Leben und Kultur der Umwelt aktiv teilzunehmen und sich in sie mehr zu integrieren, f¨¹hrte im damaligen Oberschlesien zu j¨¹discher Hinneigung und zunehmender Identifizierung mit dem deutschen Element. Das war ja vielerorts so im ?stlichen Mitteleuropa; f¨¹r Kattowitz ist mir aufgefallen, da? dieses Zusammenleben damit auch angefangen hatte, da? sie zusammen auf einer Bank gesessen und den Kampf um die Stadtwerdung gef¨¹hrt hatten. Ein Argument f¨¹r das preu?ische Dreiklassenwahlrecht f¨¹r Stadtparlamente war, da? die beruflich und wirtschaftlich Erfolgreichsten auch zur Leitung der Geschicke einer Stadt beigezogen werden sollten. In vielen Teilen Preu?ens f¨¹hrte dies zu einem verh?ltnism??ig hohen Anteil von Juden in Stadtparlamenten. Sie m¨¹ssen sich auch unter ihren Kollegen recht oft ausgezeichnet haben, denn oft wurde ein Jude zum Stadtverordnetenvorsteher gew?hlt. Das war nicht nur so in Oberschlesien, wir finden es auch in Breslau und Berlin. Im jungen Kattowitz war ihr Anteil in der Bev?lkerung und in st?dtischen Organen noch h?her als in anderen oberschlesischen St?dten und wuchs noch nach der ersten Wahl von 1866 (27), bei der unter den ersten 18 gew?hlten Stadtverordneten sieben Juden waren (28), darunter auch Ignatz Gr¨¹nfeld, der bis zu seinem Tod 1894 Stadtverordneter blieb. Der Bruder meiner Gro?mutter, Elias Sachs, wurde noch aktiver in der Stadtverwaltung. Nach einer fr¨¹hen meteorischen Karriere, er fing an mit dem Sammeln von Pferdekutteln als Brennstoff und Bindemittel f¨¹r die H¨¹ttenindustrie, dehnte das auf bedeutenden Kohlenhandel aus, gr¨¹ndete das erste Bankgesch?ft in Kattowitz und beteiligte sich mit zwei anderen Kattowitzer Stadtverordneten, Rosse und Hammer, an der Gr¨¹ndung der Kattowitzer AG f¨¹r Eisenh¨¹ttenbetrieb in Hajduck (28), in deren Aufsichtsrat er bis zu seinem Tod in Berlin 1908 aktiv blieb. Er war seit 1872 Stadtrat in Kattowitz und wurde 1892 vor seinem Wegzug nach Breslau zum Stadt?ltesten ernannt. Das von meinem Gro?vater Ignatz Gr¨¹nfeld gegr¨¹ndete Baugesch?ft war auch sehr erfolgreich. Es wurde unter seinem Namen noch bis in die 1930er Jahre fortgef¨¹hrt (29). In dem steten Wachstum der Stadt Kattowitz hatte es noch zwei neue Entwicklungen gegeben, die ihre zunehmende Bedeutung innerhalb des oberschlesischen Industriebezirks kennzeichnen. 1882 wurde der Sitz des Oberschlesischen Berg- und H¨¹ttenm?nnischen Vereins, der Zentralorganisation der oberschlesischen Schwerindustrie von Beuthen nach Kattowitz verlegt, und 1895 wurde Kattowitz zum Sitz der neuzubildenden eigenen Eisenbahndirektion f¨¹r den oberschlesischen Industriebezirk bestimmt. Dem gingen l?ngere Verhandlungen mit der Stadtverwaltung voran, die Schaffung des notwendigen Wohnraums f¨¹r die neuen Beamten garantieren mu?te. Hierbei soll mein Gro?vater noch auf Seiten der Stadtverwaltung eine aktive Rolle gespielt haben. Von den sechs S?hnen des Ignatz Gr¨¹nfeld w?hlten zwei auch das Baufach. Der zweit?lteste, Max, studierte Architektur und blieb im Regierungsdienst, kehrte dann als Regierungsbaumeister a.D. nach Kattowitz zur¨¹ck. Der dritt?lteste, mein Vater Hugo Gr¨¹nfeld, besuchte die Baugewerkschule und trat dann mit dem Titel Baumeister noch sehr jung in das Baugesch?ft seines Vaters ein. Nach dem Tod meines Gro?vaters 1894 f¨¹hrten diese beiden Br¨¹der sein Baugesch?ft weiter und wurden auch in ?mter in der Stadtverwaltung gew?hlt. Max war einige Jahre als Stadtbaurat Mitglied des Magistrats, mein Vater wurde Stadtverordneter (30). Wie weit die Parteipolitik Deutschlands schon im 19. Jahrhundert zu Zeiten meines Gro?vaters eine Rolle bei Stadtparlamentswahlen in Kattowitz gespielt hat, konnte ich nicht mehr feststellen. Die liberalen b¨¹rgerlichen Kreise in Deutschland hatten sich nach 1848 in verschiedene Richtungen entwickelt: die Nationalliberalen wurden ganz systemtreu auf Seiten Bismarcks, die Freisinnige Volkspartei stand, mehr fortschrittlich, links davon, also blieben die eigentlichen Vork?mpfer der 1848er Ideale. Rechts von den Nationalliberalen gab es dann noch die Konservativen und Alldeutschen als radikale Nationalisten. Die f¨¹hrenden Leute der oberschlesischen Schwerindustrie geh?rten zum mehr rechtsgerichteten Lager der Nationalliberalen, wenn nicht noch weiter rechts, und die gro?e gut etablierte Tageszeitung "Kattowitzer Zeitung" stimmte mit dem vorherrschenden Trend von Industrie und Beamtentum ¨¹berein. Das freisinnige B¨¹rgertum hatte ja in der Stadtverwaltung von Kattowitz eine starke Stellung, ebenso wie in Breslau und Berlin, aber dort gab es auch freisinnige Zeitungen (die "Breslauer Zeitung" und mehrere sehr bekannte in Berlin). Bei den beiden Br¨¹dern Gr¨¹nfeld war das politische Engagement zu Beginn des Jahrhunderts jedenfalls schon sehr ausgesprochen. Sie unternahmen einen Versuch, im "0berschlesischen Tageblatt" eine den Gedanken der Freisinnigen Partei ergebene Zeitung aufzubauen. Als Redakteur war Balder Olden, Bruder des sp?ter bekannter gewordenen Schriftstellers und Journalisten Rudolf Olden, engagiert worden. Die Zeitung konnte sich aber nicht halten, und mu?te mit 300.000 Mark Verlust aufgegeben werden, wie mir mein Vater erz?hlt hat. Das gro?v?terliche Baugesch?ft hatte sich aber weiter gut entwickelt. Ein neuer Zweig, Lieblingsprojekt meines Vaters, war eine gro?e Ziegelei, die 1895 im Gebiet des fr¨¹heren "Vorwerks" von Kattowitz, Karbowa, ausgestattet mit den letzten technischen Neuerungen gebaut wurde, auch f¨¹r Spezialprodukte wie glasierte Ziegel und andere Ziersteine, die man noch heute an manchen Fassaden in Katowice sehen kann. Daneben wurde auch eine Bautischlerei und Schmiedewerkstatt er?ffnet. Mein Onkel Max Gr¨¹nfeld aber zog dann schon fr¨¹h nach Berlin und er?ffnete eine Filiale der Firma, die dort eine ganze Reihe von Wohnh?usern baute, vor allem in Charlottenburg und Wilmersdorf, aber eins auch Unter den Linden. Er praktizierte auch als Architekt, wurde ein sehr aktiver und prominenter Freimaurer, baute auch das bekannte Logenhaus in der Emser Stra?e in Wilmersdorf. Er heiratete erst im Alter, 1925, hatte sich schon vorher aus dem Gesch?ft zur¨¹ckgezogen und starb 1932 in Berlin. Von den vier anderen Br¨¹dern meines Vaters waren zwei Mediziner, der ?lteste, Hermann, als praktischer Arzt in Berlin-Kreuzberg (31), und Ernst (32) orthop?discher Chirurg in Beuthen. Die anderen zwei studierten Jura, Bruno war Justizrat in Berlin, aber der j¨¹ngste, Paul, trat nach seinem Studium in die Erzhandelsfirma Rawack & Gr¨¹nfeld in Beuthen ein, beteiligte sich sp?ter an einer chemischen Fabrik in N¨¹rnberg, aus der sich die Gesellschaft f¨¹r Elektrometallurgie (GfE), f¨¹hrend in der Ferrolegierungsindustrie, entwickelte. Er war ein sehr unternehmerischer und weitsichtiger Mann, in einem Industriezweig, der im Laufe des 20. Jahrhunderts gro?e Bedeutung und M?glichkeiten errang. Von den vier Schwestern des Vaters heirateten drei Juristen, Martha den Justizrat Ernst Kaiser in Beuthen, Minna den Justizrat Salomon Epstein in Kattowitz, wo er auch bis zu seinem fr¨¹hen Tod 1908 kurze Zeit Stadtverordnetenvorsteher wurde, und Luzie den Landgerichtsrat Max Hirschel in Gleiwitz. Die j¨¹ngste Tochter, Ida, heiratete Felix Benjamin, einen Neffen des Geheimen Kommerzienrats Louis Gr¨¹nfeld, Chef der Firma Rawack & Gr¨¹nfeld, dessen Nachfolger er auch wurde. Die Familien Gr¨¹nfeld und Sachs waren aber noch viel gr??er. Jakob Gr¨¹nfeld in Zalenze hatte acht T?chter und zwei S?hne, Elias Sachs vier S?hne und Tochter Grete, und es gab noch einen Bruder Abraham und weitere Schwestern Sachs meiner Gro?mutter. Heirat meines Vaters mit Margarete Oettinger Mein Vater war lange Junggeselle geblieben, bis er 1906 mit 41 Jahren meine Mutter, die 18 Jahre j¨¹ngere Margarete Oettinger aus Breslau heiratete. Ihre Familie kann ich bis auf meinen Ururgro?vater Josef Oettinger in Rackwitz (Rakoniewice) in der Provinz Posen verfolgen (33). Einer seiner S?hne, mein Urgro?vater Albert, wurde Arzt, promovierte an der Universit?t Berlin 1835 (34), und lie? sich in Neustadt bei Pinne (Lwowek) nieder, verheiratet mit Ettel Schiff (35). Das Ehepaar hatte drei S?hne und eine Tochter, die den Arzt Dr. Riesenfeld in Breslau heiratete. Alle drei S?hne gingen auch nach Breslau und mein Urgro?vater starb dort 1860. Bei seinem ?ltesten Sohn Richard war ungew?hnlich, da? er als Junge bei einem der polnischen Aufst?nde mitgemacht haben soll. Dann heiratete er eine deutsche, nichtj¨¹dische Schauspielerin, war im Flachsgro?handel sehr erfolgreich, so da? er zeitweilig als der reichste Mann Breslaus angesehen wurde. Sein Sohn, Richard, wuchs als Protestant auf und war Rittmeister bei den Gleiwitzer Ulanen. Die beiden anderen S?hne, Siegmund und mein Gro?vater Max Oettinger, gr¨¹ndeten zusammen ein Flachsgro?handelsgesch?ft und brachten es zu Wohlstand, Siegmund sp?ter in Berlin. Mein Gro?vater f¨¹hrte das Gesch?ft in Breslau weiter, wo er auch ein angesehener Mitb¨¹rger wurde, viele Jahrzehnte Stadtverordneter, einer von vier Abgeordneten der Stadt Breslau im Schlesischen Provinziallandtag und lange Jahre Direktor der "Gesellschaft der Freunde", einer b¨¹rgerlichen Vereinigung, in der die liberalen Kreise zusammengeschlossen waren, im Gegensatz zu der bekannten sehr alten Kaufmannsvereinigung des "Zwinger". Er heiratete Minna Weinstein aus Insterburg in Ostpreu?en, wo ihr Vater Direktor einer Spinnerei war (36). Meine Mutter war das j¨¹ngste der drei Kinder. Die ?ltere Schwester Frieda war verheiratet mit Dr. Paul Gerber in K?nigsberg, Arzt und auch Schriftsteller (37), Mutters Bruder Walter Oettinger war Arzt, Bakteriologe, au?erordentlicher Professor an der Universit?t Breslau (38). Die Geschwister und einige der Vettern und Kousinen meiner Mutter wurden protestantisch. Eine der engsten Freundinnen meiner Mutter in ihrer sp?ten Jungm?dchenzeit in Breslau war Stella Whiteside, sp?ter verheiratet mit Dudley Braham, eine von zwei englischen Schwestern, die damals in Schlesien lebten und englischen Unterricht gaben. Sie hat mir viel sp?ter, als ich sie nach dem 2. Weltkrieg in London wiedersah, erz?hlt, da? sie dabei war, als meine Eltern sich zum ersten Mal sahen (39). Kapitel 3 Kindheit und fr¨¹he Jugend Nachdem ich nun versucht habe, ein Bild von Vorgeschichte und "background" zu skizzieren, kehre ich wieder zu meinen eigenen Kindheits- und Jugenderinnerungen zur¨¹ck, mit denen wir begonnen hatten. Wir wohnten in einer gro?en Villa, von der Friedrichstra?e, Hauptverkehrsader der Stadt, durch einen Vorgarten, mit B?umen und Str?uchern dicht bewachsen, Blumenbeten und Spazierwegen dazwischen, abgeschirmt. Im ersten Stock war aber auf diesen Garten und die Friedrichstra?e hinaus ein gro?er Balkon, von dem man die Stra?e gut sah und so am Leben, das da vor sich ging, Anteil nehmen konnte. Da zogen vorbei die j?hrliche gro?e Fronleichnamsprozession und andere festliche Umz¨¹ge, viele lange Beerdigungsz¨¹ge, oft mit ein oder mehreren Musikkapellen, manchmal Gruppen von sch?n uniformierten Bergleuten dabei, Truppen marschierten ein und aus, Demonstrationen und auch Schlimmeres. Gegen¨¹ber unserem Vorgarten, an der anderen Ecke der Schulstra?e lag die evangelische Kirche, auch mit gro?em Vorgarten, aber doch so, da? das Kommen und Gehen auch zu unserer kindlichen Umwelt geh?rte, ebenso wie bei den beiden Mittelschulen uns gegen¨¹ber an der Schulstra?e. Westlich angrenzend, an der Friedrichstra?e, war in meiner fr¨¹hen Kindheit das Haus der Gro?eltern Gr¨¹nfeld, 1870 gebaut, in dem bis 1913 die Gro?mutter wohnte, mit zwei verwitweten Schwestern des Vaters und deren Kindern. N?rdlich von beiden H?usern zog sich ein gro?er Garten bis zum Rawaflu? hin, mit einer Spielwiese an der Rawa, einem Tennisplatz, viel Obstb?ume und Gem¨¹segarten, Holunder, Jasmin und dann waren da auch St?lle f¨¹r die Pferde und Haustiere. Wir Kinder hatten also ein Paradies und immer viel Besuch von anderen Kindern, die beinahe t?glich zum Spielen kamen. Auch sonst war immer viel Besuch. Das Haus war nicht leer, denn es brauchte ja viel Hilfe, und diese Menschen waren auch Teil der kindlichen Welt. Unser Haus hatte 14 Zimmer und war nicht nur in meiner Erinnerung, sondern auch nach dem Urteil vieler Besucher, die kamen, ein besonders sch?nes Haus. Im Erdgescho? zog sich eine gro?e Diele beinahe durch die ganze L?nge des Hauses, links waren ein E?zimmer, mit angrenzender Anrichte, K¨¹che etc., rechts drei weitere Wohnr?ume, Herrenzimmer, Salon und Damenzimmer. Im 1.Stock waren die Schlaf- und Kinderzimmer und zwei G?stezimmer. Da das Haus so gro? war, hatten wir von bald nach Kriegsbeginn dauernd Einquartierung. Das zog sich bis etwa 1925 hin, und die Wechsel der politischen Geschicke spiegelten sich auch f¨¹r uns Kinder dabei wieder. Wir waren aber gar nicht auf das Haus und den gro?en Garten begrenzt. Spazierengehen spielte eine gro?e Rolle. 1910 wurde meine Schwester Lotte und 1912 Marianne geboren, wir waren dann zu dritt, auch hatten wir f¨¹r lange Zeit immer ein Kinderfr?ulein. Bei der Ziegelei der v?terlichen Firma drau?en in Karbowa war auch ein Garten eingerichtet, haupts?chlich Gem¨¹segarten, auch mit Obst und Beeren. Morgens wurde wochentags immer ein Spaziergang nach Karbowa gemacht, oft mit der Mutter, dann spielten wir morgens dort und gingen zum Mittagessen wieder nach Haus. Das waren diese Spazierg?nge durch die Felder zwischen Kattowitz und dem "Vorwerk" Karbowa, wo man mit den Bauern und B?uerinnen bekannt wurde, die meist polnisch sprachen, aber mit uns deutsch. Wir machten aber auch Spazierg?nge in den "S¨¹dpark" von Kattowitz oder in die Stadt. Zu fr¨¹hesten Erinnerungen geh?rt ein Besuch bei uns von Mutters englischer Freundin Stella Braham mit Sohn Harold, wenig ?lter als ich. Es verwirrte mich, als er in meiner Badewanne gebadet wurde. Dann erinnere ich mich auch an verschiedene Einzelheiten von Ferien in Rauschen in Ostpreu?en im Sommer 1912, so auch wie wir in K?nigsberg bei den Verwandten Gerber im Garten sa?en und der Onkel Paul Gerber dazukam und wir ihm Guten Tag sagten. Das sind solche blitzartigen Erinnerungen einzelner Szenen aus kindlicher Vergangenheit. Zu den Erinnerungen aus fr¨¹hester Kindheit geh?ren auch die regelm??igen Besuche bei den Gro?eltern Oettinger in Breslau. Damals fuhren wir immer mit dem Zug, erst einige Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurde das auch schon mal im Auto gemacht. Die Gro?mutter holte uns am Bahnhof ab, und wir fuhren in einer Droschke in die Wohnung der Gro?eltern. Die Gro?mutter war immer ganz au?er sich, wenn wir ankamen, und ¨¹berfiel uns mit vielen K¨¹ssen. Sie war eine sehr lebhafte und, ich glaube, recht kaprizi?se Frau, hielt immer viel auf elegantes Aussehen und elegante Kleidung. Mutters sowohl wie unsere Kindergarderobe wurde immer als recht unzureichend empfunden, und es folgten gro?e Einkaufsexpeditionen in Breslau, wo es ja auch gr??ere und elegantere Gesch?fte als in Kattowitz gab. Meine Mutter war weit weniger modebewu?t als die Gro?mutter, ja ihr lag eigentlich viel eher eine betonte Einfachheit, so mu?ten diese Einkaufsexpeditionen ihr manchmal aufgezwungen werden, aber die Gro?mutter war sehr lebhaft und energisch. An den Gro?vater erinnere ich mich als sehr ruhig, ausgewogen und verst?ndnisvoll, er konnte auch manchmal sehr b?se werden, das war dann schlimmer, als wenn er es immerfort beim kleinsten Anla? geworden w?re. Er bleibt mir von fr¨¹hester Kindheit an in sehr lieber Erinnerung. In unserem Leben in Kattowitz gab es dann, bis ich Ostern 1915 in die Schule kam, zwei einschneidende Ereignisse. Zun?chst in der Familie: Im Herbst 1913 starb die Gro?mutter Gr¨¹nfeld. Der Gro?vater war schon 1894 gestorben, ich hatte ihn nur von den gro?en Portraits gekannt, die in Wohnung und B¨¹ro des Vaters hingen. Auch die Gro?mutter Gr¨¹nfeld habe ich nur wenig gekannt. Wenn wir sie besuchen durften, sa? sie fast immer in einem Sessel. Ich wei?, da? ich sie gerne besuchte und da? es mich beeindruckte, aber meine Erinnerungen bleiben vage. Meine Tante Grete Gr¨¹nfeld, Tochter des Bruders der Gro?mutter des Elias Sachs, und sp?ter nicht nur ihre Nichte, sondern auch ihre Schwiegertochter, als sie den j¨¹ngsten Bruder des Vaters, Dr. Paul Gr¨¹nfeld heiratete, beschreibt die Gro?mutter Gr¨¹nfeld als "eine sch?ne, naturhaftkraftvolle und dominierende Pers?nlichkeit" und dann noch: " Die gro?e Verwandtschaft. .. vereinigte sich im sch?nen Gr¨¹nfeldschen Heim in Kattowitz beim allw?chentlichen Freitagabendessen um die dominierende Schwiegermutter. Diese naturhafte Frau str?mt in meiner Erinnerung immer noch einen Waldduft aus, den sie von ihren allt?glichen Spazierg?ngen mitbrachte. Zu ihrer au?erordentlich kraftvollen Konstitution hatte ihr das Schicksal den "sacro egoismo"...mitgegeben. Sch?nes Haus, pr?chtiger Garten, reichliche Dienerschaft hielten sie nicht ab, allj?hrlich viele Monate in ihrem geliebten Marienbad zu verbringen, wo die Kinder sie abwechselnd besuchten. Niemand konnte ihrer imponierenden Pers?nlichkeit etwas versagen oder sie beeinflussen". Das Haus der Gro?eltern aber war mir ganz vertraut, der Garten war ja gemeinsam, und da war ein gro?es Maigl?ckchen Beet, das sie besonders liebte, und ich erinnere mich auch, da? sie in den Garten kam. Die verwitweten T?chter, die mit ihr im gro?elterlichen Haus lebten, waren Lucie Hirschel, deren Mann, Landgerichtsrat Max Hirschel, 1904 in Gleiwitz starb, mit den zwei noch jugendlichen Kindern Hans und Gretel, und Minna Epstein, deren Mann Justizrat Salomon Epstein, seinerzeit auch Stadtverordnetenvorsteher von Kattowitz, 1909 dort starb. Von ihren zwei schon erwachsenen T?chtern wollte die j¨¹ngere Ellen Pianistin werden, die ?ltere Margot war im Pestalozzi-Froebel Haus in Berlin als Kinderg?rtnerin ausgebildet und hielt einen gro?en Kindergarten im Hause ab. Fr¨¹he Versuche, mich dort hinein zu bringen, scheiterten. Es tut mir noch jetzt leid. War ich so scheu oder so schwierig? Ich bin doch dann ein sehr geselliger und jedenfalls Gesellschaft suchender Mensch geworden. Ich erinnere mich auch an ein Gartenfest, zu dem die Gro?mutter einlud. Wir kleinen Kinder nahmen eigentlich nicht teil, aber am Anfang durften wir es uns ansehen. Es war ein Kost¨¹mfest mit vielen Lampions und Musik. Gretel Hirschel f¨¹hrte uns hin, nachdem wir vorher noch gesehen hatten, wie sie ihr Kost¨¹m anzog. Sie war einige Jahre ?lter als ich, ich war noch nicht f¨¹nf Jahre. Bei dem Fest war viel Jugend. Die beiden Epstein T?chter und die Geschwister Hirschel und ihre Freunde machten ¨¹berhaupt den Garten belebter, und es wurde auch viel Tennis gespielt. Als ich gerade 5 Jahre war, starb die Gro?mutter Gr¨¹nfeld. Es wurde uns zun?chst nichts gesagt. Aber an einem Nachmittag sollten wir ins Nebenhaus gehen, es gab einen direkten Durchgang von unserem E?zimmer in eine Art Loggia im Gro?elternhaus. Es waren furchtbar viel Menschen dort, viel Fam¨¬lie, und Tante Lucie Hirschel begr¨¹?te uns, ich fragte nach der Gro?mutter, und sie machte eine Handbewegung zur Decke hinauf. Jetzt verstand ich, Gro?mutter war nun im Himmel. Das wu?te ich also schon vom Tode. Man hatte tote Tiere gesehen, es gab so oft Beerdigungsz¨¹ge, auf unserem Weg nach Karbowa kam man am evangelischen und am katholischen Friedhof vorbei, wir gingen mit dem Kinderfr?ulein auch manchmal da durch. Am katholischen brannten zu Allerheiligen und Allerseelen auf allen Gr?bern kleine Kerzen, ein starker Eindruck schon der fr¨¹hesten Jugend. Der j¨¹dische Friedhof lag ganz woanders, es dauerte noch lange, bis ich davon wu?te. Religion wurde im Elternhaus nicht sehr gro? geschrieben. Wir lernten, ein Nachtgebet zu sagen, nicht nur das Kinderfr?ulein, auch die Mutter hielten darauf, da? wir es nicht verga?en, es wurde Weihnachten mit gro?em Baum und viel Kerzen und Geschenken gefeiert f¨¹r uns Kinder und nat¨¹rlich das Hauspersonal mit Familien, und noch Verwandte oder Bekannte, die dazu kamen. Aber ich habe eigentlich keine Erinnerung, da? der liebe Gott selbst dabei so eine Rolle spielte. Da? wir j¨¹disch waren, erfuhr ich eines Tages eigentlich durch Zufall, ohne eine Vorstellung zu haben oder je geh?rt zu haben, da? es so etwas gab oder was es bedeutet. Es war ein Tag des Gro?reinemachens gewesen, und unsere Matratzen und Bettzeug lagen alle auf unserem Balkon und ein Teppichklopfer auch. Es war Sp?tnachmittag, als ich auf den Balkon kam und nicht widerstehen konnte, mit dem Teppichklopfer auf die Matratzen einzuhauen, so wie ich es vorher von den Hausm?dchen gesehen hatte. Ich war wohl grade sechs Jahre. Da kam das Kinderfr?ulein ganz aufgeregt, ich mu? sofort aufh?ren, was sollen denn die Leute drau?en denken, der j¨¹dische Feiertag hat doch schon angefangen und siehst Du, dort auf der Stra?e geht grade Dein Vater vorbei auf dem Weg in die Synagoge. Und richtig, er ging dort im Zylinderhut und schwarzem Gehrock. Am n?chsten Tag war Vater noch einmal gegangen, und ich sah den Zylinder unten in der Diele liegen. Ich wei? nicht, was und wieviel mir die Eltern damals erkl?rten. Es war mir in sp?terer Zeit klar, da? es der Vers?hnungstag war und der Vater am Vorabend zum KolNidre Gottesdienst gegangen war. Etwas mehr von der Bedeutung von Religion und, da? wir j¨¹disch waren, sollte mir eigentlich erst klar werden, als ich Ostern 1915 in die Schule und damit auch zu j¨¹dischem Religionsunterricht kam. Nach dem Tod der Gro?mutter gab es gro?e Ver?nderungen. Von ihren zehn Kindern hatten mein Vater und zwei schon erw?hnte Schwestern in Kattowitz gewohnt, die ?lteste Schwester Martha Kaiser und der j¨¹ngere Ernst, orthop?discher Chirurg lebten in Beuthen, und dort lebten auch die beiden j¨¹ngsten Kinder, Dr. Paul Gr¨¹nfeld, Direktor bei der Erzhandelsfirma Rawack & Gr¨¹nfeld und Ida Benjamin, deren Mann Felix Benjamin bei Rawack und Gr¨¹nfeld f¨¹hrend wurde. Rawack & Gr¨¹nfeld hatte beschlossen, ihren Hauptsitz von Beuthen nach Berlin zu verlegen, und die beiden Familien Paul Gr¨¹nfeld und Felix Benjamin sollten Anfang 1914 nach Berlin ziehen. Nun nach dem Tod der Gro?mutter wurde das gro?elterliche Haus verkauft und zwar an die Deutsche Bank, und die beiden Tanten mit ihren Kindern zogen auch nach Berlin. Also von den zehn Geschwistern blieben nun nur noch drei in Oberschlesien. F¨¹r meine Eltern war das wohl noch eine viel gr??ere Ver?nderung als f¨¹r uns Kinder. Meine Mutter hatte sich mit Margot Epstein angefreundet, die auch sp?ter zu Besuch kam oder mit Mutter und uns auf Ferienreisen ging. Die Deutsche Bank baute lange um, ihr Direktor war Herr B?hnert, und die B?hnerts, die dann im 1.Stock im Nebenhaus wohnte, hatten zwei Kinder, Horst und Vera, in Lottes und meinem Alter, und wir haben dann viel mit ihnen gespielt. Das weitere Ereignis, das dann kam, war einschneidender in viel weiterem Sinn, der Ausbruch des 1.Weltkriegs. Ich hatte schon in den Tagen vorher etwas von Krieg geh?rt, es war eine gro?e Spannung, und man sp¨¹rte Angst und Aufregung in der Umgebung. Am Tag davor, als wir in der Stadt waren, lief ein ?lterer Offizier mit einem dicken roten Streifen an den Hosen, wie ich sie noch nie gesehen hatte, es war ein Generalstabsoffizier, wurde gesagt, ganz schnell ¨¹ber die Stra?e, und die Mutter sagte, na da wird es wohl Krieg geben, wenn der es so eilig hat. Die Szene ist bei mir immer mit der Erinnerung an den Kriegsausbruch verbunden geblieben. Am n?chsten Tage war es nun Krieg. Es wurden so viele Leute, auch aus unserer Bekanntschaft in Kattowitz eingezogen. Vater war bald 49 Jahre und war dispensiert. Auch hie? es, alle guten Pferde m¨¹?ten abgegeben werden. Wir fuhren mit den Eltern nach Karbowa am Bezirkskommando des Milit?rs vorbei, mein Vater hatte es gebaut, und man winkte, da? wir mit den Pferden gleich hineinfahren sollten. Das tat mein Vater nicht, aber dann mu?ten wir die Pferde doch bald abgeben. Sie hie?en Wolfram und Ingram und ich war ihnen sehr zugetan. Sie geh?rten sehr zu unserem Leben, und wir besuchten sie oft in ihrem Stall. Nun war ich untr?stlich. Bald erkundigte ich mich, ob man geh?rt hat, wie es ihnen geht. Man hatte noch nichts geh?rt, aber dann sagte der Diener Karl Glowig zu jemandem so zur Seite, wahrscheinlich sind sie schon l?ngst zerschossen. Wieder eine merkw¨¹rdige Erinnerung an die ersten Kriegswochen, aber nichts hatte mir zun?chst so klar gemacht, als die Seitenbemerkung, die ich nicht h?ren sollte, was der Krieg ist. Dabei brauchte es dies sehr bald nicht mehr. Der russische Vormarsch in Ostpreu?en war durch die Schlacht bei Tannenberg aufgehalten worden, aber im S¨¹den waren die Russen in Galizien gegen die ?sterreicher f¨¹r l?ngere Zeit erfolgreich und versuchten auch nach Schlesien vorzudringen. Wir h?rten Kanonenfeuer, wie es hie? von Olkusz, die Stadt f¨¹llte sich mit Verwundeten, Hilfslazarette wurden uns gegen¨¹ber in den Mittelschulen eingerichtet, man sah viel mehr Soldaten in der Stadt und wir bekamen Einquartierung. Ein oder beide G?stezimmer waren dann w?hrend des ganzen Kriegs von deutschen Offizieren als Einquartierung belegt, aber die erste, an die ich mich gut erinnere, war viel gr??er. Im Erdgescho? wurden Salon und Damenzimmer dem Oberstleutnant v.d.M?lbe und seinem Stab ¨¹berlassen, der vor¨¹bergehend mit Truppen in Kattowitz inmitten der Krisensituation stationiert war. Schon Tage vorher hatte es gehei?en, da? wir alle nach Berlin abreisen m¨¹?ten, es wurden gro?e Kabinenkoffer herausgeholt und provisorisch gepackt. Die beiden Wohnzimmer, in denen die Offiziere waren, gingen durch eine weite Schiebet¨¹r, die meist offen war, in unsere gro?e Diele, es war ein Kommen und Gehen. Einmal kam ein neuer Offizier zu den Eltern, wurde dem Oberstleutnant vorgestellt, der sehr erstaunt war. Erst viel sp?ter wurde mir erkl?rt, der war auf Veranlassung von Onkel Walter Oettinger gekommen, der hatte seine Stellung an der Universit?t Breslau aufgegeben und war damals als Stabsarzt im nahen Oppeln stationiert. Er lie? sagen, wie man die Lage in Oppeln sah, sollten wir nach Berlin abreisen. Er hatte ja nicht gewu?t, da? wir unterde? auch so gut informierte Einquartierung hatten. Die waren dann der Ansicht, da? die Gefahr weiteren russischen Vordringens einstweilen behoben sei, und wir blieben. Aber der Alarm wiederholte sich noch mehrmals, und die Koffer blieben einige Zeit gepackt. Die v.d.M?lbe Einquartierung, die sich meinem Ged?chtnis so eingepr?gt hat, war bald vor¨¹ber. Die Offiziere, die dann als Einquartierung bei uns wohnten, a?en auch oft bei den Eltern. Sie wechselten oft, auch verschiedene R?nge, manchmal auch gar keine Berufsoffiziere, einer war aus Frankfurt a. Main, kam beinahe t?glich, sein Dialekt machte mir Spa?, es gab immer Wein. Inzwischen kam ich im April 1915 in die st?dtische Knabenmittelschule als meine Vorschule. Mein Vater war sehr stolz, da? die Stadt diese Art Schulen unterhielt. Die meisten Sch¨¹ler w¨¹rden dort ihre Schulbildung nur bis zur mittleren Reife beenden, er fand das sehr gut, da? ich in so einer Schule anfing. Ich wei? nicht mehr, ob ich Schule gleich gern hatte, aber sehr bald hatte ich es, nur mit dem Schreiben war es schwer. Ich war n?mlich vorzugsweise Linksh?nder, manches machte ich automatisch rechtsh?ndig, manches nicht, und beim Schreiben hatte ich unwiderstehlichen Vorzug f¨¹r die linke Hand, aber das wurde nicht erlaubt, und es kostete mir mehr M¨¹he es zu lernen, ich bekam eine schlechte Schrift, noch f¨¹r Jahre mahnte der Vater immer, ich sollte Sch?nschreibeunterricht nehmen. Das Kriegsgeschehen machte sich nat¨¹rlich auch in der Schule bemerkbar. Es gab Siegesfeiern und Apelle f¨¹r Sammlungen. Ich konnte nun auch an der T?tigkeit und den vielen Interessen des Vaters schon mehr Anteil nehmen. Er wollte das sehr, und ich bin dankbar daf¨¹r. Trotz seinem vielf?ltigen Engagement im ?ffentlichen Leben glaube ich doch, da? seine berufliche T?tigkeit als Baumeister ihm wirklich am Herren lag. Morgens ging er t?glich zun?chst auf Besuche der Bauten, dann in die Ziegelei und zu anderen Nebenbetriebe, nach Karbowa, und schlie?lich nach Hause ins B¨¹ro, das dem Wohnhaus angegliedert, auf dem Grundst¨¹ck nunmehr der Deutschen Bank war. Ich wurde schon manchmal mitgenommen bei Besuchen zu Bauten und der Ziegelei und immer mehr, je ?lter ich wurde, besonders zu Fahrten ¨¹ber Nikolai nach Lazisk, wo das Elektrizit?ts- und Karbidwerk der Prinzengrube gebaut wurde. Auch ¨¹ber Vaters Rolle als Stadtverordnetenvorsteher wu?te ich bald mehr. Auf dem Ring der Stadt gab es Siegesfeiern und Apelle, eine gro?e Hindenburgb¨¹ste wurde aufgestellt, und das Publikum sollte N?gel je nach gestifteten Betr?gen aus verschiedenen Metallen kaufen und selbst einschlagen. Der Vater als Stadtverordnetenvorsteher mu?te auf einer Er?ffnungsfeier den ersten Nagel einschlagen und eine Rede halten, auch im Zylinder und Gehrock. Nat¨¹rlich wurde in der Schule dann auch dar¨¹ber gesprochen. Beginn der Schulzeit hie? f¨¹r mich das Aufh?ren der t?glichen Morgenausfl¨¹ge nach Karbowa und dadurch ein St¨¹ck weniger von der Naturn?he, in der wir, obwohl wir Industriestadtkinder waren, aufwachsen durften. Der Garten hinterm Haus sorgte immer noch daf¨¹r, da? dies keineswegs verschwand, der Krieg brachte sogar, als die Verpflegung schwieriger wurde, einen Zuwachs des Tierbestandes. Ingram und Wolfram waren durch zwei schwerere Brabantertype Pferde ersetzt worden, die aber keine kindlichen Zuneigungen mehr hervorriefen. Aber jetzt gab es auch Ziegen, eine Kuh, viele H¨¹hner, Enten, G?nse und dann auch Schweine. Es ist eine vielleicht erstaunliche Tatsache, aber ich empfinde es noch heute so, da? die ersten Religionsstunden, die ich in der Schule hatte, auf mich einen ¨¹berw?ltigenden Eindruck gemacht haben. Der Lehrer Weissmann, mit einem kleinen wei?en Bart, sah so etwa wie ein Patriarch aus, und erkl?rte alles ¨¹ber den lieben Gott anhand des alten j¨¹dischen Gebets Adon olam, ein sehr sch?nes Gebet, das die Macht Gottes beschreibt. Ich war sehr beeindruckt durch alles Religi?se und nat¨¹rlich eingenommen f¨¹r alles J¨¹dische, durch das mir diese Welt der Religion nahegebracht worden war. Wir wurden aufgefordert, Sabbath nachmittags die Jugendgottesdienste zu besuchen, die Eltern erlaubten es mir schlie?lich, sie verst?rkten meine Faszinierung mit Religion und J¨¹dischsein. Der Vater trug mir auf, dem alten Rabbiner Dr. Jakob Cohn guten Tag zu sagen und ihn zu gr¨¹?en, ein angeheirateter Vetter des Vaters. Auch stellte sich bald heraus, da? der Vater auch dem Vorstand der Synagogengemeinde angeh?rte. Da meine Begeisterung f¨¹r diese Sph?re aber beiden Eltern zu viel wurde, mu?te ich nach einiger Zeit die Besuche der Jugendgottesdienste immer mehr einschr?nken, durfte auch zu den Feiertagen nur nach harten K?mpfen zum Gottesdienst gehen, aber am Vers?hnungstag konnte ich mit dem Vater zusammen in die Synagoge gehen, eine wirkliche Vers?hnung. Es blieb ein gro?er Schmerz, da? meine Mutter dem so fern stand. Die anderen j¨¹dischen Kinder gingen nach einiger Zeit auch noch nachmittags in die hebr?ische Unterrichtsanstalt im Geb?ude der J¨¹dischen Gemeinde, wohl so etwas wie ein alter j¨¹discher Cheder. Ich durfte das nicht. Es wurde gesagt, ich k?nnte dann ein Jahr vor meiner Barmitzwah Privatstunde in Hebr?isch haben. Unter den Freunden meiner Eltern erinnere ich mich aus dem engsten Kreis an den Frauenarzt Dr. Ernst Speier mit seiner Frau Rosa, deren Gro?vater Fr?hlich 1825 der erste j¨¹dische Einwohner des Dorfes Kattowitz war. Sie war sehr begabt und anerkannt f¨¹r ihre ?ffentliche T?tigkeit. Sie hielt gute Reden und organisierte, war Vorsitzende des Vaterl?ndischen Frauenvereins, der im Krieg mit F¨¹rsorge und Lazaretten besonders aktiv wurde. Meine Mutter war auch im Vorstand, und wir haben als Kinder da auch viel dar¨¹ber geh?rt und miterlebt. Dann waren andere Arztehepaare, unser damaliger Hausarzt Dr. Proskauer, Dr. Max Koenigsfeld, Augenarzt Dr. Ernst Lubowsky, dessen Bruder Ingenieur Heinrich Lubowski. Frau Dr. Lubowski und Dr. Koenigfeld geh?rten auch sehr aktiv zum Vaterl?ndischen Frauenverein. Frau Speier, Lubowsky und Mutter sangen auch regelm??ig mit im Meisterschen Gesangsverein und waren im Vorstand. Der Vorsitzende des Vereins, Dr. Ehrenfried, geh?rte auch zum engeren Bekanntenkreis, ebenso der Direktor der Kunigunde-Zinkh¨¹tte Zoellner, mit seiner ?sterreichischen Frau, die mit einer sehr sch?nen Altstimme konzertierte. Sie hatten zwei S?hne und Koenigfelds zwei T?chter in unserem Alter, und bei Dr. Lubowski war es Sohn Karl Heinz und den andern Lubowskis Horst, die alle regelm??ig zu uns zum Spielen kamen und den Kern der Freunde der Kindheits- und Schulzeit bildeten. Am 3.Oktober 1915 feierte mein Vater seinen 50.Geburtstag, es kamen viele Leute, der Oberb¨¹rgermeister Pohlmann hielt eine Rede, ich konnte schon soweit z?hlen, da? ich feststellte, der Fr¨¹hst¨¹ckstisch f¨¹r den Empfang nach der Gratulationskur war f¨¹r 50 Personen gedeckt. F¨¹r uns Kinder warf der Tag schon vorher seine Schatten voraus: Rosa Speier hatte ein langes Gedicht gemacht, f¨¹r uns drei Kinder mit verteilten Rollen aufzuf¨¹hren, auch Marianne, noch nicht ganz drei Jahre, hatte etwas zu sagen. Das ging weit ¨¹ber die kleinen Gedichte heraus, die man bisher bei Geburtstagen usw. aufzusagen hatte. Wir waren uns also der Bedeutung des Tages schon vorher wohl bewu?t. Ich erinnere mich auch, da? Frau Speier um diese Zeit ein Gedicht f¨¹r einen der ?ffentlichen Appelle geschrieben hatte, gebt Gold f¨¹r Eisen oder so etwas ?hnliches. Es war uns schon zu Hause gezeigt worden, und ich war begeistert. Ich bin nicht sicher, ob meine Mutter es auch war. Dann wurde es an alle Schulklassen verteilt, ich war wieder begeistert, aber unser Lehrer h?ngte es auf die Innenseite des Schulschranks. So mu?te man immer zum Schulschrank gehen und die T¨¹r aufmachen, wenn man das Gedicht sehen und sich patriotisch ermahnen lassen wollte. Ich fand das schon damals als Kind etwas merkw¨¹rdig und entt?uschend und nat¨¹rlich unbequem aber war ganz arglos. Heute frage ich mich, hatte der Lehrer etwas dagegen aus p?dagogischen Gr¨¹nden, da? man so etwas in eine Vorschulklasse h?ngt, oder war ihm der Kriegspatriotismus allgemein schon zu viel geworden, fand er das Gedicht schlecht, konnte er die Frau Speier nicht leiden, oder, und das f?llt mir eigentlich erst heute ein, war es vielleicht einfacher Antisemitismus? Ich wu?te damals noch nicht, wie kompliziert das Leben sein kann. Die j¨¹dischen Freunde der Eltern Dr. Speiers und Koenigsfeld machten von j¨¹discher Religion eher noch weniger Gebrauch als mein Vater. Dr. Ehrenfried zum Beispiel ging nur alle paar Jahre am KolNidre Abend in die Synagoge, er ging ja ganz auf in seinen musikalischen Interessen und der Pr?sidentschaft des Meisterschen Gesangvereins, und so hatte er einen gesellschaftlichen Kreis, in dem kaum nach Religion oder Herkunft gefragt wurde. Aber er war ein sehr bewu?ter Jude, hatte der j¨¹dischen Studentenverbindung KC angeh?rt und blieb ihr aktiv verbunden. Mein Vater war auch ein bewu?ter Jude, aber er war gegen betonte j¨¹dische Absonderung. Die beiden Br¨¹der Lubowski waren getauft, die Frauen nichtj¨¹disch. Frau Else Lubowski, Frau des Augenarztes, Tochter eines Oberstleutnant Knecht, der aus dem Elsa? stammte, ihre Mutter aus der Schweiz. Der Sohn Karl-Heinz wurde damals unter unseren Spielgef?hrten mein n?chster Freund. Nur in puncto Religion zogen wir in verschiedene Richtungen. Seine Mutter geh?rte auch zum Vorstand der Evangelischen Kirchengemeinde, sp?ter sogar auch sein Vater Pastor Voss, ein enger Freund der Familie. Karl-Heinz wollte als Junge immer Pastor werden, bei uns im Garten war ein gro?es Schaukelgestell, da stellte er sich manchmal eine Leiter auf und wollte zu uns predigen, w?hrend ich im Herbst immer wollte, da? wir alle eine Laubh¨¹tte in unserem Garten zum j¨¹dischen Laubh¨¹ttenfest bauen sollten. Im Sommer 1916 fuhren wir mit Mutter auf Sommerferien nach Heringsdorf, blieben unterwegs in Berlin und trafen alle Verwandtschaft dort, wohnten aber in Hotels. Diese und die enorme Stadt machten noch einen gr??eren Eindruck als Breslau. Die Ferien an der See waren eine ganz andere Welt, es war wunderbar und erfrischend, man traf auch ganz andere Kinder, viele waren aus Berlin, es war schwierig mit ihnen fertig zu werden. Als weitere Horizontbereicherung: in einem Hotel, dem sehr eleganten Hotel Monopol, hatten wir auch einmal in Breslau gewohnt, als wir mit beiden Eltern hinfuhren. Der Vater hatte Sitzungen, es gab eine Er?ffnungsfeier mit Paraden und sp?ter als ich mehr wu?te ¨¹ber solche Sachen, erfuhr ich, da? das damals eine Er?ffnungssitzung des Schlesischen Provinziallandtags war, in dem mein Vater die Stadt Kattowitz vertrat und dem auch mein Gro?vater Max Oettinger als einer von vier Vertretern der Stadt Breslau angeh?rte. 1917 kam ein neues Kinderfr?ulein, Else Jeppesen. Vorher hatten wir einen richtigen Gouvernantentyp, diese aber kam aus dem Pestalozzi Froebel Haus, von Margot Epstein arrangiert. Sie hatte in dem Reber'schen Frauenchor mitgesungen, den Margot Epstein in Berlin leitete. Eigentlich h?tte ich ja kein Kinderfr?ulein mehr haben sollen, aber die Schwestern waren j¨¹nger. Irgendwie gab es mit ihr einen frischeren Ton. Sie war nach Pestalozzi Froebel Art sehr gut und darauf aus, uns Handfertigkeit beizubringen. Alle Freunde, die im Sommer zum Spielen und Tennis kamen, mu?ten mit uns im Herbst und Winter Laubs?gearbeiten, Klebereien usw. machen, ganze D?rfer und Tierparks wurden angesammelt und zu Weihnachten wurde alles armen Kindern geschenkt. Meine Mutter war damals Betreuerin von zwei st?dtischen Kinderhorten. Ich wei? nicht mehr, ob das mit Vaters Stellung in der Stadtverwaltung zu tun hatte oder mehr mit Mutters Rolle im Vaterl?ndischen Frauenverein. Wir gingen ?fters mit ihr hin, die Hortleiterinnen kamen oft zu uns ins Haus, und zu Weihnachten gingen Alles was wir laubges?gt oder anderweitig fabriziert hatten zu den Einbescherungen der Kinder in diese beiden Horte. Weihnachten mit Else Jeppesen wurde noch viel perfekter gefeiert, mit Singen und Vorspielen, es war ja auch herzerw?rmend und hatte wirkliche Sch?nheit. Wir waren ja auch gar nicht die einzige j¨¹dische Familie, die sich diesem Zauber nicht versagte. Das Jahr 1917 stand aber auch zusehends im Zeichen der Lebensmittel- und anderer Verknappung: Es gab viel Erdr¨¹ben, bei uns Klacken genannt, das Brot wurde dunkel und kleiig, Fleisch, Butter und Eier selten, wir gingen in Holzpantoffeln. Dann gab es auch die ersten Lebensmittelunruhen, die ersten Ausschreitungen f¨¹r mich ¨¹berhaupt, und ich habe ja dann in sp?teren Jahren noch so oft unruhige, tobende Mengen miterleben m¨¹ssen. Diesmal kam es zweifach sehr nahe. Bei uns h?rte man von der Friedrichstra?e die lauten Demonstrationen, und morgens waren uns gegen¨¹ber die L?den gepl¨¹ndert, die meisten Scheiben zerschlagen. Es gab auch antij¨¹dische Untert?ne, wurde uns gesagt. Diese 1917er Unruhen waren nicht auf Oberschlesien beschr?nkt. Es gab auch anderswo antij¨¹dische Beit?ne. Ich erinnerte mich aber an das, was ich eher f¨¹r besonderen Umst?nde in unserer n?chsten Nachbarschaft hielt. Trotz der N?he Galiziens und Kongre?polens waren eigentlich Ostjuden in ihrer traditionellen Kleidung nicht so h?ufige Erscheinungen im Kattowitzer Stadtbild gewesen. Im Verlauf des Krieges kam das bisherige Russisch-Polen unter deutsche Besetzung, die Grenze war leichter geworden. Im letzten Haus auf unserer Schulstra?e hatten sich einige ostj¨¹dischen Familien eingemietet, Gesch?ftsleute, die auch viel Besuch von Familie und Gesch?ftsfreunden aus dem galizischen Auschwitz oder dem kongre?polnischen Bendzin hatten. Das hatte sich erst seit ganz kurzer Zeit so entwickelt. Ich erinnere mich, diese armen Leute wurden um die Zeit der Unruhen bel?stigt und waren ein Thema. Es wurde aber auch erw?hnt, da? es Ausrufe von Demonstranten einfach gegen Juden gegeben hatte. Ich bin mir nicht bewu?t, da? diese Unruhen etwas mit polnischer nationaler Agitation zu tun hatten, sie wurden als Arbeiterunruhen beschrieben. Es gab nat¨¹rlich auch, wie es einem bald klar werden sollte, eine starke polnische sozialistische Bewegung. Da? es zu Unruhen kam, war nicht verwunderlich, Elend, Knappheiten und Gesundheitslage waren entsetzlich geworden, die Stimmung schlug um. Ich las damals auch schon Zeitungen, und es wurde ¨¹ber alles, was den Krieg und Politik betraf, viel gesprochen. So wu?te ich ¨¹ber die Russische Niederlage und Revolution, den Eintritt der Amerikaner in den Krieg und die Debatten in Deutschland ¨¹ber die Stellungnahme zu Friedensinitiativen. Eine Zeit lang hatte das Oberkommando der deutschen Armee mit dem Kaiser und Generalstab seinen Sitz im oberschlesischen Ple? beim F¨¹rsten von Ple?. Der fatale deutsche Beschlu? zur Erkl?rung des "unbeschr?nkten U-Bootkrieges", auf den Amerikas Eintritt in den Krieg folgte, wurde am 8.Januar 1917 in Ple? gefa?t (2). Die B¨¹ros des Generalstabs waren teilweise in Kattowitz im Geb?ude der F¨¹rstlich Ple?schen Bergwerksdirektion. Als Einquartierung hatten wir damals Offiziere des Generalstabs. Sie kamen nicht oft zum Essen, engeren Kontakt hatten die Eltern dann mit dem letzten deutschen Offizier, der bei uns einquartiert war, ein Major v.Brunn. Viel h?rte ich immer ¨¹ber die politische Lage, wenn die Freunde der Eltern zu Besuch kamen. Der Vater war aktiver Anh?nger der Freisinnigen Volkspartei. Au?er der damals eher rechtsstehenden oder nationalliberalen Kattowitzer Zeitung abonnierten die Eltern die freisinnige Breslauer Zeitung und das Berliner Tageblatt. Dr. Speier und die Br¨¹der Lubowski standen weit mehr rechts, und es gab heftige Debatten, in denen mein freisinniger Vater oft ganz isoliert schien, aber zu meiner Begeisterung heftigst argumentierte. Bis weit in die fr¨¹hen Tage der Weimarer Republik haben mich diese Debatten zu Hause immer sehr interessiert. Zu Ostern 1918 kam ich dann in das Humanistische Gymnasium und bin noch heute daf¨¹r dankbar. Ich hatte mich bald f¨¹r Latein erw?rmt. Der Gymnasialdirektor war Geheimrat Hoffmann, ein ganz alter Herr und immer noch im Amt, der auch in Vertretung einige Lateinstunden in meiner Klasse gab (3). Ich hatte damals schon ein lebhaftes Interesse nicht nur f¨¹r die politischen Vorg?nge um uns herum, sondern auch f¨¹r alles Geschichtliche. So bekam ich schon mit neun Jahren eine zweib?ndige "Deutsche Geschichte" (Otto) geschenkt, ich wurde ¨¹berhaupt ein eifriger Leser von B¨¹chern. Beide Eltern waren es und hatten jeder eine gro?e Bibliothek. Es gab da nicht nur die ledergebundenen vollz?hligen deutschen Klassiker und Romantiker, in ¨¹bersetzungen auch franz?sische und die meiner Mutter besonders nahe russische und skandinavische Literatur, die ja alle im fr¨¹hen 20. Jahrhundert im deutschen Kulturleben gro?en Nachhall hatten. Nat¨¹rlich waren da auch damals moderne Deutsche Schriftsteller, auch viel Geschichte, Kunst und andere "Sachb¨¹cher". Das wurde f¨¹r mich bald eine wunderbare Fundgrube. Die Mutter war immer mit Anregungen bereit, was ich als N?chstes lesen k?nnte. Im Herbst 1918 nahm sie mich auf einen Spaziergang in den S¨¹dpark und fing an, ¨¹ber die Lage des Kriegs zu sprechen. Sie sagte mir in so vielen Worten, da? Deutschland den Krieg verloren hat und es zu einer Revolution kommen w¨¹rde. Ich war wie versteinert. Das hatte ich nicht gewu?t. Es war ja immer wieder, noch im August 1918, von neuen Offensiven und Schlachten die Rede. Vater hatte zwar schon lange keine der patriotischen Reden gehalten, aber da? es so kam, war kaum vorstellbar. Meine Mutter erkl?rte mir, da? das schon einige Zeit vorauszusehen war, und sie daher f¨¹r die Einstellung der Sozialdemokraten zum Krieg schon lange die meiste Sympathie gehabt h?tte. Die Unterhaltung war eine notwendige und heilsame Vorbereitung f¨¹r mich auf die turbulenten Ereignisse, die nach einigen Wochen einsetzten mit dem deutschen milit?rischen Zusammenbruch und der Revolution. Sie lie?en lange Gesichter, gro?e ?ngste vor unbekannten Untiefen. F¨¹r Oberschlesien hie? das Kriegsende auch, da? das deutsch-polnische Problem nun weit aufbrach und im Laufe der Jahre darum immer wieder viel Blut flie?en w¨¹rde. Nat¨¹rlich hatten wir auch die innenpolitischen Unsicherheiten, Unruhen von den extrem Linken, Zeichen von Umtrieben rechtsgerichteter Freisch?rler und die Inflation, aber der deutsch-polnische Konflikt, die Besatzung durch interalliierte Truppen und dann die Teilung Oberschlesiens wurden bei uns die dominierenden Ereignisse. Zun?chst gab es auch hier die ersten Konsolidierungserscheinungen der Weimarer Republik. Es gab Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung, auch zum preu?ischen Landtag und zur Stadtverordnetenversammlung. Der Oberb¨¹rgermeister Pohlmann ging als Abgeordneter der neuen Deutschen Demokratischen Partei, der Nachfolgerin der Freisinnigen Volkspartei, in die Weimarer Nationalversammlung, mein Vater als deren Spitzenkandidat und dann Fraktionsf¨¹hrer ins neue Stadtparlament. F¨¹r dieses gab es einen lebhaften Wahlkampf. Nach der Abschaffung des preu?ischen Dreiklassenwahlrechts war die Zusammensetzung des Stadtparlaments ganz anders geworden. Die katholische Zentrumspartei stellte als st?rkste Fraktion den Arzt Dr. Max Reichel als Stadtverordnetenvorsteher. Wegen der langj?hrigen Amtszeit, Erfahrung und das Prestiges meines Vaters nannte sich Dr. Reichel manchmal scherzhaft den Stadtverordnetennachsteher. Es gab nun auch eine polnische Fraktion im Stadtparlament, gef¨¹hrt von dem Frauenarzt Dr. v.Mielecki. Ich habe ja schon bemerkt, da? einem als in der Stadt Kattowitz lebenden Jungen bis 1918 die einschneidende politische Bedeutung der polnischen Frage f¨¹r Oberschlesien gar nicht so bewu?t geworden war (4). Oberschlesien hatte ja schon lange nicht mehr zu dem unabh?ngigen polnischen Staat geh?rt, dessen Teilung und Verlust der Unabh?ngigkeit bei der Bev?lkerung der entstandenen Teilgebiete einen starken Widerstandswillen und Sehnsucht nach Wiederherstellung ihres unabh?ngigen Polens wach hielten. So hatten sich auch die verschiedenen polnischen Aufst?nde des fr¨¹heren 19.Jahrhunderts nicht auf Oberschlesien ausgedehnt. In Oberschlesien vertrat die katholische Zentrumspartei lange auch die Interessen der polnisch sprechenden Bev?lkerung, aber es bildeten sich polnische Vereine und Genossenschaften, bis 1903 zum ersten mal Wojciech Korfanty als ein polnischer Abgeordneter in den Reichstag gew?hlt und 1907 von weiteren gefolgt wurde. Nach dem Eintritt der USA in den 1. Weltkrieg wurden die 14 Punkte ihres Pr?sidenten Wilson offizielle Friedensziele der Alliierten, Punkt 13 sah die Wiederherstellung eines unabh?ngigen Polens vor (6). F¨¹r Oberschlesien stellte sich der "Kleindruck" als das Wichtigste heraus. Es waren nicht mehr die historischen Grenzen vor Polens Teilungen gemeint, sondern alle "von einer unbestreitbar polnischen Bev?lkerung bewohnten Gebiete". Damit war nun auch Oberschlesien, obwohl es nicht ein Teilungsgebiet war, deutlich anvisiert. Nachdem wir in Kattowitz zun?chst im November die Aufregungen und Ver?nderungen der deutschen Revolution von 1918 mitmachten, wurde es langsam klar, da? die Friedensbedingungen, mit denen Deutschland konfrontiert war und f¨¹r die noch das kaiserliche Kabinett des Prinzen Max von Baden Anfang Oktober die 14 Punkte Wilsons als Basis hatte annehmen m¨¹ssen (7), ganz ernstlich die Einverleibung Oberschlesiens in den neuerstehenden polnischen Staat einschlossen. Es entwickelte sich bald eine lebhafte gegenseitige Propaganda mit Demonstrationsz¨¹gen und Protestkundgebungen, an denen auch die Schuljugend beteiligt wurde. Vor Wohnungen oder Gesch?ften von polnischen F¨¹hrern wurde demonstriert, die, wie gesagt, oft aus Posen stammten und bis dahin garnicht so bekannt waren, aber die Gem¨¹ter wurden weitgehend beherrscht von dem Namen Korfantys. Der war ja nun wirklich ein Oberschlesier. In meiner Familie war er nicht unbekannt. Als Gymnasiast hatte er dem j¨¹ngsten Bruder meines Vaters, Paul, Nachhilfestunden gegeben. Die Familie Gr¨¹nfeld stand damit nicht allein. Ruth Storm, Tochter des Verlegers und Buchh?ndlers Carl Siwinna, Herausgeber der Kattowitzer Zeitung, berichtet (in ihrem Buch "..und wurden nicht gefragt" S.50), da? der Pfarrer sich bei ihrer katholischen Gro?mutter f¨¹r den intelligenten, aber armen Jungen Korfanty eingesetzt hatte, und er den Geschwistern ihres Vaters Nachhilfestunden gab. Im Reichstag wurde er bald prominent unter den polnischen Abgeordneten. Nach dem Zusammenbruch im November 1918 kam es in Posen gleich zur Bildung eines polnischen Volksrats. Korfanty geh?rte zu seiner Leitung, profilierte sich also schon damals ¨¹ber seine oberschlesische Stellung hinaus auf der gesamtpolnischen Szene. Der Friedensvertrag von Versailles sah ebenso wie f¨¹r einen Teil Westpreu?ens vor allem f¨¹r Oberschlesien eine Volksabstimmung vor (9). In Vorbereitung und w?hrend der Abstimmung sollte Oberschlesien von deutschen Truppen ger?umt und von alliierten Truppen besetzt werden. Der Versailler Vertrag vom 28.Juni 1919 trat aber erst nach seiner Ratifizierung am 10.Januar 1920 in Kraft und die Besetzung Oberschlesiens durch alliierte Truppen erfolgte Ende Januar 1920. Inzwischen hatte es im August 1919 einen polnischen Versuch gegeben, mit dem 1.polnischen Aufstand ein "fait accompli" zu schaffen und die Abhaltung einer Abstimmung in Oberschlesien hinf?llig zu machen. Er dauerte nur wenige Tage und wurde von den Deutschen niedergeschlagen. Zu dieser Zeit gab es bereits Gruppen von Freikorps beider Seiten, die in die K?mpfe verwickelt waren und von nun an bis zur Durchf¨¹hrung der sp?teren Teilung Oberschlesiens nicht mehr von der Szene verschwinden sollten. Dieser erste polnische Aufstand war doch ein blutiger Zwischenfall und erregte auch nachtr?glich Beunruhigung und Bedr¨¹cktheit. Es kamen dann noch die Kommunalwahlen vom 28. November 1919, die starken Zuwachs polnischer Stimmen zeigten (10). In der Deutschen Demokratischen Partei wurde Otto Ulitz, anf?nglich noch in seiner Uniform des Polizeikommissars, sehr aktiv und ein h?ufiger Besucher meines Vaters und Begleiter an Wochenendspazierg?ngen, zu denen ich ja oft mitgenommen wurde. Er wurde dann zu einer Schl¨¹sselfigur bei den deutschen Vorbereitungen f¨¹r die Abstimmung. Ich nahm regen Anteil an all diesem Geschehen, und das taten auch alle in der Schule. Meine Klasse war wie alle in diesem Gymnasium gut gemischt. Die meisten waren aus oberschlesischen Familien, viele auch S?hne von preu?ischen Beamten, Leuten aus der Industrie und Wirtschaft oder auch freien Berufen, die aus anderen Teilen Deutschlands gekommen waren. Katholiken waren in der ¨¹berzahl, ebenso gab es einen verh?ltnism??ig hohen Anteil von Protestanten und einige j¨¹dische Mitsch¨¹ler. Religionsunterricht hatten wir nun bei dem Rabbiner Dr. de Haas, und es interessierte mich immer noch sehr. Karl-Heinz Lubowski blieb ein guter Freund, trotzdem er ein Jahr fr¨¹her ins Gymnasium gekommen war und immer eine Klasse ¨¹ber mir blieb. Er hatte dort einen sehr aufgeweckten und anregenden Kreis und ich war diesem dann im Laufe der Jahre eher n?her als meiner eigenen Klasse, und das traf auch f¨¹r die j¨¹dischen Mitsch¨¹ler zu. Wir waren dann bald in einem Alter, wo wir etwas von dem kulturellen Leben in Kattowitz mitbekommen konnten. Das moderne Stadttheater am Ring, das die Stadtv?ter Anfang des Jahrhunderts erbaut hatten, pr?sentierte sich als ein Wahrzeichen der so schnell aufgewachsenen Stadt, die ja nicht reich an repr?sentativen Bauten war. Freunde der Eltern, wie Dr. Speiers und das Ehepaar Pohlmann waren auch mit Direktor Lischka-Raul und anderen im Theater befreundet. Meine Eltern allerdings interessierten sich mehr f¨¹r Besuch der Vorstellungen als hinter den Kulissen. Wir Kinder h?rten doch schon dar¨¹ber, was im Theater gerade gespielt wurde, manchmal durften wir auch hin. Zu den Volks- und Wanderliedern, die schon lange die Kinderlieder abgel?st hatten, kamen nun auch Operetten und andere Schlager, die popul?r wurden. Bei der Operette war auch Mizzi Will, die Tanzstunden f¨¹r Kinder unseres Alters veranstalten wollte. Das sollte sich abwechselnd in verschiedenen H?usern abspielen, und es geh?rten zu dem Kreis, der sich fand, auch Kinder aus einigen j¨¹dischen Familien. Es war ganz spa?ig, richtige Salont?nze f¨¹r ganz jugendliche Paare. Ein M?dchen, das teilnahm, aber mit der wir dann kaum Kontakt behielten, war Lotte Altmann, in deren Haus wir auch waren. Ihre Mutter war aus der Familie des orthodoxen Frankfurter Rabbiners Samson Raphael Hirsch, Gr¨¹nders der religi?s sehr orthodoxen, aber sonst f¨¹r Assimilation stehenden Gruppe des deutschen Judentums, die sich "Austrittsgemeinde" nannte. Es gab manche Familien in Oberschlesien, die sich zu dieser Gruppe rechneten, und die gro?e Familie Altmann war prominent unter ihnen. Ich erinnere mich an den Senior der Kattowitzer Familie, Leopold Altmann, der nach Vaters 50. Geburtstag zu ihm kam, um ihm zu gratulieren. Er war viel ?lter als mein Vater, war nicht zum Empfang und Fr¨¹hst¨¹ck gekommen. Es bestand eine deutliche Distanz in der privaten Sph?re zwischen diesen orthodoxen Familien und denen, die wie meine Eltern j¨¹dischen Gebr?uchen fernstanden, aber es gab gegenseitigen Respekt und eine gemeinsame Gemeinde. Die Eltern der Lotte Altmann zogen bald weg von Kattowitz nach Frankfurt. Ich erinnere mich an sie als ein damals sehr ernstes und stilles M?dchen und habe sie hier erw?hnt, weil sie in ihren sp?teren Jahren bekannt wurde als Sekret?rin des ?sterreichischen Dichters Stefan Zweig, mit dem sie, dann mit ihm verheiratet, im 2.Weltkrieg in Brasilien aus dem Leben schied. Das anziehende und lebhafte kulturelle Klima von Kattowitz ist oft ger¨¹hmt worden, man nannte es manchmal Klein-Paris. Aus einer r¨¹ckblickenden Betrachtung Arnold Zweigs, der zwar in Glogau geboren wurde, aber in Kattowitz aufwuchs, m?chte ich hier zitieren (11). Er r¨¹hmt erst die "freiheitlichen Deutschen", die seine Lehrer an der Oberrealschule waren einschlie?lich des Direktors Hacks. Dazu m?chte ich erw?hnen, da? diese Schule st?dtisch war und ihr Direktor Hacks 1908 Vorg?nger meines Vaters im Amt des Stadtverordnetenvorstehers. Arnold Zweig f?hrt dann fort: "das wirkliche Leben vollzog sich im Kreise von Jugendfreunden und -freundinnen; von den ersteren sind einige bekannt geworden: der Maler Ludwig Meidner, der Dichter Arnold Ulitz, der bei Langemarck verschollene Philologe Rudolf Clemens. Ich nenne diese Namen, um einen geringen Hauch des geistigen und musikalischen Lebens jener Stadt Kattowitz anzudeuten, die in Professor Oskar Meister und seinen Nachfolgern Organisatoren eines echten Musiklebens besa? und einen wirklichen Kritiker von Geschmack, Urteil und K?nnen fand in dem Geiger und Weinh?ndler Paul Rappaport, Freund vieler Musiker, Kenner moderner Literaturen...". Es gab noch einige andere Namen von jungen Leuten jener Zeit, die sp?ter bekannt wurden, so der katholische Philosoph Pater Erich Przywara. Es gab in Kattowitz den Buchh?ndler Georg Hirsch, dem nachgesagt wurde, da? er diesen Kreis heranwachsender Sch¨¹ler sehr angeregt und gef?rdert habe. Seine Buchhandlung spielte auch in meinen Zeiten, ja bis in die sp?ten 30er Jahre eine Rolle. Meine Eltern waren eifrige K?ufer von B¨¹chern und Kunden von Georg Hirsch. Unter anderem hatte er auch die Auslieferung der "Fackel" von Karl Kraus, die mir aber fremder blieb als zum Beispiel die "Weltb¨¹hne". Der Meistersche Gesangverein spielte in unserem Leben weiter eine gro?e Rolle. Meine Mutter hatte eine sch?ne Altstimme, nahm auch weiter Gesangstunden, ihr Mitsingen im Meisterschen Gesangverein hie?, da? sie zweimal in der Woche abends zu Proben ging, sp?ter auch meine Schwester Lotte. In Konzerte durften wir schon fr¨¹h gehen, nicht nur die Chorkonzerte, es kamen auch Solisten, Quartette und Orchester, und mit der Zeit lernte man die meisten damals im deutschen Konzertleben bedeutenden K¨¹nstler kennen. Der von Arnold Zweig erw?hnte Musikkritiker Rappaport war besonders mit dem Violinisten Josef Joachim befreundet gewesen. Seine Tochter Hannah Rappaport nahm auch an unserer Tanzstunde f¨¹r Halbw¨¹chsige teil, und mit ihr und ihrem Mann war ich dann in sp?teren Jahren sehr befreundet. Nach diesem R¨¹ckblick auf die erfreulicheren Seiten des Lebens mu? ich mich wieder den Erinnerungen an die weitere Entwicklung in den K?mpfen um das Schicksal Oberschlesiens zuwenden. Die Ankunft der franz?sischen Besatzungstruppen in Kattowitz brachte f¨¹r uns zu Hause eine gro?e Ver?nderung. Da Oberschlesien auf franz?sisch Haute Silesie hie?, brachten die Franzosen Gebirgstruppen. Sie bliesen muntere Weisen aber benahmen sich zun?chst eben wie fremde Besatzungstruppen. Etwas weiter weg in der Friedrichstra?e war die Villa der Frau Else Silberstein, Inhaberin einer gro?en Kohlenhandlung, mit der Firma Emanuel Friedl?nder liiert; wir kannten uns gut, sie war mit den Eltern befreundet. Sie war schon lange verwitwet, hatte ein besonders sch?nes und sehr gastfreies Haus. Die Franzosen beschlagnahmten es, um dort ein Offizierskasino einzurichten. Sie durfte dort bleiben, mu?te aber fast das ganze Haus f¨¹r das Kasino zur Verf¨¹gung stellen. Als sich bald Differenzen ergaben, wurde sie ihres Hauses verwiesen und mu?te ins Hotel ziehen. Wir waren also verwarnt. In der Tat, sehr bald kamen sie zu uns, um ein Kasino einzurichten. Wir durften bleiben, in einem der vier Wohnzimmer des Erdgeschosses, unsere K?chin durfte zun?chst auch in der K¨¹che f¨¹r uns kochen, aber als der franz?sische Koch ein gro?es St¨¹ck Fleisch ins Feuer warf, weil es ihm nicht gefiel, und sie (es war ja noch gro?e Knappheit bei uns) es retten wollte, wurde sie aus der K¨¹che geworfen und mu?te versuchen, f¨¹r uns in der Waschk¨¹che im Dachgescho? zu kochen. So bekamen wir es also alle gleich wirklich mit, da? wir jetzt unter franz?sischer Besatzung waren. Die gro?e Diele war ihrer Lage nach f¨¹r die Passage beider Parteien da, also sahen wir viele franz?sische Offiziere. Bald zog das Kasino aber aus, und wir bekamen wieder jeweils einen Offizier als Einquartierung. Oben im Gastzimmer wohnte immer noch der Herr v.Brunn, der nach seiner Demobilisierung eine Stelle beim Berg- und H¨¹ttenm?nnischen Verein, der Zentralorganisation der oberschlesischen Schwerindustrie hatte. Ohnehin mu?ten wir gr??ere R?ume, n?mlich zwei der Wohnzimmer im Erdgescho?, Damenzimmer und Salon, f¨¹r den franz?sischen Offizier hergeben. Das waren dieselben, die auch zu Beginn des Krieges der Oberstleutnant v.d.M?lbe hatte. Diesmal sollte es 1925 werden, bis wir sie wieder selbst bewohnen konnten. Die Vorbereitungen beider Seiten f¨¹r die Abstimmung waren schon in Gang gekommen. Korfanty wurde zum Chef des polnischen Plebiszitkommissariats mit Sitz in Beuthen ernannt, das deutsche ¨¹bernahmen nacheinander die Landr?te a.D. Urbanek und Dr. Hans Lukaschek. Der Kampf zwischen Deutschen und Polen versch?rfte sich, die gegenseitigen Demonstrationen nahmen an H?ufigkeit und Hitze zu, all dies drang immer mehr in unseren Alltag ein. Wie schon erw?hnt, es gab auf beiden Seiten heimlich bewaffnete Gruppen, auf deutscher geh?rten sie zu den Freikorps, die nach der 1918er Revolution sich in Deutschland gebildet hatten. Auf polnischer Seite waren es Gruppen von polnischen Oberschlesiern, von Korfantys Plebiszitkommisariat organisiert, aber auch von Polen infiltrierte Angeh?rige von Pilsudskis POW. Diese beiden Gruppen waren nicht immer einer Meinung (12). In den deutschen Zeitungen, die wir lasen, stand viel ¨¹ber blutige Gewalttaten der polnischen Gruppen, mit Verschleppungen und manchmal t?dlichen Mi?handlungen von Einzelnen, die sich f¨¹r die deutsche Sache einsetzten. Aber es gab gro?e Gewaltt?tigkeit auch von der deutschen Seite, voran diesen Freikorps, wof¨¹r sie ja auch anderswo in Deutschland einen traurigen Ruhm sich erworben hatten. Als wir Kinder einmal mit unserer Mutter im abseits am Wald gelegenen "Stauweiher" badeten, war dort eine Gruppe junger Deutscher, die provokativ ein Lied der "Brigade Ehrhardt" sangen, mit gewaltt?tigem antisemitischem Refrain, und der alte F?rster mit dem langen anheimelnden Bart, der den Stauweiher beaufsichtigte, er tat nichts gegen sie. Man wu?te von ihrer Rolle z.B.in Bayern. Ein anderes deutsches Freikorps, von dem man viel h?rte, war die "Orgesch" (Organisation Escherich). Man sah sie auch in den Stra?en. Das Bild ist aber nicht vollst?ndig, ohne sich auch zu erinnern, da? sich dies in Oberschlesien ja noch in der Zeit der Nachwehen der 1918er Revolution abspielte. Die oberschlesische Arbeiterschaft blieb auch in sozialistischer Kampfstimmung. Es gab viele Streiks und Protestumz¨¹ge. Man sah h?ufig rote Fahnen. Ein gro?er Teil der Bergarbeiterschaft war polnisch sprechend, und es gab eine starke polnische sozialistische Partei, die auf der polnischen Seite im Abstimmungskampf sehr prominent und mitverantwortlich war, aber in Arbeitsk?mpfen mit den deutschen Sozialisten zusammen agierte. Links von diesen gab es auf deutscher Seite damals noch die Unabh?ngigen Sozialisten, die mit den Spartakustendenzen in Deutschland sympathisierten und daher prosowjetisch waren. Das wurde ein sehr brennendes Thema im Sommer 1920. Beide Seiten warfen sich vor, einen Putsch vorzubereiten, um durch ein "fait accompli" die Abhaltung der Abstimmung hinf?llig zu machen. Zu dieser Zeit war die Ostgrenze Polens noch viel mehr umk?mpft als im Westen, und Polen hatte, nach l?ngeren Verhandlungsphasen, im April 1920 einen neuen Angriff auf Ru?land begonnen, der zun?chst zur polnischen Besetzung von Kiew f¨¹hrte. Aber das Blatt wandte sich, und im August standen die Russen vor Warschau. Die Existenz des neuen Polens schien gef?hrdet. Was mir f¨¹r immer von diesen Tagen so lebhaft und schrecklich in Erinnerung blieb, war der gewaltt?tige Mord an dem polnischen Arzt Dr. v.Mielecki, der sich in Kattowitz am 17.August 1920 in n?chster N?he unseres Hauses abspielte. Die unheimliche Brisanz dieses tragischen Vorgangs blieb f¨¹r mich immer der gr??te Schock all dieser umstrittenen und blutigen Jahre. Es war uns Kindern gesagt worden, da? gro?e Demonstrationen, gr??er und vielleicht gef?hrlicher als bisher angesagt waren, und wir sollten unter keinen Umst?nden das Haus verlassen. Die Eltern hatten jeder etwas vor, und wir waren allein mit dem Personal. Das Haus hatte ein gro?es, ganz flaches Dach, das gerade ganz neu mit wei?em Kies ausgelegt worden war, und wir hatten dort unerlaubterweise ?fters gespielt, bis es uns ganz streng verboten wurde. Man h?rte nun am Nachmittag schon Unruhe von der Friedrichstra?e, und da mu?te man doch schnell aufs Dach. Leute vom elterlichen Haushalt entdeckten uns dort bald, der Tumult war schon so angewachsen, da? einige auch mit uns oben blieben, von unten kamen immer laufende Kommentare, was drau?en vor sich ging. Eine tobende Menge hatte sich vor dem Haus der franz?sischen Kommandantur angesammelt. Das war schr?g gegen¨¹ber dem benachbarten Haus, der fr¨¹heren Villa Sachs, Ecke Sedan- und Friedrichstra?e. Man h?rte Rufe, Schreie, Singen von Liedern, Sch¨¹sse, dann wurde berichtet, man habe den Dr. v. Mielecki aus seiner Wohnung gegen¨¹ber der Kommandantur geholt (13), er wurde auf der Stra?e schwer mi?handelt. Dann kam eine Droschke, es hie?, er werde nun weggefahren, tobende Leute aus der Menge folgten der Droschke, an unserem Gartenzaun entlang. Dann hie? es, er sei erschlagen worden. Um unser Haus wurde es langsam ruhiger, aber vor der Kommandantur dauerte der Aufruhr noch f¨¹r Stunden. Mein Vater kam nach Hause, als wir noch auf dem Dach waren und kam auch dort herauf, ich berichtete ihm sehr aufgeregt, was wir geh?rt und zum Teil gesehen hatten. Ich habe ihn nie so ersch¨¹ttert gesehen, er war bleich und sprachlos. Er hatte Dr. v.Mielecki gut gekannt, als F¨¹hrer der polnischen Stadtverordneten, ein gut angesehener Mann in Kattowitz. Wir wurden nicht einmal ausgeschimpft, da? wir trotz aller Verbote wieder auf dem Dach waren und so das alles aus n?chster N?he hatten miterleben m¨¹ssen. Es wurde dann gesagt, da? "Orgeschleute" an dem gewaltsamen Verlauf der Protestkundgebung und dem Mord an Dr. v.Mielecki schuldig waren. Die Zusammenh?nge waren aber viel komplizierter (14). Es hatte Berichte gegeben, da? die franz?sischen Besatzungstruppen Waffenvorr?te und sogar Truppen nach Polen abgezweigt h?tten, um der polnischen Regierung in ihrem Kampf gegen die auf Warschau vorr¨¹ckenden Russen zu helfen. Arbeiterkreise wurden zum Protest dagegen mobilisiert, da? die Franzosen die "Neutralit?t Oberschlesiens" im polnischen Kampf gegen die Sowjetunion gebrochen h?tten. Zu dieser Kundgebung hatten die Gewerkschaften aufgerufen als eine Aktion gegen die franz?sische Besatzungsmacht. Die franz?sische Kommandantur wurde hart bedr?ngt und mu?te sich mit dem Abzug ihrer Truppen aus dem Geb?ude und der Stadt einverstanden erkl?ren. Es verhandelten dar¨¹ber die Gewerkschaftsf¨¹hrer. Aber ganz eindeutige nationalistische T?ne hatten die Oberhand gewonnen, mit bekannten deutschen patriotischen, antifranz?sischen Schlagworten und Liedern in h?chster tumulthafter Erregung, was ganz klar zeigte, da? die Kundgebung, urspr¨¹nglich von Sozialisten veranstaltet, von gewaltt?tigen rechtsradikalen Elementen unterlaufen worden war. Im deutschen Reichstag hatte bereits am 27.Juli der Ostexperte der Deutschnationalen Volkspartei Dr. Hoetzsch erkl?rt, er pers?nlich stehe dem russischen Kriegsziel mit voller Sympathie gegen¨¹ber (15). Proteste gegen die Franzosen als Mitbesetzer und Forderungen, da? sie abziehen und die Besetzung allein den Engl?ndern und Italienern ¨¹berlassen sollten, waren schon fr¨¹her erhoben worden. Diese m¨¹ndeten nun auch in die Demonstration f¨¹r die "Neutralit?t" Oberschlesiens im polnisch-russischen Krieg ein, zu der die Gewerkschaften f¨¹r ganz Oberschlesien aufriefen, verbunden mit einem Generalstreik. Die Schlesische Arbeiterzeitung, das Parteiblatt der Unabh?ngigen Sozialdemokraten schreibt am 19.August: "Die blutigen Zusammenst??e in Kattowitz sind ohne Zweifel auf das Verhalten deutscher Nationalisten zur¨¹ckzuf¨¹hren, die die proletarische Demonstration gegen den polnischen Eroberungskrieg und f¨¹r R?terussland in verbrecherischer Weise benutzen, um ihrem Chauvinismus Luft zu machen" (16). Weiter noch ging eine Erkl?rung des sozialistischen Reichtstagabgeordneten Breitscheid, der, allerdings "unter lebhaftem Widerspruch des Grafen Westarp" mitteilte, den Unabh?ngigen Sozialisten in Oberschlesien seien von nationalistischen Offizieren ganze Lastautos mit Waffen angeboten worden, wenn sie gegen die Polen und die Entente losgehen wollten (17). Die demokratische "Vossische Zeitung" vom 27.August 1920 schlie?lich kritisiert die Gewerkschaften, da? sie auf blo?e Verdachtsgr¨¹nde ¨¹ber franz?sische Truppenverschiebungen hin, zu der scharfen Waffe des politischen Generalstreiks griffen, "ohne F¨¹hlungnahme mit der st?rksten deutschen Partei, der Katholischen Volkspartei(Zentrum)" (18). Auf der polnischen Seite wurde der Krieg gegen die Sowjetunion haupts?chlich von Pilsudski und seinen Anh?ngern betrieben, einem ehemaligen Sozialisten, dessen Regime und Parteiungen damals im innerpolnischen Leben Polens als links gerichtet angesehen wurden. Der Aufruf, den das Polnische Plebiszitkommittee nach dem blutigen 17. August erlie?, klagt die preu?ischen Militaristen an, da? sie gemeinsam mit den Sozialisten, Nationalen Bolschewisten und Kommunisten den Plan hatten, sich Oberschlesiens zu bem?chtigen (19). Dieser Aufruf war nicht nur unterschrieben von Korfanty, wir finden auch den Namen von J.Biniszkiewicz f¨¹r die Polnische Sozialistische Partei, Michael Grajek f¨¹r die polnische Bergarbeitergewerkschaft und mehrerer anderer polnischer Gewerkschaftsf¨¹hrer. Man sieht also, es gab auf beiden Seiten Fl¨¹gel, deren nationalistischer Eifer viel gr??er war als ihre vermeintliche Bindung an politische Ideologien. W?hrend bei Ausbruch der Unruhen am 17.August es schon Ger¨¹chte ¨¹ber den Fall Warschaus gab, hatte die Wende durch einen erfolgreichen Gegenangriff Pilsudskis schon begonnen und im Laufe der Woche war sein "Wunder an der Weichsel" komplett, die Russen waren geschlagen und die Polen gewannen damals die ihnen von Ru?land bestrittenen Ostprovinzen wieder. In Oberschlesien brach der 2. polnische Aufstand unmittelbar nach den Unruhen des 17.August aus, verschiedene Landkreise waren von den polnischen Aufst?ndischen besetzt. W?hrend in Kattowitz die franz?sischen Truppen hatten abziehen m¨¹ssen und erst nach 2 Tagen die interallierten Fahnen auf dem Kreiskommando wieder aufziehen konnten, fand nun die deutsche Sicherheitspolizei ihre Position in vielen Teilen des Landes unhaltbar, es wurden B¨¹rgerwehren in vorwiegend polnischen Orten gebildet. Schlie?lich kam es zu Verhandlungen zwischen den beiden Plebiszitkommissariaten in Beuthen. Von polnischer Seite war es Korfanty, von der deutschen Sanit?tsrat Dr. Bloch aus Beuthen, der mit Ulitz f¨¹r die Deutsche Demokratische Partei im Deutschen Plebiszitausschu? sa?. Am 27.August wurde ein Abkommen abgeschlossen, das den polnischen Aufstand beendete, wogegen die deutsche Sicherheitspolizei aus Oberschlesien zur¨¹ckgezogen werden und durch eine 50/50 deutsch-polnische "Abstimmungspolizei", aus Oberschlesiern gebildet, ersetzt werden sollte (20). Das war eine betr?chtliche Ver?nderung auch f¨¹r unser t?gliches Leben. Die Polizei sollte nun aus zum gro?en Teil nicht vorgebildeten Kr?ften bestehen, das Abkommen sah auch Zusammenarbeit bei Beendigung politischen Terrors und Waffenzufuhr vor, aber es litt die normale Verbrechensbek?mpfung, und das vertiefte das immer gr??er werdende Gef¨¹hl um sich greifender Aufl?sung. Es bewegte sich nun Alles auf die Abstimmung am 20.M?rz 1921 zu, mit Kundgebungen, an denen auch Schulklassen teilnahmen, ebenso wie Adressenschreiben im deutschen Plebiszitkommissariat. Die Leitung der Abstimmung in Kattowitz hatte eine dreik?pfige Kommission unter dem franz?sischen "Kreiskontrolleur" mit dem Gewerkschaftssekret?r Josef Rymer, nachmaliger Wojewode, als polnischem und meinem Vater als von allen deutschen Parteien ernannten deutschen Vertreter. Wir waren also durch seine Rolle den Vorg?ngen nahe. Auch alle in Oberschlesien geborenen aber nicht mehr wohnhaften Personen sollten am Geburtsort abstimmungsberechtigt sein, und die ganze Familie kam, die nach Berlin gezogen war, ein unbekannter Verwandter aus M¨¹nchen meldete sich auch. Unser Haus war voll von Familienbesuch, und das gab dem Abstimmungstag f¨¹r uns noch ein besonderes Gepr?ge. Es waren auch au?erhalb der Familie viele alte Bekannte der Familie nach Oberschlesien gekommen. Ich erinnere mich, da? ich die Tante Lucie Hirschel auf einem Spaziergang begleitete. Sie traf eine gro?e Gruppe von Mitgliedern der Cassirer Familie aus Berlin. Sie waren auf dem R¨¹ckweg von Rybnik, wo sie herkamen und abgestimmt hatten. Hans Hirschel hatte schon einen Ruf in der Familie als angehender Literat, und ich bat ihn, ein Gedicht zur Abstimmung zu machen, das ich dann vortragen wollte. Das kam aber nicht zustande, und was ich dann vorsang, war von mir, voller Ressentiment gegen Korfanty, und Tante Ida Benjamin, die j¨¹ngste Schwester des Vaters, zum Beispiel konnte ihren Abscheu gegen diesen jugendlichen Chauvinismus nicht verbergen. Die Benjamins und Paul Gr¨¹nfelds waren nur den Tag ¨¹ber da, waren die Nacht ¨¹ber gefahren und fuhren abends wieder nach Berlin zur¨¹ck, andere Verwandte blieben etwas l?nger. Aber in der Atmosph?re der Abstimmung war das keine Zeit, ein sch?nes Wiedersehen mit der Familie zu feiern. Die Abstimmung und auch die Tage und ersten Wochen danach verliefen ruhig. In der Stadt Kattowitz selbst hatten 85% f¨¹r Verbleib bei Deutschland gestimmt, im Landkreis 55% f¨¹r Polen, beide zusammengerechnet ergab 51.7% f¨¹r Deutschland, aber die benachbarten Kreise Ple? und Rybnik hatten, abgesehen von den ja kleineren St?dten viel gr??ere Mehrheiten f¨¹r Polen, w?hrend Stadt-und Landkreis Beuthen zusammen gerade 50.3% f¨¹r Deutschland entschieden. Das oberschlesische Gesamtergebnis war 59.6% f¨¹r Deutschland. Laut dem Versailler Vertrag (21) sollte f¨¹r "die als Grenze Deutschlands in Oberschlesien anzunehmende Linie....sowohl der von den Einwohnern ausgedr¨¹ckte Wunsch, wie auch die geographische und wirtschaftliche Lage der Ortschaften Ber¨¹cksichtigung" finden. Die Alliierten M?chte, durch ihre Botschafterkonferenz, sollten dar¨¹ber befinden. Die Abstimmungsergebnisse gaben ein sehr komplexes Bild, der polnische Stimmenanteil, besonders in den s¨¹dlichen Gebieten, war sehr viel h?her als die deutsche Seite erwartet hatte (22). Alles deutete nun darauf hin, das es zu einer Teilung Oberschlesiens kommen w¨¹rde. Von deutscher Seite wurden aus Oberschlesien im April Delegationen nach England, Frankreich und Italien gesandt, "um einflu?reiche politische Kreise zuverl?ssig zu unterrichten" (23). Mein Vater geh?rte der vierk?pfigen Delegation nach Italien an. Sie bestand au?erdem aus Pfarrer Ulitzka aus Ratibor, Reichstagsabgeordneter der katholischen Zentrumspartei, in der er sp?ter sehr prominent wurde, dem Generaldirektor Pistorius der F¨¹rstlich Plessischen Bergwerksdirektion Kattowitz, wo er auch stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher gewesen war, und dem sozialdemokratischen Gewerkschaftssekret?r Franz. Warum der Vater in den aufgeregten Zeiten nach der Abstimmung wegfuhr, wurde uns nat¨¹rlich ausf¨¹hrlich erkl?rt, und so erinnere ich mich auch, da? er eine Einf¨¹hrung an den Chef der Banca Commerciale in Milan, Toeplitz, hatte, der damals ziemlich bekannt war. Als Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei war Vater wohl allgemein f¨¹r Kontakte mit den damals einflu?reichen "laizistischen" Parteien zust?ndig, er war ja auch Freimaurer. So kam es denn auch, da? unser Vater nicht da war, als am 3.Mai der gro?e 3.polnische Aufstand ausbrach. Das wurde nun f¨¹r unsere Jugend eine weitere Bekanntschaft mit Gewalt, Gefahr und der Ungewi?heit, was die n?chste Stunde, geschweige denn die weitere Zukunft bringen w¨¹rde. Die Umgebung der Stadt war sofort in den H?nden der Aufst?ndischen, als wir am 3.Mai aufwachten. Der Chauffeur, mit dem deutschen Namen Adler, der bei uns im Haus wohnte, war fort mit dem Hausschl¨¹ssel, es stellte sich heraus, da? er sich den Aufst?ndischen angeschlossen hatte. Drau?en in Karbowa waren auch die Aufst?ndischen, ein guter Geist f¨¹r die Familie, der Portier des Werks Theodor Walla, hielt die Verbindung aufrecht; manchmal bekamen wir Gem¨¹se, aber sein ?ltester Sohn Heinrich hatte sich auch den Aufst?ndischen angeschlossen. Das war eben Oberschlesien. Der Aufstand war gut organisiert und vorbereitet mit Hilfe und starkem Zuzug von der POW aus Polen, aber der Stamm der Aufst?ndischen waren eben polnische Oberschlesier. Es ging r¨¹cksichtslos und zum Teil grausam zu. Die Stadt war wie belagert, aber es bestand hier und in anderen St?dten eine Art modus vivendi der Aufst?ndischen mit den alliierten Besatzungstruppen, da? die St?dte selber nicht angegriffen oder von den Aufst?ndischen besetzt werden sollten. Aber bei uns war dieser Ring sehr eng, und es wurde viel und auch in die Stadt hineingeschossen, vor allem nachts. Unser gro?er Garten hinter dem Haus grenzte an die Rawa; dahinter waren Bruchfelder, eine Art Niemandsland, auf der anderen Seit geh?rte die Ferdinandgrube schon den Aufst?ndischen. Auch von dort wurde manchmal geschossen. Zuerst durften wir ¨¹berhaupt nicht mehr in den Garten, dann zeitweise, aber wenn man anfing, Sch¨¹sse zu h?ren, mu?ten wir sofort ins Haus. Aber man wei? ja, wie das ist. Wenn die Risiken ¨¹ber eine Zeit andauern, dann wird man abgestumpft und f?ngt an, sie leichter zu nehmen. Schlimm war, da? nachdem nachts ganz systematisch f¨¹r einige Zeit geschossen wurde, man am n?chsten Tag las, da? Kinder in ihren Betten erschossen worden waren, auch von derselben Seite her, auf die unser Garten ging. Wir hatten ja noch immer franz?sische Einquartierung und zwar seit einiger Zeit den franz?sischen Platzkommandanten Colonel Ardisson, der auch noch seine Frau und zeitweise den erwachsenen Sohn und die Tochter hatte nachkommen lassen. Der Herr v. Brunn war schon ausgezogen, und so hatten wir Platz genug. Nat¨¹rlich empfand man die franz?sische Besatzung als einen gewissen Schutz, aber man wu?te doch nie, was der n?chste Tag bringen konnte. Von der Ferdinandgrube war es kaum mehr als f¨¹nf Minuten zu Fu? und einen Sprung ¨¹ber die kleine Rawa bis zu unserem Garten, und ¨¹berhaupt wer wu?te, wie lange der Waffenstillstand ¨¹ber Nichtbesetzung der St?dte anhalten w¨¹rde. Im Industriegebiet waren die Landkreise alle in den H?nden der Aufst?ndischen. Eisenbahn- und Stra?enverkehr waren praktisch lahmgelegt, die Aufst?ndischen bildeten ad hoc Verwaltungen daf¨¹r, auch ein interalliierter Zug, der t?glich von Kattowitz nach Oppeln und zur¨¹ck ging, konnte nur mit ihrer Erlaubnis benutzt werden. Unser Vater war unterdessen von Italien wieder nach Breslau und auch bis Oppeln gekommen, durfte aber nicht nach Hause kommen. Nach einiger Zeit konnte er aber f¨¹r uns eine Genehmigung "zur Ausreise" arrangieren, und so fuhren Mutter, wir drei Kinder und Else Jeppesen mit dem interalliierten Zug nach Oppeln. Diese Reise war nat¨¹rlich eine ziemliche Aufregung. Man wu?te von Einigen, die sie gemacht hatten, aber erst kurz vorher war zum Beispiel der Pastor Voss von den Aufst?ndischen aus dem Zug geholt, allerdings dann nach einem Verh?r wieder freigelassen worden. Bei uns aber ging es ohne Zwischenfall. Wir wurden dann nach einem Besuch in Breslau im Riesengebirge in Krummh¨¹bel f¨¹r die n?chsten Monate "parkiert", aber Vater war vorwiegend in Breslau und Oppeln. Nat¨¹rlich war es sehr sch?n so lange im Riesengebirge zu sein, wir hatten es schon im Vorjahr bei einem k¨¹rzeren Ferienaufenthalt in Br¨¹ckenberg kennengelernt, aber diesmal war doch alles von so gro?er Unsicherheit ¨¹ber die Zukunft umwittert. Die Verwandtschaft in Berlin pl?dierte stark mit Vater, da? er den Familienbesitz in Kattowitz verkaufen und nach Deutschland ziehen sollte. Onkel Felix Benjamin war im Aufsichtsrat der L¨¹becker H¨¹tte, an der Rawack & Gr¨¹nfeld damals ma?geblich beteiligt waren, und schlug vor, da? Vater die Leitung von deren Zementfabrik ¨¹bernehmen sollte und wir nach L¨¹beck ¨¹bersiedeln w¨¹rden. Bei all dem blieb aber doch im Vordergrund die Sorge, wie es wohl zu Hause aussieht. Man h?rte und konnte sich vorstellen, die Not und Versorgungsknappheit in der "belagerten aber nicht angegriffenen Festung Kattowitz" war ganz schlimm geworden. Es wurde ein besonders hei?er und trockener Sommer, und rund um die Stadt brachen gro?e, verheerende Waldbr?nde aus. Als wir nach Beendigung des Aufstandes im Juli zur¨¹ckkehrten, war das Bild der Umgebung s¨¹dlich nach Ple? hin zun?chst vollkommen ver?ndert und trug noch weiter bei zu der Trostlosigkeit der Situation und Stimmung. Der 3.polnische Aufstand hatte zu einem Wiedereinmarsch der deutschen Freikorps nach Oberschlesien gef¨¹hrt, die nach dem 2.Aufstand sich samt ihren Waffen hatten zur¨¹ckziehen m¨¹ssen. In einer Kampfhandlung am Annaberg am 21.Mai wurde ein Sieg ¨¹ber Kr?fte der Aufst?ndischen errungen, und auf deutscher Seite sah man das als die Wende an, die schlie?lich zur Beendigung des polnischen Aufstands, offiziell am 1. Juli, f¨¹hrte. Die Vorg?nge gelten aber als zu kompliziert f¨¹r solche Beurteilung (24). Die Engl?nder wandten sich gegen die polnischen Versuche, durch den Aufstand die f¨¹r das weitere Schicksal Oberschlesiens ausstehende Entscheidung der Alliierten Botschafterkonferenz in Paris zugunsten Polens zu forcieren, und drohten, englische Truppen zur Unterst¨¹tzung der franz?sisch/italienischen Besatzungen zu senden. Zu Hause war das Leben wieder mehr im gewohnten Gleis, aber die Unsicherheit ¨¹ber die bevorstehende Entscheidung der alliierten Botschafterkonferenz ¨¹ber Oberschlesien beherrschte die Stimmung. Unsere "Hausbesatzung", der Colonel Ardisson schien wieder in Kontrolle der Stadt als Platzkommandant, seine Familie war nach Frankreich zur¨¹ckgekehrt. So hatten wir wenigstens wieder Verf¨¹gung ¨¹ber das Gastzimmer im oberen Stock. Das war gut, denn am 2. Oktober kam mein 13. Geburtstag und damit meine Barmitzwah, und es wurde dazu Familienbesuch erwartet. Ich sollte ein Jahr vorher mit Vorbereitungsstunden anfangen und die hatte ich beim Lehrer Willner, den ich sehr gern hatte. Er war einerseits ein j¨¹discher Gelehrter, aber auch preu?ischer Volksschullehrer mit gro?er Allgemeinbildung. Abgesehen von hebr?ischer Schrift und Sprache galt der Unterricht auch Grundkenntnissen in j¨¹dischen Br?uchen und Gesetzen. Die Zeit von einem Jahr war knapp bemessen, und da von Mai bis August wegen des polnischen Aufstands die Stunden wegfielen, blieb meine Kenntnis der hebr?ischen Sprache sogar noch viel mangelhafter als vorauszusehen war. Ich hatte diese Stunden mit gro?en Erwartungen begonnen, sie gaben meiner Anh?nglichkeit an j¨¹dische Religion und damit auch j¨¹dische Geschichtsverbundenheit mehr Substanz. Die Barmitzwah Zeremonie blieb eine gewichtige Erinnerung. Sogar die Mutter kam in die Synagoge. Der Onkel Max Gr¨¹nfeld aus Berlin als Miterbauer der Synagoge und f¨¹r den architektonischen Entwurf damals verantwortlich wurde als Dritter zur Thora aufgerufen. Zu Hause kamen dann sehr viele Gratulanten, auch einige noch sehr fromme entferntere Verwandte, mit denen wir sonst kaum Kontakt hatten. Nachmittags waren auch meine Freunde eingeladen. Ich bekam, neben anderen Geschenken, sehr viel B¨¹cher, Grundlage einer noch wachsenden, recht vielf?ltigen Bibliothek, die ich dann bei Ausbruch des 2. Weltkriegs mit einem Schlag mit soviel anderem verlieren sollte. Kapitel 4 Kattowitz kommt zu Polen Die Botschafterkonferenz hatte zun?chst keine Einigung ¨¹ber die Zukunft Oberschlesiens erreicht und im August den V?lkerbundsrat um ein Gutachten gebeten. Es handelte sich dabei nat¨¹rlich nicht nur um eine m?glichst gerechte Auswertung der lokal so buntgew¨¹rfelten Abstimmungsergebnisse, sondern auch um wirtschaftliche und geographische Argumente, nachdem wohl von Anfang an die M?glichkeit einer Teilung nicht ausgeschlossen worden war. Den Abstimmungsresultaten nach wurde bald als gegeben angenommen, da? die Kreise Rybnik und Ple? zu Polen kommen w¨¹rden. Sie allein h?tten Polen wichtige Kohlegruben und -vorkommen gegeben, aber nichts von der Eisen- und Stahlindustrie oder Zinkh¨¹tten. Es wurde aber auch von einer Abrundung durch einen Teil des Kreises Kattowitz gesprochen, wo der Landkreis eine polnische Mehrheit gebracht hatte, wodurch beides f¨¹r Polen dazu kommen w¨¹rde. Die Engl?nder und im Allgemeinen auch die Italiener waren gegen eine Teilung des Industriegebiets oder seine Abtrennung von Deutschland, von der man annahm, da? es die Wirtschaftskraft des Gebiets schw?chen w¨¹rde, und auch Deutschlands M?glichkeiten, die ihm in Versailles auferlegten Reparationen zu bezahlen. Die Polen besa?en eine Kohle- und Stahlindustrie im ?stlich an Oberschlesien angrenzenden Dombrowaer Gebiet, wo franz?sisches Kapital stark beteiligt war. Die Franzosen waren vor allem an einem auch wirtschaftlich starken Polen an der deutschen Ostgrenze interessiert. Basierend auf den Empfehlungen des V?lkerbundsrats beschlo? die Botschafterkonferenz am 20.Oktober 1921 einen Teilungsplan, in dem Polen auch der ganze Kreis Kattowitz und ein Teil des Kreises Beuthen zugesprochen wurden. Die beiden gro?en Industriest?dte Kattowitz und K?nigsh¨¹tte, die mit gro?en Mehrheiten f¨¹r Deutschland gestimmt hatten, sollten also zu Polen kommen und wirtschaftlich weit mehr als die H?lfte der Kohleproduktion und der Hoch?fen, die H?lfte der Stahlwerke, fast die ganze Zinkindustrie. Das Industriegebiet sollte mitten durchgeschnitten werden, mit seinem dichten Eisenbahn- und Stra?enbahnnetz, Wasser- und Stromversorgung, ja auch unter Grund wurden Gruben durchschnitten, mit einem Schacht auf der polnischen und einem anderen auf deutscher Seite. Die praktischen Probleme waren enorm, f¨¹r die menschlichen wurde vorgesehen, da? beide Teile ein Minderheitenschutzabkommen abschlie?en w¨¹rden, um die Rechte der sprachlichen Minderheiten zu sch¨¹tzen. Das junge Polen hatte ein solches Abkommen mit den Alliierten M?chten in Versailles am 28.Juni 1919 zum Schutz seiner verschiedenen Minderheiten abschlie?en m¨¹ssen, und es wurde ihm nun auferlegt, dies entsprechend auf die neu entstehende deutsche Minderheit in dem polnisch werdenden Teil Oberschlesiens auszudehnen, w?hrend Deutschland gehalten wurde, ein entsprechendes Abkommen f¨¹r die polnische Minderheit im deutsch bleibenden Teil Oberschlesiens zu schlie?en. Es war nur wenige Tage nach meiner Barmitzwah, da? diese Entscheidungen bekannt wurden und eine ganz neue Situation schufen. Mit der Ungewi?heit hatte man ja schon drei Jahre gelebt. Nun war der gordische Knoten durchhauen, es kam etwas ganz Neues auf einen zu. Vater war schon in den Wochen davor in viele Sitzungen und Gespr?che zur Lage verwickelt, nun wurden sie f¨¹r die Stimmung beherrschend. Die Ideen vom fr¨¹hen Sommer w?hrend des polnischen Aufstands, da? man eventuell weggehen w¨¹rde, waren ganz verflogen. Unter den ans??igen Deutschen verbreitete sich die Stimmung, da? man sich mit der neuen Situation abfinden und eben auf ein Leben als deutsche Minderheit im polnischen Teil Oberschlesiens und damit im polnischen Staat einrichten m¨¹sse. Durch die Auflage eines Minderheitenschutzabkommens, das nun eifrig ausgearbeitet und dann auch am 22.Mai 1922 in Genf unterzeichnet wurde, war man ja ganz klar so angesprochen. Es geh?rte dazu, da? die Vertreter der deutschen Seite im Polen zugesprochenen Teil Oberschlesiens sich nun zusammentun und ihre eigenen Reaktionen und Ideen zu ihrer zuk¨¹nftigen Haltung ausarbeiten und aussprechen mu?ten. Dazu geh?rte auch die ehrlich gemeinte Zusicherung der Loyalit?t f¨¹r die neue staatliche Souver?nit?t, und das Alles geboren aus einem Heimatgef¨¹hl, da? n?mlich, was aufgebaut und erworben war, nicht zu Grunde gehen, sondern weiter gedeihen sollte. Es liegen dar¨¹ber mannigfache ?u?erungen von ma?gebenden deutschen Funktion?ren aus dem polnisch werdenden Teil von der Zeit nach der Entscheidung vor. Deutlich erinnere ich mich, da? mein Vater von einer Sitzung in Beuthen oder Gleiwitz schon kurz nach der Entscheidung nach Hause kam und sehr erregt erz?hlte, ein aus Berlin anwesender Minister h?tte gesagt, was die k¨¹nftige deutsche Politik zu dem abzutretenden Teil anbelangt, w?ren doch wohl Alle mit der in Berlin herrschenden Auffassung einig: "abschn¨¹ren und vernichten". Ich nehme an, da? es eine Sitzung der Deutschen Demokratischen Partei Oberschlesiens war. Auf Provinzebene waren Sanit?tsrat Bloch in Beuthen und Justizrat Kochmann in Gleiwitz, der auch im preu?ischen Landtag sa?, prominenter gewesen, f¨¹r das Gebiet des k¨¹nftigen Polnisch-Oberschlesiens aber war mein Vater wohl nun der f¨¹hrende Exponent geworden. Er hatte diesem Reichsminister sehr scharf widersprochen, und ich habe ihn selten so erregt gesehen, wie er uns dar¨¹ber erz?hlte. F¨¹r die Deutschen im k¨¹nftigen Polnisch-Ober-schlesien mu?te es andere Wege des Denkens in ihrer neuen Situation geben. Es brachte sie in die Linie des Denkens der nationalen Minderheitenbewegung, die sich in Europa nach dem ersten Weltkrieg entwickelte. Mich haben diese neuen Begriffe und Vorstellungen auch sp?ter im Zusammenhang mit manchen anderen Problemen des 20. Jahrhunderts immer wieder sehr interessiert. Der ¨¹bergang des Gebiets an Polen sollte durch einen feierlichen Einzug der polnischen Truppen in Kattowitz am 20.Juni 1922 vollzogen werden. In der Zwischenzeit hatte es zunehmende Zeichen von Aufl?sungsstimmung gegeben, Beamte gingen weg, Beh?rden waren im ¨¹bergang, wir merkten das auch in der Schule. Laut Genfer Abkommen mu?te der polnische Staat auch deutsche Minderheitsschulen unterhalten. Unser Gymnasium sollte das neue staatliche Gymnasium sein, ein gro?er Teil des bisherigen Bestands seine Minderheitsabteilung. Viele der Lehrer wollten weg nach Deutschland gehen, doch einige, vor allem j¨¹ngere, waren bereit zu bleiben. Man wu?te noch nichts Genaues. Als das letzte Abitur um Ostern abgehalten war, wozu auch der Oberschulrat aus der bisherigen Provinzhauptstadt Oppeln kam, konnte man f¨¹hlen, da? der traditionelle Bierabend der Lehrer mit den Abiturienten auch eine Art Abschiedsfeier f¨¹r den Lehrk?rper wird. Als wir J¨¹ngeren am n?chsten Morgen in die Schule kamen, waren nur wenige Lehrer da, man sah die Meisten herumwanken, kaum einer konnte ganz grade stehen. Die Schule fiel aus, wir wurden nach Hause geschickt. Es war gewi? auch ganz komisch, aber eigentlich war es niederschmetternd. Das Gef¨¹hl der Aufl?sung nahm ¨¹bergro?e Proportionen an. Die polnische Regierung bestimmte den General Stanislaw Szeptycki zur F¨¹hrung des feierlichen Einzugs der polnischen Truppen. Sein Name war uns damals neu, aber bald danach wurde er zeitweilig polnischer Kriegsminister, also mu?te er ein prominentes Mitglied der polnischen Generalit?t sein. Der Name der Familie ist unterde? bekannter geworden, eine ostgalizische Adelsfamilie, die starke Bindungen an die dortige westukrainische Bev?lkerung hatte. Sein Bruder Andrzej wurde Metropolit der mit Rom Uniierten Slawisch-Orthodoxen Kirche (1). Der General selber hatte im 1.Weltkrieg gro?e Erfolge im Kampf gegen russische Truppen im ?stlichen Polen errungen, er war zum ?sterreichischen General gemacht worden, hatte mit Pilsudski zusammengearbeitet. Es kam also jemand wirklich von der ganz anderen Seite Polens. Der Gewerkschaftssekret?r Josef Rymer, zum ersten Wojewoden der neuen Wojewodschaft Schlesien mit Sitz in Kattowitz, von nun an Katowice, ernannt, begr¨¹?te den General mit seinen Truppen an der schlesischen Grenze bei Schoppinitz. An der Stadtgrenze sollte der neue Oberb¨¹rgermeister Gornik, ein oberschlesischer Pole, ihn zusammen mit dem deutschen Stadtverordnetenvorsteher Dr. Reichele begr¨¹?en. Von unserem Balkon aus konnten wir ihn in einer Droschke allein auf seiner einsamen Fahrt zur Stadtgrenze vorbeifahren sehen. Er hatte, da er erst so kurz im Amt war, meinen Vater gebeten, es doch mit ihm zusammen zu tun, aber mein Vater entzog sich dem. Er sollte den General ohnehin noch treffen. Da der Colonel Ardisson schon weg war, wurde der General bei uns einquartiert. Er machte bald einen formellen H?flichkeitsbesuch. Wie schon oft bei den franz?sischen Offizieren wollte mein Vater auch damals, da? ich dabei bin. Ich erinnere mich nur, da? zuerst einige etwas verlegene Worte waren, wie man sprechen sollte, und die Unterhaltung spielte sich dann auf Franz?sisch ab. Sonst bestand f¨¹r uns sein kurzer Aufenthalt nur aus gelegentlichem Zunicken, aber dann kam ein Schock, er erschien pl?tzlich mit einem kleinen Foxterrier. Mein Gott, seufzte meine Mutter, die sch?nen Salonm?bel, sie waren mit Damast bezogen. Aber der General fuhr bald ab, ohne gr??eren Schaden anzurichten. Die beiden Wohnzimmer wurden aber nicht freigegeben. Wir bekamen als zivile Einquartierung den neuen polnischen Pr?sidenten der Eisenbahndirektion Sikorski, der noch einige Jahre dort wohnte, ein sehr ruhiger Mitbewohner, er blieb praktisch ohne jeden Kontakt mit uns. Der gr??te Wechsel kam f¨¹r uns Jungen, als die Schule wieder anfing. Der neue polnische Direktor beider Abteilungen hie? Wolff. Die meisten der bisherigen Sch¨¹ler wollten in die deutsche Minderheitsabteilung gehen. Die Meldungen f¨¹r die polnische Abteilung waren vorerst kleiner, der Zuzug polnischer Beamten und anderer Familien entwickelte sich erst. Herr Wolff verf¨¹gte, da? alle Jungen mit polnischen oder polnisch klingenden Namen in die polnische Abteilung ¨¹bergehen m¨¹?ten, und er kam selbst, um uns einzuteilen. Es entstand Verwirrung und Aufruhr. Die meisten der so betroffenen konnten kein Wort polnisch sprechen, und so gab es lange Gesichter in beiden Abteilungen, und es gab wohl sofort Protestschritte des Deutschen Volksbunds, der der Genfer Konvention nach zum Schutz der Minderheitenrechte auftreten sollte. Diese Frage, wer zur deutschen Minderheit geh?rte und wer nicht, brachte sehr klar ein Problem und einen Gefahrenpunkt des ganzen Konzepts der Minderheitsrechte f¨¹r Volksgruppen zum Vorschein. Hier wurde also von deutscher Seite darauf bestanden, da? die Zugeh?rigkeit zur Minderheit eine Sache freier Wahl, als des "Bekenntnisses" sein mu?. Die Erinnerung an dieses Jugenderlebnis erweckt bei mir eine ganze Reihe weiterer Gedanken. Schlie?lich standen da bei uns in der Untertertia unsere Mitsch¨¹ler, ein guter Teil von ihnen, und Herr Wolff wollte ihnen nicht mehr erlauben, weiter in die deutsche Schule zu gehen. Die Freiheit, die er f¨¹r sich selbst als polnischer Gymnasialdirektor mit deutschem Familiennamen nahm, wollte er unseren Mitsch¨¹lern aus Familien mit polnischem Namen, aber oft wohl schon seit Generationen deutschsprachig, nicht zuerkennen. Die Freiwilligkeit der Zugeh?rigkeit zu einer Minderheit habe ich immer als sehr entscheidend empfunden. Es entspricht wichtigen liberalen Grunds?tzen. Die Forderung nach autonomer Verwaltung f¨¹r Minderheiten, jedenfalls auf kulturellem Gebiet, wurde ein zentraler Punkt der Minderheitenbewegung in Europa, aber ich fand sie nur vertretbar, wenn das auf freiwilliger Assoziation beruhte. Menschen zwangsweise in solche Kompartments einzuordnen, w¨¹rde neue Elemente von Unfreiheit einf¨¹hren. Da? die deutsche Seite und dann auch die F¨¹hrung der Minderheitenbewegung dieses Bekenntnisprinzip vertrat, war ja eigentlich ein Abr¨¹cken vom strikten Sinn v?lkischer Denkweise. Die Konzeption des Nationalen war eben tats?chlich vielmehr verwandt mit dem Begriff der Kulturkreise, um den Geist von Arnold Toynbee zu berufen. Dieser aber relativiert gleichzeitig die Nationale Idee und bringt einen so zu einer Ann?herung an europ?ische Wirklichkeit zur¨¹ck. Man liest oft ¨¹ber anscheinend bedauernswerte Gebilde: Vielv?lker- oder Gemischtv?lkerstaaten, so die alte Donaumonarchie, ja in deutscher Sicht, dann die 1918 entstandene Tschechoslowakei. Genealogisch gesehen waren es ja auch weite Gebiete Ostdeutschlands, mehr als man davon Kenntnis genommen hatte. Da war nichts bedauernswertes daran, wenn man nicht inkongruente v?lkische Ideologien dahinein brachte. Ich glaube, es hat in der Minderheitenbewegung auch manche liberale Kr?fte gegeben, die Sinn hatten f¨¹r die europ?ische Bedeutung und liberale Grundnote der Sache. Aber es gab wohl auf deutscher Seite auch Viele, die das Bekenntnisprinzip in Sachen Nationalit?t hochhielten, weil das f¨¹r den Besitzstand der deutschen Volksgruppe z. B. in Polen zahlenm??ig so wichtig war. Man sieht wieder, wenn es um klare Interessenlage ging, hier gar nicht wirtschaftliche, sondern einfach Macht- und Bedeutungsinteressen der Volksgruppe, da verschwanden Ideologien in den Hintergrund. Dann blieb nur noch der Antisemitismus als Kaffeesatz der v?lkischen Idee. Die Qual meiner Untertertia Schulkameraden war bald vor¨¹ber, ja es entbehrte nicht einer gewissen komischen Wirkung, als sie so schnell wieder in unsere Klasse zur¨¹ck durften und das normale Schulleben unter dem neuen Regime begann. Dieser Vorfall war beigelegt. Auf l?ngere Sicht waren aber die Polonisierungsma?nahmen auf anderen Wegen erfolgreicher. Nach einiger Zeit gab es auch in der Stadt Kattowitz eine polnische Bev?lkerungsmehrheit. 1932 war die deutsche Minderheitenabteilung des staatlichen Gymnasiums schon viel kleiner geworden, schlie?lich wurde sie geschlossen, und es gab dann nur noch ein deutsches Privatgymnasium. Der Direktor Wolff blieb nicht lange, unser n?chster polnische Direktor hie? Steuer, und unter ihm habe ich noch 1926 dort mein Abitur gemacht. Kurz nachdem wir in Kattowitz die ¨¹bergabe an Polen erlebt hatten, wurde in Berlin der damalige deutsche Reichsau?enminister Walter Rathenau ermordet. F¨¹r uns waren und blieben die Ereignisse in Deutschland immer noch ganz hautnah. Das Berliner Tageblatt und die Breslauer Zeitung kamen weiter jeden Tag, und dazu kam noch die Ostdeutsche Morgenpost aus Beuthen, denn man mu?te ja auch mit dem deutschgebliebenen Teil Oberschlesiens Kontakt behalten, und sie kam fr¨¹h morgens am selben Tag. Die Erregung dieser Tage in Deutschland erlebten wir sehr stark mit. Man erinnerte sich an die Ermordung des katholischen Finanzministers Mathias Erzberger im August 1920, auch durch rechtsradikale Freisch?rler. Rathenau war Jude, er war f¨¹r mich als 14j?hrigen etwas wie ein Idol geworden, ich hatte einige seiner B¨¹cher gelesen. Es war die menschliche Trag?die dieses Mordes an Rathenau, und eben auch das Licht, das da auf die Turbulenz der Lage in der jungen Weimarer Republik fiel, f¨¹r die es dann mit vernichtender Inflation, franz?sischer Ruhrbesetzung und dem Hitlerputsch November 1923 kaum eine Atempause gab. Dieser Hitlerputsch damals war aber ein theatralischer Fehlschlag. Die Republik hatte doch schon Muskeln, eine Regierung der Gro?en Koalition (Deutsche Volkspartei, Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten) unter Stresemann war am erfolgreichsten mit der Konsolidierung, unterst¨¹tzt vom Erfolg der Schacht'schen W?hrungsreform. Nicht nur wegen politischen Geschehens, sondern vor allem auf kulturellem Gebiet war man, auch nach der Abtretung Ostoberschlesiens, mit dem Leben in Deutschland weiter stark verbunden. F¨¹r uns heranwachsende Jungen blieben auch die Ideen der Jugendbewegung in Deutschland, des Wandervogels, eine Anziehung. Wanderv?gelb¨¹nde selber hatten sich in Kattowitz nicht so entwickelt w?hrend der Zeit der Besetzung und politischen K?mpfe. Es gab aber eine Gruppe des j¨¹dischen Jugendbundes "Kameraden", und einige meiner Schulfreunde geh?rten dazu. Es war ein nichtzionistischer Bund. Beide Eltern widersetzten sich meinen sehr dringenden W¨¹nschen, da auch beizutreten, ich sollte stattdessen in den "Alten Turnverein" gehen, der mich gar nicht begeisterte, und den ich bald verlie?. Bedeutsam wurde, da? ich mit einigen Freunden, meist aus der n?chst h?heren Klasse, zu einem Lesezirkel geh?rte, in dem gelesen, aber auch viel diskutiert wurde. Es waren Klassiker und zeitgen?ssische Literatur und eben manches, das mit der Jugendbewegung zusammenhing, und wir hatten einige der Zeitschriften der Jugendbewegung. Wir trafen uns abwechselnd zu Hause. Einige der "Kameraden"-Mitglieder spielten auch eine Rolle, so Manfred Danziger, und von anderer Seite erinnere ich mich besonders an den alten Freund Karl-Heinz Lubowski und an Wolfgang Juretzek. Zu den starken Anregungen in Richtung Jugendbewegung geh?rte auch f¨¹r mich ein Besuch bei uns zu Hause von Dr. Rudolf Trevenfels aus Breslau. Das war eigentlich eine Familienfreundschaft, er war zehn Jahre ?lter, aber noch ganz erf¨¹llt mit solchen und anderen Ideen und hatte viele enge Kontakte mit einigen Schl¨¹sselfiguren aus dieser Welt (2). Auch das kulturelle Umfeld blieb f¨¹r uns eigentlich ganz unver?ndert und weiter sehr reich und aktiv. Das Stadt-Theater wurde nun zwischen deutschem und polnischem Theater geteilt, an den der neugebildeten Deutschen Theatergemeinde zustehenden Tagen wurde es von der ebenfalls neuentstehenden Landesb¨¹hne aus dem deutschgebliebenen Oberschlesien "bespielt". Das war dann doch eine sehr starke, auf den ganzen Industriebezirk sich st¨¹tzende Unternehmung, und es gab ein interessantes Programm und Kr?fte. Die Theatergemeinde, in der Rosa Speier bald eine f¨¹hrende Rolle ¨¹bernahm, veranstaltete auch in mehreren Jahren jeweils f¨¹r einige Wochen Gastspiele der Wiener Volksoper. Bis dahin hatte ich Opern nur bei Besuchen bei den Gro?eltern in Breslau erlebt, jetzt wurden es ganze wochenlange Festspiele, mit uns besonders verkn¨¹pft, weil mehrmals K¨¹nstler der Wiener Volksoper bei uns wohnten. Auch wurde der Meister'sche Gesangsverein f¨¹r einige Opern zu Chorszenen hinzugezogen, und dann konnte ich meine Mutter auch verkleidet auf der B¨¹hne sehen. ¨¹berhaupt wurde der Meister'sche Gesangverein eine gro?e Quelle musikalischen Miterlebens. Ich trat dem Chor zwar nie bei, kaum einer von uns, die dann zum Studium weggingen, tat es, aber aus Chorwerken und Opern spielte ich im Klavierauszug vor und nachher, und f¨¹r die Auff¨¹hrungen kamen Solisten, von denen jemand bei uns wohnte, ebenso f¨¹r Solistenkonzerte, Pianisten, Violinisten, Kammermusik- und Gesang. So hatten wir im Laufe der zwanziger Jahre viele sehr bekannte K¨¹nstler, die bei uns als G?ste wohnten. Unver?ndert machten wir auch die regelm??igen Besuche bei den Gro?eltern in Breslau. Es gab auch ganz spezielle Gelegenheiten, den 70. Geburtstag der Gro?mutter, 80. des Gro?vaters und ihre Goldene Hochzeit, mit einem gro?en Abendessen im Hotel Monopol, eine selten sch?ne und sehr gro?e Familienfeier. Wir drei Kinder spielten ein von Rosa Speier in Form eines kleinen Theaterst¨¹cks verfa?tes, langes Gedicht. Es gab viele brilliante Reden. Besonders erinnere ich mich an die Damenrede des zur nahen Bernstein Familie geh?rigen Herrn Jakobowitz, er war, die Brust mit Orden ¨¹bers?t, ein Kampfflieger im 1.Weltkrieg gewesen. Meine Gro?eltern waren unterdessen in eine viel kleinere Wohnung gezogen, der Gro?vater war nicht mehr so aktiv und prominent im b¨¹rgerlichen Leben Breslaus, aber zu den morgendlichen Gratulationskuren bei diesen Festen kamen immer der Oberb¨¹rgermeister Wagner, sein Stellvertreter Tiktin, der auch f¨¹r die in Breslau bekannte "Gesellschaft der Freunde" kam, deren Direktor mein Gro?vater f¨¹r ¨¹ber 25 Jahre gewesen war, der Oberrabbiner Dr. Vogelstein und immer auch der Geheimrat Pfeiffer, unter dem der Sohn Oettinger an der Universit?t gearbeitet und gelehrt hatte. Bis ins hohe Alter blieb der Gro?vater geistig rege und sehr interessiert und nahm an seinem Stammtisch im Caf¨¦ Fahrig teil. Er geh?rte aber zu denen, die die Inflation schlecht ¨¹berstanden, fast das ganze Verm?gen war in Staatspapieren angelegt, und er war danach auf die Unterst¨¹tzung seiner Kinder angewiesen. Er starb Mitte der zwanziger Jahre. Ich fuhr mit zur Beerdigung. Es r¨¹hrte mich, meiner Mutter zu kondolieren und sie am Grab ihres Vaters zu sehen, es war ein neuer Eindruck. Ich selbst habe ja dann w?hrend des 2.Weltkriegs und danach nie an den Gr?bern meiner Eltern stehen k?nnen. Nach der Beerdigung des Gro?vaters wurde mir auf dem Friedhof in Breslau auch das Grab meines Urgro?vaters Dr. Albert Oettinger gezeigt. Die Schulzeit von Untertertia an brachte nat¨¹rlich auch ein zunehmendes Ma? von Bekanntschaft mit polnischen Dingen. Polnisch als Sprache gab es zun?chst nur zweimal die Woche. Die Regierung fand erst, die Deutschen sollten gar nicht polnisch lernen, sondern weggehen, aber das ?nderte sich im Lauf der Jahre. Nat¨¹rlich interessierte einen bald, etwas ¨¹ber polnische Geschichte, ja auch Literatur zu h?ren, und das spielte dann auch eine zunehmende Rolle im Unterricht auch in der deutschen Minderheitabteilung, und man fuhr nach Krakau zu den sehr sch?nen Sehensw¨¹rdigkeiten aus polnischer Vergangenheit. Die polnische Politik dieser fr¨¹hen zwanziger Jahre nahm auch einen sehr turbulenten Verlauf. Es gab immer wieder die scharfen Spannungen zwischen Ost- und Westschwergewicht, einst durch den Gegensatz Pilsudski-Dmowski gekennzeichnet, es war auch einer zwischen rechts und links, klerikal und nicht so klerikal, die Spaltung zwischen klerikal und laizistisch in anderen katholischen L?ndern widerspiegelnd. Es ging gewalt?tig zu, auch mit Putschversuchen. Die Rechte hatte 1922 einen Wahlvorteil errungen, und Pilsudski trat als Staatspr?sident zur¨¹ck; als Nachfolger wurde Dr. Narutowicz, der linkeren Bauernpartei und auch Pilsudski nahestehend, gew?hlt, aber er wurde schon bald im Dezember 1922 ermordet, nur wenige Monate nach dem Mord an Rathenau in Deutschland. Als Einf¨¹hrung zu regelm??iger Anteilnahme an politischen Entwicklungen in Polen war das ein beunruhigendes Erlebnis. Wirtschaftlich war Polen auch schweren Finanz- und Inflationswirren ausgesetzt, hatte dann aber unter F¨¹hrung von Grabski von Ende 1923 bis 1925 eine nichtparlamentarische "Experten"regierung mit besserer Stabilit?t. Auch in Polnisch-Oberschlesien entwickelte sich die Industrie zun?chst bis 1925 ganz hoffnungsvoll. Das Baugesch?ft des Vaters hatte auch aktive Zeiten. Abgesehen vom Regierungssektor hatte Kattowitz ja durch die Teilung Oberschlesiens auch als industrielles Verwaltungszentrum noch an Bedeutung gewonnen, und es war in der Nachkriegszeit ohnehin schon an Wohnungsbau einiges nachzuholen. Mein Onkel Max Gr¨¹nfeld schied aus der Firma aus und ging in Ruhestand. Der gro?e Hausbesitz in Berlin hatte in der Inflationszeit verkauft werden m¨¹ssen. Die politische Lage und Spannungen in Polnisch-Oberschlesien aber wechselten, und das war nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich bedingt. Es gab etwas in Oberschlesien, was man als "schwebendes Volkstum" bezeichnet hat (3). Ein Teil der damaligen oberschlesischen Bev?lkerung f¨¹hlte sich auch bei polnisch-oberschlesischer Umgangssprache politisch nicht so festgeschrieben. Die wirtschaftliche Lage konnte dadurch auch Stimmverh?ltnisse zwischen deutschen und polnischen Parteien leicht beeinflussen, wie sie eben beeinflu?t werden, wenn W?hler wirtschaftlich unzufrieden und geneigt sind, die bestehende Regierung daf¨¹r verantwortlich zu machen. In den ersten Wahlen zum Schlesischen Sejm hatten die polnischen Parteien gut abgeschnitten. In Kattowitz selbst blieb aber die Mehrheit deutsch. Die Regierung l?ste das Stadtparlament auf und die Stadt wurde f¨¹r zwei Jahre kommissarisch regiert. Die wirtschaftlichen Verh?ltnisse hatten sich 1925 in Polen verschlechtert, der Regierung Grabski folgte zunehmendes politisches Chaos, das durch einen Staatsstreich Pilsudskis und seine Wiederkehr, nun als Diktator, beendet wurde. In Oberschlesien hatte sich die Wirtschaftslage besonders verschlechtert, da der bei der Teilung 1922 abgeschlossene Vertrag f¨¹r Einfuhr polnisch-oberschlesischer Kohle nach Deutschland im Juni 1925 ablief, und Deutschland sich nicht beeilte, ein neues Abkommen abzuschlie?en (8). Polen konnte dann neue M?rkte finden, beg¨¹nstigt durch den englischen Bergarbeiterstreik von 1926 vor allem in Skandinavien, aber unterde? litt die Besch?ftigung in den Kohlengruben. F¨¹r November 1926 waren Wahlen f¨¹r ein neues Kattowitzer Stadtparlament ausgeschrieben. Umliegende, viel st?rker polnische Industried?rfer waren unterde? eingemeindet worden, was eine polnische Mehrheit h?tte sichern sollen. Der Eindruck verst?rkte sich aber, da? die deutsche Seite doch stark an R¨¹ckhalt gewonnen hatte (4). Der Ausgang der Wahlen brachte der neuen polnischen Pilsudski-Regierungspartei, der "Sanacja", gleich zwei Entt?uschungen: die Deutschen gewannen 34 der 60 Sitze, die namentlich von Korfanty und den polnischen Sozialisten vertretene polnische Opposition erhielten 14, die Sanacja nur 5 Sitze. Da der ?lteste gew?hlte Stadtverordnete, der deutsche Katholikenf¨¹hrer Senator Thomas Szczeponik kurz vorher gestorben war, mu?te mein Vater, der auch wieder auf der deutschen Liste kandidiert hatte, die erste Sitzung als Alterspr?sident er?ffnen, und das war eine Amtshandlung, in Polnisch, das er wirklich gar nicht sprach. Ich half mit meinen Schulkenntnissen bei der ¨¹bersetzung und schrieb dann den Text f¨¹r ihn phonetisch auf. Es war nicht erfolgreich. Nach Vaters Rede verlangte der besonders k?mpferische F¨¹hrer der polnischen Sozialisten, Biniszkiewicz, da? die Rede nun ins Polnische ¨¹bersetzt werde, sie sei in einer ihm unbekannten Sprache, vielleicht auf Chinesisch gehalten worden. Die Sitzung verlief auch sonst sehr st¨¹rmisch, da die Deutschen als st?rkste Fraktion darauf bestanden, einen Deutschen, den katholischen Gewerkschaftssekret?r Jankowski, der gut Polnisch sprach, als Stadtverordnetenvorsteher zu w?hlen, und die Polen daraufhin die Versammlung verlie?en. Die "Kattowitzer Zeitung" aber best?tigt in ihrem Bericht (5), da? "bei der deprimierenden Atmosph?re des 1.Teils der Sitzung" die polnischen Herren Widuch und Rechtsanwalt v.Kobylinski meinem Vater (bei seinen weiteren Amtshandlungen als Alterspr?sident) mit ihren polnischen ¨¹bersetzungen taktvoll und hilfsbereit zur Seite standen. Mein Vater war dann bis 1930 Vorsitzender der deutschen Fraktion im Stadtparlament und blieb Stadtverordneter, bis er 1933 zur¨¹cktrat. Nachdem er 1922 an der Gr¨¹ndung des Deutschen Volksbunds mitgewirkt hatte, geh?rte er auch dem Verwaltungsrat an und wurde sp?ter einer der beiden Vizepr?sidenten, bis zu seinem R¨¹cktritt 1933. Bis dahin nahm er an vielen Sitzungen und Besprechungen teil, aber die Mitglieder des Verwaltungsrats traten in der ?ffentlichkeit kaum auf. Es kamen aber im Zusammenhang damit manche interessante Besucher ins Haus, so Herbert Weichmann, der zu Beginn seiner Karriere Chefredakteur der "Kattowitzer Zeitung" war. Eine besondere Aufgabe des Vaters, an die ich mich erinnere, hing mit dem Proze? zusammen, den die Regierung gegen verschiedene Beamte des Deutschen Volksbunds einleitete. Die polnische Politik gegen¨¹ber der deutschen Minderheit hatte sich seit 1926 sehr versch?rft. Das wird erkl?rt mit der Weigerung der deutschen Regierung, den Locarnovertrag von 1925 auch durch eine entsprechende Regelung im Osten zu erg?nzen, was in Polen unvermeidlich verst?rkte Furcht, Wachsamkeit und Abwehrstimmung gegen deutschen Revisionismus hervorrufen mu?te (6). Der neue schlesische Wojewode Grazynski war 1926 eingesetzt worden, um der deutschen Minderheit ganz entscheidend Schach zu bieten, aber auch, um die Stellung der Sanacja gegen¨¹ber dem nationaldemokratischen Korfanty zu st?rken. Die von der polnischen Polizei vorbereitete Anklage gegen Ulitz stand auf schwachen F¨¹?en, n?mlich Dokumenten, die dem Verdacht der F?lschung ausgesetzt waren. Der Schlesische Sejm unter dem alten polnischen Vork?mpfer, Rechtsanwalt Wolny, einem Korfanty-Anh?nger, lehnte eine Aufhebung der Immunit?t des Abgeordneten Ulitz ab, aber der Leiter des Deutschen Schulvereins Dudek kam vor Gericht. F¨¹r seine Verteidigung war aus Warschau ein F¨¹hrer der polnischen Sozialisten, Dr. Hermann Liebermann, gewonnen worden, und mit den Abmachungen daf¨¹r hatte mein Vater zu tun. Dr. Liebermann wohnte auch bei uns, und das war auch wieder ein interessantes Erlebnis f¨¹r mich. Er war schon als Anwalt und politisch im ?sterreichischen Galizien aktiv gewesen. Als sp?ter Pilsudski scharf gegen seine Opposition in Polen vorging, wurde er auch in das Internierungslager Bereza Kartuska gesperrt, wo auch Korfanty hinkam. Dr. Liebermann war w?hrend des 2.Weltkriegs dann Mitglied der polnischen Exilsregierung in London (7). Zur Zeit der Prozesse, bei denen er mitwirkte, war die Haltung des Deutschen Volksbunds sehr klar, da? er sich ganz als Minderheitenvertretung f¨¹hlte und auftrat. Dr. Liebermann geh?rte eben zu denen, die im eigenen Lager gegen polnische Verletzungen der Minderheitenvertr?ge waren (8). Es gab damals schon in Deutschland auch au?erhalb der Rechtsradikalen unterschwellige revisionistische Gedanken, die solches Verst?ndnis der Deutschen in Polen als Minderheit zu unterlaufen drohten. Die aggressive Politik der polnischen Regierung nach 1926 gegen die deutsche Minderheit spielte solchen Tendenzen in Deutschland in die H?nde, wie man so oft findet, da? die Radikalsten auf beiden Seiten sich unwissentlich/wissentlich B?lle zuwerfen. Nun will ich meinen R¨¹ckblick auf die Jugendjahre in Kattowitz noch mit ganz pers?nlichen Erinnerungen abschlie?en. So zum Beispiel, da? da auch lauter M?dchen heranwuchsen, es Tanzstunde und viele Parties gab, Verliebtheiten und Spazierg?nge. Es wurde so absorbierend, da? der Lesezirkel und Gedanken der Jugendbewegung zur¨¹cktraten und sich die Schwergewichte im Kreis der Freunde auch ?nderten. Man fing an, auch mit Vergn¨¹gen zu Bierabenden in Kneipen zu gehen. Viele aus diesem Kreis wurden sp?ter Korporationsstudenten. Ein guter Freund wurde Hans Kuhnert. Ein anderer neuer Freund aus den sp?ten Schuljahren war Hans Werner Niemann. Er kam wie aus einer anderen Welt, war eine Klasse j¨¹nger, voll aggressivem, aufgeschlossenem Enthusiasmus in weltanschaulichen und literarischen Dingen, provozierte lebhafte Meinungsverschiedenheiten, so ¨¹ber meine damalige Heinebegeisterung, und war eher "jungkonservativ" eingestellt. Sein Stiefvater war Direktor der Kohlengrube Murcki, wir waren oft dort, das einzige Mal, da? ich eine Kohlengrube untergrund besuchte. Ein paralleles Erlebnis war mein Besuch in einer der gro?en oberschlesischen Eisenh¨¹tten und Stahlwerke, der Julienh¨¹tte in Bobrek, die im deutsch gebliebenen Teil Oberschlesiens lag. Diese erste Bekanntschaft mit dem H¨¹ttenwesen interessierte mich sehr, die Umformung des Metalls von Erz ¨¹ber Roheisen zum Stahl, und was man das "bulk handling" der Materialien nennt. Ein Onkel, A. Tramer war der kaufm?nnische Direktor der H¨¹tte, seine Frau Flora war Vaters Cousine, eines von den in meiner Jugend noch lebenden acht Kindern des Jakob Gr¨¹nfeld und der Maria geb. Sachs in Zalenze (9). Mit den noch in Oberschlesien lebenden gab es immer Kontakt. Der j¨¹ngste Sohn Paul mit Frau Mimi aus G?ttingen war gut situierter Eisen- und Stahlkaufmann in Beuthen. Sie waren sehr lebenslustige Leute mit viel Stil. Er war Mitglied der Schlaraffia, die beiden waren gar nicht onkel- und tantenhaft mit uns und sie wurden gute Freunde. H?ufige Ausfl¨¹ge "¨¹ber die Grenze" nach Beuthen wurden f¨¹r uns ohnehin ein wesentlicher Bestandteil der zwanziger Jahre. Dort war der j¨¹ngere Bruder des Vaters, der Orthop?de Ernst, mit seiner netten, manchmal etwas rauhen Art und sein orthop?discher Turnsaal, und dann eben das soviel j¨¹ngere Ehepaar Paul Gr¨¹nfeld. Aber es waren gar nicht nur solche Familienverbindungen, man fuhr eben oft nach Beuthen. Paul war ein eifriger Reiter in dem neuen Reitklub, der in Beuthen entstand. Mit einigen Freunden fuhren Lotte und ich auch dorthin zum Reiten. Mir gefiel diese Sportart, aber sehr gut war ich nicht, w?hrend Lotte bald Preise im Springen sammelte. F¨¹r die Geselligkeit im Hause der Eltern waren ein j?hrlicher H?hepunkt die Sylvesterabende, immer in recht gro?em Kreis, vor allem nachdem die Einquartierung endlich beendet und die zwei weiteren Wohnzimmer auch frei waren. Mit die ?ltesten G?ste waren Dr. Speiers, und sie blieben dann auch die letzten in den sp?ten 30er Jahren vor Ausbruch des Krieges. Sie waren in den 20er Jahren sehr befreundet mit dem Ehepaar Lukaschek, und so kam es, da? die Dr. Lukascheks auch f¨¹r einige Jahre, bis er sein Amt als deutscher Vertreter in der unter dem Genfer Abkommen mit Sitz in Kattowitz waltenden Gemischten Kommission aufgab, an unseren Sylvesterabenden teilnahmen, und mit ihnen sp?ter auch Freiherr v. Gr¨¹nau mit Familie, der einige Jahre deutscher Generalkonsul in Kattowitz war. Manche unserer jungen Freunde kamen noch nach Mitternacht und es wurde getanzt. Der j¨¹dische Religionsunterricht und die Gottesdienste waren f¨¹r mich immer von ergreifendem Interesse geblieben. Als Rabbiner und Religionslehrer hatten wir in den fr¨¹hen zwanziger Jahren den ?lteren Dr. Lewin aus Breslau, der mit dem dortigen Rabbinerseminar eng verbunden war. Wir waren schon etwas aufs?ssiger gewordene Gymnasiasten, und er hatte eine schwere Zeit mit uns; es waren nicht nur theologische Zweifel, mit denen wir ihn ?rgerten. Wir waren bei j¨¹discher Geschichte. Wie k?nnen wir, so fragte man ihn, an den Entwicklungen der deutschen Geschichte ebensolchen Anteil nehmen wie andere Deutsche? Nat¨¹rlich, sagte er, wenn ich vor der alten Kaiserpfalz in Goslar stehe, da bin ich genauso beeindruckt und bewegt wie alle Deutschen. Das sagte er. Es blieben Zweifel. Heute w¨¹rde ich sagen: Vorfahren von heutigen Juden lebten auch dort zu dieser Zeit, sie hatten Teil an der Entwicklung der abendl?ndischen Welt in Europa, und haben eine Beziehung zu diesen historischen St?tten, und eine besondere zu denen der abendl?ndischen Nationalit?t, der sie sich selbst zugeh?rig f¨¹hlen. Wenn man genau hinsieht, ist das ein Teil auch des j¨¹dischen Geschichtsbewu?tseins. Dr. Lewin ging bald nach Breslau zur¨¹ck. Der ¨¹bergang an Polen machte sich sp?ter bemerkbar. Unter seinen Nachfolgern kam aus ganz anderer Welt der junge Dr. Jechezkiel Lewin aus Galizien. Sein Vater war Pr?sident der ganz orthodoxen Agudath Israel, er selbst wurde sp?ter in Pal?stina und Israel einer ihrer F¨¹hrer. Er war sehr gebildet und intelligent, und trotz abweichender Meinungen und unserem background waren es sehr interessante Stunden. Er blieb nicht lange in Kattowitz. Im Sommer 1926 bestand ich mein Abitur. Mit seinem Herannahen schon war meine Berufswahl dringend geworden. Ich war seit langem zwischen zwei Polen hin- und hergerissen. Nat¨¹rlich hatte mein Vater immer gewollt, da? ich, als dritte Generation, in das Baugesch?ft eintreten und daf¨¹r Architektur studieren w¨¹rde. Es war ein sch?ner Gedanke und ich versuchte immer, mich darauf einzustellen und vorzubereiten. Dahin geh?rten die ja von fr¨¹her Jugend her gewohnten Rundg?nge durch Vaters Neubauten und Ziegelei, schlie?lich auch einfache Lehrb¨¹cher ¨¹ber Architektur, Fassaden und Grundri?l?sungen, und Zeichen- und Malstunden bei der K¨¹nstlerin Trude Willner, deren freundschaftliche Bekanntschaft auch sp?ter eine gro?e Bereicherung war. Meine wirklichen Neigungen aber gingen eigentlich in andere Richtungen, ich wollte Jura studieren. Es gab sehr ernste Gespr?che. Meine Mutter ¨¹berraschte mich, sie fand, wenn ich nicht Architektur studieren will und mich auch nicht f¨¹r sehr begabt f¨¹r das Baufach halte, dann sollte ich doch meinen gr??ten Interessen und anscheinender Begabung nach Geschichte studieren. Wahrscheinlich hatte sie recht. Ihr Bruder Walter und meines Vaters Vetter Hans Sachs, deren Vornamen mir gegeben worden waren, hatten sich beide in ihrem Fach Lorbeeren als Wissenschaftler erworben, und das war auch meiner Mutter Ehrgeiz f¨¹r mich. Wenn nicht das, dann fand sie, Vaters Weg als erfolgreicher Baumeister w?re doch auch vielversprechend. Im letzten Schuljahr bekam ich einige B¨¹cher ¨¹ber National?konomie in die Hand und fand dies das Interessanteste und Zeitgem??e. Zun?chst war ich aber bereit, bei meinem Vater im Gesch?ft bis April 1927 zu praktizieren, vorher hatte ich keine Zulassung zu Hochschulen in Deutschland. So machte ich noch einen Winter "Saison" in Kattowitz mit, lernte die v?terlichen Betriebe besser, auch mit Handangreifen kennen. Ende 1926 starb mein Onkel Ernst Gr¨¹nfeld in Beuthen; zur Beerdigung kam auch Felix Benjamin, der Chef der Erzhandelsfirma Rawack & Gr¨¹nfeld aus Berlin. Er fragte nach meinen Berufspl?nen, hielt aber gar nichts von einem National?konomie Studium. Nat¨¹rlich, wenn ich dem Vater zuliebe Architektur studieren will, k?nnte er nichts sagen, aber er lud mich ein, f¨¹r einige Wochen nach Berlin zu kommen, und das tat ich auch. Die Benjamins wohnten in einem hochherrschaftlichen Haus am Dianasee in Grunewald. Von meinen vier Cousinen waren drei im Hause (10), ich lernte etwas vom Gro?stadtleben Berlins kennen. Bei einem fr¨¹heren Besuch waren wir drei Kinder 1922 in Berlin f¨¹r einige Wochen im Haus in Dahlem von Onkel Paul und Tante Grete Gr¨¹nfeld mit Vettern Herbert und Ernst eingeladen gewesen. Das war ein ganz anderer Stil, mit viel Betonung auf die Reitpferde und die gro?e Gartenliebe, aber auch viel Anregung f¨¹r Kunst und Musik. Jetzt bei Benjamins fehlte die Tante Ida, sie litt an Depressionen. Nat¨¹rlich h?rte ich viel ¨¹ber Rawack & Gr¨¹nfeld, besuchte das B¨¹ro, mein Onkel Felix Benjamin hatte abends weiter viele Telefongespr?che und im Hintergrund war die Frage, wenn ich schon nicht besondere Lust oder Eignung f¨¹rs Baufach versp¨¹rte, warum soll ich nicht bei meinem Onkel bei Rawack & Gr¨¹nfeld ins Erzgesch?ft eintreten, anstatt zu studieren? Ich fuhr wie vorgesehen zur¨¹ck nach Kattowitz; dort fiel der Entscheid f¨¹r des Vaters W¨¹nsche, und ich bereitete mich vor, zum Semesterbeginn im April 1927 auf der Technischen Hochschule Charlottenburg Architektur zu studieren, wo mein Onkel Max Gr¨¹nfeld mit dem ihm befreundeten Architekturkollegen Dr. Weiss, der auch Kattowitz kannte, alles N?tige f¨¹r meine Aufnahme und F?rderung meines Studiums einleitete. Kapitel 5 Als Student in der Weimarer Republik A) Berlin a) Leben und Studium Als ich April 1927 in Berlin ankam, konnte ich zuerst bei Onkel Paul und Tante Grete Gr¨¹nfeld in Dahlem wohnen, bis ich im Hansaviertel ein m?bliertes Zimmer, eine "Bude" gemietet hatte. In sp?teren Semestern fand ich dann welche in Charlottenburg. Das Haus in Dahlem blieb mir w?hrend der ganzen Studentenzeit ein wohltuendes Refugium und Quelle vieler Anregungen auch f¨¹r alle die gro?en Attraktionen des kulturellen Lebens im damaligen Berlin, und es waren auch immer viele junge Menschen im Haus, denen mit lebendigem Interesse begegnet wurde. Die Familie dieser Dahlemer Verwandten waren sehr kritisch, aber auch sehr begeisterungsf?hig. F¨¹r mein Architekturstudium sollte ich mich in engem Kontakt mit dem Onkel Max halten. Neben der Einf¨¹hrung in das Bauwesen bei Dr. Weiss hatte ich Mathematik, Physik und Statik zu belegen, dazu kam noch "Freihandzeichnen". Grade das war ein fr¨¹her Kampf, und meine Unbegabtheit bald eine Warnung, da? ich es mit dem Architekturstudium schwer haben w¨¹rde. Ich k?mpfte drei Semester mit diesem Problem, und je n?her man dem eigentlichen architektonischen Schaffen im Studium kam, desto st?rker wurde die ¨¹berzeugung, da? ich aussteigen m¨¹?te. Dabei kann ich nicht sagen, da? ich nicht vieles an diesem Studium gern hatte, aber es war eine ungl¨¹ckliche Liebe. Im Gegensatz zu meinem Onkel, der an alten Stilen hing und ein gro?er Kenner der alten preu?ischen Schl?sser war, zog es mich zur modernen Architektur, und f¨¹r die Sommerferien plante ich eine Reise zur Bauaustellung in Stuttgart. Vorher traf ich mich mit Karl-Heinz Lubowski und Freunden in Bayern f¨¹r eine Wanderung ¨¹ber das "Steinerne Meer" nach Zell a. See und Fahrt nach Innsbruck. Schon in der Schulzeit waren wir in Bayern, M¨¹nchen, Tegernsee und Mittenwald gewesen. Nun lernte ich noch mehr von S¨¹ddeutschland kennen, ich ging von Stuttgart nach Heidelberg, einer Einladung meines Onkels Hans Sachs und Frau Lotte folgend, die ich in Dahlem getroffen hatte. Grete Hirschel studierte dort Romanistik und zeigte mir etwas vom Leben in Heidelberg. F¨¹r den Rest der Ferien ging ich nach Hause und arbeitete praktisch als Zimmermann auf einem Bau des Vaters. Schon vor Beginn des Studiums hatte ich zu Hause im "Berliner Tageblatt" bemerkt, da? es in Berlin einen Demokratischen Studentenbund gab, und bei Beginn des 1.Semesters bald sein Anschlagbrett im Lichthof der TH entdeckt. Ich besuchte gleich ihre n?chste Veranstaltung im Demokratischen Klub in der Victoriastra?e, wo sie tagten. Bei ihnen habe ich mich dann, bis ich 1931 von Berlin fortging, sehr zu Hause gef¨¹hlt. R¨¹ckblickend auf mein 1.Semester wurde diese beginnende Teilnahme am politischen Leben in der Studentenschaft in diesen schwierigen, aber noch hoffnungsvollen Jahren der Weimarer Republik eine markante Entwicklung f¨¹r mein Leben, ¨¹ber die ich zusammenh?ngend berichten will. Im 2.Semester trat ich auch der "Freien Wissenschaftlichen Vereinigung " (FWV) bei. Etwas anders als in der mehr versachlichten und stets politisch orientierten Atmosph?re des Demokratischen Studentenbunds war die FWV eine Studentenverbindung, eben eine "Fraternity", mit Betonung auf die pers?nlichen Beziehungen der Bundesbr¨¹der und ihre kulturellen Interessen als das Verbindende, obgleich von ihrem Ursprung in den 1880er Jahren her da auch eine entscheidende politische Note gewesen war. Die Formen entstammten den alten an deutschen Universit?ten gewohnten. Ein kurzer Blick auf einige Studenten-Verbindungen ist da angebracht. Wie schon erw?hnt, waren ja deutsche Studentenkorporationen im fr¨¹hen 19. Jahrhundert sehr freiheitlich aufgetreten, auch wieder in der 1848er Zeit. Die Burschenschaften hatten die schwarz-rot-goldenen Farben als Symbol der Freiheitlichkeit und f¨¹r deutsche Einigung gew?hlt, aber das v?lkische Prinzip der Nichtaufnahme von Juden als Mitgliedern hatte sich immer wieder erhoben und verschiedentlich durchgesetzt. F¨¹r Fraternities hat es ja solche Exklusivit?t, ebenso wie in vielen Klubs, immer gegeben, und keineswegs nur in Deutschland, aber die politische Zielsetzung und Virulenz des "v?lkischen Prinzips" wurde f¨¹r die deutsche und vielleicht noch mehr f¨¹r die ?sterreichische Studentenschaft charakteristisch. Trotzdem hatten w?hrend des 19. Jahrhunderts die Burschenschaften in verschiedenen Zeitr?umen immer wieder j¨¹dische Mitglieder, unter ihnen auch manche sp?ter prominent gewordene aus den Kreisen stark assimilierter oder getaufter Juden (1). Manche Korporationen hielten liberale Haltung und Satzungen aufrecht, einige schlossen sich zu dem kleinen Burschenschaftskonvent (BC) zusammen, andere blieben unabh?ngig. So entstanden sogenannte "parit?tische" Verbindungen, was schon anzeigt, da? der Anteil der j¨¹dischen Mitglieder unverh?ltnism??ig zunahm und bald ganz stark ¨¹berwog. Diese Verbindungen hielten nur unterschiedlich an alten Gebr?uchen der "Couleur" Studenten fest, wie Farben, M¨¹tzen und obligatorisch Fechten. Andere j¨¹dische Studenten hatten dagegen Korporationen gebildet, die rein j¨¹dische Verbindungen sein wollten, aus ¨¹berzeugung oder jedenfalls als die ihrer Ansicht nach richtige Antwort auf die Exklusivit?t und deutsch-v?lkische Richtung der ¨¹berzahl der deutschen Korporationen. Der KC stand dem CV (Centralverein deutscher Staatsb¨¹rger j¨¹dischen Glaubens) nahe, aber es gab auch den KIV als zionistische Verbindung. Weder ein Beitritt zu einer parit?tischen Burschenschaft noch zum j¨¹dischen KC oder gar den Zionisten hatte mich interessiert, aber die Freie Wissenschaftliche Vereinigung entsprach durchaus meinen Ansichten und Neigungen. Sie war 1886 gegr¨¹ndet worden, nachdem von Berlin durch die T?tigkeit des Predigers St?cker ausgehend eine neue antisemitische und deutschnationale Welle zur Gr¨¹ndung des Vereins Deutscher Studenten (VDSt) gef¨¹hrt hatte. Das war eine neue Art von Verbindung in Deutschland, mit weniger Betonung auf Farben und Fechten, daf¨¹r aber mit ausgesprochener politischer Zielsetzung scharf rechts. Als Opposition gegen diese gr¨¹ndeten prominente Liberale die FWV, f¨¹hrend der Arzt Virchow und der Historiker Mommsen. Der lebendige Kontakt mit liberaler politischer Tradition und dem Kulturleben blieb das Zeichen dieser Verbindung, die auf ihren Ursprung und ihre Vergangenheit stolz war. Im Laufe der Zeit wurde sie aber auch eine der "parit?tischen" Verbindungen mit ¨¹berwiegend j¨¹discher oder j¨¹dischst?mmiger Mitgliedschaft (2). Dies war keineswegs so bei den verschiedenen politischen Studentengruppen, wie der Demokratischen oder der Sozialistischen Studentenschaft, die ja den Gro?teil der au?erhalb der rechtsgerichteten Deutschen Studentenschaft organisierten republikanischen Studenten stellten (3). Die FWV hatte an der Technischen Hochschule eine eigene Verbindung, die Mitglieder fand ich sympathisch, aber noch entscheidender f¨¹r meinen Beitritt zur FWV war wohl, da? ich durch meinen Vetter Herbert Gr¨¹nfeld eine ganze Reihe von FWVern kennengelernt hatte, die mit ihm in Heidelberg studiert hatten. Er war dort der FWV beigetreten und hatte viele Freunde in Heidelberg und anderswo gemacht, die nun in Berlin weiter studierten. Das war ein sehr anregender Kreis von sehr lebendigen und interessierten jungen Menschen, viele waren Juristen und Mediziner. Unter ihnen lernte ich auch gleich einige kennen, die in den Studentenvertretungen und der Hochschulpolitik als FWVer auf der republikanischen Seite aktiv und f¨¹hrend geworden waren, wie Heinz Ollendorf, bei dem ich dann als Neuling "Leibfuchs" wurde, Fred Rothberg und Kurt Lange. Wie andere Verbindungen hatte die FWV das Amt des "Fuchsmajor" zur Einf¨¹hrung der Neulinge, das war der junge Anwalt G¨¹nter Joachim, aktiver Sozialdemokrat und Reichsbannermitglied, dann bekannt geworden als Verteidiger von in Zusammenst??en mit Nazis verwickelten Republikanern. Doch im Winter 1927/28 stand das Leben in der FWV noch nicht unter solchen Zeichen. Es war ein anregendes Medium, das auch der Stimmung und der Bewegtheit der damaligen Berliner Kulturszene der Goldenen 20er Jahre entsprach und dazu beitrug, da? man sich mit Gleichgestimmten daran soweit als m?glich beteiligte und es mitgeno?. Nat¨¹rlich kamen daf¨¹r auch immer wieder Anregungen von andersher, auch der gro?en Verwandtschaft. Im Haus Gr¨¹nfeld in Dahlem sah besonders Tante Grete immer, da? man die richtigen Konzerte und Theaterauff¨¹hrungen mitmachte und Gem?ldeausstellungen besuchte, wo man damals viele franz?sischen Impressionisten sah, aber auch eigenen Neigungen folgen konnte. Es gab in der Verwandtschaft auch andere Beziehungspunkte zum kulturellen Leben Berlins. Verglichen mit der Generation meines Vaters, einem von zehn Geschwistern, war die v?terliche Familie in meiner Generation nicht so gro? geworden. W?hrend meiner Studentenzeit konnte ich nun mehr von den Vettern und Kusinen sehen, die in meiner fr¨¹hen Jugend von Oberschlesien nach Berlin gezogen waren. Meine Kusine Guste Kaiser war Malerin, kopierte oft alte Meister im Kaiser Friedrich Museum, Margot Epstein wurde als Journalistin bekannt, so mit Besprechungen von Kinderb¨¹chern, Ellen Epstein war konzertierende Pianistin, Sch¨¹lerin von Schnabel, und Hans Hirschel hatte f¨¹r seine literarische T?tigkeit eine Basis in Mitherausgabe der Zeitschrift "Das Dreieck" gefunden mit einigen anderen, schon bekannteren Literaten, arbeitete aber auch im Erzgesch?ft von Rawack & Gr¨¹nfeld. Mir war Das Dreieck zu "avantgard", aber die Besuche bei Hirschels waren immer anregend und herzlich, und diese drei Schwestern des Vaters in Berlin kochten exzellentes Essen. In der m¨¹tterlichen Verwandtschaft in Berlin war vorerst ihr Bruder Walter Oettinger, nun Stadtmedizinalrat von Charlottenburg, unverheiratet. In seinem Kreis spielten Freundschaften aus dem Breslauer Akademisch-Literarischen Verein eine gro?e Rolle (4). Dieser war auch das, was ich als "parit?tische" Verbindung beschrieben habe, mit hohem Anteil getaufter Juden. Die literarische Verpflichtung war dabei ein sehr ernstes Anliegen, bei Walter Oettinger konzentrierte sie sich auf Friedrich Hebbel, er wurde ein gro?er Kenner und Sammler. Er war politisch konservativ, hielt den Lokalanzeiger, aber sonntags kaufte er "heimlich" das Berliner Tageblatt. Ein Vetter meiner Mutter war Erich Oettinger, Physiker, auch aus dem Breslauer ALV, Assistent Fritz Habers an der TH Karlsruhe gewesen, nun bei der AEG, dem ich w?hrend meiner Berliner Zeit sehr nahegestanden habe. Er hatte einen weiten Kreis geistiger Interessen und dementsprechend viele interessante Freunde; leider ist er noch w?hrend meiner Studentenzeit sehr fr¨¹h gestorben. Als ich im 3.Semester mit dem Architekturstudium zusehends unzufriedener wurde, begann ich mich f¨¹r Fortsetzung des Studiums an der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der TH zu interessieren, auf betriebswirtschaftliche F¨¹hrung von Industriebetrieben ausgerichtet, mit technischen und wirtschaftlichen F?chern kombiniert. F¨¹r meine 2.Sommerferien fand ich eine Stelle als Praktikant bei der Firma Holzmann auf einer ihrer Wohnblockbauten in Weissensee im nord?stlichen Berlin. Ich war kein geborener Maurer, aber so zu arbeiten entsprach mir f¨¹r zwei Monate durchaus, es war gut, diese Welt kennenzulernen. Ich hatte mit ihr zu Hause schon Kontakt gehabt, aber das war nun etwas anderes. Mein Maurerpolier, ein richtiger Berliner, war ein alter Sozialdemokrat, nach Arbeitsschlu? kamen manche der Arbeiter noch in die Baubude, wo er residierte, und man trank Bier. Leider machte mir meine praktische Arbeit auf dem Bau noch klarer, da? das nicht mein Beruf war. Ich habe das dann noch zu Hause besprochen, aber zur Entscheidung noch offengelassen. Ich wollte nicht endg¨¹ltig einen Studiengang w?hlen, der zu eventueller sp?terer Arbeit oder ¨¹bernahme des v?terlichen Gesch?fts keine Beziehung mehr hatte. Ein Weg w?re Umsattlung auf Bauingeneur gewesen, aber die Verbindung von wirtschaftlicher mit technischer Grundbildung, haupts?chlich allerdings auf Maschinenbau gest¨¹tzt, die in der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung geboten wurde, zog mich mehr an. Entscheidend wurden f¨¹r mich lange Unterhaltungen mit Erich Oettinger, ich fand, da? er in meinem Berliner Umkreis der Beste war, mir unabh?ngigen Rat zu geben und die Courage, die ich f¨¹r so einen, den Erwartungen meines Vaters entgegengesetzten Entschlu? brauchte. Nach unseren langen Unterhaltungen war seine Diagnose, meinen ausgesprochensten Interessen und auch anscheinender Begabung nach sollte ich eigentlich Soziologie studieren. Das war eine gerade sehr stark beachtete Wissenschaft geworden. Mein hochrangiger national?konomischer Kollege im Demokratischen Studentenbund, Alfred Tismer, hatte daf¨¹r nur das Wort "Schmonzologie". Ich entschied mich f¨¹r die mehr auf praktische Zwecke ausgerichtete L?sung der Wirtschaftswissenschaften an der TH Charlottenburg. Die Abteilung war nach dem Muster einer in Belgien bestehenden Industriehochschule gegr¨¹ndet worden. Eine ?hnliche gab es in Deutschland in M¨¹nchen aus der Vereinigung der dortigen Handelshochschule mit der Technischen Hochschule. Dort stand als Abschlu? immer noch ein Diplomkaufmannsexamen. In Charlottenburg aber war es ein Diplomingeneur auch f¨¹r die Wirtschaftswissenschaftliche Abteilung. Dort konnte ich nun National?konomie bei dem sehr geachteten Dr. Goetz Briefs h?ren, er war katholisch eingestellt, auch im Verband republikanischer Hochschullehrer t?tig. Sein Assistent, der Privatdozent Fischer, war, wie sich sp?ter herausstellte, weit mehr rechts, aber diskret damit. In seinem Weltwirtschaftlichen Seminar hatte ich den Auftrag in zwei Sitzungen ¨¹ber die ¨¹berlebenschancen des Britischen Empires zu referieren. Er hatte mich auf die zentrifugalen Tendenzen in allen Dominien hingewiesen, und ich mu?te die wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten ¨¹berall studieren und aufarbeiten, so auch die Frage der Kolonien. Ich kam zu einem f¨¹r England positiven Schlu?, und sah dann, da? er seine Entt?uschung nur schwer verbergen konnte. Er hatte mich auf die vielen Fragezeichen ¨¹berall aufmerksam gemacht (mein politischer Platz war ja allgemein bekannt an der Hochschule). Es gab sie ja auch, aber ich habe ja, jedenfalls bis zur Zeit nach dem 2.Weltkrieg, Gott sei Dank recht behalten. Gr¨¹ndliche Ausbildung in Betriebswirtschaft, Finanzwesen und Buchhaltung gab es bei Dr. Prion, juristische F?cher mu?ten meist an der Universit?t und Handelshochschule belegt werden. Die technischen F?cher, Maschinenbau und Allgemeine Technologie waren f¨¹r mich neu, Maschinenbau und die Zeichnungen, die man da anfertigen mu?te, nicht nach meiner Wahl, aber dann sp?ter belegte ich Eisenh¨¹ttenwesen als Nebenfach, und das war ein technisches Fach, das mich wirklich interessierte. Als weitere Nebenf?cher an der TH belegte ich dann sp?ter noch Wirtschaftsgeographie bei Dr. R¨¹hl, einem Freund Erich Oettingers, den ich dort kennengelernt hatte, und auch ein Semester Patentrecht bei Reinhard Jacoby, einem Vetter meiner Mutter. Das neue Studium gab mir also ein ziemlich gro?es Programm. Zu den Weihnachtsferien 1928 war ich, wie immer, wieder zu Hause in Kattowitz. Die Familie, die alten Freunde, manche netten M?dchen, es gab viel Geselligkeit. Die Studenten, die in den Ferien nach Hause kamen, hatten es eingerichtet immer einen Ball zu veranstalteten, ich hatte mich an der urspr¨¹nglichen Initiative stark beteiligt. Zum Sylvesterabend in unserem Haus kamen dieses Mal neue G?ste, Frau Dr. G?ppert aus G?ttingen, mit Tochter Maria, die in G?ttingen Physik studierte. Sie war etwas ?lter als ich und mir sehr sympathisch (6), war in Kattowitz geboren; unsere Eltern waren befreundet, bis ihr Vater an die Universit?t G?ttingen ging. Eine Folge des Sylvesterabends war, da? Maria Goeppert, Karl Heinz Lubowski und ich einen Ausflug nach Krakau machten, um ihr diese alte polnische Stadt zu zeigen, die f¨¹r Kattowitz ja nun eine Art Nachbarstadt und kulturell ein gro?er Anziehungspunkt geworden war. Ich kannte es nat¨¹rlich schon, aber dieser Ausflug verst?rkte den Zauber, der von der Stadt ausging, es gab auch ein besseres Empfinden f¨¹r polnische Geschichte und alte nationale Ambitionen, die sich daraus entwickeln mu?ten. Man hatte ja schon Unterricht in polnischer Geschichte in der Schule mitgemacht. Im Studium in Berlin war man dem etwas mehr entr¨¹ckt. Karl Heinz zum Beispiel hatte sich entschlossen, in Krakau zu studieren, und er war nicht allein damit. Das Sommersemester 1929 war f¨¹r meine politische Bet?tigung zusammen mit Studium, besonders hektisch verlaufen. W?hrend der Semesterferien mu?te ich noch eine weitere praktische Arbeitszeit machen, die etwas mit Maschinenbau zu tun haben sollte. Erich Oettinger schlug die Lehrlings- und Fortbildungsschule der AEG in Reinikkendorf vor und brachte mich dort unter. Ich wollte nicht wieder, wie in meiner Maurerzeit in Weissensee, t?glich von meiner Bude in Charlottenburg hin- und herfahren. Ich gab mein Zimmer auf, mietete eins in Reinickendorf, also ich lebte nun wirklich in einem unteren Mittelstands- und Arbeiterbezirk. Die Belegschaft in Arbeit/Schule war auch ganz anders, dar¨¹ber mehr sp?ter, wenn ich ¨¹ber die politische Entwicklung spreche. In meine Praxiszeit 1929 fiel auch mein Geburtstag, der 21., zu dem die Eltern nach Berlin kamen, bei Onkel Max fand ein gro?es Geburtstagsdinner statt. Meine Schwester Lotte kam auch mit; sie wollte in Berlin an der Kunstgewerbeschule Innenarchitektur studieren, man wollte sehen, da? sie anst?ndig untergebracht war. Wir sollten versuchen, etwas zusammen zu finden, und das gelang auch in zwei m?blierten Zimmern bei Frl. Sachs in der Clausewitzstra?e. Der Besuch meiner Eltern war eine gro?e Freude, und die gemeinsame Wohnung mit Lotte wurde auch eine gro?e Bereicherung meines Lebens in Berlin. Wir verstanden uns sehr gut, es war wie ein zu Hause und wir konnten Freunde einladen. Die j¨¹dischen Feiertage Neujahr und Vers?hnungstag verbrachte ich ja zum ersten Mal nicht zu Hause, sondern der Praxis wegen in Berlin, und zwar im overflow Gottesdienst in der Philharmonie, mein erster mit liberalem Ritus, es sagte mir sehr zu. Ich hatte ein Argument mit meinem AEG Werkmeister, der mir keinen Urlaub f¨¹r Neujahr geben wollte. Ich nahm ihn mir einfach, schlie?lich war das doch eine von Rathenau gegr¨¹ndete Firma, fand ich. Erich Oettinger war ¨¹ber meinen Entschlu? ebenso kritisch wie das AEG Management. Er meinte, ich h?tte den Technischen Direktor anrufen und mich beschweren sollen, aber nicht einfach wegbleiben. F¨¹r den Vers?hnungstag gab es das Problem nicht mehr, ich war da schon bei Jachmann, wo man mehr Verst?ndnis f¨¹r meine immer wieder starken religi?sen Bed¨¹rfnisse um diese Jahreszeit hatte. Ich wu?te allerdings damals gar nicht, da? die Jachmann Familie j¨¹disch war. In der Hitlerzeit wurden sie dann Pioniere in der Eisen- und Stahlindustrie im damaligen Pal?stina. Meine religi?se Einstellung hatte damals schon begonnen, ganz neue Dimensionen zu entwickeln. Es war einerseits die Welt von Martin Buber und vor allem Franz Rosenzweig, der gro?en Eindruck auf mich machte, aber es war auch Bekanntschaft mit der sogenannten bibelkritischen Literatur, oder besser der historischen Betrachtung menschlicher religi?ser Entwicklung, und eben auch der entscheidenden Beitr?ge, die das Volk Israel und das Judentum dazu gemacht haben. Der Mensch war also auf dauernder Suche nach Gott, und die j¨¹dische Thora und dann die Prophetenb¨¹cher, ¨¹ber Jahrhunderte von Menschen geschrieben, waren das Bild der j¨¹dischen Entwicklung, die dann eben auch zur Entstehung des Christentums f¨¹hrte. Die damit ins einzelne gehende bibelkritische Literatur wurde zun?chst von meist protestantischen Alttestamentlern und von Historikern getragen, aber bald kamen auch j¨¹dische Autoren zu diesen nicht-fundamentalistischen Forschungen. In der Preu?ischen Staatsbibliothek, in die ich ja auch in meinem Studium und f¨¹r die politische T?tigkeit zu gehen hatte, fand ich auch Zugang zu dieser religionsgeschichtlichen Literatur. Meine religi?sen Gef¨¹hle aber blieben lebendig, und ich habe bis in mein Alter j?hrlich an den j¨¹dischen Gottesdiensten teilgenommen, wo immer ich auch war. Nur ein halbes Jahr sp?ter, im Fr¨¹hjahr 1930, es gab schon weltwirtschaftliche Depression und zunehmende Krise der Weimarer Republik, fand ich auch bei meinen Osterferien zu Hause, da? nicht alles beim Alten blieb. Das v?terliche Baugesch?ft war sehr ruhig geworden, eine drastische Verkleinerung des Apparates wurde notwendig. Die Ziegelei war sehr besch?ftigt gewesen, soda? mein Vater Expansionspl?ne durchf¨¹hrte, f¨¹r deren Finanzierung die Konjunktur aber nicht ausreichte. Es wurde daran gedacht, das gro?e, gutgelegene Stadtgrundst¨¹ck, auf dem wir wohnten, zu verkaufen, und ein Verkauf, mit Umzug der Eltern in eine Wohnung schien vor der T¨¹r zu stehen. Mit diesen m?glichen Ver?nderungen auch vor mir, ging ich dann wieder nach Berlin zur Arbeit an meinem Vorexamen, das ich im Juni ablegen wollte. Ich bestand es dann auch und konnte mich cand.ing. nennen. Mein Vater schien besonders gl¨¹cklich damit. Ich machte nur einen kurzen Besuch zu Hause, wo die gro?e ?nderung mit Umzug der Wohnung, Verkauf eines Teils der sch?nen Einrichtung der gro?en Villa usw. schon im Zuge waren. F¨¹r August war n?mlich bei mir eine Blinddarm Operation im Krankenhaus Westend in Berlin f?llig, in dem mein Onkel Walter Oettinger mich daf¨¹r untergebracht hatte. Gesundheitlich war ich seit einiger Zeit angeschlagen. Allergisches Asthma und dann die Blinddarmbeschwerden hatten mich geplagt. Ich wollte die Ferien dazu benutzen, das hinter mich zu bringen. Einige Tage nach der sonst gut verlaufenen Operation hatte ich sehr schweres Asthma, ein gro?er Schock, und es sollte f¨¹r Jahrzehnte auf und ab ein st?ndiger Begleiter bleiben. Nach der Operation durfte ich mich vor Weiterreise im Haus der Dahlemer Verwandten erholen. Ich war ja dort immer wieder zu sehr herzlich und anregend verlaufenden Besuchen aufgenommen worden. Das B¨¹ro meines Onkels Paul bei Rawack & Gr¨¹nfeld war in Charlottenburg an der Hardenberg- Ecke Schillerstra?e, also direkt bei der Technischen Hochschule, und wenn ich in Dahlem wohnte, konnte ich oft mit ihm in die Stadt fahren. Neuerdings hatte er auch den Hauptsitz seiner industriellen Firma GFE von N¨¹rnberg dorthin verlegt. Wenn ich in Dahlem wohnte oder ihn besuchte, nahm ich auch teil an dem Kommen und Gehen der vielen Besucher, die mit Onkel Pauls Ferrolegierungsindustrie zusammenhingen. Da waren die Br¨¹der Forchheimer, der ?ltere Dr. Jakob hatte als Techniker die Firma urspr¨¹nglich mitgegr¨¹ndet und war Partner meines Onkels, der j¨¹ngere Leo Forchheimer war Businessmanager der Firma geworden, nach Berlin gezogen, und ich sah ihn oft. Auch kam Ragnar Nilson, der Leiter der schwedischen Zweigfirma AB Ferrolegeringar, und ich lernte die Vertreter der amerikanischen Union Carbide kennen, die damals mit meinem Onkel ¨¹ber einen Zusammenschlu? der Interessen in Europa Verhandlungen f¨¹hrten, die aber in der Weltwirtschaftskrise dann aufgegeben wurden. Auf den Autofahrten in die Stadt hat er auch manchmal ¨¹ber laufende Zeitfragen und auch wirtschaftliche und Gesch?ftsprobleme gesprochen. Mein Vetter Herbert war zu Beginn seiner gesch?ftlichen Karriere zur Ausbildung von Rawack & Gr¨¹nfeld zun?chst nach Beuthen, dann von GFE zu ihren verschiedenen Werken und schlie?lich nach England geschickt worden. Ich sah ihn auch immer wieder mal in Dahlem, aber in den Jahren meiner engsten Verbindung mit dem Hause dort war er oft nicht da. Der j¨¹ngere Bruder Ernst stand noch vor dem Abitur. 1930 hatte meine Schwester Lotte ihr Studium gewechselt, von der Kunstgewerbeschule, f¨¹r die sie sehr begabt war, zum Pestalozzi-Fr?belhaus, mit dem unsere Tante Grete so enge Beziehungen hatte und sie einf¨¹hrte; Lotte wohnte dann auch in Dahlem. Nat¨¹rlich brachte mich das dann noch ?fter dorthin. Dann war dort oft der Sohn des Heidelberger Onkels Hans Sachs, Werner Sachs, der damals am Kaiser-Wilhelm Institut in Dahlem an einer Dissertation in Chemie arbeitete. Er war auch ein Mensch mit gro?en allgemeinen Interessen, auch Weltanschauung, Geschichte und Politik, und es waren immer interessante Begegnungen. Durch ihn kamen auch eine Reihe seiner Frankfurter und Heidelberger Freunde ins Haus, oft ebenfalls Professorenkinder, und da war auch Hans Bethe, Physikstudent. Aus der Familie von Werner Sachs's Mutter kamen aus Italien die Geschwister Hans und Annemarie Grelling. Hans trat in Onkel Pauls Firma ein, und nach seinem Doktorat auch Werner Sachs auf der technischen Seite. Seine Schwester Ilse, Medizinstudentin, lernte ich auch in Dahlem kennen, auch manche andere Verwandte und ¨¹berhaupt viele interessante Menschen mit verschiedenstem background und Begabungen. Sehr enge Freunde waren auch die Familie Rohr, Gutsbesitzer an der polnisch-schlesischen Grenze, die ich viel in Dahlem sah. Dieser weitere R¨¹ckblick auf die Verwandten in Dahlem bezieht sich ja nicht nur auf die Wochen der Rekonvaleszenz, die ich nach Blinddarmoperation und Asthma im August 1930 dort haben konnte. Ich konnte sie brauchen, denn f¨¹r September stand mir Teilnahme an einer politischen Tagung in Genf bevor. Auf dem Heimweg von der Tagung verbrachte ich, nach einem kurzen Besuch in den Bergen, das j¨¹dische Neujahrsfest in Luzern, ein ganz orthodoxer Gottesdienst, ganz ohne Chor, dann erste Durchreise durch Z¨¹rich, umsteigen in M¨¹nchen und noch eine lange Bahnfahrt nach Kattowitz. Mich interessierte in M¨¹nchen die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung an der Technischen Hochschule, wo man mit einem Diplomkaufmannsexamen mit weniger Betonung auf die technischen F?cher abschlie?en konnte. Dar¨¹ber wollte ich mich orientieren. Zu Hause verbrachte ich dann wieder den Vers?hnungstag und machte mich mit dem Leben in der neuen elterlichen Wohnung vertraut, Lotte war in Berlin, wohnte in Dahlem, Marianne war zu Hause. Ich ging wieder nach Berlin, das Studium nach dem erfolgreichen Vorexamen bot neue Anregung, aber mein Interesse f¨¹r National?konomie war eben doch so viel st?rker als die technische Seite, ein Wechsel nach M¨¹nchen versprach einen viel schnelleren Abschlu? dieses Studiums. Ich hatte ja vorher Zeit verloren, und so nahm der Plan eines Wechsels nach M¨¹nchen im Laufe des Semesters immer festere Formen an. F¨¹r meine politische T?tigkeit aber blieb dieses letzte Berliner Semester noch eine sehr an- und aufregende Zeit. b)... und politische Best?tigung Das Gef¨¹ge der Weimarer Republik, so schien es einem zu Beginn meiner Studentenzeit, hatte sich befestigt nach den st¨¹rmischen und gef?hrlichen Jahren, die der deutschen Niederlage und dem Versailler Vertrag folgten, nach Spartakus- und Freikorpsrebellionen, Inflation, Ruhrbesetzung und gelungener W?hrungsreform, es entstand auch ein besseres Klima mit den Westalliierten unter Stresemann. Zun?chst hatten die Rechtsparteien an Einflu? gewonnen, Hindenburg wurde 1925 zum Reichspr?sidenten gew?hlt (der Gegenkandidat der mittleren Linken Marx verlor die Wahl, der Kommunist Th?hlmann hatte als Dritter kandidiert). Aber im Mai 1926 folgte dem MitteRechtskabinett Luther ein Kabinett des Zentrumsf¨¹hrers Marx, an dem au?er Stresemann auch die Demokraten und Sozialdemokraten beteiligt waren. Wirtschaftlich hatte ein Konjunkturaufschwung begonnen, die politische Rechte schien in die parlamentarische Demokratie eingeordnet, obgleich die Republik ungeliebt blieb, und monarchistische Gef¨¹hle in weiten Kreisen der Rechten sich z?h erhielten, nicht nur in der Reichswehr, sondern in weiten Kreisen des Beamtentums, der Industrie und auch der Studentenschaft. Dabei spielte das "V?lkische", immer in unvermeidlicher Verquickung mit Antisemitismus bei den Studentenorganisationen seit langem eine besondere Rolle. Die rechtsgerichteten studentischen Korporationen schienen einen geschlossenen Block zu bilden, der vielerorts ¨¹ber 50% der Studentenschaft stellte. So erinnere ich mich an das politische Bild, als ich zu Beginn meines Studiums zum ersten Mal den Demokratischen Studentenbund Berlin besuchte. Der mich, den Neuling, gleich freundlichst empfing war Richard Winners, der mir gleich einiges ¨¹ber den Verein erz?hlte, aber wohl auch sehen wollte, wer da gekommen war. Winners, aus westf?lischen Arbeiterkreisen stammend, war ein Historiker aus dem Seminar Friedrich Meineskes. Er war dann auch Herausgeber des Demokratischen Zeitungsdiensts der Partei. Vorsitzender des Demokratischen Studentenbunds war damals Wolfram M¨¹llerburg, und weiter bleiben mir besonders in Erinnerung aus dieser ersten Zeit der Jurist Kurt Kronheim, die National?konomen Alfred Tismer und Gaedecke, Martin Goetz, auch aus dem Meinecke Seminar, und von der Technischen Hochschule Fritz Schlesinger, von weiblichen Mitgliedern Else Runge und Lotte Kronheim. F¨¹r die w?chentlichen Zusammenk¨¹nfte im Demokratischen Klub wurden oft demokratische Politiker und andere zu Vortr?gen gebeten, dazwischen gab es Abende mit Referaten eines Mitglieds und Diskussion, auf die man sich vorbereiten sollte. Es war hochinteressant, anregend und eine gute Schule. Danach konnte man noch ins Restaurant des Demokratischen Klubs gehen und sa? dann manchmal zu einem Bier mit dem einen oder anderen demokratischen Parlamentarier oder anderen Klubmitgliedern. Gleich nach meinem Eintritt in den Verein nahm ich an einer Pfingstwanderung teil; wir waren nur etwa zehn bis zw?lf, wanderten von Rostock nach Stralsund, unbekanntes Land, eine erfrischende Erfahrung unter Menschen, denen man Verbindung mit der Jugendbewegung und Leben in Jugendherbergen noch anmerken konnte. Meine erste Verwicklung in den eigentlichen hochschulpolitischen Konflikt jener Tage hatte sich aber gleich bei Studiumsbeginn aus einem besonderen Zusammenhang ergeben. Die Studenten einer Hochschule waren in einer offiziell anerkannten Studentenschaft zusammengefa?t, und die aller deutschen Hochschulen in der Deutschen Studentenschaft. Diese war nach 1918 unter F¨¹hrung von zur¨¹ckkehrenden Frontsoldaten gegr¨¹ndet worden, unter ihnen auch republikanisch gesinnte, so der erste Vorsitzende Otto Benecke, ideologisch noch prominenter f¨¹r lange Zeit Werner Mahrholz und z.B. auch Immanuel Birnbaum und Ludwig Merzbach. Aber die alten studentischen Korporationen gewannen bald die Oberhand und trieben ihre v?lkischen Ideen voran, ebenso wie neue deutsch-v?lkische Gruppen. Beschr?nkung der Mitgliedschaft der Studentenschaften auf "v?lkisch"-deutsche Studenten wurde verlangt, also Ausschlu? j¨¹discher Studenten. Die Verfassungen mu?ten aber von den zust?ndigen L?nderregierungen best?tigt werden, es sollte sich ja um ?ffentlich anerkannte Studentenschaften handeln, denen die Selbstverwaltung staatlich gef?rderter Studentenhilfseinrichtungen wie Mensa, Krankenkassen usw. anvertraut werden sollte. Die Verhandlungen zwischen den stark rechtsradikal gewordenen Studentenf¨¹hrungen und den Regierungen, voran dem Preu?ischen Kultusministerium, zogen sich Jahre lang hin. Die Studentenschaft hatte f¨¹r Hochschulen in Deutschland die vom Ministerium als Norm festgesetzte Mitgliedschaft aller Studenten, die deutsche Staatsb¨¹rger waren, angenommen, aber f¨¹r das "Gro?deutsche Prinzip", auf dem sie bestehen wollten, da? ?sterreichische und auslandsdeutsche Studenten auch Mitglieder sein k?nnten, wollten sie das auf "deutsche Abstammung" beschr?nken unter Ausschlu? von Studenten j¨¹discher Abstammung. Die F¨¹hrung der Deutschen Studentenschaft, fest in den H?nden der rechtsgerichteten Korporationen, blieb dar¨¹ber in st?ndigem Konflikt, besonders mit der preu?ischen Weimarer Koalitionsregierung, der sich rechtlich auf zwei Punkte in der Verfassung der Deutschen Studentenschaft zugespitzt hatte, erstens wenn auslandsdeutsche Studenten weiter aufgenommen werden sollten, dann ohne Arierparagraph, und zweitens, wenn die Deutsche Studentenschaft weiter mit ?sterreichischen oder auslandsdeutschen Studentenschaften, die bei sich gar nicht staatlich anerkannt sind, "koalieren" will, dann nur solchen, die auch keinen Arierparagraphen haben. Dieser Konflikt besch?ftigte Anfang 1927 nicht nur die Hochschulen, sondern auch Parlament und Tagespresse. Es war mir somit vor Studienbeginn, in Kattowitz, schon klar, da? ich, deutsch-j¨¹discher Herkunft aus Polnisch-Oberschlesien, zu dem umstrittenen Personenkreis f¨¹r Aufnahme in die Studentenschaft geh?ren w¨¹rde und stellte Antrag f¨¹r Aufnahme gleich bei Semesterbeginn. Mir wurde zun?chst gesagt, meine Aufnahme w¨¹rde den Prinzipien der Studentenschaft widersprechen, aber ich w¨¹rde Bescheid bekommen. Wenig sp?ter erhielt ich durch das Sekreteriat der Hochschule die Aufforderung, mich bei der sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Wegscheider im preu?ischen Landtag zu melden. Ich traf eine sehr resolute, ?ltere Dame, Hochschulreferentin in ihrer Fraktion; sie sagte, sie h?tte ¨¹ber mich geh?rt (6), und fragte, ob ich Aufnahme in die Studentenschaft beantragt h?tte, und da ich schon auf Bescheid wartete, aber eine Ablehnung in Aussicht gestellt worden war, sollte ich mich im Fall irgendwelcher Schwierigkeiten sofort bei Dr. Otto Benecke melden, dem Presseschef im Preu?ischen Kultusministerium. Bald darauf kam die Ablehnung und ich machte meinen ersten Besuch im preu?ischen Kultusministerium. Nach einiger Zeit wurde ich zur Studentenschaft gebeten. Der Schriftf¨¹hrer Walther Nothis, der konservativ-katholischen Verbindung CV angeh?rend, best?tigte meine Aufnahme, die vorherige Ablehnung w?re ein Irrtum gewesen (7). Im politischen Verfassungskonflikt der Deutschen Studentenschaft mit dem preu?ischen Kultusministerium kam es aber zu keinem Kompromi?. Das im Juli 1927 gestellte Ultimatum wurde von den Studentenschaften in einer Urabstimmung im November abgelehnt und die Studentenschaft daraufhin vom Ministerium aufgel?st. Meine Mitgliedschaft w?hrte also nicht lange. Die an allen Hochschulen bestehenden wirtschaftlichen Einrichtungen f¨¹r die Studenten, ja die eigentlichen, praktischen Seiten studentischer Selbstverwaltung, hatten ein gewisses Eigenleben, unabh?ngig von den rechstradikalen, politischen Aktivit?ten der Deutschen Studentenschaft entwickelt. Sie sollten weiter bestehen, unabh?ngige neue Rechtsformen (E.V.) wurden gew?hlt, auf gesamtdeutscher Ebene wurden sie nun im Deutschen Studentenwerk E.V. mit Sitz in Dresden zusammengefa?t. Die Wirtschaftseinrichtungen wurden von manchen aktiven oder fr¨¹heren Studentenschaftsfunktion?ren gef¨¹hrt, die sich auf diese Arbeit spezialisiert hatten, zum Teil halb- oder sogar vollberuflich dort t?tig waren. Es hatte sich also eine eigene personelle Struktur f¨¹r diese Wirtschaftseinrichtungen entwickelt, deren Mitglieder stark auf die sachlichen Aufgaben konzentriert, weniger politisch engagiert und daher jetzt bei Aufl?sung der staatlich anerkannten Studentenschaft sehr an der Fortf¨¹hrung der Wirtschaftshilfe in Zusammenarbeit mit den Landesbeh?rden interessiert waren. Schon im Laufe des Konflikts in Preu?en hatte es au?erhalb Preu?ens in Heidelberg 1926 einen Beschlu? des Studentenschaftsparlament(Asta) gegeben, aus der Verfassung die strittigen v?lkischen Bestimmungen herauszunehmen und eine unparteiische, unpolitische, auf die eigentliche Selbstverwaltung ausgerichtete Studentenschaft anzustreben. Heinz Ollendorf hatte damals als Heidelberger Astamitglied von republikanischer Seite gemeinsam mit dem Sozialisten Hoeber an diesen Beschl¨¹ssen mitgewirkt und auch auf dem Studententag der Deutschen Studentenschaft in Bonn den Heidelberger Standpunkt mitvertreten(8). Die Heidelberger Studentenschaft wurde daraufhin aus der Deutschen Studentenschaft ausgeschlossen. Die Leipziger Studentenschaft war auch nahe dran. Anschlie?end an ihre Heidelberger Erfolge ging nun von Ollendorf und Hoeher die Initiative aus zur Gr¨¹ndung einer Gegenorganisation zur Deutschen Studentenschaft, die nun in den n?chsten Monaten als Deutscher Studentenverband(DStV) auch entstand. An unserer TH waren die studentische Wirtschaftshilfe und die Studentenschaft in je einer von den Baracken auf der R¨¹ckseite der Hochschule untergebracht.Im Grunde genommen verschwand die Studentenschaft wie sie bisher politisch existiert hatte, gar nicht. An allen preu?ischen Hochschulen gr¨¹ndete die gesamtdeutsche Deutsche Studentenschaft sofort neue Organisationen; an der TH Charlottenburg nannte sie sich "Gro?deutsche Studentenschaft" und fuhr weiter fort mit demselben Vorstand und Aussch¨¹ssen, Programmen und Propaganda. An der Universit?t Berlin zum Beispiel waren republikanische Studenten und ihre Vereinigungen zwar auch in der Minderheit, aber sie hatten bei den Astawahlen Sitze erhalten und waren so auch bei Aufl?sung der Studentenschaft aktiv in den Wirtschaftsorganisationen vertreten. An unserer TH waren sie nicht vertreten. Die Wirtschaftsorganisationen brauchten nat¨¹rlich weiter Studentenvertreter f¨¹r ihre Gremien. Die erste wichtige Aufgabe war lokal f¨¹r die verschiedenen republikanischen Studentenvereine zu verhindern, da? die neue Gro?deutsche Studentenschaft einfach in den Funktionen der alten aufgel?sten Studentenschaft fortfahren k?nnte. Eine gemeinsame republikanische Gegenorganisation wurde notwendig und mit Namen "Freiheitliche Studentenschaft" gegr¨¹ndet. Die Wirtschaftshilfe und sogar das Rektorat konnte so gezwungen, oder sagen wir durch Hinweis auf vermutliche Ansichten des Kultusministers veranla?t werden, Vertreter der republikanisch gesinnten Studenten auch in die Au?sch¨¹sse der Wirtschaftshilfe zu berufen und die B¨¹ros in der Studentenschaftsbaracke zwischen den beiden aufzuteilen. Diese B¨¹ros schufen nat¨¹rlich eine deutliche Pr?senz f¨¹r die republikanische Seite, wie sie sich gar nicht an allen preu?ischen Hochschulen so ergab. Die Mitgliedsvereine mu?ten Kr?fte nicht nur f¨¹r die ¨¹bliche Vorstandsarbeit und Vertretung in Wirtschaftshilfe und gegen¨¹ber dem Rektor bereitstellen, sondern auch f¨¹r Abhaltung von B¨¹rostunden. Bei der Gr¨¹ndung war der Sohn eines prominenten Professors der TH, Fritz Schlesinger vom Demokratischen Studentenbund, und ?ltere Semester von FWV und KC f¨¹hrend beteiligt, aber Schlesinger erkrankte; ich ¨¹bernahm von ihm, wurde dann Vorsitzender dieser Freiheitlichen Studentenschaft der TH und blieb es mehrere Semester. Enge Mitarbeiter und Nachfolger waren Rudi Samuel vom KC und sp?ter der Sozialist Ahrens. Bei Beginn meines 3.Semesters, Sommer 1928, erwartete mich zu meiner gr??ten ¨¹berraschung ein noch viel weitergehendes Engagement. Nichts ahnend kam ich zu einer Mitgliederversammlung des Demokratischen Studentenbunds Berlin, und vor Beginn wurde mir mitgeteilt, da? Alfred Tismer den Vorsitz aufgeben mu?, er wurde von einer bekannten Privatbank beauftragt, eine Methode f¨¹r Errechnung der "Goldpunkte" auszuarbeiten, und das neben seiner Dissertation w?re dann zuviel. Ich hatte mich h?ufig an Debatten beteiligt und zu den meisten politischen Themen etwas zu sagen gehabt. Die ma?gebenden Mitglieder hielten mich f¨¹r den geeignetsten, ja eigentlich den einzigen damals plausiblen Nachfolger. Die Pl?tzlichkeit erschreckte mich, ich war bereit erst einmal mich im Vorstand einzuarbeiten, aber so aus dem Stand den Vorsitz zu ¨¹bernehmen war zuviel. M¨¹llerburg, Tismer, Winners u.a. versprachen vollste Unterst¨¹tzung, nun mu?te man auch noch sehen, wie man die ¨¹brigen Vorstands- und anderen Mitglieder dazu bringen konnte, aber ich wurde gew?hlt und trat das Amt mit einigen Zweifeln und ?ngsten an, f¨¹hlte mich aber bald wie ein Fisch im Wasser. Das rein Organisatorische war nicht der Berg, den ich mir vorgestellt hatte, das Interessante war die Programmgestaltung und Vorbereitung, die Kontakte und Repr?sentanz, in Liaison mit der Demokratischen Partei, ihren Abgeordneten und anderen Politikern und den Hochschullehrern, die ihr nahestanden. Sie geh?rten teilweise zu der Altherrengruppe, die der Studentenbund gebildet hatte, mit Theodor Heuss als einer der aktivsten St¨¹tzen, der Gesch?ftsf¨¹hrer war Ministerialrat Haensel im Reichsinnenministerium und regelm??ige Besuche in seinem B¨¹ro geh?rten zur Routine meines neuen Amts. Dann waren noch die Jungdemokraten, deren Verband die Studentengruppen auch angeh?rten und schlie?lich Kontakt mit den gleichgesinnten Zeitungen. Das war besonders Werner Mahrholz von der Vossischen Zeitung und Rudolf Olden vom Berliner Tageblatt, die dort ¨¹ber Hochschulfragen schrieben und alte Beziehungen zu den Entwicklungen in der Studentenschaft hatten. Besonders Werner Mahrholz galt als so etwas wie ein Mentor der republikanischen Studenten, und der Demokratische Studentenbund war ihm dabei der n?chste. Die Besuche bei beiden waren f¨¹r mich besonders wichtig und anregend. Ich war noch jung in meinem Amt, ohnehin noch nicht 20, als dann neue Reichstagswahlen am 20.Mai 1928 stattfanden. Wir Studenten mu?ten an den Vorbereitungen f¨¹r die Partei mithelfen, Wahlversammlungen besuchen, war aber nicht sehr mein Fall, Adressenschreiben. Die Wahl wurde ein gro?er Erfolg f¨¹r die republikanischen Parteien, und man teilte das Hochgef¨¹hl einer beginnenden politischen Sicherheit f¨¹r die Weimarer Republik, das sich daraufhin verbreitete. Es bildete sich eine Reichsregierung der Gro?en Koalition unter dem Sozialdemokraten Hermann M¨¹ller und als Au?enminister dem Volksparteiler Gustav Stresemann als dem anderen Eckpfeiler. Die Demokraten waren vertreten durch ihren Parteif¨¹hrer Erich Koch-Weser (Justiz) und Hermann Dietrich (Ern?hrung). Dies ging zusammen mit einer Zeit wirtschaftlichen Booms, die sich wiederentwickelnde und aufbauende deutsche Wirtschaft zog erhebliche Kapitalzufuhr vom Ausland an, das bessere Klima des Vertrauens schien der Sache der Republik zu Hilfe zu kommen. Bei diesen Wahlen im Mai 1928 verlor die Rechte an Stimmen und die NSDAP kam im Reichstag auf nur zw?lf Mandate. Die Wahlresultate und Bildung einer scheinbar soliden Regierung der Gro?en Koalition st?rkten auch die Stellung unserer republikanischen Studentenorganisationen im Hochschulleben. Es war eben nicht mehr nur der preu?ische Kultusminister, der hinter uns stand, die Mehrheit des deutschen Volkes war f¨¹r die Republik und auch die beiden gr??eren republikfeindlichen Parteien, die Kommunisten und die Deutschnationalen, hatten im Moment wenig zu bestellen. Ein besonderes Anliegen, das ich versp¨¹rte, war Kontakt mit dem Verein f¨¹r das "Deutschtum im Ausland" (VDA), der j?hrliche Pfingsttagungen mit gro?er Beteiligung der Schul- und studentischen Jugend abhielt. Einige meiner Kattowitzer Schul und anderen Freunde gingen dorthin. Der VDA war damals schon stark auf die Minderheitenschutzideen ausgerichtet, die mir von Hause her am Herz lagen. Der Anh?ngerkreis rekrutierte sich aber stark aus rechtsgerichteten Kreisen, und die unheilige Mischung aus Minderheitenschutzparolen und nationalistischem Chauvinismus war, meiner Ansicht nach, gar nicht in der Natur der Sache. Republikanisches Interesse und Beteiligung am VDA schien mir daher w¨¹nschenswert. Werner Mahrholz hatte sich auch seit vielen Jahren f¨¹r Auslandsdeutschtum als eines der Themen seiner schriftstellerischen und journalistischen T?tigkeit interessiert, und mit dem Kontakt, den ich mit ihm hatte, war ich ermutigt, an der Pfingsttagung 1928 des VDA teilzunehmen. Ich meldete mich vorher bei der Studentengruppe des VdA in Berlin, die vom VdST-er Neumann geleitet wurde, erkl?rte, wer ich bin und da? ich teilnehmen w¨¹rde. Es war eine lange Bahnfahrt von Berlin. In meinem Abteil sa?en drei VdSter, die Skat spielten, es kam kaum eine Unterhaltung auf, die Stimmung war antagonistisch. Auf einer der Haltestellen kam ein anderer Student dazu und setzte sich mir gegen¨¹ber; wir hatten eine sehr angeregte und auch recht pers?nliche Unterhaltung. Man konnte mit ihm sehr vern¨¹nftig ¨¹ber viele politische und weltanschauliche Fragen sprechen, auch wenn so viele Ansichten sehr gegens?tzlich waren. Es stellte sich bald heraus, da? der mir gegen¨¹ber sitzende Zusteiger Hermann Pr?bst war, Vorstandsmitglied der Deutschen Studentenschaft, ein bayrischer Katholik, seinen Namen kannte ich. Er schien ein recht gem??igter Mann im F¨¹hrungsgremium der Deutschen Studentenschaft zu sein. Abgesehen von einer wirklich interessanten und aufgeschlossenen Unterhaltung hatte sein Zusteigen mich von der Alleinreise im Abteil mit den eher provokativen Skatspielern erl?st. Ich habe nie erfahren, ob er zuf?llig zustieg. Erst nach beinahe zwei Jahren bin ich ihm dann wieder begegnet. Bei der Tagung selbst war nicht nur die Landschaft am Wolfgangsee, sondern auch das Treiben der Menge, besonders der Jugend erfrischend, aber es war nicht wirklich interessant. Die Formen der Studententagung waren konventionell, ein gro?er Kommers als H?hepunkt. Der Klang patriotischer Lieder schwoll durch den Saal, und als nationalistische Begeisterung so besonders stark anschwoll bei dem Lied "Schleswig-Holstein meerumschlungen", da wollte ich am liebsten mich herausrei?en. Das war es also "von der Etsch bis an den Belt". Geh?rte das mit D?nemark auch zum Katalog der Revision des Versailler Vertrages? Pl?tzlich kam mir die Unterhaltung ¨¹ber die Kaiserpfalz von Goslar, aus der Religionsstunde in der Schule in den Sinn, und wieder kam ein Fragezeichen: was tat ich eigentlich hier? Nach meiner R¨¹ckkehr nach Berlin besuchte ich nochmals Neumann im VDA, wie er gebeten hatte, um meinen Kommentar ¨¹ber die Tagung zu geben. Ich fand, Verbundenheit mit den Auslandsdeutschen darf nicht gleichbedeutend mit nationalistischen Kundgebungen sein, und die Form des Kommerses verleitet dazu. Eine zeitgem??ere Form w?re besser, zum Beispiel eine akademische Feier mit Vortrag und Musikumrahmung. Er notierte das. Im Verlauf meines 3.Semesters waren zu meinen Pflichten im Demokratischen Studentenbund und der Freiheitlichen Studentenschaft der TH noch Mitarbeit im Deutschen Studentenverband gekommen, mit Sitz im neugebildeten Hauptausschu?. In der ersten Sitzung war ich daf¨¹r, die Gr¨¹ndungserkl?rung so zu halten, da? ein Weg offen blieb f¨¹r Zusammenarbeit zwischen den studentischen Lagern in der praktischen studentischen Selbstverwaltungsarbeit. Meine Einstellung war beeinflu?t davon, wie sich die Dinge da an unserer TH entwickelt hatten. Mir schien immer wesentlich, eine Br¨¹cke zu den Gem??igten im anderen Lager aufrecht zu erhalten, als beste Chance f¨¹r eine Verbreiterung und damit Festigung einer republikanischen Front. Zu dem Gremium, das da beisammen war, geh?rten auch ?ltere, fr¨¹here republikanische Studentenf¨¹hrer, die im ersten Jahr des Deutschen Studentenverbands uns mit Rat und Tat halfen. Ich blieb aber ziemlich isoliert mit meiner Einstellung, und als dann w?hrend unserer Sitzung eine sehr feindselig gehaltene Erkl?rung der Deutschen Studentenschaft zur Gr¨¹ndung unseres Verbands ver?ffentlicht wurde, da war jede M??igung vom Tisch. Einer unserer ?lteren Mentoren, Hans-Helmuth Preuss(9), wandte sich etwas h?hnisch zu mir: "sehen sie, so lassen einen manchmal die besten Freunde im Stich". Mein Maurerpraktikum im Norden Berlins in den Sommerferien 1928 ist mir auch f¨¹r politsche Eindr¨¹cke in Erinnerung geblieben. Es war ja grade erst nach den f¨¹r die Sozialdemokraten und die Republik so erfolgreichen Wahlen 1928, die Stimmung war zuversichtlich, von Nationalsozialisten war auf dem Bau noch kaum zu h?ren. Mein Maurerpolier hatte schon viel in der sozialdemokratischen Parteiorganisation miterlebt. Es gab mir aber einen neuen Einblick ¨¹ber deutsch-j¨¹dische Beziehungen. Er machte durchaus einen Unterschied daraus, da? ich j¨¹disch war. Er grenzte es ganz scharf ab von nationalsozialistischer, antisemitischer Propaganda, die schon damals recht lautstark wurde, er hatte auch einen eingeheirateten j¨¹dischen Schwager in der Familie, es war so nichts feindliches in seiner Einstellung, aber der Unterschied nicht nur klar empfunden, sondern auch sofort ausgesprochen und bei Namen genannt, da war kein Raum f¨¹r die Art von Tabu, das j¨¹dische Assmilation oft errichten zu wollen schien. Mir war das recht so. Im Grunde genommen hat es mir geholfen, sp?tere antisemitische Angriffe, zum Beispiel in Studentenversammlungen an der TH mit gr??erem Gleichmut zu ertragen. Auch nach dem Wechsel im Studium blieb ich bei meiner politischen Aktivit?t. Im demokratischen Studentenbund gab es eine vielf?ltige Reihe von Vortragenden bei den w?chentlichen Zusammenk¨¹nften. Einmal hatten wir Theodor Heuss eingeladen, er wollte vorher mit mir seinen Vortrag besprechen. So fuhr ich zu ihm nach Steglitz, es war ein richtiges Gelehrtenzimmer, sehr gem¨¹tlich, wo man sich unterhielt, er bot mir eine riesige Brasilzigarre an, weit gr??er und schwerer als ich sonst damals schon rauchte, und die sich dann auch nicht gut mit der R¨¹ckfahrt vertrug. In der Demokratischen Partei gab es deutliche Gegens?tze und Spannungen zwischen linken und rechten Fl¨¹geln, das machte sich auch beim Studentenbund bemerkbar. Der demokratische Reichstagsabgeordnete Dr. Hermann Fischer, Pr?sident des Hansabundes, eines Verbandes mittlerer industrieller und gewerblicher Firmen (er galt als Inhaber der gr??ten Zahl von Aufsichtsratsitzen in Deutschland), dominierte, wenn nicht die Partei, so doch den rechten Fl¨¹gel; er war selbst einst Korpsstudent und zeigte gro?es Interesse f¨¹r unseren Studentenbund, ohne viel Gegenliebe zu finden. Der Studentenbund war zwar nicht so links wie die Jungdemokraten, aber Einfl¨¹sse von Wirtschaftsverb?nden waren nicht popul?r. Da war schon viel mehr Sympathie f¨¹r Anton Erkelenz, Gewerkschaftsf¨¹hrer. Eine gro?e Traditionsfigur in der Partei war Friedrich Naumann geworden, und als die ihm n?chsten Nachkommen galten wohl Theodor Heuss und Gertrud B?umer, die auch bei uns sprach. Ich finde es schwer zu sagen, ob sie zum rechten oder linken Fl¨¹gel der Partei geh?rten, sie waren betont national in der Au?enpolitik, wie es ja Naumann auch gewesen war, und so auch Hermann Dietrich, also eher rechts, ohne da? dies von der wirtschaftspolitischen Seite her kam. Anders wieder Oskar Meyer, von zunehmendem Einflu? (10) in Fraktion und Partei, Syndikus der Berliner Handelskammer und mit der Wirtschaft eng verbunden, aber sonst nicht rechts. Auch Dr. Ludwig Haas, als alter s¨¹ddeutscher Liberaler Politiker sehr angesehener Abgeordneter (11) sprach bei uns, er war j¨¹disch und ein KCer. Die Geister schieden sich damals vehement an einer gespenstischen Frage: dem Bau des Panzerkreuzers "A". Unter den Beschr?nkungen des Versailler Vertrages f¨¹r deutsche R¨¹stung war der Bau von vier solchen Schiffen erlaubt. Die neue Regierung der Gro?en Koalition hatte von der vorherigen den Beschlu? zum Bau geerbt, und als dies in den Etat aufzunehmen war, entstand starke Opposition innerhalb der sozialdemokratischen Partei und auch bei Teilen der Demokraten. Die Polemik und Presseagitation nahm Ausma?e an, die meinem Gef¨¹hl nach in keinem Verh?ltnis zum wirklichen Gewicht der Sache standen. Der Kampf dar¨¹ber hatte eine l?hmende Wirkung im Gef¨¹ge der Gro?en Koalition. Auch in unserem Studentenbund gab es Gegens?tze dar¨¹ber, wie die Demokratische Partei sich dazu stellen sollte. Ich fand, da der Versailler Vertrag das vorsah, sollte der Panzerkreuzer gebaut werden und die Demokraten mit Zentrum und Deutscher Volkspartei daf¨¹r stimmen. Es gab auch verantwortliche sozialdemokratische Politiker, die daf¨¹r stimmen wollten (12). Im Studentenbund war ich allerdings in der Minderheit damit. Im November 1928 fuhren wir nach Frankfurt zu einer Tagung des Reichsbunds Deutscher Demokratischer Studenten, wo diese Frage auch eine gewaltige Rolle spielte und ebenso dann auf einer Sitzung des Parteiausschu?es, an der ich als einer der Studentenvertreter teilnahm (13). Der demokratische Parteiausschu? war vollkommen gespalten um den Panzerkreuzer; ich erinnere mich am st?rksten an das Auftreten von Dietrich dabei(14), und mir ist das alles so lebhaft in Erinnerung, weil es mich irritierte, da? ich eine so verschiedene Meinung von vielen meiner guten Freunde im Studentenbund hatte, auch wenn ich nicht ganz allein damit stand. Aus heutiger Sicht wird dieses Argument um den Bau des Panzerkreuzers A mit den deutschen Zielen f¨¹r Revision der deutschen Ostgrenzen mit Polen und diese schon damals als virulent angesehen (15). Man kann heute aus unterdessen ver?ffentlichen Akten herauslesen (16), da? diese Revisionsziele bei manchen deutschen Amtsstellen und Politikern immer eine Rolle spielten, aber die Spuren, die einem heute aus den Akten in die Augen springen, geben meiner Erinnerung nach nicht ein wirkliches Bild des Klimas in der ?ffentlichkeit der sp?ten 1920er Jahre. Diese Frage der Ostgrenzen geh?rte doch damals nicht zu einem politischen Aktionsprogramm, sie war ein "Vorbehalt". Deutschland war schwach, Ruhrbesetzung und Inflation gerade ¨¹berstanden, das Hauptthema der Gegner der "Erf¨¹llungspolitik" der Weimarer Parteien, auf die Stresemann und seine Partei eingeschwenkt waren, war die Last der Reparationen. Frankreich, Polen und die Kleine Entente waren milit?risch unvergleichlich st?rker als die Weimarer Republik. Das Argument, da? der Panzerkreuzer als eines der im Versailler Vertrag erlaubten Verteidigungsmittel dann auch gebaut werden sollte, schien plausibel. Die deutschen Vorbehalte ¨¹ber die Ostgrenzen waren publizistisch hochgespielt worden, um den Locarno Westpakt der deutschen Rechten mehr schmackhaft zu machen. Die Linke ergriff Aktion gegen den Panzerkreuzer, aber nahm nicht entscheidend Stellung gegen W¨¹nsche nach Revision der Ostgrenzen, was wirklich der Kern der Sache gewesen w?re, wenn man dem Bau dieses Panzerkreuzers einen aggressiven Anstrich beima?. Die Frage der Ostgrenzen aber war ein hei?es Eisen, sie war eher Tabu, man wollte sie nicht wirklich in den Bereich ernster ?ffentlicher Diskussion bringen. Nachdem Hitler 1939 die Bev?lkerung ¨¹ber diese Frage der deutsch-polnischen Grenzen in den 2. Weltkrieg f¨¹hren konnte, wird einem klar, welche fatalen Wirkungen manchmal auch solche "Vorbehalte" haben k?nnen, wenn sie zu oft und lange genug gemacht werden. Auch in der damaligen Stimmung in Oberschlesien lag die Idee einer R¨¹ckkehr des abgetretenen Gebiets sehr fern. Die deutsche Minderheit war in einem andauernden Kampf um die Behauptung ihrer Minderheitsrechte auf Defensive ausgerichtet, und das waren die motivierenden Gesichtspunkte des t?glichen Lebens. Als Karl-Heinz Lubowsksi in Krakau studierte, trat er dort auch dem Verband deutscher Studenten bei, und durch ihn lernte ich auch dessen damaligen Vorsitzenden Jobst v. Idendorff kennen, mit dem er sich sehr angefreundet hatte. Wendorff stand politisch auf der deutschen Rechten, war sehr intelligent und recht vorurteilslos. Scherzend betonte er mir gegen¨¹ber immer, da? sein mecklenburgischer Verwandter ja Demokrat und preu?ischer Landwirtschaftsminister im Kabinett Braun war. Es war interessant, die verschiedenen Stimmungen unter diesen deutschen Studenten in Polen zu beobachten. Sie waren ja dauernd den Polen, polnischer Kultur und Geschichtsvorstellungen nahe, das t?gliche Leben sozusagen in sie eingebunden. Manche von ihnen kamen aus deutschen Siedlungsinseln im Innern Polens, z.B. Lodz oder Ostgalizien. Ihre Existenz als Deutsche in Polen hatte also damals nichts direkt zu tun mit deutschen W¨¹nschen nach Revision der Versailler Ostgrenzen. Sie waren in einer typischen deutschen Minderheitssituation. Es hie? aber nicht, da? sich unter ihnen nicht manchmal die radikalsten deutschen Nationalisten fanden (17). Um nun von der Betrachtung mehr schicksalsvoller Fragen zu meinen Erinnerungen an den demokratischen Studentenbund zur¨¹ckzukehren, es gab dort auch gesellschaftliche Veranstaltungen. So hatten wir ein Sommerfest drau?en im Westen, als Redner hatte ich Gertrud B?umer gewonnen, man mu?te sie dort an einem Bus abholen, mit mir machen wollte das Gabriele M¨¹ller. Sie war die Schwester der Filmschauspielerin Renate M¨¹ller, deren Vater beim Berliner Tageblatt war. Gabriele war ¨¹berhaupt ein sehr eifriges und ehrgeiziges Mitglied unseres Studentenbunds, wo wir also nicht nur Talent sondern auch Charme versammelt hatten (18). Im Wintersemester gab es dann den j?hrlichen Ball im Kaiserhof, den ich damals mit vorbereiten und er?ffnen mu?te. Es waren alle demokratischen Minister gekommen, und viele andere prominente Freunde. Die Damenrede sollte Dr. E. Willy Hellpach halten, der grade von einer Operation ins politische Leben zur¨¹ckgekehrt war, wozu ich ihn bei der Einf¨¹hrung herzlich begl¨¹ckw¨¹nschte. Er dankte daf¨¹r ¨¹berschwenglich (19), und ich hatte mit ihm seitdem guten Kontakt. Die Abfassung eines kleinen Theaterst¨¹cks war dem im linken Fl¨¹gel stehenden Berthold Weinberg ¨¹berlassen worden, es wurde eifrig daf¨¹r geprobt, ich hatte es nicht gesehen. Das Theaterst¨¹ck erregte den Unwillen von Koch-Weser und die Minister verlie?en bald nach der Auff¨¹hrung unseren Ball. Kurz darauf bat mich Oskar Meyer in den Reichstag. Er war ein guter Freund unseres Studentenbunds geworden, und wollte mir sagen, da? es nicht richtig war, Koch-Weser als schlafenden Minister darzustellen, und ihn dann die Visionen haben zu lassen, die man auf linker Seite bei uns ¨¹ber die Entwicklung der Weimarer Republik hatte. Ich war erstaunt ¨¹ber die Empfindlichkeit, hatte den fr¨¹hen geschlossenen Aufbruch einiger G?ste als unerfreulich empfunden, aber nicht als so ernst, wie er anscheinend gemeint war. Oskar Meyer setzte noch hinzu, das St¨¹ck w?re ja auch schlecht geschrieben gewesen und "es war nicht einmal gereimt." Das schien mir eine erstaunliche Bemerkung. Als ob das anscheinend politische Odium des St¨¹ckes dadurch gelindert gewesen w?re, wenn es besser geschrieben und gereimt war. Vielleicht hatte er recht. Zum Schlu? des Semesters gab ich den Vorsitz im Berliner demokratischen Studentenbund ab, da ich in den Vorstand des Deutschen Studentenverbands gew?hlt werden sollte, und damit begann noch ein neues Kapitel in meiner hochschulpolitischen T?tigkeit. In studentischen Organisationen war ja die zeitliche Begrenzung der T?tigkeit des Einzelnen ein zwingendes Merkmal. Das Studium war an sich begrenzt in Zeit, oder sollte es sein, und Examenszw?nge kamen auch w?hrend des Studiums oft dazwischen, so finden wir einen steten Wechsel in der Mitarbeiterschaft. Im ersten nur dreik?pfigen Vorstand des DStV waren Heinz Ollendorf (FWV) als Vorsitzender, Kurt Berlowitz (Sozialist) und Wolfram M¨¹llerburg (Demokrat). Im neuen f¨¹nfk?pfigen Vorstand mu?ten die Gewichte anders, den Kr?fteverh?ltnissen entsprechend verteilt werden. Die Sozialistische Studentenschaft war die bei weitem st?rkste der republikanischen Studentengruppen, und ihr Vorsitzender Kurt Berlowitz ¨¹bernahm den Vorsitz im DStV, und sie erhielten noch einen weiteren Sitz mit Gerhard Geisler aus Leipzig. Die sehr aktive sozialistische Studentengruppe dort galt als ziemlich linksstehend. Geissler hatte ein sehr starkes Verh?ltnis zu den Aufgaben der studentischen Selbstverwaltung, die im Studentenverband auch sein Ressort wurden. Einer wichtigen Entwicklung mu?te bei der Vorstandsumbildung Ausdruck gegeben werden: Der Verband der Zentrumsstudenten hatte beschlossen. dem Deutschen Studentenverband beizutreten, ihr Vorsitzender Felix Raddatz kam in den Vorstand. Er wurde ein wirklicher Eckpfeiler der republikanischen Studentenorganisation, und ich habe ihn sehr gesch?tzt. Die Zentrumsstudenten standen in ihrer Partei verh?ltism??ig links, ganz anders als die katholischen Korporationen CV und KV, die nur sehr langsam ihre Verbindung zur Deutschen Studentenschaft l?sten. Felix Raddatz, etwas ?lteren Semesters, war mit dem katholischen Sozialf¨¹rsorgewerk des Dr. Sonnenschein verbunden gewesen. Je ein Sitz sollte den Demokraten und den freiheitlichen Korporationen zukommen. Die Demokraten waren bereit, den in Auslandsbeziehungen und fremden Sprachen besonders erfahrenen Joachim Joesten, ein Mitglied des Demokratischen Studentenbunds Berlin, in den Vorstand zu entsenden, wo er dann ein Auslandsamt des Deutschen Studentenverbands aufbauen sollte und das auch sehr erfolgreich tat. Er machte es aber zur Bedingung, da? er sich nicht mit Vertretung der Interessen der Demokraten den anderen Mitgliedsorganisationen gegen¨¹ber und auch mit allgemeinen hochschulpolitischen Fragen nicht befassen mu?. Er hatte ja auch in der demokratischen Studentenorganisation nie eine Stellung bekleidet oder sich mit solchen Sachen besch?ftigt. Dem sollte damit abgeholfen werden, da? ich als Mitglied der FWV Vertreter der freiheitlichen Verbindungen werde und dabei dann auch die spezifischen Interessen des Reichsbundes Demokratischer Studenten wahrnehmen w¨¹rde, dessen gr??te Ortsgruppe, die Berliner, ich ja f¨¹r ein Jahr grade geleitet hatte. Von den freiheitlichen Verbindungen war au?er der FWV haupts?chlich der KC im Deutschen Studentenverband t?tig und im Hauptausschu? vertreten und stimmte gegen meine Wahl in den Vorstand (20). Mein Vorstandsamt im Deutschen Studentenverband lief nur vom Fr¨¹hjahr 1929 bis wir dann den 1.Republikanischen Studententag im Januar 1930 veranstalteten. Es war eine erf¨¹llte und aufregende Zeit f¨¹r mich, in sehr guter Zusammenarbeit mit den anderen Vorstandsmitgliedern. Ich hatte, was wir das "Innenamt" nannten, den Kontakt mit allen Ortsgruppen an den verschiedenen Hochschulen, und den Kreisleitern und -Aussch¨¹ssen, in denen sie zusammengefa?t wurden. Es gab in diesen Kreis- und Ortsgruppenf¨¹hrungen starke und eindrucksvolle junge Pers?nlichkeiten, zum Teil schon durch Hauptausschu?itzungen des Verbandes in Berlin bekannt, der Kontakt von Berlin wurde durch h?ufige Rundschreiben aufrecht erhalten, Kreistage wurden veranstaltet und besucht (21). Im DStV wurden auch die entsprechenden ?sterreichischen Studentengruppen Mitglieder. Besonders die Sozialistische Studentenschaft hatte eine sehr starke und aktive Mitgliedsgruppe in Wien, es gab auch eine Freiheitliche Gruppe dort, und es schien selbstverst?ndlich, da? die republikanischen Studenten sich auch auf gro?deutscher Basis organisieren w¨¹rden, wie es die Deutsche Studentenschaft war. ?hnliche Gruppen an den deutschen Hochschulen in Prag und Br¨¹nn sollten auch in den Deutschen Studentenverband einbezogen werden, der so zeigte, da? er sich dieser au?erhalb Deutschlands lebenden Deutschen durchaus bewu?t war und von seinem politischen Standpunkt eine Haltung und L?sungen dazu entwickeln wollte. So wurde dem Innenamt im Vorstand noch ein Grenzlandamt angegliedert. Anfang Mai 1929 hielten wir eine Grenzlandtagung in Dresden gemeinsam mit den "Lese- und Redehallen der Deutschen Studenten" von Prag und Br¨¹nn ab (22). Das waren schon alte Institutionen freiheitlicher Studenten, also mit der deutschsprachigen liberalen Prager Kulturszene verwandt. Dazu kamen noch sozialistische Vertreter. Unsere Tagung, stark besucht und recht repr?sentativ im Wei?en Hirsch aufgezogen, war eine Notwendigkeit f¨¹r eine lebendige Eingliederung der Prager und Br¨¹nner Gruppen und war auf dem Programm unseres Vorstands. F¨¹r mich traf es sich mit dem lebhaften Interesse an der Problematik und Bewegung der Minderheiten in Europa, das ich von meiner oberschlesischen Heimat her hatte (23). Die DStV Gruppe an der TH Dresden und auch der demokratische Studentenbund, von Helmut Eichler geleitet, bereitete die Tagung gut vor, und sie st?rkte auch seine Stellung in Dresden, wo es in der Studentenschaft der TH ebenso wie in Leipzig auch Str?mungen f¨¹r Distanzierung von der Deutschen Studentenschaft gab. Von dieser wurde nach 1927 auch die zentrale Organisation f¨¹r die studentische Wirtschafthilfe abgetrennt, das Deutsche Studentenwerk mit Sitz in Dresden, und die Tagung gab uns auch willkommene Gelegenheit f¨¹r engeren Kontakt mit f¨¹hrenden Leuten im Studentenwerk(24). Danach kam Pfingsten, immer eine sch?ne Zeit f¨¹r politische Jugend- und Studententagungen. Die Jungdemokraten hatten ihre Jahrestagung in Worms als ein deutsch-franz?sisches Jugendtreffen mit der Jugendorganisation der franz?sischen Radikalsozialistischen Partei Herriots. Die demokratischen Studenten beteiligten sich mit ihrer Jahresversammlung aller Mitgliedsgruppen und auf franz?sischer Seite entsprach dem die "Ligue d'Action..."unter F¨¹hrung von Pierre Mend¨¨s-France. Auf der Sitzung des Reichsbunds demokratischer Studenten sollte Joachim Joesten als demokratischer Vertreter ¨¹ber die Arbeit des Deutschen Studentenverbands berichten. Ich selbst wollte wieder die Pfingsttagung des VDA, diesmal in Kiel, besuchen. Der Leiter des DStV in Kiel war Helmuth Spiegel, er f¨¹hrte auch die Sozialistische Studentengruppe und beteiligte sich auch aktiv beim VDA in Kiel. Sein Vater, Rechtsanwalt und altverdienter Sozialdemokrat, war damals Stadtverordnetenvorsteher von Kiel. Meine vorj?hrige Unterhaltung mit Neumann hatte anscheinend Eindruck gemacht. Im Mittelpunkt der Studententagung stand nicht mehr ein Festkommers, sondern eine Art Akademie in einer Kapelle, mit Vortrag des bekannten Berliner Historikers Pflug-Hartung und mit Kammermusikumrahmung. Abends gab es einen Vortrag des eindeutig auf republikanischer Seite stehenden Schriftstellers Walter v. Molo ¨¹ber "Dichtkunst und Volkstum". Da hatte sich doch das Blatt etwas gewendet. Es war eben die Zeit, als die Regierung der Gro?en Koalition noch intakt war, die Republik zunehmend an Achtung und St?rke zu gewinnen schien. Helmuth Spiegel wollte eine Anzahl republikanischer Studenten aus umliegenden Hochschulen zur Teilnahme gewinnen, und auch unser norddeutscher Kreisleiter Kreye aus Hamburg, ein linker Sozialist, kam. Kurz vor meiner Abreise nach Kiel ergab sich eine Komplikation: Joachim Joesten weigerte sich nach Worms zu kommen und die ihm dort zugedachte Rolle zu ¨¹bernehmen. M¨¹llerburg bat mich, meine Pl?ne f¨¹r Kiel aufzugeben und statt dessen nach Worms zu kommen, unser Studententag w¨¹rde erwarten, von einem Vorstandsmitglied des Deutschen Studentenverbands aus erster Hand einen Bericht zu bekommen. Diese Sitzung sollte erst am Pfingstmontag stattfinden. Wir verabredeten, wenn ich wirklich dabei sein mu?, w¨¹rde er ein Telegramm nach Kiel schikken, und er versprach, sein Bestes zu tun, das zu vermeiden. So fuhr ich also nach Kiel, die Spiegels hatten ein sehr gastliches Haus, viele sozialdemokratische Prominente hatten sich im G?stebuch eingetragen, wir waren nun eine ganze Anzahl republikanischer Studenten beisammen. Es gab einen Republikanischen Akademikerklub in Kiel, der f¨¹r uns einen Begr¨¹?ungsabend veranstaltete, ich mu?te ¨¹ber den Deutschen Studentenverband sprechen. Es gab mehrere angesehene republikanische Hochschullehrer in Kiel: Baumgarten, Sch¨¹cking, T?nnies, Kantorowicz u.a. Die VDA Tagung lie? sich auch interessant an, ich traf ja auch Bekannte aus Kattowitz, darunter Otto Ulitz und die alte Familienfreundin Rosa Speier, und nat¨¹rlich traf ich auch Werner Mahrholz, dem der so viel besser republikanische Anstrich dieser Kieler VDA Tagung auch sehr zusagte. Bei der Studententagung gab es aber doch noch einen peinlichen Mi?ton. Wir sa?en alle zusammen in dem Kirchenschiff, als Dr. Pflug-Hartung seinen Vortrag hielt und eine scharf gegen die Weimarer Republik gerichtete ?u?erung nach der anderen von ihm zu h?ren war. Es wurde immer ungem¨¹tlicher, Kreye neben mir zupfte an meinem ?rmel, wir guckten uns alle an, und schlie?lich beschlo? ich, aufzustehen und den Saal zu verlassen. So taten acht bis zehn von uns hinter mir, wie wir da herausdefilierten. Das war eigentlich schade, die Form der Veranstaltung gut gedacht, der f¨¹r den Abend geplante Vortrag Walter v. Molo's ebenso, aber ich hatte keine Wahl, so ausf?llig war Pflug- Hartung geworden. Am Samstagabend kam M¨¹llerburgs Telegram, das mich um Hilfe f¨¹r Montagmorgen in Worms bat. Ich nahm es mit sehr gemischten Gef¨¹hlen auf. Am Pfingstsonntagmorgen packte ich meinen Koffer, gab ihn nach Worms auf und ging nur mit meiner Aktentasche voll mit Papieren, Waschzeug, Pyjama etc. zur Morgenfeier der VDA Tagung auf die Festwiese. Dort sah ich Werner Mahrholz, er stand mit dem demokratischen Reichstagsabgeordneten, dem fr¨¹heren Reichsinnenminister K¨¹lz, der sich auch f¨¹r den VDA interessierte, am Rande der Festwiese. Mahrholz winkte mir zu, und ich stand dann dort mit den beiden, aber vor dem Ende mu?te ich gehen, um meinen Zug nach Worms zu erreichen, was ich Mahrholz auch erkl?ren wollte. Am n?chsten Morgen war ich in Worms. Der Jungdemokratentag war auch ein fr?hliches Treiben, aber ich mu?te sofort zur Sitzung der Studententagung; es war eine recht gro?e Versammlung aus allen Teilen Deutschlands und gut, so viele wiederzusehen oder kennenzulernen. Es sind mir viele in guter Erinnerung geblieben, Hamburg, M¨¹nchen, Marburg, K?ln. Es war ganz klar, sie wollten wirklich ¨¹ber den Deutschen Studentenverband sprechen und hatten was zu sagen. Zum Schlu? wurde ich zum stellvertretenden Vorsitzenden des Reichsbunds der demokratischen Studenten gew?hlt. Nach unseren Sitzungen nahm ich noch teil an einer Zusammenkunft mit den franz?sischen radikal-sozialistischen Studenten ¨¹ber Pl?ne f¨¹r weitere Zusammenarbeit. Ich sa? Pierre Mend¨¨s-France gegen¨¹ber. Danach kam eine Rheinfahrt von Besuchern der Jugend- und der Studententagungen, an der ich nun auch teilnahm, und auch sp?ter in der Woche an einem Westdeutschen Kreistag des DStV in K?ln. Die Rheinfahrt von Mainz nach K?nigswinter war wirklich sch?n. Als st?rkste Pers?nlichkeit unter den Jungdemokraten auf dieser Rheinfahrt ist mir der Hamburger Erich L¨¹th in Erinnerung geblieben, von gro?er Vitalit?t, etwas wild, er hat ja auch im politischen Leben der jungen Bundesrepublik sich wieder einen Namen gemacht. Mit Hans Fest und Paul Freitag von der Hamburger Studentengruppe verstand ich mich besonders gut, und dann war dort noch Tantzen aus G?ttingen, der "junge" im Gegensatz zu seinem Vater, der demokratischer Reichtstagsabgeordneter, ein oldenburgischer Bauernf¨¹hrer und dort Ministerpr?sident war. Der Sohn war ein sehr begeisteter und ungest¨¹mer K?mpfer f¨¹r die republikanische Sache, repr?sentierte die Demokraten und den DStV in G?ttingen. Er hatte sich mehrfach bei uns in Berlin ¨¹ber die G?ttinger Universit?t, Rektor und vor allem den Kurator Schulz beschwert, die es weiter zulie?en, da? die Deutsche Studentenschaft mit ihren Anschlagbrettern als die offizielle Studentenvertretung auftrat. Zu meinen Aufgaben im "Innenamt" des DStV geh?rte laufender Kontakt mit dem preu?ischen Kultusministerium, vor allem mit Ministerialrat Leist, auch in solchen Fragen. Der Kurator hatte Leist gegen¨¹ber alle Anschuldigungen Tantzens zur¨¹ckgewiesen und ihn als einen Krakehler bezeichnet. Leist meinte, jemand sollte doch mal hinfahren und ihm berichten. Tantzen hatte das selbst schon gefordert und auf der Rheinfahrt ¨¹berredete er mich, nach der K?lner Kreistagung auf dem R¨¹ckweg nach Berlin mit ihm ¨¹ber G?ttingen zu fahren. Meine kurze Zeit dort teilte ich zwischen ihm, der Besichtigung der mit Recht beanstandeten Anschlagbretter und dem alten Freund Karl-Heinz Lubowski, der sein Studium in Krakau aufgegeben und nun in G?ttingen weiter Jura studierte. Er war oft bei G?pperts, leider war Maria G?ppert, meine so begeisternde Bekanntschaft vom vorherigen Sylvester nicht da, die alte Frau Professor lud mich mit Karl-Heinz zum Tee ein. Zur¨¹ck in Berlin, berichtete ich Ministerialrat Leist ¨¹ber die G?ttinger Anschlagbretter. Er wollte veranlassen, da? der Geheimrat Schultz seines Postens als Kurator der Universit?t enthoben w¨¹rde. So endete mein ausgedehnter Pfingstausflug in diesem so lebhaften Sommersemester 1929. Die Aktivit?ten des DStV entfalteten sich gut, ¨¹berall im Reich wurden Versammlungen und Vortragsabende unter Mitwirkung republikanischer Hochschullehrer und Politiker veranstaltet, im Juli 1929 kam unsere neue Zeitschrift "Student und Hochschule" heraus. In unserem B¨¹ro lernte ich viele der jungen sich bei den Sozialdemokraten profilierenden Politiker und Publizisten kennen, die uns dort besuchten, darunter Adolf Reichwein, damals Pressechef des Kultusministers Becker, Theo Haubach, Walther Pahl, Immanuel Birnbaum, damals Korrespondent der Vossischen Zeitung in Warschau, und Rudolf K¨¹stermeyer, Veteran der Studentenbewegung aus Freiburg. Da zu meinem neuen Studium juristische Vorlesungen und ¨¹bungen an der Universit?t und Handelshochschule geh?rten, f¨¹hrte mich mein Weg ohnehin mehrmals die Woche ins Zentrum Berlins und eben auch in unser DStV B¨¹ro in der Albrechtstra?e gegen¨¹ber dem Schiffbauerdamm. Dazu kam noch die Preu?ische Staatsbibliothek und dann war noch das Caffee Sch?n (Unter den Linden). Mein Nachfolger im Demokratischen Studentenbund Berlin, Robert Hess, gestaltete das Leben und Programm der Berliner Ortsgruppe sehr lebendig und hatte besondere Begabung f¨¹r menschliche Kontakte. Es hatte sich ein regelm??iger Mittagsstammtisch im 1.Stock des Caffee Sch?n gebildet, er war der eigentliche Promotor und blieb die Seele dieser Einrichtung. Die Teilnehmerzahl konnte so zwischen vier und zw?lf schwanken; es fing mit uns demokratischen Studenten an, aber dann kamen auch Freunde aus den anderen republikanischen Gruppen, auch regelm??ig Veteranen wie Winners, damals Korrespondent des Christian Science Monitor, sp?ter bei der Chicago Herald Tribune in Berlin, sein Freund Dr. Brock, sehr katholisch, auch bei einer ausl?ndischen Zeitung. Zu den besonders engen Kontakten hatte beim Demokratischen Studentenbund der Staatssekret?r im preu?ischen Innenministerium Dr. Abegg geh?rt, und jetzt im Deutschen Studentenverband wurde das noch ausgesprochener. Er war in vielem ein wichtiger Mentor. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold hatte im politischen Leben Deutschlands eine immer st?rkere Bedeutung bekommen. Sto?trupps von Nationalsozialisten und Kommunisten spielten eine zunehmende Rolle im politischen Kampf. Das Reichsbanner sollte eine Schutzbewegung dagegen sein, und Studenten waren auch beteiligt. Der auch zum VDST geh?rige Republikanische Studentenbund von Prinz Hubertus L?wenstein und Walter Kolb hatte Pfingsten 1929 eine Wartburgtagung gemeinsam mit dem Reichsbanner abgehalten und ein s¨¹ddeutscher Kreistag des DStV wurde anl??lich einer Reichsbannertagung abgehalten. Am 28.Juni 1929 war der 10.Jahrestag der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags. Die Reichsregierung, in delikaten Verhandlungen mit den Alliierten ¨¹ber eine bessere Regelung der Reparationsfrage durch den Young-Vertrag verwickelt, hatte sich jede Demonstrationen aus diesem Anla? verbeten, aber die Deutsche Studentenschaft rief zu solchen Demonstrationen an den Universit?ten auf, und es gab an der Universit?t Berlin die ersten gewaltt?tigen Zwischenf?lle. War es zul?ssig, da? die Polizei eingriff, trotz der Autonomie der Hochschulen, auf der der Chirurg Dr. His als Rektor bestand, und sich damit dem Vorwurf antirepublikanischer Haltung aussetzte? Auf der anderen Seite war Dr. Abegg, dem die preu?ische Polizei unterstand, als eines der st?rksten Instrumente der Weimarer Republik angesehen. Am 15.Juli fand in Kiel die regelm??ig veranstaltete Norddeutsche Woche statt. Die Deutsche Studentenschaft war immer sehr prominent dabei gewesen, auch bei den Sportveranstaltungen, und diesmal wurde der DStV auch eingeladen. Kurt Berlowitz und ich sollten dorthin fahren. Gleichzeitig sollte dann dort der Norddeutsche Kreistag des DStV stattfinden. Als wir bei einem Besuch bei Staatssekret?r Abegg unsere Reise erw?hnten, stellte sich heraus, da? sein Bruder Regierungspr?sident in Schleswig-Holstein war und sozusagen der Gastgeber der Tagung. Wir sollten uns bei ihm melden, ja er wollte veranlassen, da? sein Auto uns am Bahnhof abholt. So kam es dann auch, eigentlich etwas zu viel. Die Teilnahme an der Tagung war ja eine rein repr?sentative Sache, aber der Kreistag war gut, au?er Hamburg und Kiel hatten wir auch in Greifswald und Rostock sehr lebhafte Gruppen, und das Haus Spiegel war wieder sehr gastlich. Auf der R¨¹ckreise standen wir im Zugkorridor nahe dem Berliner Rektor His, der Berlowitz erkannte und uns in ein langes Gespr?ch verwickelte, von Politik und Hochschule ¨¹ber Probleme der heutigen Jugend, Weltanschauung und Religion. Es bezeugte seine tiefe Menschlichkeit, konnte aber nicht verhindern, da? man bei neuen Studenten Unruhen in kommenden Monaten entgegengesetzter Meinung ¨¹ber Schutz f¨¹r rechtsradikale Auschreitungen durch eine Hochschulautonomie war. Gerade weil diese Studentenausschreitungen in den Rahmen zunehmender Gewaltt?tigkeit der Sto?trupps der radikalen Parteien zu kommen schienen, durften sie nicht allein gelassen werden. Noch aber schien die Republik auf recht festen F¨¹?en zu stehen. Zu ihrem 10.Jahrestag am 11.August 1929 fanden gro?e Feiern statt. Wir gingen alle in das Stadium zum offiziellen Festakt, das Reichsbanner trat in St?rke auf, es gab keine St?rungen. Beim R¨¹ckweg im Tiergarten zwischen Zelten und Brandenburger Tor sahen wir Carl Severing, den Reichsinnenminister, vor uns, es war ein lebhafter Betrieb festlich gestimmter Mengen, weit und breit war kein Schutz oder Bewachung f¨¹r ihn zu sehen. Wir dachten, wo k?nnte man das sonst so sehen, es schien doch gut um die Republik bestellt. Aber das Hochgef¨¹hl dieses Tages blieb mir als Episode eben so in Erinnerung, weil es doch schon zu dieser Zeit, kaum ein Jahr nach den Wahlen in Mai 1928 so viel st?rkere Anzeichen fortw?hrender Bedrohung der Republik gab, die ich selbst auch zu sp¨¹ren bekam. Ich wohnte schon f¨¹r die Ferienpraxis in Reinickendorf, im Norden Berlins. Die Belegschaft war ganz anders als auf dem Bau im Vorjahr, haupts?chlich junge Lehrlinge oder Praktikanten wie ich, und es war nicht nur das sondern auch das Jahr, das vergangen war. Es gab unter den jungen Leuten Gruppen von Nationalsozialisten und Kommunisten und dauernd Spannungen. Von den kursleitenden zwei Werkmeistern war einer deutlich in Sympathie mit seinen Nazisch¨¹lern. Die standen ja schon unter enormem emotionellem Auftrieb und das geisterte durch die Werkr?ume. Gott sei Dank war das Arbeitsklima in der Gie?erei Jachmann, in der ich abschlo?, noch normaler, Arbeiter und Angestellte aller Altersklassen, Spannungen zwischen etwaigen Nazis und Kommunisten kaum zu merken. Ich war aber froh, als ich wieder nach Charlottenburg ziehen konnte. Die nationalsozialistische Studentengruppe an unserer TH war sehr gewachsen, trat ungeheuer aggressiv gegen jeden auf, es war an der TH besonders stark und rapide; in dem fanatischen, von Ha? platzenden Hammersen hatten sie einen rasanten F¨¹hrer. Er stand dem Dr. von Leers nahe, geh?rte also zu den Radikalsten unter den Nazis. Die Mehrheit der rechtsgerichteten Gro?deutschen Studentenschaft war noch immer durch die Korporationen des Waffenrings vertreten, aber die Nationalsozialisten bauten eine eigene Studentenorganisation auf. Die Korporationen hatten Schwierigkeiten, ein Teil ihrer Mitglieder wurden Nazianh?nger. Im Ausschu? der Wirtschaftshilfe, damals vom Chemiker Dr. Pschorr sehr unparteiisch pr?sidiert, sa?en Korporarionsstudenten als Vertreter der Gro?deutschen Studentenschaft, die Zusammenarbeit war sachlich. Es wurden aber von Zeit zu Zeit Vollversammlungen aller Studenten abgehalten, und Hammersen benutzte das f¨¹r die Nationalsozialisten, um ganz radikale Antr?ge zu stellen. Ich stellte sofort Antrag auf Ablehnung, er wetterte gegen den "Juden Gr¨¹nfeld", Geheimrat Pschorr entzog ihm schlie?lich das Wort. Die Anh?nger der Gro?deutschen Studentenschaft waren gespalten, ihre gem??igteren Korporationen stimmten f¨¹r Ablehnung. Sollte das eine neue Entwicklung werden? In Leopold Schwarzschild's "Das Tagebuch" dr?ngte der demokratische Politiker Dr. F.Friedensburg auf energischeren Kampf gegen die Republikfeindlichkeit der Studenten, und sah die Hauptursache in den Korporationen. Am 31.Oktober sprach er auf einem Diskussionsabend, der daf¨¹r vom Deutschen Republikanischen Reichsbund und der republikanischen Alt-Akademikervereinigung "Der Bund" in dem Demokratischen Klub einberufen wurde. Es sprachen in lebhafter Diskussion u.a. Kultusminister Bekker, manche andere Prominente und f¨¹r die Studenten Kurt Berlowitz. Daher meldete ich mich nicht zum Wort, aber als uns nachher Leopold Schwarzschild um sich versammelte, um zu fragen, was nun gegen die Korporationen getan werden sollte, da wies ich auf meine Erfahrung an der TH Charlottenburg hin, wo sich als die gef?hrlichsten Hauptgegner der Republik bereits die organisierten Nationalsozialisten profiliert hatten, da? also von meiner Sicht her die gr??ere Gefahr nun von Hitlers Bewegung kam, die auch in manchen Korporationen als Bedrohung von au?en empfunden wurde. Das hie? nicht, da? ich nicht auch in Zukunft gegen die schlechten Einfl¨¹sse der Korporationen sprach oder schrieb, ja ich sollte sogar wegen solcher ?u?erungen noch bald einem speziellen Boykott durch meine Schulkameraden ausgesetzt sein, aber die politische Entwicklung hatte ich von meiner zugespitzten Erfahrung an der TH her schon damals richtiger gesehen als die anderen Teilnehmer an der Diskussion. Am 3.Oktober war Stresemann gestorben. Ich erinnere mich deutlich an das Gef¨¹hl des Verlusts und auch einer deutlichen Gef?hrdung der Republik, denn es war zu diesem Zeitpunkt er, der die Gro?e Koalition zusammen zu halten schien. Nach Locarno und Briand-Kellog Pakt f¨¹hrte die Verst?ndigungspolitik zum Abkommen ¨¹ber den Young Plan f¨¹r die Abwicklung der Reparationen, eine Erleichterung gegen¨¹ber fr¨¹heren Reglungen, aber doch neuerliche Festschreibung einer gewaltigen Last. Die Zustimmung zum Young-Plan durch Stresemann auf einer ersten Haager Konferenz im August 1929 war die logische und unausweichliche Kulmination der durch Locarno eingeleiteten Verst?ndigungspolitik, ein Schl¨¹sselpunkt in der Politik der republikanischen Parteien, einschlie?lich Stresemanns Deutscher Volkspartei. Man darf nicht vergessen, das Rheinland war noch von alliierten Truppen besetzt. Rheinlandr?umung und Annahme des Youngplans hingen zusammen. Zu den deutschen Sachverst?ndigen, die zur Abfassung des Planes zugezogen wurden, geh?rte auch der Reichsbankpr?sident Dr. Hjalmar Schacht, und er wandte sich pl?tzlich gegen die Annahme des Plans. Die Deutschnationale Partei Hugenbergs leitete ein Volksbegehren gegen die Annahme des Youngplans ein, und die Nationalsozialisten schlossen sich an. Es trug dazu bei, ihnen entscheidenden Auftrieb zu geben. Wo sie im Mai 1928 noch mit 12 Mandaten gegen 73 Mandate der Deutschnationalen in den Reichstag gezogen waren, wurden sie nun, schon durch die Vehemenz ihrer Propaganda, gleich lautstarke Partner auf der Rechten. Das Referendum am 22.Dezember 1929 ging aber f¨¹r Annahme des Youngplans aus, die Republik hatte nochmals gewonnen. In einigen Kommunal- und Landtagswahlen aber zeigten sich bald beunruhigende Gewinne f¨¹r die Nationalsozialisten. Zu den Erinnerungen an diese turbulenten ausgehenden Monate des Jahres 1929 geh?ren nat¨¹rlich auch die ersten Nachrichten aus New York ¨¹ber B?rsenkrach und beginnende schwere amerikanische Wirtschaftskrise. In Deutschland wurde man sich bald der ernsten Bedeutung, die das haben w¨¹rde, bewu?t. Noch aber bestand, durch den Ausgang des Youngplan Referendums best?rkt, starke Zuversicht f¨¹r die Sache der Weimarer Republik, und der DStV bereitete seinen 2. Studententag f¨¹r Anfang Januar 1930 vor. F¨¹r den Hauptfestakt suchten wir je einen Redner der drei Parteien oder jedenfalls der politischen Richtungen, die sie f¨¹r uns repr?sentierten. Als Redner f¨¹r die demokratische Richtung wurde der Historiker Friedrich Meinecke vorgeschlagen. Berlowitz wollte das Privileg, ihn um seinen Vortrag zu bitten, ich ging in den Reichstag zum Pr?laten Dr. Schreiber und Felix Raddatz sah den Sozialdemokratischen Staatsrechtler Heller. Vor dem Studententag fuhr ich f¨¹r Weihnachten und Sylvester nach Hause. Als ganz pers?nliche Erinnerung: ich wollte gleich danach wegfahren f¨¹r die Vorbereitungen zum Studententag, da brach ein Sturm los. Mein Vater beklagte sich, da? mein Studium zu kurz kommt, und wozu das alles gut sei, zum Beispiel in Kiel bei der VDA Tagung h?tte ich blo? die Aktentasche von Herrn K¨¹lz getragen. Er mu?te sich sehr ge?rgert haben, was unsere Freundin Rosa Speier glaubte, in Kiel gesehen zu haben, und meinen Eltern erz?hlt hatte. Das Bild da am Rande der Festwiese kam mir wieder in Erinnerung. "Aber es war doch meine Aktentasche.." sagte ich und mu?te den Zusammenhang mit der fr¨¹hen Abreise nach Worms erkl?ren. Die Erw?hnung von Worms machte die Lage nur wenig besser. Meine Eltern hatten damals tagelang nicht gewu?t, wo ich eigentlich bin. Schlie?lich sprach Vater noch ein ernstes Wort, ich t?te jetzt viel zu viel in meinem Alter, verausgabe mich, und dann w¨¹rde ich sp?ter viel weniger Erfolg haben. Daran habe ich oft gedacht. Wir einigten uns auf einen mittleren Abreisetermin. Von den zum republikanischen Studententag sich versammelnden demokratischen Delegierten wurde vorher eine Tagung des Reichsbunds demokratischer Studenten abgehalten. Wolfram M¨¹llerburg wollte daf¨¹r als Hauptredner neue, nicht so parteipolitisch abgestempelte Namen, und damit vielleicht neues Blut und Ideen zeigen. Es kamen Alfred Weber aus Heidelberg und Heinrich Simon, Herausgeber der Frankfurter Zeitung. Hier war also ein Versuch der Neuerung aus der liberalen Mitte heraus. Ich fand mich auf der Abendveranstaltung, auf der sie sprachen, zwischen den beiden sitzend, die Tagung verlief in Begeisterung und Kampfstimmung. Auf der DStV Tagung mu?te ein neuer Vorstand gew?hlt werden. Studenten konnten ja solche ?mter nie lange wahrnehmen, Berlowitz wollte ins Referendar-, ich im Juni ins Vorexamen an der TH gehen, Raddatz war schon berufst?tig. Als neuen demokratischen Vertreter wollte ich unbedingt Helmuth Eichler aus Dresden gew?hlt haben, sehr energisch und mit Durchschlagskraft, eher leicht rechts von der Mitte und mit gutem Kontakt mit gem??igt rechten Gruppen auch im Deutschen Studentenwerk in Dresden, dessen Direktor Dr. Schairer auch als Gast bei einigen Veranstaltungen der DStV Tagung teilnahm. Diese Kreise schienen gerade auf dem Weg, sich mit der Republik besser zu befreunden. Trotzdem viele links von Eichler standen, fand der Vorschlag beim demokratischen Studententag Zustimmung, und ich wurde beauftragt, den Vorschlag auf der DStV Tagung mit Bestimmtheit zu vertreten. Man wu?te schon, da? es gegen Eichlers Wahl bei den Sozialisten Widerstand gab. Der DStV republikanische Studententag wurde dann eine starke Kundgebung von gemeinsamer Einsatzbereitschaft und Kampfstimmung. Der ?u?ere Rahmen war anspruchsvoll aufgezogen (25). Am Vorabend gab Minister Becker einen Empfang im Preu?ischen Kultusministerium, zu der Er?ffnung der Tagung am 10.Januar kam der Reichsinnenminister Severing. Am Abend gab uns die Vereinigung freiheitlicher Akademiker "Der Bund" einen vom demokratischen Abgeordneten Dr. Bohnert (26) geleiteten Empfang im Preu?ischen Landtag, wo der Reichskanzler Hermann M¨¹ller sprach. Die Akademische Kundgebung mit den Reden von Meinecke (Geschichte, Staat und Gegenwart), Hermann Heller (Die Bedeutung der gesellschaftlich-wissenschaftlichen Auffassung in allen Geisteswissenschaften) und Pr?lat Schreiber (Die politische Bedeutung des Auslandsdeutschtums) fand auch gute Beachtung. Bei der folgenden Schlu?sitzung nominierte ich Eichler f¨¹r den demokratischen Vorstandsposten, es gab heftige Meinungsverschiedenheiten, ein zunehmendes Patt. Ein Freund sagte mir nachher, da? ich trotz kompromi?losem Bestehen auf unserem Antrag durch die Art meiner Reden es verstanden h?tte, die Wogen zu gl?tten, statt sie weiter aufzur¨¹hren. Ich habe mich im sp?teren Leben oft an diese Wertung erinnert. Es ¨¹berzeugte jedenfalls den Zentrumskollegen Felix Raddatz, der die Sozialisten zum Einlenken bewegte. Ein Nachwort zum Studententag von Werner Mahrholz "Aufbruch zur Fahrt" (27) enthielt auch kritische T?ne. Er bejahte den Erfolg in der Suche nach einem unmittelbaren Aktionsprogramm, auch mit einigen Ideen f¨¹r eine Hochschulreform, aber war kritisch, da? der Studententag eine Wiederherstellung studentischer Selbstverwaltung erst sich vorstellen konnte, wenn "das Bekenntnis zur Republik f¨¹r die ¨¹berwiegende Mehrheit der Studenten selbstverst?ndlich ist", und da? zun?chst auch die Wirtschaftshilfe als staatliche Organisation auszubauen sei. Das scheint ihm zu viel Hang zum 'Gouvernmentalismus'...man erwartet viel, ja alles vom Vater Staat, und man verl??t sich doch, trotz allen Minderheitscharakter des jetzigen Deutschen Studentenverbandes, zu wenig auf die eigene Kraft". Das linke Argument dagegen war, die Volksmehrheit hatte sich besonders 1928 eindeutig f¨¹r die Republik entschieden, es durfte keine studentischen Parlamente geben, die von der klassenm??ig verschiedenen Zusammensetzung der Studentenschaft her staatsfeindlich sein w¨¹rden. Ich war damals, wie Mahrholz, auch f¨¹r eine positivere Einstellung zu den F¨¹hrern, die von gem??igteren Leuten der Studentenschaft kamen, eine Selbstverwaltung mit f¨¹r die republikanischen Parteien annehmbarer Verfassung zu planen. Mein Bestehen auf der Wahl Eichlers hatte damit zu tun. Man mu?te versuchen, die Schichten auf der gem??igten Rechten zu erreichen, von denen man vielleicht kein "Bekenntnis zur Republik", aber die Bereitschaft, mit der Republik als selbstverst?ndlich zu leben, im Laufe der Zeit erwarten konnte. Als die Republik 1928 stark war, gab es schon Zeichen solcher Entwicklung im politischen Leben. Der Monarchismus, urspr¨¹nglich Hauptquelle der Gegnerschaft gegen die Republik verbla?te, wenn auch nicht im Milit?r, doch in B¨¹rgerschaft und Jugend. Auch wenn man schon die nationalsozialistische Drohung sah, da? dies wirklich Hitlers Ernte werden w¨¹rde, schien nicht vorbestimmt. Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Auseinanderfallen der Gro?en Koalition standen noch bevor. Eichler war also gew?hlt worden. Als mein eigentlicher Nachfolger im Vorstand des DStV, n?mlich als Vertreter der freien Verbindungen, wurde der Mediziner und FWVer Kurt Lange gew?hlt, der eine lange Erfahrung in hochschulpolitischer Arbeit noch aus der Zeit der alten Selbstverwaltung an der Universit?t Berlin hatte. Die anderen drei neuen Vorstandsmitglieder, die Sozialisten Heinrich Kaun (Vorsitz), Martin B?ttcher und Zentrumsmann Mielnickel erschienen mir damals, als wenn sie zu einer j¨¹ngeren Generation geh?rten. Ich wurde gebeten, von Heinz Ollendorf die Herausgeberschaft unserer Zeitschrift "Student & Hochschule" zu ¨¹bernehmen, was auch zur Kontinuit?t der Vorstandsarbeit beitragen sollte. Das schien zeitlich kaum so eine schwere Belastung, und ich nahm es gern an. Man geh?rte zu den etwas ?lteren Semestern in der Hochschulpolitik, und es ergaben sich neben den Vorbereitungen zum Examen und der Herausgeberschaft der DStV Zeitschrift noch andere interessante Aufgaben. Bald nach unserem Studententag fanden zwei sehr aktuell scheinende Vortragsabende im Demokratischen Studentenbund unter Robert Hess statt. Erst kam Hans Zehrer, dann Gustav Stolper, Herausgeber der sehr erfolgreich und angesehen gewordenen Wochenschrift "Der deutsche Volkswirt", verantwortlich f¨¹r ein neues Wirtschaftsprogramm der Demokraten (28) und einer ihrer prominenten Reichstagsabgeordneten. Der au?enpolitische Redakteur der "Vossischen Zeitung" Hans Zehrer war im Oktober 1929 in der Zeitschrift "Die Tat" als Wortf¨¹hrer einer neuen Bewegung der politischen Mitte hervorgetreten, mit sehr unherk?mmlichen Akzenten und starkem Abstand vom Parteienspektrum. F¨¹r die Dezemberausgabe 1929 von "Student und Hochschule" hatten wir programmatische Beitr?ge von den verschiedenen im DStV zusammenarbeitenden Richtungen gesucht. Ich suchte einen f¨¹r die Demokraten, also die politische Mitte, und wurde mit der Frage ¨¹berrascht, warum nehmen Sie nicht Hans Zehrer, er will ja f¨¹r die junge Mitte sprechen. Mich hatte an seinem Artikel in der Tat manches beeindruckt, hatte ihn nie kennengelernt, aber kannte mich ja in der Vossischen Zeitung aus, erkl?rte ihm, worum es uns ging, und er gab mir dann seinen Artikel "Die Ideologie der Studenten" (29). Als Zehrer nun Anfang 1930 im Demokratischen Studentenbund sprach, war er noch ganz im Vordergrund in der Tat, sp?tere enfants terribles wie Ferdinand Fried oder Giselher Wirsing hatten sich noch nicht profiliert. Zehrer gab eine gute Pr?sentation seiner Ideen, vieles sehr erstaunlich, manches zum Nachdenken. Als heftigster Opponent gegen seine Angriffe auf das liberale Gedankengut in Politik und Wirtschaft trat Rudolf Olden hervor, der auf die n?chste Veranstaltung, den Vortrag seines Freundes Gustav Stolper hinwies, dem man vertrauen k?nne, Hans Zehrer endg¨¹ltig ad absurdum zu f¨¹hren. Es meldete sich auch ein junger intellektueller Typ von gutem Auftreten und Benehmen, der sich aber als Nationalsozialist vorstellte und voraussagte, da? Hans Zehrer sich ihnen bald anschlie?en w¨¹rde. An diese Voraussage habe ich in den n?chsten drei Jahren oft denken m¨¹ssen. F¨¹r den Vortrag von Gustav Stolper bat mich Robert Hess, in der Diskussion den Standpunkt der demokratischen Studenten zu vertreten. Das war nat¨¹rlich nicht so gemeint, da? dieser in Richtung von Hans Zehrers Ideen in der "Tat" ging, gemeint waren die alten Gegens?tze in Betonung und Zielen zwischen linken und rechten Fl¨¹geln der Partei, Jungdemokraten und Parteizentrale, Erkelenz und Hermann Fischer. Gustav Stolpers Ideen und ein neues Wirtschaftsprogramm luden zu neuer Stellungnahme ein. Ich wollte dieses Mandat nicht annehmen, sagte aber zu an der Diskussion teilzunehmen. Es war ein schwieriges Thema, keineswegs war einem die Lage klar, Spannung zwischen marktwirtschaftlichen und sozialpolitischen Geboten beherrscht ja auch heute noch die theoretische und politische Diskussion. Gustav Stolper kam mit dem ihm sehr befreundeten Theodor Heuss (30), beide mit ihren Frauen, da war also auch Elli Heuss-Knapp. Gustav Stolper kam also in sehr guter Gesellschaft und vertrat sein marktwirtschaftlich orientiertes Programm auch f¨¹r Zeiten einer Krise mit gro?em Elan f¨¹r sozialpolitische Belange, ein Ausblick die Kr?nung des Wohlstands der Arbeiterschaft durch weite Streuung des Aktienbesitzes. Kaum hatte er geschlossen, erteilte Robert Hess mir das Wort. Das war nicht so verabredet, ich mu?te gute Miene zum b?sen Spiel machen, konnte einige sachbezogene in diese Richtung gehende Kommentare geben und Fragen an den Redner stellen, aber die beschwingte Phillipika gegen ihn von linksdemokratischer Seite, die kam nicht von mir, daf¨¹r aber dann von Dr. Bruno Ravecker, Gesch?ftsf¨¹hrer des Arbeitnehmerausschusses der Partei, der eine Brosch¨¹re ¨¹ber "Wirtschaftsdemokratie" ver?ffentlicht hatte (31). Gustav Stolper hatte sich zwar ausdr¨¹cklich gegen die "Tabuisierung" dieses Begriffes durch den rechten Fl¨¹gel der Partei unter Hermann Fischer gewandt, aber f¨¹r Dr. Ravecker, in der demokratischen Gewerkschaftsbewegung prominent, gab es da noch immer einen gro?en Graben. Es war eine gute Lehre: die Mitte, wenn man ihr verhaftet ist, bleibt ein schwieriger politscher Standort. In der deutschen Innenpolitik war Anla? zu Sorge ¨¹ber die Zukunft der politischen Mitte. Deren Parteien hatten entscheidende Stimmeinbu?en erlitten in Zwischenwahlen, in denen neben links- und rechtsradikalen auch neuentstandene Splitterparteien der Mitte die Statur besonders der Demokraten reduziert hatten. Schon seit langem war das Gebot einer Konsolidation der Kr?fte der Mitte, Zusammenschlusses wenigstens von Demokraten und Volkspartei immer wieder unter Diskussion, aber an Widerst?nden in beiden Parteien gescheitert. In der Deutschen Volkspartei geh?rten die Hochschulgruppen zu den Aufgeschlossenen und Fortschrittlichen, die gerade damals im Januar 1930 f¨¹r solche Bestrebungen sehr offen waren. Aus Unterhaltungen, an denen ich sehr aktiv teilnahm, ergab sich die Idee, da? wir Studenten eine Initiative ergreifen und mit gutem Beispiel vorangehen sollten, und anstelle der Verhandlungen der Parteipers?nlichkeiten hinter den Kulissen, unter den Studenten eine ?ffentliche Parole setzen sollten. Wir bildeten eine lose Gruppe, nannten es "Arbeitsring der politischen Mitte" und luden zu einer Kundgebung gleichgesinnter Studenten ein (32). Der Raum war voll, die Stimmung sehr ernst. Dazu war aller Grund. Die Weltwirtschaftskrise traf zunehmend die deutsche Wirtschaft, die Arbeitslosenzahl betrug schon 2.5 Millionen, die finanziellen Lasten ihrer Unterst¨¹tzung verlangte Steuererh?hungen, auf die sich die Parteien der Gro?en Koalition nicht einigen konnten. Es gab das l?hmende Gef¨¹hl einer m?glichen Regierungskrise, die zu einer Krise des parlamentarischen Parteienstaats werden k?nnte. Unsere Versammlung schien ein Erfolg, und eine gr??ere sollte f¨¹r M?rz vorbereitet werden mit einem prominenten, allen Beteiligten genehmen Redner. Ich schlug Dr. Hellpach vor, er war demokratischer Reichstagsabgeordeter, aber hatte eine sehr unabh?ngige Haltung, alle Veranstalter stimmten zu und ich ¨¹bernahm, ihn daf¨¹r zu gewinnen. Ich schrieb ihm nach Heidelberg, und er gab mir das Datum seines n?chsten Reichstagsbesuchs in Berlin, an dem ich mich dort bei ihm morgens melden sollte. Er war sehr begeistert ¨¹ber unseren Vorschlag und verwickelte mich in l?ngere Unterhaltung ¨¹ber die Lage und Zukunft, ich wollte eigentlich schon gehen, aber er hielt mich bis zur Mittagstunde dort in der Wandelhalle des Reichstags. Datum und Thema waren nun verabredet. Einige Tage sp?ter brachten die Zeitungen die Nachricht, da? er sein Reichstagsmandat niedergelegt hatte, aber im Vorstand der demokratischen Partei bleiben w¨¹rde. Er hatte mir nichts dar¨¹ber gesagt, als er seine Beteiligung an unserer Versammlung des Arbeitsrings der politischen Mitte zusagte. Aber eine der Begr¨¹ndungen war jetzt, da? er f¨¹r eine Einigung der politischen Mitte arbeiten wollte (33). Die Versammlung war gut besucht, zu beiden unserer Versammlungen kamen viele, die nicht Mitglieder der beteiligten politischen Gruppen waren, wo also das Thema "politische Mitte" ein Anreiz zur Sammlung zu sein schien, und das war ja die Idee. Nach dem Vortrag kam man noch zu einem Glas Bier zusammen, gekommen waren auch, ich hatte meinen Augen kaum getraut, Hermann Pr?bst und Kurt Kersten, beide immer noch aktiv in der F¨¹hrung der Deutschen Studentenschaft. Die beiden hatten seinerzeit die scharfe Erkl?rung der Deutschen Studentenschaft gegen die Gr¨¹ndung des DStV unterzeichnet, nun kamen sie beide zu einer ma?geblich von mir mitveranstalteten Versammlung. Hermann Pr?bst hatte ich ja auf meiner langen Bahnfahrt nach Gmunden Pfingsten 1928 kennengelernt. Wir kamen auch nun wieder ins Gespr?ch. Es war mir nicht klar, wo der Hauptantrieb f¨¹r ihren Besuch lag. Sie geh?rten zu denen in der Deutschen Studentenschaft, die f¨¹r neue Bem¨¹hungen um Wiederherstellung einer studentischen Selbstverwaltung selbst unter Aufgabe gewisser rechtsradikaler Bedingungen standen und schon daher an Kontakten mit der Mitte interessiert. Aber es war doch wohl auch eine mehr politische Note dabei. So wie meine Erinnerung an Proebst war, schien mir das schon plausibel. In der Deutschen Studentenschaft und den Korporationen gab es ja schon scharfe Konflikte mit den totalen Herrschafts- und Gleichschaltungszielen des Nationalsozialistischen Studentenbunds und seiner von au?en her kommenden radikalen F¨¹hrungsschicht. Die Anderen mu?ten oft das Gef¨¹hl bekommen, da? sie mit dem R¨¹cken gegen die Wand standen (34). Wenige Tage sp?ter ?nderte sich die Lage der Weimarer Republik entscheidend. Die Regierung der Gro?en Koalition konnte sich nicht ¨¹ber die Finanzpolitik einigen und trat zur¨¹ck. Die Demokraten waren entsetzt ¨¹ber diese Entwicklung (35). Sp?tere Beurteilung sieht den neuen Reichskanzler und Zentrumsf¨¹hrer Heinrich Br¨¹ning, obgleich den Christlichen Gewerkschaften nahestehend, doch auch rechtsgerichteten Einfl¨¹ssen in seiner Partei und auch vom Reichspr?sidenten und dem General v.Schleicher kommend, ausgesetzt mit dem Ziel einer Regierung ohne Sozialdemokraten. Bei diesen wird dem Arbeitsminister Wissell zugeschrieben, da? kein Kompromi? zustande kam, f¨¹r das der Reichskanzler M¨¹ller gewesen w?re, gegen das aber auch in der Deutschen Volkspartei von Schwerindustrie und nationalistischem Fl¨¹gel her starke Kr?fte arbeiteten. So war Unvernunft weit verteilt und die Weimarer Republik begann ihre tragische Talfahrt. Die Zentrumspartei blieb aber zusammen mit ihren Partnern der Weimarer Koalition in der preu?ischen Regierung Otto Brauns und unsere Freunde bei den Zentrumsstudenten mit uns weiter im Deutschen Studentenverband. Da die Regierung Br¨¹ning keine eigene parlamentarische Mehrheit hatte, beherrschte das Leben von nun an nicht nur die schwere wirtschaftliche Depression, sondern auch eine permanente ungel?ste politische Krise. F¨¹hlungnahme unter den Parteien der Mitte stand nun unter deutlichem Druck, es war gewi? nun ein Thema geworden, aber im Sommersemester 1930 wurde der studentische Arbeitsring selbst nicht mehr aktiv. Ich hatte ja aber auch andere Aufgaben. F¨¹r meine Herausgeberschaft der Zeitschrift des DStV "Student und Hochschule" hatten wir erst ein neues Heim suchen m¨¹ssen, da der Verlag Mosse es nicht weiter machen wollte. Nach einigem Zureden, unter anderem vom Pr?sidenten des Reichsbanner H?rsing, war Ullstein schlie?lich bereit, unsere Zeitschrift zu drucken, vorausgesetzt ein Redakteur der Vossischen Zeitung w¨¹rde bei der Redaktion mitzureden haben. Zu meiner Erleichterung wurde unser alter Freund Richard Winners, unterde? von seiner amerikanischen Zeitung zur Vossischen Zeitung ¨¹bergetreten, dazu delegiert. Ich mu?te, bevor der Verlag sich entschied, noch Unterhaltungen mit den Herren Ernst Sch?ffer, Dr. Magnus und M¨¹ller haben, und dann kam ich also bis zu meinem Weggang von Berlin mehrmals im Monat in die Kochstra?e zu Ullstein, wo ich ja schon vorher nicht fremd war. Werner Mahrholz aber lebte nicht mehr. Er war an einem damals unheilbaren Nierenleiden erkrankt. Ich hatte ihn noch in seiner Redaktionsstube ?fters besucht, auf Vorschlag seiner Frau dann auch zu Hause, wo ich einmal seinen engen Freund Theodor D?ubler traf. Ich nahm sp?ter an der Urnenbeisetzung teil, es war eine f¨¹r intellektuell Interessierte selten erlauchte Versammlung. Ich hatte einen sehr bewegten Nachruf in unserer Zeitschrift "Der demokratische Student" geschrieben. Winners teilte das Redaktionszimmer mit Hans Zehrer und Friedrich Wilhelm v. Oertzen zu meiner gro?en ¨¹berraschung, und unsere regelm??igen Besprechungen spielten sich meist in deren Gegenwart ab. Einige Male gingen wir auch alle zusammen zum Mittagbrot in die Kantine. Es kam aber nicht zu wirklichen Unterhaltungen ¨¹ber die gro?en Probleme dieser Jahre, jedenfalls nicht w?hrend meiner Besuche in ihrem gemeinsamen Redaktionszimmer. Auch sonst schien eher eine Distanz, Winners stand viel mehr links als sie. Zu anderen Bekanntschaften, die ich in der Vossischen Zeitung gemacht habe, geh?rte Erich Kramer, als er einmal Mahrholz vertrat (36). Ein anderer guter Bekannter wurde Carl Misch; durch ihn kam auch sp?ter einmal ein politischer Artikel von mir in die Vossische Zeitung. Ich hatte auch bei einer Aufgabe auf ganz anderem Feld mitgewirkt. Auf unseren Januar Studententagungen war die Notwendigkeit eines Programms f¨¹r Hochschulreform betont worden. Wolfram M¨¹llerburg, Robert Hess, Erwin Oeser, Rudolf Sobernheim und ich bildeten die Gruppe, die es f¨¹r die demokratischen Studenten ausarbeiten wollte. Die wichtigste Mentorin dabei wurde Gertrud B?umer, die unser Programm dann auch in der von ihr mitherausgegebenen Monatsschrift "Die Hilfe", urspr¨¹nglich von Friedrich Naumann gegr¨¹ndet, im Rahmen einer speziellen Hochschulnummer im Juli 1930 ver?ffentlichte. Ich hatte mehrere Besprechungen mit ihr, es halfen uns auch u.a. Dr. Theodor Bohner,verschiedene Professoren und Ministerialrat Leist. Wir waren manchmal ziemlich halsstarrig und bestanden auf Punkten, von denen einige ?ltere Freunde abrieten, so die Idee der Humanistischen Fakult?t, an der alle Studenten auch an allgemeinbildenden Vorlesungen teilnehmen sollten, um ein Gegengewicht gegen die zunehmende Spezialisierung herzustellen. F¨¹r die Mitarbeit an diesem Programm begann ich auch einige Literatur ¨¹ber Bildungsfragen zu lesen, so Scheler und Spranger, man verfolgte ja ¨¹berhaupt immer weiter die geistesgeschichtliche Entwicklung dieser Jahre als unabdingbar f¨¹r ein intelligentes Interesse am Zeitgeschehen. Da war das urspr¨¹ngliche Interesse an Geschichte, einige Ideen der Jugendbewegung, und nun auch, wenn man zu grundlegenden Dingen des Denkens kam, ein starker Eindruck von der Ph?nomenologie, Bergson und Husserl. Zu den neuen Leuchten der sich bildenden marxistischen Frankfurter Schule konnte ich kein Verh?ltnis gewinnen, aber das Denken von Karl Mannheim machte mir Eindruck, die Herausforderung der Intelligenz zu einem ¨¹ber Ideologieverdacht stehenden, unabh?ngigen Denken. Man bewegte sich damals im Demokratischen Studentenbund und FWV in einem Kreis, der an diesen Fragen lebhaft Anteil nahm. Da wir bei B¨¹chern und Ideen sind, will ich noch ein Buch erw?hnen, auf das mich ein nichtj¨¹discher Freund bei den Demokraten damals hinwies: "Nationalismus im Vorderen Orient" von Hans Kohn, damals Nahostkorrespondent der Frankfurter Zeitung, sp?ter recht anerkannter Historiker. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, da? die von ihm geschilderte Entwicklung eines s?kularistischen Nationalismus unter den Arabern der Nachfolgestaaten des t¨¹rkischen Imperiums eine schwere Behinderung f¨¹r die zionistischen Ziele werden k?nnte. An diesen fr¨¹hen Hinweis habe ich noch oft gedacht. Um mit unseren Gedanken zur innenpolitischen Entwicklung in Deutschland zur¨¹ckzukehren, Anstrengungen, doch noch einen Block der Parteien der Mitte in den fr¨¹hen Sommermonaten 1930 zu bilden, kamen nicht vorw?rts, einige j¨¹ngere Kr?fte aus der Deutschen Volkspartei blieben in Kontakt dar¨¹ber mit den Demokraten. Ein anderer Gespr?chspartner war der Jungdeutsche Orden (37), mit seinen 800.000 Mitgliedern auch ein Zeichen f¨¹r die Anziehungskraft au?erparlamentarischer Bewegungen mit Frontk?mpfer- und Jugendbewegungshintergrund. Mit seiner Studentengruppe waren wir schon im "Arbeitsring der politischen Mitte" zusammengekommen, hielten Kontakt und ich wurde gut bekannt mit deren F¨¹hrer S?hlmann. Im demokratischen Parteivorstand trat Hellpach entschieden f¨¹r nach der rechten Mitte zielende Fusionsverhandlungen ein bis zu den gerade von den Deutschnationalen abgefallenen Freikonservativen um Treviranus (38). Am n?chsten kam ich der Stimmung, als w?hrend eines Besuches bei Staatssekret?r Abegg er uns f¨¹r eine Unterredung bei Hermann Dietrich, damals Vizekanzler und Wirtschaftsminister, anmeldete. Die anscheinende Unentschlossenheit der Parteispitze beunruhigte uns, sie schien den Kopf verloren zu haben. Er versicherte, es g?be zwar manche, von denen man das sagen k?nnte, aber er wisse genau, was zu tun. Es klang zuversichtlich, aber was war gemeint? F¨¹r die Sommersemesterferien 1930 hatte ich zun?chst den Plan, den Studententag der gegnerischen Deutschen Studentenschaft in Breslau als Pressekorrespondent zu besuchen, was mir der Breslauer Vertreter der Vossischen Zeitung auch m?glich machte. W?hrend der Tage wurde bekannt, da? Demokraten und Jungdeutscher Orden (Jungdo) ihren Zusammenschlu? verk¨¹ndet hatten. S?hlmann vom Jungdo nahm auch als Gast an der Tagung teil, wir begegneten uns nun unter scheinbar ganz neuen Vorzeichen, mit viel H?ndesch¨¹tteln nat¨¹rlich, aber ganz freim¨¹tig auch gegenseitiges Erstaunen. Ganz so hatten wir uns das eigentlich nicht vorgestellt, da? ein Zweiergespann von Demokraten und Jungdeutschen Orden die Antwort f¨¹r den Drang nach einem starken, vereinten Block der politischen Mitte sein k?nnte (39). Die geplante neue "Staatspartei" sollte auch Zuzug von einigen j¨¹ngeren Leuten aus der Deutschen Volkspartei bekommen (40). Bei den Demokraten hatte es wochenlange Debatten, aber keine erkennbare einheitliche Linie oder Entscheidungen gegeben. Als Damoklesschwert hatte ¨¹ber allen die m?gliche Aufl?sung des Reichstags und Neuwahlen geschwebt, falls das ohne parlamentarische Mehrheit regierende Kabinett Br¨¹ning, das von den Demokraten mitgetragen wurde, nicht seine finanzpolitischen Notverordnungen gegen Vetoantr?ge im Reichstag durchbringen k?nnte. Dietrich, unterde? von Br¨¹ning zum Reichfinanzminister ernannt, k?mpfte hart um eine Mehrheit f¨¹r seine Finanzvorlagen. Aus einer lebhaften Schilderung (41) geht hervor, da? er sehr wohl einen Plan hatte, was zu tun sei. Es gelang ihm auch, aus der damals durch Abspaltungen nach der Mitte zu bedrohten Deutschnationalen Partei 25 Abgeordnete auszubrechen, aber 32 Hugenbergtreue blieben hart in ihrer Ablehnung ebenso wie die Sozialdemokraten. Der Reichstag wurde von Br¨¹ning aufgel?st. Nachdem sich die Parteien der Gro?en Koalition im M?rz nicht auf die Fortsetzung ihrer gemeinsamen Regierung hatten einigen k?nnen, war es ein weiterer Schritt zu der Katastrophe, die Deutschland bevorstand, da? die Weimarer Republik im Juli 1930 nicht vor der Aufl?sung des bis 1932 gew?hlten Reichstags bewahrt werden konnte. Um die Chancen bei den Neuwahlen am 14.September zu verbessern, entschied sich Koch-Weser f¨¹r die Gr¨¹ndung der Staatspartei mit dem "Jungdo". Ich war nun aber grade bei diesem Breslauer Studententag, eine Herausforderung, die ich gesucht und nun zu bestehen hatte. Auch fr¨¹her waren republikanische Studenten als Beobachter an solchen Tagungen, Werner Mahrholz ein regelm??iger Besucher gewesen. Ich hatte Hoffnung auf Gruppen, die sich von radikalen und besonders nationalsozialistischen Tendenzen distanzieren w¨¹rden. Um f¨¹r Anh?nger einer breiteren Mitte zu werben, lie? ich die Juli Hochschulnummer der "Hilfe" mit unserem Hochschulreform-Programm vor der Festhalle verteilen. Bei Ankunft legte ich meinen Presseausweis vor, traf einige Bekannte und h?rte pl?tzlich w?hrend der Er?ffnungsprozedur vorne meinen Namen. Hammersen von der TH Charlottenburg (42) protestierte gegen meine Anwesenheit. Der Jude Gr¨¹nfeld sei ein unbequemer, ja gef?hrlicher Gegner der Gro?deutschen Studentenschaft an seiner TH und m¨¹?te des Saales verwiesen werden. Die Tagungsleitung sagte Pr¨¹fung seines Antrags zu. Nun ging die Tagung weiter, ich war nicht sehr beunruhigt, weniger eine negative Entscheidung als eventuelle Aufreizung zu Gewaltt?tigkeit durch Hammersen h?tten mich beunruhigen k?nnen. Das war ja ein gewisses Risiko, wenn man mit Nationalsozialisten zu tun hatte. Ich erinnerte mich an fr¨¹here Hochschulunruhen an der Universit?t Berlin. Die republikanischen Studenten hatten beschlossen, sich bei einer angesagten v?lkischen Kundgebung zu einer Gegendemonstration zu stellen, und wir ?lteren sollten das nicht nur den jungen Leuten ¨¹berlassen. Vergeblich versuchte der deutschnationale Kollege in der Zentralstelle f¨¹r studentische V?lkerbundsarbeit, Wolfgang Straede, als ich ihn auf dem Weg zur Universit?t traf, mich zu einem friedlichen Kaffee irgendwo anders zu ¨¹berreden. Ich ging zur Universit?t, es war h?chst ungem¨¹tlich dort, aber es blieb bei einer hautnah drohenden Gewaltt?tigkeit. Jetzt sa? ich also da in Breslau, mein Name war mit heftigen Angriffen auf mich genannt worden, ich sa? ganz hinten unter anderen Pressevertretern und G?sten. Pl?tzlich sah ich Hermann Proebst, er schien mich zu suchen, kam auf mich zu, ¨¹berreichte mir meinen Presseausweis und sagte, die Sache ist jetzt erledigt. Das war also gut so. Ich habe ihn dann nie wieder gesehen, aber die Begegnungen mit ihm habe ich in guter Erinnerung behalten (43). Die "Zentralstelle f¨¹r studentische V?lkerbundsarbeit" wurde gebildet von den Studentengruppen der politischen Parteien von den Sozialdemokraten zu den Deutschnationalen als akademische Gruppe der Deutschen Liga f¨¹r V?lkerbund, deren B¨¹ro sie auch teilte. Als Nachfolger von M¨¹llerburg wurde ich dort Vertreter der Demokraten, hatte an Veranstaltungen schon oft teilgenommen. Es hatte auch ein Seminar ¨¹ber Minderheitspolitik unter dem Demokraten Dr. Junghann dort gegeben, das ja sehr in meinem Interessenkreis war und auch in deutscher V?lkerbundspolitik eine zunehmende Rolle spielte. ¨¹ber den Weimarer Koalitionsrahmen des DStV hinaus gab uns die V?lkerbundsgruppe einen gewissen Kontakt zu den Studentengruppen der Deutschen Volkspartei und auch der Deutschnationalen, erstere durch Dr. Kurt Goepel und letztere durch Wolfgang Straede vertreten. Der Vorsitz rotierte j?hrlich, Straede wurde Vorsitzender f¨¹r 1930/31, danach kam die Reihe an die Demokraten. Ich wurde f¨¹r 1930/31 der aktivste Vertreter der Linken in der Zusammenarbeit mit Straede als Vorsitzendem. Das pers?nliche Verh?ltnis dabei gestaltete sich gut. Er kam aus Schleswig-Holstein. Die deutschnationale Studentengruppe arbeitete nat¨¹rlich mit in der Deutschen Studentenschaft. Die Hochschulgruppe der Deutschen Volkspartei war dabei, sich von ihr zu distanzieren. An diese Mitarbeit in der V?lkerbundgruppe erinnere ich mich als das wohl Interessanteste aus meiner politischen T?tigkeit w?hrend der Zeit in Berlin. Unsere "Zentralstelle" war Mitglied des Verbands der akademischen V?lkerbundsligen (FUI), der j?hrliche Tagungen im Herbst in Genf abhielt, Ende August kam ich in der Pension an, wo unsere Delegation wohnte. Sie wurde von Strade gef¨¹hrt, mit mir als seinem Stellvertreter. Die Vorbereitung auf die Teilnahme an dieser Tagung und die Hauptthemen, die dort zur Sprache kommen w¨¹rden, hatten nat¨¹rlich schon in den Vormonaten Aufmerksamkeit und Zeit beansprucht. Die j?hrlichen Tagungen waren verbunden mit Sommerseminaren, die unter dem Patronat des englischen Historikers H. Zimmern standen; er hatte eine Tendenz sein Patronat auch etwas auf die Tagungen der FUI auszudehnen. Deutsche Teilnehmer des Seminars waren vorher immer nur von den Mitgliedsgruppen unserer Zentralstelle, also den Studentengruppen der politischen Parteien von den Sozialdemokraten zu den Deutschnationalen ausgew?hlt worden. Dr. Zimmern hatte gefunden, da? dies nicht genug begabte junge Wissenschaftler f¨¹r den anspruchsvollen Charakter seiner Seminare gebracht habe, und er einen Teil der deutschen Kandidaten selbst suchen will. Das hatte dann aber mit der deutschen Delegation und der FUI Tagung nichts zu tun. Deren Themen waren weitgehend bestimmt von den gerade in der V?lkerbundspolitik vorherrschenden, und es waren Themen, an denen der deutschen Au?enpolitik besonders gelegen war. Die politische Situation in Europa stand noch im Zeichen der PostLocarno Aera. Die Alliierten Truppen wurden aus dem Rheinland zur¨¹ckgezogen, der Young-Plan war angenommen. Ein weiteres Anliegen der Deutschen war die durch die R¨¹stungsbeschr?nkungen des Versailler Vertrages entstandene Ungleichheit der milit?rischen R¨¹stungen, was sich in ein deutsches Anliegen f¨¹r Allgemeine Abr¨¹stung als ein Hauptthema f¨¹r den V?lkerbund umsetzte. Der franz?sische Einwand dagegen war die Forderung nach "Sicherheit" als Vorbedingung f¨¹r Abr¨¹stung. Das hie? wohl Sicherheit gegen deutsche Versuche, Revisionen des Versailler Vertrages mit Gewalt zu erzwingen, wof¨¹r die Deutschen aber keine R¨¹stung hatten. Der ernsthafteste Schatten blieb die Weigerung der Deutschen, auch die ?stlichen Grenzen zu garantieren, also auf Revisionanspr¨¹che zu verzichten. Diese wurden zwar nicht f¨¹r ?ffentliche Diskussion auf der Agenda gehalten, aber ein verwandtes Thema war der Minderheitenschutz. Er konnte jederzeit zum Tagesthema werden, wenn immer Verletzungen der wirtschaftlichen oder kulturellen Rechte deutscher Minderheiten in den ?stlichen Nachbarstaaten vorkamen, und sie taten es. Heutige Geschichtsschreibung (44), die dazu neigt, polnische Unterdr¨¹ckungspolitik gegen die deutsche Minderheit nach Locarno als Abwehrstellung gegen die nicht aufgegebenen deutschen Grenzrevisionsw¨¹nsche zu sehen, weist damit auf einen "circulus vitiosus", einen Teufelskreis hin. Das entsprach nicht den eigentlichen Zielen der Minderheitenbewegung, zu der deutsche Minderheitenf¨¹hrer und Au?enpolitik erheblichen Impetus und Gedanken beisteuerten. Ein gro?er Teil der Minderheiten, darunter auch deutscher, lebten doch in Landstrichen, die gar nicht Gegenstand territorialer Dispute waren, wo sie aber eben in ihren nationalen Minderheitsrechten gesch¨¹tzt sein sollten. Aktiven Anteil an den Arbeiten der Minderheitenbewegung nahm auch die gro?e j¨¹dische Minderheit in Polen. Die mir von zu Hause aus so naheliegende Minderheitenfrage war neben dem Thema Abr¨¹stung damals ein wichtiges deutsches Anliegen im V?lkerbund. Briand hatte als ¨¹berholungsman?ver f¨¹r das Argument Abr¨¹stungs-Sicherheit den Europagedanken vorgebracht, aber das hatte noch kaum feste Formen angenommen. Mir schien die Europa-Idee die nat¨¹rliche L?sung auch f¨¹r die Minderheitenprobleme, die unter f?deralistischen Strukturen ihre potentielle Aggressivit?t und Sprengstoffwirkungen verlieren k?nnten. Das war nat¨¹rlich nicht in jedermanns Sinn. Europa bestand eben aus alten Nationalstaaten, wie Frankreich, und aus Nationalit?tenstaaten, wie den Nachfolgestaaten der Donaumonarchie und Polen, aber auch Belgien und Spanien. Da gab es so explosiv irridentistische Teile in der Minderheitenbewegung wie die Katalanen oder Wallonen oder damalige Kroaten. Aber die F¨¹hrung des Minderheitenkongresses lag doch in weniger aggressiven, mehr verantwortungsbewu?ten H?nden. Zu gleicher Zeit wie unser FUI Kongre? fand in Genf auch der j?hrliche Minderheitenkongre? statt, und ich ging als Zuh?rer auch hin, es kamen auch andere von unserem FUI Kongre?. Das Thema Minderheitenschutz war auch auf die Agenda der nachfolgenden Septembertagung des V?lkerbunds gekommen und ebenso als "wissenschaftlicher Teil" auf unsere FUI Agenda (45). Daf¨¹r waren drei Vortr?ge vorbereitet worden, und einer von Dr. Mirkine-Guzewich, Generalsekret?r des Instituts f¨¹r Internationales Recht, zeigte die Unterschiede des Denkens am deutlichsten. Seiner war nationalstaatlich, franz?sisch und englisch beeinflu?t. Nation war der Staat, es war bei Definition der Pa?, die Staatsangeh?rigkeit, die man hatte, und da war gar kein Raum f¨¹r Nationalit?t als eine andere Kategorie. Nicht nur f¨¹r die Deutschen, auch f¨¹r Polen und Tschechen war das aus eigenem Erleben gar nicht so, eben in ganz Mittel-, S¨¹dost- und Osteuropa. Mein eigenes Miterleben an dieser Problematik wurde in dieser Genfer Woche immer wieder stark ber¨¹hrt. Auf dem Minderheitenkongre? hatte ich auch Otto Ulitz als einen der Delegierten der deutschen Minderheit in Polen getroffen. Wir sahen uns wieder in der Bierstube "Bavaria", so ber¨¹hmt damals als internationaler Treffpunkt, wo die Studentendelegationen auch oft zusammen sa?en. Ulitz lud mich an seinen Tisch und stellte mich dort einem seiner Minderheitenkongre?-Kollegen vor, n?mlich Dr. Motzkin, j¨¹discher Abgeordneter im polnischen Sejm und bekannter Zionistenf¨¹hrer in Polen. Nach ihm wurde sp?ter eine Siedlung in Israel genannt. Das war f¨¹r mich eine nachdenklich machende Begegnung in der "Bavaria". Die Kongresse aber spielten sich nicht nur in der "Bavaria" ab. Zun?chst vertrat ich die deutsche Delegation in der Unterkommission f¨¹r Abr¨¹stung und das fand wirklich im Sitzungssaal des V?lkerbundrates statt. Hauptaktivit?t wurde dann "la question danzigoise". Danzig war durch den Versailler Vertrag zu einer Freien Stadt gemacht worden, vertraglich mit Polen verbunden. Es hatte eine deutschsprachige Technische Hochschule, an der auch eine Gruppe f¨¹r V?lkerbundsarbeit gegr¨¹ndet wurde, die nun Aufnahme in die FUI beantragte. Die polnische Delegation widersprach und forderte, die Danziger Gruppe sollte zum polnischen Verband geh?ren. Auf der deutschen Rechten war der Plan, sich f¨¹r Aufnahme einer selbstst?ndigen Danziger Gruppe einzusetzen, auch etwas Ungewohntes. Die Deutsche Studentenschaft, auf dem "gro?deutschen Prinzip" aufgebaut, umfa?te ja alle deutschsprachigen Hochschulen, einschlie?lich ?sterreich und der Tschechoslowakei, und nat¨¹rlich auch Danzig, wo sie sogar einmal ihren Studententag abgehalten hatte. In der FUI war das anders. Die ?sterreichischen und Prager/Br¨¹nner Hochschulen geh?rten nicht zur deutschen FUI "Zentralstelle". Die rechtlichen Aspekte von Danzig's Stellung waren kompliziert; ein Pr?zedenzfall war, da? im Verband der V?lkerbundsligen auch eine selbstst?ndige Danziger Liga f¨¹r V?lkerbund Aufnahme gefunden hatte. Es gab in Danzig nur die eine Hochschule, und da war nur eine sehr kleine Minderheit von polnischen Studenten. Die Auseinandersetzungen, an denen ich auch schon im Kommissionsstadium verwickelt war, wurden sehr heftig. Als unser Standpunkt nach anf?nglichen Schwierigkeiten sich durchzusetzen begann, machten wir mit Mitgliedern der polnischen Delegation zusammen einen Ausflug zum noch im Bau befindlichen neuen V?lkerbundsgeb?ude drau?en am See. Es wurde eine gar nicht unfreundliche Begegnung, an die ich mich oft erinnert habe. Die Aufnahme der Danziger Gruppe wurde schlie?lich vom Plenum einstimmig best?tigt, nachdem eine Zusammenarbeit zwischen der selbst?ndigen Danziger Gruppe und der polnischen Minderheit in Danzig vereinbart und eine dementsprechende Ber¨¹cksichtigung bei der Zusammensetzung der Delegationen f¨¹r sp?tere FUI Kongresse in Aussicht gestellt worden war (46). Zu den wichtigen Gewohnheiten des Kongresses geh?rten auch Zusammenk¨¹nfte zwischen verschiedenen einzelnen Delegationen, befreundeten sowohl wie ferneren. Die politische Lage in Europa stand immer mehr unter dem Impakt der Weltwirtschaftskrise. Ihre Einwirkungen au?erhalb der USA waren unverkennbar verschieden je nach wirtschaftlicher Struktur und finanzieller Lage der betreffenden L?nder oder L?ndergruppen. So kam es, da? der Begriff Mitteleuropa wieder in ganz ernsten wirtschaftspolitischen ¨¹berlegungen erschien. Da war der Zusammenbruch der internationalen Agrarm?rkte, ebenso wie die drastische Schutzzollpolitik, mit der die USA auf die Krise reagierten. Der Smoot-Hawle, Tariff Act war am 17.Juni 1930 von Pr?sident Hoover unterzeichnet worden. All das sandte Wellen des Schauderns durch Kanzleien, Bankkontore und Redaktionsstuben, und es zeigte sich, da? L?nder in Mitteleuropa dabei besonders betroffen sein w¨¹rden. Es ergab sich geradezu das Gef¨¹hl von Mitteleuropa als einer Betroffenheitsgemeinschaft in dieser Weltwirtschaftskrise. In manchen deutschen Kreisen war der Begriff Mitteleuropa mit Ankl?ngen an sich nat¨¹rlich ergebende deutsche Vorherrschaft verf?rbt worden. Sogar das Buch, das der Altvater der Demokratischen Partei, Friedrich Naumann, ¨¹ber Mitteleuropa geschrieben hatte, war nicht frei davon. Es war, als ob man in Deutschland zur¨¹ckrevidieren wollte, was Bismarck 1866/1871 zerbrach. Aber das Heilige R?mische Reich deutscher Nation bestand eben nicht mehr, auch die Donaumonarchie war zerfallen, die meisten der Nachfolgestaaten waren politisch in der Kleinen Entente und in einem B¨¹ndnis mit Frankreich zusammengeschlossen. Die gemeinsame wirtschaftspolitische Betroffenheit aber war da, und in einer Zusammenkunft von Mitgliedern der deutschen und tschechischen Delegationen wurde dar¨¹ber gesprochen. Was war also Geschichte und heutige Basis solcher gemeinsamen mitteleurop?ischen Situation? Es entstand der Plan, eine mitteleurop?ische Studentenkonferenz im Rahmen der FUI zu veranstalten, auf der die Fragen mehr wissenschaftlich behandelt werden k?nnten. Wir verabredeten, da? dies eine gemeinsame Initiative der deutschen und tschechoslowakischen Mitgliedgruppen der FUI sein sollte und die beiden Delegationen sich zu Beginn des Wintersemesters wieder in Verbindung setzen w¨¹rden. Dieses Projekt schien mir ein gutes Vorhaben. Sp?ter, vom 16. bis 21. September, hielt der Deutsche Studentenverband zusammen mit franz?sischen Studentenorganisationen in Mannheim ein deutsch-franz?sisches Studententreffen ab, an dem ich diesmal nicht teilnahm. Wir hatten in Genf auch Zusammenk¨¹nfte mit der franz?sischen Delegation, zu der auch der Radikalsozialist Robert Lange geh?rte, bald darauf das j¨¹ngste Mitglied der franz?sischen Kammer. Ein sehr enger franz?sischer Kontakt wurde Jean Dupuy, der als Generalsekret?r der FUI wiedergew?hlt wurde. Wir hatten uns gut kennengelernt. Bei dem Mannheimer deutsch-franz?sischen Treffen war bereits der bedrohliche Ausgang der deutschen Reichstagswahl vom 14.September bekannt und hatte vor allem zum Thema deutsch-franz?sischer Verst?ndigung Best¨¹rzung hervorgerufen. Die Nationalsozialisten hatten ihre Mandatszahl von 12 auf 107 erh?ht und waren zur zweitst?rksten Partei nach den Sozialdemokraten geworden. Man war sich ihrer zunehmenden St?rke bewu?t gewesen, aber das Resultat ging weit ¨¹ber schlimmste Erwartungen. Die Welt schien nicht mehr ganz dieselbe nach diesem ersten Erdrutsch. Uns in Genf war das noch erspart geblieben, die Tagung schlo? vorher, und die b?se Nachricht traf mich auf dem R¨¹ckweg. Danach war f¨¹r mich das n?chste Berliner Wintersemester, das mein letztes werden sollte, eine sehr aufregende Zeit. Hatte nun der Hitler'sche Wahlerfolg eine Schneeballwirkung im Publikum? Oder brachte es Besinnung in breite gem??igt rechts eingestellte Kreise, da? man mit den republikanischen Parteien zusammenr¨¹cken mu?te, um sich gegen weiteres Anwachsen dieser rechtsradikalen Au?enseiter zu stemmen. Leider waren es nur Bruchteile dieser Kreise, die so reagierten. Bei uns an der Technischen Hochschule gewannen die Nazis bald absolut die Oberhand innerhalb der Gro?deutschen Studentenschaft. In der studentischen Wirtschaftshilfe machte das noch keinen Unterschied. Der Gesch?ftsf¨¹hrer Hans Menzel blieb entschieden bei der republikfreundlichen Haltung, die er gezeigt hatte. Sein Kollege Voth ?nderte zwar nicht seine Haltung in der Verwaltung seines Amts, aber er vertraute mir eines Tages an, da? er am Abend vorher im Sportpalast Hitler sprechen geh?rt hatte und sich der Partei anschlie?en w¨¹rde. Er bat mich sozusagen um Entschuldigung, es t?te ihm leid, da? er mir das sagen m¨¹sse. ?hnlich ging es mir mit Jobst v. Wendorff. Er kam aus Krakau an, kam gleich noch mit seinem Koffer zu mir, am Abend aber wollte er in den Sportpalast, das mal sehen. Am n?chsten Tag war es dasselbe wie mit Voth. Es tat ihm leid, aber er mu?te es mir sagen. Er war beindruckt. Er ist, soviel ich wei?, dann wieder einen ganz anderen Weg gegangen. Was mich bei diesen beiden so best¨¹rzte, war die Wirkung, die Hitler's Auftritte anscheinend selbst auf gem??igt und n¨¹chtern Denkende haben konnten, w?hrend man eigentlich annahm, da? die Person Hitler's selber auch in vielen Rechtskreisen eher Mi?trauen, ja sogar Abscheu ausl?sen m¨¹?te. Das beschr?nkte sich nicht nur auf des General Hindenburg's und anderer Offiziere Abneigung gegen den "b?hmischen Gefreiten", es gab ?hnliche Gef¨¹hle nicht nur im B¨¹rgertum, sondern auch bei rechtsradikalen Gesinnungsgenossen (47). Die Regierung Br¨¹ning blieb weiter im Sattel, prek?r wie bisher, mit Hilfe von Notverordnungen des Pr?sidenten Hindenburg, stillschweigender Zustimmung der Reichswehr durch General Schleicher, aber stets drohenden weiteren Neuwahlen. Wo solche stattfanden, verloren vor allem die Parteien der Mitte, die Neugr¨¹ndung der Staatspartei hatte sich schon im September 1930 als kein Erfolg erwiesen. Unterhalb der Reichsregierung aber waltete das republikanische Establishment auch noch weiter, vor allem die preu?ische Regierung der Weimarer Koalition mit aktiver Zentrumsbeteiligung. Gewaltt?tigkeit in Stra?enk?mpfen nahmen immer mehr zu, SA und Rote Front, dazwischen das Reichsbanner, aber da war die preu?ische Polizei, Severing nun dort Innenminister und Staatssekret?r Abegg mit seiner starken Haltung. Unsere Zentralstelle f¨¹r studentische V?lkerbundsarbeit beruhte weiter auf Zusammenarbeit von den Sozialdemokraten bis zu den Deutschnationalen, und Gerhard Hauke, unser Sekret?r und Sekret?r der Deutschen Liga f¨¹r V?lkerbund, war, wie Hans Menzel an der TH, ganz der Alte geblieben. Um unsere Vereinbarungen mit den tschechischen Studenten weiter zu verfolgen, wandten wir uns, nach Beratung mit der Liga f¨¹r V?lkerbund an das Ausw?rtige Amt, wo ein regelm??iger Kontakt f¨¹r die V?lkerbundsarbeit das Kulturdezernat war, und Legationssekret?r Freudenthal nach Besprechung mit dem Dezernatschef Geheimrat Terdenge uns Bescheid gab, das Amt habe nichts gegen eine von uns gemeinsam mit den Tschechen veranstaltete Mitteleurop?ische Studententagung. Wir m¨¹?ten aber noch Einzelheiten vorlegen, und sie w¨¹rden das Vorhaben dann eventuell auch unterst¨¹tzen (48). Wir arrangierten nun ein Treffen mit den Tschechen, man einigte sich daf¨¹r auf Dresden, wo Wolfgang Straede und ich hinfuhren. Der Leiter der tschechoslowakischen FUI Gruppe war schon berufst?tig als Assistent des B¨¹rgermeisters von Prag, eines engen Parteifreunds von Benesch, und kam mit Frl. Pekarzova, Tochter des bekannten tschechischen Historikers Pekar. Unsere Unterhaltungen in Genf hatten sich strikt auf franz?sisch abgespielt, und so begr¨¹?ten wir unsere Besucher auch in Dresden, aber es ergab sich bald, da? man deutsch sprach. Mein Franz?sisch war nicht so gut, und dann war der Einflu? der Umgebung und Frl.Pekazova setzte noch hinzu, sie war ja, ich glaube, in Aussig aufgewachsen. Es lag nahe, sich darauf zu einigen, da? die Tagung in der Tschechoslowakei stattfinden w¨¹rde, und die Tschechen erleichterten das noch, indem sie Bratislava, das alte Pre?burg, als Tagungsort vorschlugen. Es war die Hauptstadt der Slowakei, in n?chster Nachbarschaft Ungarns und ?sterreichs, auch mit entsprechenden sprachlichen Minderheiten. Die Vorbereitungen und Einladungen w¨¹rden gemeinsam von Deutschen und Tschechen gemacht, teilnehmen w¨¹rden ?sterreicher, Ungarn, Jugoslawen, Rum?nen, Bulgaren, sowie auch Polen und ein Schweizer Vertreter (49). ¨¹ber die Abgrenzung, was unter Mitteleuropa zu verstehen ist, sollte dann auf der Tagung in Vortr?gen und Debatte gesprochen werden. Das Vortragsprogramm sollte starken Akzent auf wirtschaftlichen, besonders agrarpolitischen Fragen haben, aber auch kulturelle und geschichtlich/politische Fragen umfassen. Nach R¨¹ckkehr in Berlin stellten wir nun unsere Liste von Vortragenden, im Parteienspektrum gut verteilt, zusammen, nachdem Herr Terdenge die in Dresden besprochenen Pl?ne gebilligt hatte. Dann kam der von den Tschechen vorgeschlagene Text der Einladungen pl?tzlich mit ihrem Ministerpr?sidenten Benesch als Protektor der Tagung. Das war nicht verabredet worden und erregte Stirnrunzeln. Es wurde aber hingenommen, nachdem man sich ja aus guten Gr¨¹nden auf einen Tagungsort in der Tschechoslowakei geeinigt hatte. Es kamen weitere Besprechungen mit den f¨¹r Vortr?ge gewonnenen Rednern und mit f¨¹hrenden Mitgliedern der Deutschen Liga f¨¹r V?lkerbund, u.a. Harry Graf Kessler. Neben der Teilnahme an den Vorbereitungen f¨¹r diese Pre?burger Tagung stand bei mir weiter die Herausgabe von "Student & Hochschule". Die Januarausgabe 1931 war weitgehend dem deutsch-franz?sischen Verh?ltnis gewidmet, im Verfolg der Mannheimer DStV Tagung, mit Beitr?gen u.a. von Wladimir d'Ormesson und Max Clauss, Herausgeber der Europ?ischen Revue des Prinzen Rohan, einer von Coudenhove-Kalergi unabh?ngig arbeitenden europ?ischen Bewegung. Ich brachte auch eine Besprechung der FUI Tagung in Genf (50). Im Februar brachten wir Teile des Vortrags, den Staatskommissar R?nneburg auf einer "Ostkundgebung" des Deutschen Studentenverbands gehalten hatte, mit Schwerpunkt auf Agrarreform in den Ostprovinzen zwecks Bauernansiedlung. Ich erinnere mich, da? damals in der Diskussion auch Dr. Walther Maas sprach, ein junger Geograph, Mitarbeiter der Sozialistischen Monatshefte, und daf¨¹r eintrat, alle deutschen Anspr¨¹che auf R¨¹ckgabe des polnischen Korridors aufzugeben. Ich hatte solch eine offene Meinungs?u?erung dar¨¹ber noch nie geh?rt. Unzufriedenheit mit der Ostgrenze war ein h?ufiger Refrain in Deutschland, aber das klang deklamatorisch, kein aktuelles politisches Thema. Die systematische und im Ausw?rtigen Amt durchaus artikulierte Politik einer Ostgrenzenrevision (51) war auch dort umstrittene Sache einiger Vorausplaner, in der ?ffentlichkeit nicht so bekannt, wie es in den Akten steht, also nicht das politische Klima. So schien es mir jedenfalls noch anno 1930. Die Reparationsfrage war durch die Annahme des Youngplans einen Schritt weitergekommen, das Rheinland wurde ger?umt von fremder Besetzung, nun bedurfte man weiterer Erleichterung bei den Reparationen, das waren die aktuellen Probleme. Man konnte sich doch ein Ziel wie die Grenzrevision nur auf Kosten kriegerischen Konflagrationen vorstellen. Sollte man dann ¨¹berhaupt daran denken? Walther Maas's Bemerkung ¨¹ber den Korridor erregte gleich Widerspruch, auch in diesem republikanischen Gremium. In einer kleinen Gruppe nach Schlu? der Versammlung gab ich zu bedenken, da? doch im Grunde Dr. Maas ganz recht hatte, wie konnte man an friedliche Grenzrevision, und das hie? doch an Grenzrevision ¨¹berhaupt, denken oder gar davon sprechen. Es gab entschiedenen Widerspruch und jemand in der Gruppe sagte, wenn man von Revision des Versailler Vertrags spricht, da gibt es immer zwei Kategorien von deutschen Forderungen. F¨¹r eine gilt, immer davon sprechen, nie daran denken, das ist z.B. der Anschlu? ?sterreichs. Das andere ist umgekehrt, nie davon sprechen, immer daran denken, das ist z.B. der polnische Korridor. Dr. Walther Maas schrieb dann ausf¨¹hrlicher ¨¹ber den "sogenannten" polnischen Korridor in den Sozialistischen Monatsheften (52) und erw?hnte, da? es ein Gebiet breiter als Schleswig-Holstein oder die Rheinprovinz sei, betonte auch deutsche Verflechtung mit diesem Gebiet, auch wenn es von 1466 bis zur ersten Teilung 1772 zu Polen geh?rt hatte. Es w?re allerdings schon vor 1772 mehrheitlich deutsch besiedelt, also ethnographisch diese Ma?nahme der ersten Teilung Polens kein Unrecht gewesen, die Zuteilung an Polen 1919 bezeichnet er ethnographisch als Unrecht, aber durch deutsche Abwanderung sei das 1931 schon wieder ver?ndert, das Gebiet wirtschaftlich Polen eingegliedert, und wird nicht von ihnen herausgegeben werden. Deutschland sollte jetzt in der schwersten Krise der Nachkriegszeit andere Sorgen haben, als die Auseinandersetzung mit Polen. F¨¹r das Korridorproblem g?be es keine isolierte deutsche oder polnische, es gibt nur eine europ?ische L?sung, aber die Beantwortung der Korridorfrage darf nicht als Vorraussetzung der kontinentalen Einigung verlangt werden. So Maas 1931 in der sozialdemokratischen Zeitschrift. Mich hat das nachdenklich gemacht. Ich sprach dar¨¹ber in Kattowitz mit dem alten Jugendfreund Karl-Heinz Lubowski und war ¨¹berrascht, da? er auch zur Auffassung gekommen war, die Deutschen sollten keine Forderungen an Polen stellen. Er kam aus einem sehr national gesinnten Haus, aber dachte sehr unabh?ngig, hatte eine Zeit lang in Krakau studiert; jetzt bereitete er sich in Deutschland auf eine juristische Karriere vor. Au?er den vorr?ngigen Geboten praktischer Politik und Priorit?ten gab es ja auch historische Eindr¨¹cke, die man hatte. Es war ja gar nicht so, da? der "Korridor" in Versailles erfunden worden war. Man konnte ihn auf allen Karten Polens vor 1772 gut sehen, er war nur noch breiter. Nach den Teilungen Polens im 18. Jahrhundert war ja im 19. Jahrhundert eine, immer wiederkehrende Forderung der jungen nationalen und liberalen Bewegung in Europa, die Wiederherstellung Polens in seinen historischen Grenzen gewesen. Die 14 Punkte Wilson's hatten alles viel spezifischer auf das Selbstbestimmungsrecht der V?lker eingestellt, und die deutsch-polnische Grenzregelung darauf, aber auch auf die Notwendigkeit polnischen Zugangs zur See gest¨¹tzt. An die kurze Diskussion ¨¹ber den Korridor, ¨¹ber die ich etwas ausf¨¹hrlich geschrieben habe, mu?te ich in sp?teren Jahren noch oft denken, bis es dann 1939 Hitler dar¨¹ber zum Krieg kommen lie?. In diesem Winter 1930/31 verfolgte man weiter aufmerksam den erstaunlichen Aufschwung der Zeitschrift "Die Tat". Sie sammelte um sich eine respektable Anh?ngerschaft, es bildeten sich "Tatkreise", aber interessante und gewichtige ihrer Gedankenans?tze vermengten sich zusehends mit radikalsten Parolen, nicht zuletzt in der Au?enpolitik, und da besonders bez¨¹glich einer aggressiven deutschen Politik in Ost- und Mitteleuropa. F¨¹r diese zeichnete neuerdings ein Giselher Wirsing. In der "Bavaria" in Genf hatten wir friedlich gesessen, als ein schrecklich impertinenter j¨¹ngerer Mann, einigen Mitgliedern unserer Delegation bekannt, vorbeiging, sich zu uns setzte und einen vernichtende Kritik am V?lkerbundtreiben als leere, papierne Kulissen, die bald zusammenfallen w¨¹rden, loslie?. Er schien wohlberedt, sehr intelligent, aber gnadenlos in seinen Ansichten und seiner abscheuerregenden Aggressivit?t und Arroganz. Seinen Namen hatte ich nicht verstanden, und h?tte ihn auch nicht gekannt. Erst Monate sp?ter erfuhr ich, da? das dieser Giselher Wirsing gewesen war. Er geh?rte zu denen, die Dr. Brinkmann in Heidelberg dem Dr. Zimmern zur Teilnahme an seinem internationalen Seminar in Genf als mehr aufgeweckten und repr?sentativen Vertreter deutscher Studenten empfohlen hatte. Er war sein Assistent in Heidelberg gewesen. Es war in diesen Fragen deutscher Politik in Europa, da? ich dann immer die gr??te Distanz zur "Tat" empfunden habe. Wirsing kam dazu, und bezeichnete die Staaten Mittel- und Osteuropas als die "zwischeneurop?ische Tr¨¹mmerzone". Da blieb die Zusammenarbeit in unserer V?lkerbundsgruppe und auch pers?nlich mit Wolfgang Straede auf viel besserer Ebene. Ein Vorfall blieb mir in Erinnerung, der das unterschiedliche politische Herkommen beleuchtet. Der Generalsekret?r der FUI Jean Dupuy besuchte uns kurz in Berlin. Er war wohl auf der Durchreise nach Danzig, wo er pr¨¹fen sollte, ob die Auflage betreffs Teilnahme der polnischen Minderheit an der neuen Danziger Mitgliedsgruppe der FUI richtig durchgef¨¹hrt wird. W?hrend seines kurzen Aufenthalts in Berlin sollten Wolfgang Straede und ich ihm etwas von Berlin zeigen. Wolfgang Straede schlug zun?chst einen Ausflug nach Potsdam vor, Dupuy war einverstanden und wurde so zun?chst mit dem alten Preu?en gut bekannt gemacht. Am Sarge Friedrich des Gro?ens erinnerte er sich, da? Napoleon bei der Gelegenheit gesagt hatte: "voila un honme". Auf dieser Note endete unser Besuch in Potsdam und Dupuy wollte nun unbedingt noch mit uns in den Reichtstag gehen. Straede bat mich, das zu ¨¹bernehmen; er entschuldigte sich, als Monarchist wollte er einen Besuch im Reichstag nicht unternehmen. Ich starrte ihn an, und Jean Dupuy wohl auch. Nat¨¹rlich, manche unserer Professoren, viele alte Herren der studentischen Korporationen, sie waren noch Monarchisten und daher Republikgegner, aber war das wirklich auch mein Altersgenosse Straede, F¨¹hrer der deutschnationalen Studentengruppe? Ich zog also mit Jean Dupuy allein zum Reichstag, so ohne Vorbereitung schien das gar nicht so einfach, jemanden zu erreichen, der einem Zutritt zur Wandelhalle erm?glicht und einen empfangen h?tte. Ich meldete mich erst bei Ernst Lemmer. Er war schlie?lich F¨¹hrer der Jungdemokraten; obgleich ich ihn wenig kannte, schien er mir der N?chstverantwortliche f¨¹r solch ein Anliegen, von einem Vertreter der demokratischen Studenten, als welcher ich mich schlie?lich da im Reichstag befand, zu sein. Er entschuldigte sich, er hatte keine Zeit. Kurz entschlossen meldete ich mich bei Carl Mierendorf, der ja nicht nur bei seinen jungen sozialistischen Freunden, sondern auch bei den jungen Demokraten sehr verehrt wurde. Ich kannte ihn gar nicht, sagte gleich er brauchte uns nicht zu sehen, aber ich wollte unserem franz?sischen Gast den Reichstag zeigen, und sein Passierschein kam auch sofort zur¨¹ck. Wir blieben eine Zeit lang in der Wandelhalle, Dupuy hoffte Br¨¹ning zu sehen, und dann rief er auch ganz aufgeregt "le chancelier", Br¨¹ning eilte vor¨¹ber. So waren denn Dupuy's beide Programmpunkte erf¨¹llt, aber mein Freund Straede und die Monarchie, im Winter 1930/31, das hat mich immer wieder gewundert. W?hrend die "Tat" sich von ihrem anf?nglichen Anklang an eine Stimme der jungen Mitte unterde? weit nach rechts entwickelt hatte, wurde eine neue Gruppe um die Monatsschrift "Neue Bl?tter f¨¹r den Sozialismus" bedeutsam. Sie sammelte Anh?nger des religi?sen Sozialismus Paul Tillichs, ¨¹berhaupt eines nicht-marxistischen Sozialismus, vieles aus der Jugendbewegung. Mitherausgeber war Fritz Klatt, unabh?ngig von der SPD Parteistruktur auf ihrem rechten Fl¨¹gel. Es gab auch Elemente eines Suchens nach neuen politischen Strukturen, die manchmal an ?hnliches im Gedankengut der "Tat" zu erinnern schienen. Auf der wirtschaftspolitischen Seite dieses Kreises waren die Professoren Eduard Heimann und Adolf Loewe prominent; aktiv verbunden waren auch, die mir von ihrem Kontakt mit unserer republikanischen Studentenorganisation bekannten, Theo Haubach, Adolf Reichwein, Rudolf K¨¹stermeier und Carlo Mierendorf. In der politischen Mitte sah es immer trostloser aus, mit zunehmender Desillusionierung auch beim demokratischen Studentenbund. Es hatte demokratische Splittergruppen gegeben, die sich der Verbindung mit den Jungdeutschen in der Staatspartei nicht anschlie?en wollten. Bei den Studenten blieben die Meinungen geteilt, die Studentengruppen hielten aber zusammen, blieben unabh?ngig. Die F¨¹hrer Franz Suchan und Horst Mendershausen wollten einen Zusammenschlu? mit dem Republikanischen Studentenbund des Prionen Hubertus von L?wenstein durchf¨¹hren. Ich versuchte, dabei zu helfen, aber sie wurden ¨¹berstimmt. Ich hatte zu der Zeit bereits beschlossen, meine berliner Tage zu beenden und im Sommersemester nach M¨¹nchen zu gehen. Das hie? auch, da? ich aus der hochschulpolitischen Arbeit ausscheiden und meine ?mter aufgeben w¨¹rde. An der TH Charlottenburg hatte ich das schon getan, der Sozialist Ahrends war mein Nachfolger geworden. In der Schriftleitung von "Student und Hochschule" hatte mich schon der demokratische Freund Erwin Oeser unterst¨¹tzt, mit dem Zentrumsmann Lothar Hartmann wurde er Nachfolger, und danach ¨¹bernahmen es Heinz Kr¨¹ger (Sozialist) zusammen mit Franz Suchan (Demokrat), die die Zeitschrift tats?chlich bis zum Februar 1933 weiterf¨¹hrten. In der Zentralstelle f¨¹r studentische V?lkerbundsarbeit war es ja der Turnus der Demokraten, ab April 1931 den Vorsitz zu ¨¹bernehmen. Ich mu? gestehen, da? ich da f¨¹r mich doch einige Bedenken hatte. Mu?te es jetzt gerade sein, da? ein Jude den Vorsitz ¨¹bernahm? Auch von diesem Gesichtspunkt trieb es mich, den Wechsel nach M¨¹nchen vorzunehmen und zu sehen, da? statt dessen Wolfram M¨¹llerburg zur¨¹ckkommen und die Vakanz f¨¹llen w¨¹rde. Er war schon in seiner Referendarszeit, aber konnte doch f¨¹r Sommer 1931 zusagen. Zun?chst stand aber noch f¨¹r den 19.M?rz unsere Mitteleurop?ische Studententagung in Pre?burg bevor und im Zusammenhang damit noch ein omin?ser Schock. Die Vorbereitungen waren ganz nach Plan gelaufen, als wir pl?tzlich eine Mitteilung vom Ausw?rtigen Amt erhielten, man es h?tte es sich anders ¨¹berlegt und wir sollten die ganze Tagung absagen. Es war gar nicht mehr so lange bis zum Tagungsdatum, und wir protestierten heftigst. Erkl?rungen ¨¹ber die Gr¨¹nde wurden uns nicht gegeben. Was immer die Gr¨¹nde f¨¹r diesen Gesinnungswechsel des Amtes sein k?nnten, wir wollten unseren Mitveranstaltern, den tschechischen Studenten, allen anderen eingeladenen Delegationen und der FUI nicht jetzt pl?tzlich, so kurz vor der Tagung, absagen. Wir hatten eine weitere Besprechung im Amt bei dem Geheimrat Terdenge, der uns auch etwas ¨¹ber die Gr¨¹nde sagen sollte, es aber nicht tat. Er schien etwas belustigt ¨¹ber die verschiedenen Interventionen, die wir im Amt veranla?t hatten, und auch sein Kollege, Legationsrat Dr. Sobernheim, wollte, da? sein Sohn Rudolf, ein sehr aktives Mitglied unserer Gruppe, teilnehmen sollte. Da bin ich wirklich explodiert und fragte, wie man sich das vorstellt, wir haben mit den Tschechen das Tagungsprogramm ausgearbeitet, die Vorbereitungen gemeinsam getroffen, die anderen eingeladen, jetzt sollen wir ohne Erkl?rung kurzfristig alles absagen, was f¨¹r ein Affront politisch und pers?nlich. Uns ist dar¨¹ber sehr ernst zumute, und gar keine Gelegenheit f¨¹r scherzhafte Bemerkungen. Es blieb aber dabei; ¨¹ber die Hintergr¨¹nde erfuhren wir nichts, die versprochenen Mittel standen nicht mehr zur Verf¨¹gung und soweit es das Amt betraf, empfahlen sie uns, die Tagung abzusagen. Die Deutsche Liga f¨¹r V?lkerbund machte weitere Anstrengungen, aber Haucke teilte uns dann mit, man m¨¹sse die Tagung wohl nun absagen. Damit wollte ich nichts mehr zu tun haben. Das Semester ging schon zu Ende und ich reiste nach Kattowitz. Wir verabredeten, Hauke w¨¹rde mir telegraphieren, wenn die Tagung doch noch stattfindet, und wirklich, die Liga konnte mit diskreter Zustimmung im Amt doch noch das arrangieren. Es kam das Telegramm von Haucke, in dem es hie?, ich sollte zun?chst nach Prag fahren und dort bei der Lese- und Redehalle nachfragen, wo man sich zur gemeinsamen Weiterreise nach Pre?burg treffen k?nne. Das wurde mein 2.Besuch in Prag (53). Die Nachricht, die ich vorfand, brachte mich zun?chst zusammen mit einem Dr. Foerster, der zu den wissenschaftlichen Tagungsteilnehmern von der Rechten geh?rte. Er war Historiker von der Universit?t T¨¹bingen, derzeit aber an der deutschen Universit?t Prag und mit den deutsch-tschechischen Problemen und Geschichte eng vertraut. Wir machten einen gemeinsamen Stadtspaziergang, der auf dem Hradschin mit Blick auf die Stadt abschlo?. Er war wohl nur einige Jahre ?lter als ich, bezeichnete sich als Konservativen und pl?dierte eindringlich und ernsthaft f¨¹r die Anerkennung auch des deutschen Elements in der Geschichte B?hmens und eben auch Prags, man nehme doch nur die Karls Universit?t, die eben auch eine deutsche Universit?t gewesen ist. Mehr wollen wir ja nicht, sagte er, man soll uns das aber nicht immer ganz in Abrede stellen. Das klang und er war ¨¹berhaupt recht vern¨¹nftig; er sprach mit so ehrlicher W?rme, da? ich noch manchmal, besonders dann 1938/39, als Hitler ja ganz andere Forderungen mit Gewalt durchsetzte, an diese Unterhaltung auf der Terrasse des Hradschins gedacht habe. Wir waren dann zusammen in der Gruppe, die von Prag nach Pre?burg fuhr. Dieses Bratislava, nun in der Tschechoslowakei als Hauptstadt der Slowakei, war faszinierend und auch herzerw?rmend. Man war sich bewu?t, da? es auch dadurch jahrhundertealter Ort vieler Spannungen und Konflikte war, aber das Zusammenflie?en so verschiedener Traditionen und das Zusammenleben so vieler Bev?lkerungsteile machte es zu einer sehr mitteleurop?ischen Szene, und die Donau flo? majest?tisch dahin, auf dem Weg von Wien nach Budapest. Die offizielle Sprache war slowakisch, aber ebenso wie bei E?- und Trinksitten gab es viel ungarisches, ?sterreichisches oder deutsches. Die lokale Vorbereitung und dann auch Leitung der Veranstaltung lag in den H?nden der slowakischen Studenten unter der sehr selbstbewu?ten und sich profilierenden Leitung von Dr. A. Kunosi, auch das schien mir ein Unterstreichen mitteleurop?ischer Vielfalt. Die Tagung (54) mit etwa 100 Teilnehmern sollte einer wissenschaftlichen Diskussion der verschiedenen Themenkreise dienen, einer klareren Definition gemeinsamer mitteleurop?ischer Interessen und kulturellen Zusammenh?nge. Letztere m¨¹ndeten auch wieder in Betonung der nationalen Minderheitenprobleme und wurden unterstrichen durch einen ¨¹berraschungsbesuch und Ansprache des Sekret?rs des Minderheitenkongresses Dr. Ewald Amende. Ich habe gar nicht nachgeforscht, wer den inszeniert hatte. Die ?sterreichische Delegation hatte auf der Tagung einige neue, und zwar rechtsgerichtete Mitglieder, was sich sp?ter dann zun?chst wieder ge?ndert hat, aber dort fiel es mir sehr auf (55). Das Hauptgewicht der Tagung lag auf den gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der mitteleurop?ischen Staaten (56). Das war ja schon der aktuelle Ausgangspunkt f¨¹r unsere Initiative im September 1930 in Genf f¨¹r solch eine mitteleurop?ische Studentenkonferenz. Gemeinsame wirtschaftliche Schutzma?nahmen waren gewi? nicht im Sinne einer freien internationalen Marktwirtschaft, aber der Glaube daran war unter den schweren St??en der Krise mit ihrem Verfall der Agrarm?rkte und den einseitigen amerikanischen Zollma?nahmen verbla?t. F¨¹r eine wirtschaftliche Zusammenarbeit betroffener mitteleurop?ischer Staaten gab es aber wenig politisches und kulturelles Gemeinschaftsgef¨¹hl nach 1918 und es galt, dies zu erarbeiten. Wie h?tte das besser eingeleitet werden k?nnen als durch eine Inititative der Deutschen und Tschechen, wie wir es getan hatten, wenn auch nur auf einer kleinen Nebenb¨¹hne, und wir hatten Zustimmung gefunden (57). Auf der Hauptb¨¹hne der Geschichte aber nahmen die Dinge einen ganz anderen, einen verh?ngnisvollen Kurs. Nach Abschlu? der Pre?burger Tagung fuhren wir alle nach Wien, wo am 22. M?rz die Ratstagung der FUI begann. Man fuhr in einem noch aus ?sterreichischen Tagen bestehendem Lokalzug, eigentlich war es eine Art Stra?enbahn, die Bratislava mit Wien verband, und die Tagungsteilnehmer verschiedener Nationen sa?en in gro?en Gruppen zusammen in den Wagen dieser Bahn. Pl?tzlich eilte die Meldung durch unsere Gruppen, Morgenzeitungen wurden herumgereicht, Deutschland verk¨¹ndete den Abschlu? einer Zollunion mit ?sterreich. Die ¨¹berraschung war ¨¹bergro?, auch die Befremdung. Niemand in der deutschen Delegation von links bis rechts hatte vorher davon geh?rt oder es ahnen k?nnen. Es war den anderen Delegationen gegen¨¹ber nat¨¹rlich peinlich. Da hatte man noch am Vortag ¨¹ber Verst?ndigung und Zusammenarbeit in und f¨¹r Mitteleuropa diskutiert, und am n?chsten morgen kommen die deutsche und ?sterreichische Regierung mit diesem ¨¹berraschungscoup heraus, der anscheinend mit keiner anderen Regierung vorher besprochen, sondern vollkommen geheim gehalten worden war. Jetzt d?mmerte einem auch, warum m?glicherweise das deutsche Ausw?rtige Amt einige Wochen vorher pl?tzlich unsere Tagung abgesagt haben wollte. Da sa?en wir also nun alle zusammen in dem Zug, der der Donau entlang fuhr. Es klang gar nicht gut, diese Nachricht von der Zollunion, und besonders in der Gesellschaft, in der wir uns befanden (58). Zun?chst wickelte sich dann die FUI Ratstagung in Wien ganz planm??ig ab, die Atmosph?re des alten und neueren Wiens tat auch das ihre (59). Auf der Tagung beantragte die Schweizer Delegation, gef¨¹hrt von Jacques Kunstenaar, gemeinsam mit den Kanadiern, da? die FUI sich f¨¹r einen Erfolg der vom V?lkerbund geplanten Abr¨¹stungskonferenz aussprechen und in allen L?ndern daf¨¹r aktive Propaganda machen sollte. In der Danziger Frage wurde die Aufnahme der FUI Gruppe bis 1932 best?tigt, mit Auflagen f¨¹r guten Willen, bei der vorgeschriebenen Konsultation zwischen deutschen und polnischen Mitgliedern. Eine bemerkenswerte Einigung zwischen verschiedenen Gruppen in der Tschechoslowakei wurde w?hrend der Wiener Ratstagung f¨¹r deren Vertretung in der FUI erzielt. Sie sollte in Zukunft aus zwei tschechischen, einer slowakischen und einer deutschen Gruppe bestehen, die jede je zwei Vertreter in den Vorstand entsenden, der Vorsitz j?hrlich rotieren sollte (60). Dies schien wirklich ein guter Schritt in Richtung pluralistischer L?sungen und ein guter Nachklang zu unserer Pre?burg Tagung zu sein. Umso schlimmer war der Nachhall zum deutsch-?sterreichischen Zollunionsplan. Auch in heutiger Literatur wird das Katastrophale dieser Wende voll gew¨¹rdigt (61). Wirtschaftlich wuchs es sich zur entscheidenden Katastrophe aus, der Abzug ausl?ndischer Kredite aus ?sterreich verst?rkte sich dramatisch. Ein gro?er Teil wurde gezielten Vergeltungsma?nahmen der Franzosen zugeschrieben, bis im Mai 1931 die Wiener Kreditanstalt zusammenbrach, gefolgt im Juli 1931 vom Zusammenbruch der deutschen Danatbank und Devisenbewirtschaftung in Deutschland. Auf der politischen Seite brachten die Engl?nder den Streit vor den V?lkerbundsrat, der ihn dem Haager Gericht ¨¹berwie?. Vor dessen Urteil schon zog sich ?sterreich von dem Plan zur¨¹ck, das Urteil erging dann gegen die Zollunion als eine Verletzung bestehender v?lkerrechtlicher Verpflichtungen. Anfang Oktober 1931 trat der deutsche Au?enminister Curtius von seinem Amt zur¨¹ck. Die Politik des Ausw?rtigen Amts ?nderte sich aber nicht, die Zeiten allerdings wohl. W?hrend der Zollunionsplan 1931 am allgemeinen Widerstand in Europa gescheitert war, brachten sp?tere vertragswidrige deutsche Schritte wie Hitlers Wiederaufr¨¹stung und Remilitarisierung des Rheinlands 1936 keine entsprechenden Reaktionen der anderen M?chte. 1939 wurde das Ma? voll, und nach ?sterreichischem Anschlu?, M¨¹nchen und Prag kam es dann ¨¹ber die deutschen Revisionsanspr¨¹che auf den polnischen Korridor, Danzig und Ostoberschlesien zu entschiedener Ablehnung seitens der Alliierten, zu Hitlers bewaffneten Angriff auf Polen und zum 2. Weltkrieg. Der Anfang, der "S¨¹ndenfall", war mir immer in so lebhafter Erinnerung geblieben, weil ich ihn von so nahe erlebt hatte. Die S¨¹nde war durchaus nicht nur die irrige Einsch?tzung der eigenen St?rke und der wahrscheinlichen Reaktion der anderen, nein, es war der Irrtum, da? Deutschland in Europa anders als unter dem Leitstern f?derativer Politik und Gesinnung handeln kann. Meine R¨¹ckkehr von der Wiener Ratstagung bedeutete auch meinen Abschied von aktiver politischer T?tigkeit im Studentenleben. B) M¨¹nchen Wie zur Vorbereitung auf den neuen Abschnitt meines Studiums in M¨¹nchen war grade der dort spielende gro?e zeithistorische Roman Lion Feuchtwangers "Der Erfolg" erschienen, ich hatte ihn verschlungen. Diese Art von Portr?tieren, alles Politische, die kulturelle Geschichte und Szene, mit so lebendig werdenden Personen, teils Fiktion, teils Schl¨¹sselroman schien mir der Gipfel zeitgen?ssischer Erz?hlkunst. Gewi?, es gab da auch neben der lebendigen, wenn manchmal auch derben Menschlichkeit viel Unrecht, Gewalt und Intrige, aber ich sah meiner Zeit in M¨¹nchen erwartungsvoll entgegen. Ich wurde auch nicht entt?uscht. Menschen und Klima, Stadtbild und Land waren wie ein kr?ftiger Trunk nach vier hektischen Jahren in Berlin. Hier lebte man auch mit Zeugnissen noch l?ngerer geschichtlicher Vergangenheit, mir besonders in Erinnerung von einem Wochenende in dem benachbarten Augsburg, mit seinen alten Kirchen und B¨¹rgerh?usern. Nun wu?te ich schon, Augsburg war schon schw?bisch, der Norden Bayerns war ja fr?nkisch. Von den "complexities", die ich von Schlesien und Berlin, von ihren "ostm?rkischen" Urspr¨¹ngen her gewohnt war, gab es hier in Bayern neue Vielfalt, eigentlich selbst ein erfolgreicher F?derativstaat, aber es wurde nicht viel dar¨¹ber gesprochen und es gab ja auch keine dem entsprechende Struktur. Von der langen, gemeinsamen monarchischen Geschichte her schien das alles gut unter Dach und Fach. Die absorbierende Beanspruchung durch verschiedene politische Pl?ne und Funktionen hatte ich nun hinter mir, die neue Umgebung war fruchtbarer Boden f¨¹r den Drang, nun neben Studium mehr Raum f¨¹r eigenes Privatleben und Neigungen zu lassen. Guter Freund in der FWV M¨¹nchen wurde Ralph Kleemann (1), der aus N¨¹rnberg kam. Durch ihn lernte ich auch eine Psychologiestudentin aus N¨¹rnberg kennen, mit der ich mich sehr anfreundete. Das Leben sah ganz anders aus da in M¨¹nchen. An der Technischen Hochschule sah ich Chancen, das Diplomexamen schon Ende des Sommersemester zu machen, aber ich ging daf¨¹r auch zu dem "Repetitor" Dr. Broich, sehr kompetent, von n¨¹chternem, sachlichen Urteil, au?er wenn seine nationalistischen Ansichten ber¨¹hrt waren. Er kam aus dem 1918 von Deutschland an Belgien abgetretenen Eupen-Malmedy, ein Original, arbeitete trotz vorger¨¹ckter Jahre an seinem dritten Doktortitel. Ich brauchte f¨¹r mein Examen Finanzwissenschaft, was in Charlottenburg nicht zum Curriculum geh?rt hatte, mehr Volkswirtschaft und Jura, alles an der Universit?t zu belegen, wo ich also oft hinkam. Das Repetitorium war direkt gegen¨¹ber der R¨¹ckseite der Universit?t. Nat¨¹rlich ging ich auch zum Demokratischen Studentenbund M¨¹nchen. Er war auch hin- und hergerissen zwischen Staatspartei, aber eher neigend zu der von N¨¹rnberg her aktiven Gruppe, die sich unter dem Pazifisten Ludwig Quidde und dem N¨¹rnberger Oberb¨¹rgermeister Lubbe nach links abgespalten hatte. Zu ihnen neigte damals auch ein aktives Mitglied des Demokratischen Studentenbundes, Walter Seuffert, mit dem ich w?hrend meiner M¨¹nchner Zeit viel zusammen war und auch noch sp?ter korrespondiert habe. Trotz manchmal gegens?tzlicher Einstellungen verstanden wir uns, aber es gab manche n?chtliche Spazierg?nge mit lebhaften Auseinandersetzungen. Nicht nur, da? er ganz klar f¨¹r Quidde-Lubbe war, das schien mir eine schmale politische Basis und ich wollte die Hoffnung auf die Staatspartei noch nicht ganz aufgeben, aber die Aufmerksamkeit, die ich einigen Ansichten des "Tatkreises" zu geben bereit war, brachte ihn sehr auf, und er fing da bei Kant an, das hei?t, schon mein Interesse an Bergson und Husserl war ihm suspekt. Es waren interessante Unterhaltungen mit ihm, an die ich oft gedacht habe. Er kam aus Darmstadt, von einer Familie bekannter deutscher Juristen, und war damals an der Universit?t M¨¹nchen auch Assistent des Staatsrechtlers Dr. Nawiaski. Eine andere Bekanntschaft, die ich im Demokratischen Studentenbund machte, war der Buchh?ndler Sternecke und seine Tochter. Er war in der demokratischen Partei aktiv gewesen, seine Buchhandlung ein Sammelpunkt f¨¹r fortschrittlich und liberal denkende Menschen. Es erstaunte mich aber, als ich erz?hlte, mit welcher Erwartung ich nach M¨¹nchen gekommen war nach der Lekt¨¹re von Lion Feuchtwangers "Erfolg", da? er sehr antagonistisch reagierte. Er sagte, Feuchtwanger sei ein guter Freund und im selben Kreis gewesen, aber habe alle entt?uscht, er habe M¨¹nchen in den R¨¹cken gesto?en mit diesem Buch. Eine gro?e Patronin des Demokratischen Studentenbunds in M¨¹nchen war Frau Constanze Hallgarten. Schon in meiner Zeit im Deutschen Studentenverband in Berlin hatte ich von ihr geh?rt. Sie hatte unsere M¨¹nchner Freunde Hammelburger (er lebte leider nicht mehr als ich nun dort studierte) und Oldenburg sehr unterst¨¹tzt in ihrem Kampf, den Status der Deutschen Studentenschaft in Bayern zu reduzieren, wie sie mir w?hrend des Republikanischen Studententags im Januar 1930 sehr lebhaft berichtet hatten. Sie lud jedes Jahr die demokratischen Studenten f¨¹r einen Abend in ihr Haus; die Chance habe ich verfehlt. Es interessierte mich nat¨¹rlich, wie sich die Verh?ltnisse in der Hochschulpolitik in M¨¹nchen entwickelten, und will das auch noch skizzieren, nachdem ich schon soviel ¨¹ber Berlin berichtet habe (2). In Bayern waren die staatlich anerkannten Studentenschaften nicht aufgel?st worden. Es gab also weiter allgemeine "Asta" Wahlen und diese hatten immer eine hohe Beteiligung. Wie ¨¹berall war die beherschende Kraft bisher die Gemeinschaft der "waffentragenden" v?lkischen Korporationen, in M¨¹nchen der "Waffenring", den man gew?hnlich als deutsch-national eingestellt ansah, obwohl er durchaus nicht parteipolitisch gebunden oder organisiert war. Es gab aber au?erdem dort eine katholische Liste, die politisch gem??igter war. Auch die Nationalsozialisten traten mit mit einer eigenen Liste auf. 1928 errangen sie an der Universit?t drei und 1929 dann f¨¹nf Sitze (auf Kosten des Waffenrings) von gesamt 30. Die republikanischen Studenten blieben bei ihren drei Sitzen und die Katholiken bei ihren sieben (3). Es gelang den republikanischen Studenten und ihren Parteien nicht, von der bayrischen Regierung oder im Parlament die Entziehung der staatlichen Anerkennung der von den v?lkischen Rechten beherrschten Studentenschaft zu erreichen, aber die katholische Bayrische Volkspartei, Hauptregierungspartei, schlo? sich republikanischer Initiative und damit der Politik des preu?ischen Kultusministers Becker soweit an, da? der bayrische Kultusminister die Beitr?ge der bayrischen Studentenschaften an die Zentrale der Deutschen Studentenschaft in Berlin sperrte. Diese Deutsche Studentenschaft war, da die preu?ischen Studenten seit 1928 keine Zwangsbeitr?ge mehr zu zahlen hatten, schon in finanzielle Engp?sse geraten. An diesem Erfolg in Bayern hatte auch der sozialdemokratische Abgeordnete im bayrischen Landtag Dr. Hoegner gro?en Anteil, aber eben auch die diskrete T?tigkeit von Constanze Hallgarten. Das Anwachsen der Nationalsozialisten auf Kosten des Waffenrings brachte diesen und gem??igtere Rechtsgruppen in eine latente Abwehrstellung. Die Nationalsozialisten traten sehr provokativ auf, mehrfach waren sie im Asta ganz isoliert und die gem??igtere Rechte mit den Katholiken stimmten zusammen mit den republikanischen Vertretern gegen die Nazis (4). Das erinnerte mich zeitweise an Vorg?nge an der TH Charlottenburg, aber in M¨¹nchen machte die Existenz des geschlossenen, eigenst?ndigen katholischen Blocks einen weiteren Unterschied. Es gab also immer wieder Machtk?mpfe im M¨¹nchner Asta, so wie es schon in Berlin sogar Ehrengerichtssachen zwischen Korporations- und Nazivertretern in den zentralen Gremien der Deutschen Studentenschaft gegeben hatte. Die M¨¹nchner Universit?t hatte ihre schwersten Unruhen im Sommer 1931 mit dem "Fall Nawiasky" zu bestehen. Die Wahlen danach im November 1931 brachten den Nazis nicht die erwartete Astamehrheit, sondern nur elf von 30 Sitzen, die Wahlen ein Jahr sp?ter im November 1932 zeigten bereits eine Reduktion der Nationalsozialisten auf zehn Sitze. Schon 1931 hatten sich die Gegner der Nazis gut konsolidiert, zu den Katholiken war eine Liste f¨¹r Fachschaftsarbeit gekommen, 1932 erschienen unter den Nichtnazis auch eine Deutschnationale und eine Stahlhelmgruppe mit je zwei Sitzen, der Waffenring war reduziert auf nur vier Sitze. Das war also das Bild der M¨¹nchner Universit?tsstudentenschaft kurz vor Hitlers Macht¨¹bernahme. Die Nazis erhielten nur 37% der Stimmen, die Wahlbeteiligung war von 93% auf 80% gesunken. Die Nazis hatten es immer wieder verstanden, durch patriotische Parolen die anderen nationalistischen Astagruppen f¨¹r gemeinsame Aktionen mit sich zu rei?en, aber sie brachten die anderen "Partner" durch ma?loses Verhalten immer wieder in Verlegenheit mit Hochschule und bayrischer Regierung, so da? sie sich bis zur Macht¨¹bernahme Hitlers wiederholt isoliert fanden. Bei der Reichspr?sidentenwahl 1932 beschlo? der Asta eine Adresse an Hindenburg, d.h., er unterst¨¹tzte die damalige Kandidatur Hindenburgs gegen Hitler, wieder eine Abstimmung, bei der sich die Nazivertreter isoliert sahen. Es kam zu einer Ma?regelung des Nazif¨¹hrers durch Rektor und Senat, schlie?lich sogar zur Suspendierung des Nationalsozialistischen Studentenbundes f¨¹r das Wintersemester 1931/32. Diese Einzelheiten (aus den vielen Pressezitaten in der Dissertation von L. Franz gefunden, und vielleicht von gewissem zeitgeschichtlichen Interesse) habe ich hier kurz erw?hnt, sie nehmen sp?tere Vorg?nge voraus, ich selbst habe ja nur das Sommersemester 1931 in M¨¹nchen zugebracht. Zu den engsten Freunden Walter Seuffert's geh?rte damals Ernst v. Borsig, den ich auch schon beim Repetitor Broich kennengelernt hatte. Wir trafen uns ?fters, besonders zum Mittagessen in der Osteria Bavaria an der Schellingstra?e, es war ein recht gutes, gepflegtes und ruhiges, aber zwangloses Restaurant, einige Studenten, viele h?here Beamte, man sa? oft im Garten. Wir gingen auch manchmal zusammen zu Veranstaltungen, so zu einem Vortragsabend der Staatspartei, an dem der National?konom Dr. v. Zwiedeneck-S¨¹denhorst sprach, und einem Abend im Politisch-Akademischen Klub, eine spezifische M¨¹nchner Einrichtung, ¨¹berparteilich, an dem der fr¨¹here preu?ische Kultusminister Becker sprach. Ich kannte ihn ja aus Berlin, und meldete mich auch bei ihm. Wenn man an Politik interessiert und schon in M¨¹nchen war, geh?rte dazu nat¨¹rlich auch, da? man sich daf¨¹r interessierte, wie Hitlers Partei aus n?chster N?he aussah und was man ¨¹ber sie am Ort erfahren und sehen w¨¹rde. Es war allerdings keineswegs so, da? sie im M¨¹nchen von 1931 eine wirklich ¨¹berbordende Erscheinung waren, so etwa ganz M¨¹nchen, die "Stadt der Bewegung". Ich fragte mal, ob man die f¨¹hrenden Leute der Partei auch sonst mal sehe, was f¨¹r Lokale sie besuchen. Da war, wurde gesagt, ein Br?u in der Schellingstra?e, wo z.b. Gregor Strasser und Frick oft sa?en. Auch Hitler, nein wurde gesagt, eigentlich nicht. Als ich eines Tages mit Seuffert und v. Borsig in der Osteria Bavaria sa?, sah ich einen untersetzten, eher dunkel wirkenden Mann zwei Tische entfernt, ich wei? noch heute nicht wieso, aber meine Blicke gingen immer wieder auf diesen Mann, er schaute eher finster drein, und schien einen auch anzustarren. Pl?tzlich d?mmerte mir etwas, ich fragte meine Freunde, ob das nicht der Hitler w?re, ja, sagten sie, der kommt hier ?fters her. Mein Erstaunen schien also ganz unangebracht, niemand schien ihn zu beachten, er sa? mit drei anderen M?nnern an einem Vierertisch, wie die meisten waren. Ich habe ihn dort dann noch ?fters gesehen, aber nie mehr in so gro?er N?he, also diesen merkw¨¹rdigen Zwang, mir einen noch Unbekannten immer wieder anzusehen, als ob ein b?ses Fluidum von ihm ausgehe, das war eine einmalige Begebenheit, aber seine weiteren Auftritte waren aus anderen Gr¨¹nden kaum zu ¨¹bersehen. Er kam meist in gr??erer Gesellschaft von acht bis zehn Personen und die schien so merkw¨¹rdig, da? ich mich an diesen Aufzug oft erinnert habe. Fast immer war der Photograph Hoffman, Hitlers Chauffeur und ein anderer Chauffeur des Braunen Hauses, wie man mir erkl?rte und nat¨¹rlich Br¨¹ckner, den man meist schon vorher sah, da er das Gel?nde anscheinend zu erkunden und einen Tisch zu arrangieren hatte, dabei. Es waren manchmal auch einige andere Uniformierte, manchmal auch eine j¨¹ngere Frau, die an der untersten Ecke des Tisches sa?. Was f¨¹r ein eigenartiger Aufzug, was f¨¹r ein Mann mu?te das sein. Kam er in dieser Gesellschaft dorthin, um die B¨¹rger zu schockieren, oder weil er es so am liebsten hatte? Die Auftritte blieben nicht so unbeachtet, als der Sommer voranging, als man merkte, da? ein oder zwei der alten Kellnerinnen ihre Begeisterung f¨¹r den Gast kaum verbergen konnten, die sich aber sonst kaum jemandem unter den G?sten dieses bourgeois-intellektuellen Lokals sichtbar mitzuteilen schien. Es hatte schon an verschiedenen Hochschulen Naziagitationen gegen einzelne politisch linke Professoren gegeben, in M¨¹nchen gab es am 26. Juni 1931 dann die Auschreitungen gegen den bekannten Staatsrechtler Hans Nawiasky. Obgleich sie wie eine Reaktion auf seine ?u?erungen in einer Vorlesung, ¨¹ber die der V?lkische Beobachter am Vortage berichtet hatte, aussehen sollten, gab es Anzeichen, da? sie von den Nazis schon vorher geplant waren (5). Nawiasky war j¨¹discher Abstammung, in Czernowitz geboren, aber ein prominenter katholischer Staatsrechtslehrer geworden, der nun allerdings durchaus nicht politisch links stand. Er war erst in der angestammten ?sterreichischen Monarchie, dann in Bayern, auch Rechtsberater der bayrischen Regierung gewesen. In einer Vorlesung hatte er, ausdr¨¹cklich nur f¨¹r seine H?rer bestimmt, Fragen internationaler Vertr?ge er?rtert, es n?herte sich der Jahrestag des Versailler Vertrages, und bemerkt, da? die Deutschen ja den Russen 1917 in Brest-Litowsk auch sehr harte Friedensbedingungen auferlegt hatten. Da hatte es zun?chst gar keine Unruhe gegeben, aber Nawiasky erhielt Warnungen, da? solche geplant seien. In der schon sp?t am 25.Juni erscheinenden Ausgabe des Naziorgans vom 26.Juni war der Fall Nawiasky ganz gro? und hetzerisch aufgemacht, ganz klar als Signal zu gewaltt?tigen Protestaktionen an der Universit?t. Meine Verwicklung darin blieb begrenzt, ich war ja an der TH und schon so gut wie im Examen, aber gleich fr¨¹h war es bei dem Repetitor Broich beinahe zu einem Handgemenge zwischen einem Nazistudenten in SA Uniform und v. Borsig gekommen, der sich sehr scharf gegen die Angriffe der Nazis auf Nawiasky gewandt hatte. Broich, selbst kritisch gegen Nawiasky, konnte Gewaltt?tigkeit verhindern, aber gegen¨¹ber in der Universit?t brach sie dann aus. Walther Seuffert wurde dabei verletzt. Ich war in die TH gegangen, aber besorgt, was passieren w¨¹rde, ging zum Mittagbrot in die Osteria, und da sa? Seuffert ganz allein, immer noch sehr erregt, unter dem Auge noch immer eine blutende Wunde (6). Er wollte nicht zum Arzt gehen, erz?hlte statt dessen, wie sich die Krawalle um Nawiaskys Vorlesung an diesem Morgen abgespielt hatten und er selbst dabei t?tlich angegriffen und verletzt wurde. Die Nazis setzten die Krawalle noch in der folgenden Woche fort, bis der Rektor am Dienstag 2.Juli die Universit?t schlo?. Sie wurde am 6. Juli wieder ge?ffnet. Nicht nur Nawiasky, auch der Rektor hatten sich sehr vorbildlich benommen, und am 8.Juli verurteilte dann auch der Asta der Studentenschaft die nationalsozialistischen Ausschreitungen (7). So endete der Fall Nawiasky wieder mit erneuter Isolierung der Nationalsozialisten, aber sie hatten von sich reden gemacht. W?hrend meines M¨¹nchner Studiums hatte ich mich noch f¨¹r ein hochschulpolitisches Anliegen interessiert, die Bildung von Fachschaften, durch die Studenten einer Fachrichtung ihre besonderen Interesen wahrnehmen k?nnten, und da? eine Zusammenarbeit solcher Fachschaften dann vielleicht die studentische Selbstverwaltung anstelle der so hochpolitisierten Studentenschaft und ihrer Astas ¨¹bernehmen k?nnte. Das war schon in Charlottenburg nach Aufl?sung der staatlich anerkannten Studentenschaft ein Plan gewesen (8). Meine demokratischen Freunde baten mich auch an den Besprechungen teilzunehmen, die grade in M¨¹nchen aktuell wurden. Sie gingen noch nicht sehr weit damals, aber ein Stein kam ins Rollen. In sp?teren Semstern gab es dann in M¨¹nchen eine Fachschaftsliste bei den Astawahlen, die dazu beitrug, eine Nazimehrheit an der Universit?t bis zu Hitlers Macht¨¹bernahme zu verhindern. F¨¹r mich aber war nun das Examen f¨¹r den Diplomkaufmann gekommen, das ich auch ganz gut bestand. Am 13. Juli sa? ich bei einer der schriftlichen Pr¨¹fungen, und wieder gingen Nachrichten im Raum herum, Zeitungen wurden gezeigt, die deutsche Bankenkrise war ausgebrochen, die Danatbank hatte schlie?en m¨¹ssen. Ein Gef¨¹hl tiefster allgemeiner Krise verbreitete sich. Die staatliche Bewirtschaftung aller Devisenvorr?te, die eingef¨¹hrt werden mu?te, relativierte ferner alle Vorstellungen von freier Marktwirtschaft und trug so zur Krise des bisher vorgestellten Systems bei, eine Erscheinung, mit der viele L?nder f¨¹r Jahrzehnte zu leben haben w¨¹rden. C) Zwischen Breslau und zu Hause Mit dem bestandenen Examen endete nun meine kurze Studentenzeit in M¨¹nchen. F¨¹r meine weiteren Pl?ne war die Wirtschaftskrise nicht gut. Ich wollte weiteres Studium der National?konomie zur Erlangung eines Doktorates mit einer Praktikantenstellung irgendwo vereinigen. Zun?chst bewarb ich mich bei der Frankfurter Zeitung um eine Stelle in ihrem Handelsteil. Die Frankfurter Fakult?t war sehr gut, und dort eine Dissertation zu machen, schien mir ein gro?er Preis. Ich fuhr nach Frankfurt, Heinrich Simon hatte mir gesagt, ich k?nnte mich jederzeit bei ihm melden. Erst sah ich den einstigen Jungdemokratenf¨¹hrer Hans Kallmann (1), der dort zur Redaktion geh?rte, aber er war skeptisch, da? sich nun in der Krisensituation etwas machen l??t, und Heinrich Simon fand das dann auch. So gab ich Frankfurt auf und ging nach Berlin. Rawack & Gr¨¹nfeld bauten Personal ab, hatten in der Krise gro?e Verluste durch Vork?ufe von Eisen- und Manganerzen erlitten, das entscheidende Gewicht war von Felix Benjamin auf Vertreter der Banken ¨¹bergegangen. Die GFE meines Onkels Paul Gr¨¹nfeld behauptete ihre f¨¹hrende Stellung in der Ferrolegierungsindustrie, die Krise machte sich aber auch bemerkbar. Mein Onkel Paul wollte mir helfen, aber meinte, da? meine besten M?glichkeiten nicht auf der rein kaufm?nnischen Seite oder Industrieverwaltung, sondern zum Beispiel bei T?tigkeit in einem wirtschaftlichen Verband liegen w¨¹rden. Er kannte mich ja gut, ich war so viel dort im Haus, und es war vielleicht nicht unbedingt gebilligt, aber immerhin bemerkt worden, wie ich mich in politischen Dingen profiliert hatte. Die GFE geh?rte dem Verband zur Wahrung der Interessen der Chemischen Industrie (genannt Langnamverband) an, und mein Onkel empfahl mich an den Gesch?ftsf¨¹hrer Dr. U.. Mein Interview verlief erfolgreich, und er war bereit, mich anzustellen und das schien unter Dach und Fach. Bald mu?te er mir aber mitteilen, da? sein Kollege Dr. Pietrikowski ein Veto eingelegt hat, weil es der Vertraulichkeit wegen nicht geht, da? ein Verwandter eines Verbandsmitgliedes in der Verwaltung besch?ftigt wird. Es war eine gro?e Entt?uschung f¨¹r mich, und unerwartet, da? es grade von Dr. Pietrikowski kam. Er war fr¨¹her mit dem von einer Posener Familie kontrollierten Ostwerkekonzern verbunden gewesen und einige Zeit auch Direktor bei Rawack & Gr¨¹nfeld, aber ich mu?te das einstecken. Dr. U. gab mir statt dessen eine Empfehlung an seinen Freund Leo Gross, Gesch?ftsf¨¹hrer des Verbands des deutschen Gro?handels. Das Interview mit ihm brachte mich nochmals nach Berlin. Wieder sah ich auch die alten Freunde aus der Hochschulpolitik, auch Wolfgang Straede kam zu uns ins Kaffee Sch?n, um mich zu sehen. Einige Tage vorher war gerade die Gr¨¹ndung der Harzburger Front verk¨¹ndet worden, also die Deutschnationalen hatten sich mit Hitler verb¨¹ndet. Wir im Kaffee Sch?n waren voll Emp?rung und gro?en Bef¨¹rchtungen, man fragte Straede, wie man sich das eigentlich vorstellt, Hitler zur Macht kommen zu lassen hei?t doch, da? es in seiner Alleinmacht enden wird. Wir schrieben Oktober 1931. Straede bem¨¹hte sich, uns zu beruhigen, nichts werde au?er Kontrolle geraten, alles sei daf¨¹r vorgesorgt. Ich verlie? das Kaffee mit ihm, und als wir uns unter den Linden verabschiedeten, fragte ich, was er denn f¨¹r ?nderungen erwartet von der Harzburger Front. Es wurde deutlich, er meinte auch nicht, da? alles beim Alten bleibt, diese Harzburger Front hie? viel f¨¹r ihn, eben doch eher, da? eine neue Zeit in Deutschland anfangen wird. Ich erw?hnte die Stellung der Juden. Er z?gerte ganz kurz, als um nachzudenken, als ob er bisher, oben im Kaffee, an diesen Punkt gar nicht besonders gedacht h?tte. Ich sah, es kam pl?tzlich ein etwas st?hlerner Blick in das vertraute Gesicht, als ob es einer gewissen Anstrengung und Entschlossenheit bedurfte, wie er dann sagte, ja, es wird sich vieles ?ndern. So trennten wir uns, es gab mir das Gef¨¹hl, da? sich da ein Graben aufgetan hatte. Da ich wegen einer Praktikantenstelle aus Berlin nichts mehr h?rte, fiel dann die Entscheidung, f¨¹r meine Dissertation nach Breslau zu gehen und dabei soviel Zeit wie m?glich auch im Gesch?ft in Kattowitz zu verbringen. Das schien auch angezeigt, die finanzielle Lage war dort angespannt geblieben der schlechten Konjunktur wegen. F¨¹r die Ziegelei war als Betriebsleiter ein aus Krakau stammender junger, auf Keramik spezialisierter Chemischer Ingenieur, Zygmunt Weingr¨¹n, engagiert worden, er schien sehr intelligent und energisch. Meine Schwester Lotte kam auch nach Kattowitz zur¨¹ck, um dort in der Tischlerei der Firma sich auf M?belfabrikation auszubilden. Die j¨¹ngere Schwester Marianne war noch zu Hause. Ich hatte ja seit 1928 nie mehr viel Zeit in Kattowitz verbracht, mu?te mich nun neu mit manchem vertraut machen. Meine polnischen Schulkenntnisse hatten sich noch wenig verbessert, nur gelegentlche Anl?ufe mit Privatstunden in Ferien, Bem¨¹hungen, Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, aber im privaten Leben gab es noch kaum polnisch sprechende Kontakte, auch bei der Jugend. Die meisten meiner deutschen Schulfreunde waren fort in Deutschland, auch die j¨¹dischen unter ihnen, aber es gab Ferienbesuche von manchen, und so blieben alte Freunde wie Karl-Heinz Lubowski und Hans-Werner Niemann, der jetzt auch in Breslau studierte. Als neue, sehr interessante Kontakte in Kattowitz ergaben sich 2 etwas ?ltere j¨¹dische Intellektuelle, die beide Journalisten geworden waren, auch aus alten deutsch-j¨¹dischen Kattowitzer Familien stammend und dorthin zur¨¹ckgekehrt. Einer war Dr. Fritz Guttmann, National?konom aber auch mit gro?en Kenntnissen und Urteil in Literatur und Musik. Er war bei der "Kattowitzer Zeitung" Leiter des Wirtschaftsteils und auch des Feuilletons geworden. Fritz Guttmann war verheiratet und lebte mit seiner Familie auf der deutschen Seite in Beuthen, ein weiterer Grund dort manchmal einen Abend zu verbringen. Das war kein Problem, der kleine Grenzverkehr, durch das Genfer Abkommen eingef¨¹hrt, war ja noch bis 1937 in Kraft. Vorl?ufig war es attraktiv f¨¹r uns, manchmal nach Beuthen zu fahren. Nach 1933 wurde es dann f¨¹r manche in Deutsch-Oberschlesien attraktiv, mal nach Kattowitz zu kommen. Die andere neue Bekanntschaft in Kattowitz war Dr. Franz Goldstein, ganz und gar literarisch und k¨¹nstlerisch eingestellt, unverheiratet. Die "Wirtschaftliche Vereinigung f¨¹r Polnisch-Oberschlesien" umfa?te deutsche Kaufleute und Gewerbetreibende, wobei die deutsch-j¨¹dischen nat¨¹rlich einiges Gewicht hatten. Sie wurde, ebenso wie ihre Wochenzeitung, die "Wirtschaftskorrespondenz f¨¹r Polen" von Dr. Alfred Gawlik, zur deutschen katholischen Gruppe geh?rend, geleitet, und bei der Wirtschaftskorrespondenz war Franz Goldstein als Redakteur angestellt. Er entwickelte dort als Beilage eine Buchrevue verbunden mit Theater-, Konzert und Filmkritik, durch die er mit vielen bekannten Schriftstellern in Korrespondenz oder pers?nlichen Kontakt kam. Von seiner M¨¹nchner Studentenzeit stand er Arnold Zweig nahe und zeigte sich sehr begeisterungsf?hig f¨¹r manche junge Talente, zu denen auch Klaus Mann geh?rt hatte. So gab es in Kattowitz 1931 zwei sehr fortschrittlich und modern eingestellte Feuilletons, die sich, als ich 1927 zum Studium nach Berlin ging, noch nicht so profiliert hatten. Die Lage der deutschen Minderheit hatte sich weiter verschlechtert. Zwar hatten die Wahlen zum Schlesischen Sejm den Deutschen im Mai 1930 noch ein Drittel der Sitze gebracht, aber bei einer neuen Wahl im November waren die deutschen Stimmen stark reduziert und es kam zu deutschen Protesten im V?lkerbund gegen polnischen Wahlterror. Entscheidend f¨¹r die weitere Schw?chung der deutschen Minderheit wurde dann im Laufe der Zeit der zunehmende polnische Einflu? in den Verwaltungen der verschiedenen Industriegesellschaften, die das Bild seit dem Beginn der 1930er Jahre bald vollkommen ver?nderten. Der polnische Staat half nach durch Zwangsaufsichten z.B. nach Steuerstreits. Es erschien in Oberschlesien eine ganz neue Schicht von gut ausgebildeten und erfahrenen polnischen Industrieverwaltern und Ingeneuren, wie es ja auch im ¨¹brigen Polen in diesen Jahren zu einer st?rkeren Profilierung industrieller Aktivit?t kam, zum Teil unter dem Zeichen des sich in Polen entwickelnden Systems des "Etatismus". Die Gesch?ftsaufsichten ¨¹ber Teile der oberschlesischen, von ausl?ndischem Kapital oder deutschen Adelsfamilien kontrollierten Schwerindustrie geh?rten in dieses Bild. In Breslau meldete ich mich bei Dr. G. Hesse als Doktorand. Er war zu seiner Zeit anerkannt als sehr solider National?konom, war Verfasser eines vielgebrauchten Lehrbuchs und au?erdem Leiter des in Breslau bestehenden Osteuropainstituts. Er nahm mich als Doktorand gleich an und da ich einiges Polnisch auch die Verh?ltnisse in Polen etwas kannte, schlug er vor, als Dissertation eine Arbeit f¨¹r das Osteuropainstitut zu machen, und zwar ¨¹ber "Die Auslandsverschuldung Polens", ¨¹ber die noch keine Publikationen vorl?gen. Das nahm ich auch an und machte mich gleich an die Arbeit. Ich mu?te nat¨¹rlich auch die verschiedensten Vorlesungen belegen und vor allem an den volkswirtschaftlichen Seminaren teilnehmen. Sie waren interessant, Hesses Seminar sehr sachlich, n¨¹chtern und gr¨¹ndlich, viel ¨¹ber wirtschaftspolitische Fragen, ich sprach selten, aber wurde beachtet. Der andere Ordinarius war Dr. Br?uer. Sein Seminar war eher lebhafter, mehr zu Gedankenfl¨¹gen gegeben. Auch ich sprach ?fter, mu?te auch ein Referat ¨¹ber Krise und Konsum halten. Das Hauptprogramm ¨¹ber ein ganzes Semester wurde J.M. Keynes's "Treatise on Money" gewidmet, das 1930 erschienen, grade erst in deutscher ¨¹bersetzung vorlag und in Deutschland gleich gro?es Interesse fand. Auch ich hatte damals das Gef¨¹hl, da? einem die Augen f¨¹r die finanziellen Zusammenh?nge im modernen wirtschaftlichen Geschehen ge?ffnet wurden. Die w?chentlichen Sitzungen ¨¹ber Keynes's Buch, auf die man sich entsprechend vorbereiten mu?te, wurden eine eindringliche Erfahrung. Breslau kannte ich ja gut von Jugend auf, meine Gro?mutter und andere Verwandte lebten noch dort. In der FWV traf ich wieder viele Breslauer, die in Berlin mit mir studiert hatten, ein neuer Freund wurde Heinz Kretschmer, dort war auch der alte Schulfreund Manfred Danziger. Mit den Schulfreunden, die zu den Korporationen geh?rten, traf ich mich nicht, au?er Hans Kuhnert, sie hatten mich ja auf die Boykottliste gesetzt. Wirkliche Freundschaft verband mich in Breslau wieder mit Hans-Werner Niemann und ein anderer menschlich wichtiger Kontakt wurde wieder Rudi Treuenfels. Ich hatte ihn jetzt auch als Chef seiner gro?v?terlichen Breslauer Gro?handelsfirma Grund & Lion in seinem B¨¹ro kennengelernt und seine politischen Verbindungen hatten weiteres Profil gewonnen. Fritz Klatt war nicht nur ein mit der Jugendbewegung verbundener P?dagoge, er war auch einer der Mitbegr¨¹nder der "Neuen Bl?tter f¨¹r den Sozialismus" geworden, die immer noch eine der wenigen Leitplanken f¨¹r mich blieben, von denen man in den aufgeregten Wogen jener Jahre Land glaubte sehen zu k?nnen. Wegen meines starken Asthmas wurde mir f¨¹r Ende des Wintersemesters ein Hochgebirgsaufenthalt im Sanatorium des Dr. Guhr auf der slovakischen Seite der Hohen Tatra verschrieben. Die herrliche Bergwelt der Tatra, unten das Popradtal und die alten Zipser St?dte und D?rfer geh?ren zu meinen sch?nsten Erinnerungen an das alte Europa. Das Kurpublikum im Sanatorium und anderen Gebirgsorten war ein buntes V?lkergemisch. Da waren viele tschechische Krankenkassenmitglieder, ungarische Besucher, manche davon j¨¹disch, ebenso wie G?ste von den vielen T?lern der Slowakai, wo es ja au?er Slowaken auch noch viele ungarisch oder deutschspechende Bewohner gab, darunter auch Juden. Ins Sanatorium kamen viele aus der Umgebung zu Besuch, meist Zipser, und die hatten auch oft in Budapest studiert. So war das auch mit Dr. Nitsch, der weniger als Arzt im Sanatorium arbeitete und eigentlich ein Patient war. Daf¨¹r aber gab er Bridge Stunden, und ich wurde dort ein recht begeisterter aber von Anfang an nicht sehr vielversprechender Bridge Spieler, nahm auch bald auserhalb der Stunden viel an Spielen teil, die sich oft auf ungarisch abspielten. Nach dem Wintersemester 1931/32 verteilte sich meine Aufmerksamkeit und Zeit mehr gleichm??ig zwischen Anteilnahme am Breslauer Studium, den gesch?ftlichen Dingen zu Haus und Entwicklungen in Polen, die mich nun auch f¨¹r meine Dissertation sehr angingen. Die Aufenthalte in Breslau gaben weiter engsten Kontakt mit der politischen Entwicklung in Deutschland. Sie wurde so be?ngstigend und turbulent, da? sie, wo immer man war und sich besch?ftigte, die alles ¨¹berh?ngende und beschattende gro?e Beklemmung in diesen Monaten blieb. Die Arbeitslosenzahl stieg auf ¨¹ber 6 Millionen, die Nationalsozialisten nahmen weiter an Stimmen und an Kraft und R¨¹cksichtslosigkeit im h?ufigen Stra?enkampf zu. Die Diskussion ¨¹ber die Deflationspolitik des Kabinetts Br¨¹ning war auch immer heftiger geworden. Die Meinungen sind noch heute geteilt, ich war sehr gegen diese Politik eingestellt (2). Im M?rz 1932 lief Hindenburgs Amtszeit als Reichspr?sident ab. Hitler kandidierte f¨¹r die Nachfolge, aber Hindenburg war bereit, sich zur Wiederwahl zu stellen, auch mit der gegen Hitler notwendigen Unterst¨¹tzung der Sozialdemokraten, und dieser ProHindenburgblock gewann auch die Wahl gegen die Nationalsozialisten. Es brachte Aufatmen und Erleichterung, aber der Block versagte wieder nach dem erfolgreichen Wahlgang, wenn es zu Kompromissen ¨¹ber Wirtschafts- und Au?enpolitik h?tte kommen m¨¹ssen. Es gab bei den wichtigsten Faktoren der b¨¹rgerlichen Rechten die irrationale Vorstellung, da? zwar m?glichst ohne Hitler, aber jedenfalls ohne und gegen die Sozialdemokratie "halbautorit?r" regiert werden m¨¹sse, als neue Daseinsform f¨¹r Deutschland. Schwerindustrie und Reichswehr ¨¹bten ihre Einfl¨¹sse in dieser Richtung aus. Bald verlor auch Br¨¹ning das Vertrauen Hindenburgs, und schon damals war die Version, da? dies durch Hindenburgs Mi?trauen wegen der Pl?ne f¨¹r Landreform und b?uerliche Siedlung in Ostelbien verursacht war. Br¨¹ning wurde als Reichskanzler durch einen Herrn v.Papen ersetzt, vom rechtesten Fl¨¹gel des Zentrums, als Politiker bisher fast unbekannt. Die andere Schl¨¹sselfigur im neuen Kabinett blieb der General v.Schleicher. Br¨¹nings Regierung war ja noch eine parlamentarische gewesen. Wenn auch ohne parlamentarische Mehrheit, war sie doch personell parlamentarischen Ursprungs. Das neue Kabinett Papen war das nicht und sein Hervortreten l?ste Skepsis und vermehrte Unsicherheit aus. Br¨¹ning hatte mit Hindenburgs und Schleichers Zusstimmung nach der erfolgreichen Wiederwahl Hindenburgs eine Verordnung f¨¹r Aufl?sung und Verbot der bewaffneten nationalsozialistischen Kampforganisation SA erlassen, die Regierung Papen hob es wieder auf (3). Als etwas wie Papens politische Heimat und Profil wurde der "Herrenklub" in Berlin genannt, der breiten ?ffentlichkeit ganz unbekannt. Er war einige Wochen im Amt, als ich in Kattowitz zum Bridge bei der Frau Else Silberstein eingeladen war und dort Herrn v.d. Knesebeck traf, Leiter des B¨¹ros der Kohlenhandelsfirma Caesar Wollheim im deutsch-oberschlesischen Gleiwitz. Er schien ?fters nach Kattowitz zu kommen und wohnte bei Frau Silberstein, die ja seit vielen Jahrzehnten weiter eine Position im Kohlenhandel aufrecht erhalten hatte. Der andere Gast war Direktor Waclawek der Kattowitzer Firma "Progress", welche die polnischoberschlesischen Gesch?fte von Caesar Wollheim ¨¹bernommen hatte. Er war ein guter Pole. Zum abendlichen Bridge war ich dazugeladen worden. Mein Bridge war nicht so wunderbar, aber es gab angeregte Unterhaltung, und als Besorgnis ¨¹ber die neue Regierung in Deutschland laut wurde, stellte es sich heraus, da? v.d. Knesebeck ein Mitglied des Herrenklubs in Berlin war. Vermutlich h?tte er das nie erw?hnt, aber die Er?ffnung war gewiss zeitgem??. Er stellte Herrn v. Papen in bestem Licht dar, den Herrenklub als die Elite der Besonnenen und Verantwortungsvollen und die sicherste Bastion gegen eine Macht¨¹bernahme Hitlers. So war es ja dann leider nicht. Die Regierung Papen schien zun?chst auf Distanz zu Hitler zu halten, schw?chte aber die Weimarer Republik entscheidend durch die gewaltsame Absetzung der preu?ischen Regierung, ein gro?er Schock, auch weil es so glatt und widerstandslos vor sich ging. Es war traurig. Aus gingen Otto Braun und Severing, Abegg und die republikanische Gewalt ¨¹ber und durch die von ihnen so wohlorganisierte preu?ische Polizei. Als ich zum Beginn des Wintersemesters 1932/33 nach Breslau, mit meiner Dissertation schon weit gediehen, zur¨¹ckkam, hatten sich die politischen Verwicklungen weiter gesteigert, aber es gab auch einige scheinbare Lichtblicke. Bei einer Reichstagswahl im Juli hatten die Nazis selbst mit ihrem Harzburg-Partner Hugenberg zusammen nicht die Mehrheit der Stimmen errungen. Die Reichstagsmehrheit allerdings bestand nun aus Nazis und Kommunisten. Diese lehnten mehr noch st?rker als bisher jegliche F¨¹hlungnahme oder gar Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten und anderen Arbeiterorganisationen ab. Als ihre Parole verbreitete sich, man m¨¹sse nun auf das Vierte Reich warten. Das also war Moskaus Politik. Eine niederschmetternde Erfahrung und Gef¨¹hl eines beginnenden Chaos wurde f¨¹r mich der Berliner Verkehrsarbeiterstreik vom 3. November 1932, der zu einer f¨¹nft?gigen L?hmung der Berliner Verkehrsmittel gerade im Augenblick der weiteren Reichtagswahl vom 6. November f¨¹hrte, und zu dem, gegen den Willen der sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften, die Nationalsozialisten und Kommunisten gleichzeitig aufgerufen hatten (4). Die Juliwahl hatte den Nationalsozialisten mit 37.8% (5) die h?chste Stimmenzahl vor ihrer Machtergreifung gebracht. Die Regierung Papen/Schleicher, im Einverst?ndnis mit Hindenburg und Hugenberg, versuchte auf eine L?sung durch erhoffte "Z?hmung der Nationalsozialisten" hin zu arbeiten, eine Illusion, die Hitler bald durch Forderung auf die ganze Macht zerst?rte. Der Reichstag wurde wieder aufgel?st und die Wahlen vom 6. November 1932 brachten zum ersten Mal wieder einen R¨¹ckgang der nationalsozialistischen Stimmen. Auch die Finanzen der Partei hatten gelitten. Es gab unterde? auch Anzeichen einer beginnenden Verbesserung in Weltwirtschafts- und deutscher Wirtschaftskrise. Die parlamentarische L?hmung im Reichstag aber dauerte an mit Nazis und Kommunisten in knapper Mehrheit, Hitler bestand weiter auf der Kanzlerschaft, die Hindenburg ihm mit Schleicher verweigerte. So erschien ein neues Konzept f¨¹r eine von au?erhalb des Parlaments kommende L?sung ein Gebot der Stunde. Der "Tatkreis" hatte daf¨¹r seit langem agitiert, mit Schleicher als Schl¨¹sselfigur f¨¹r eine "Dritte Front", gest¨¹tzt auf der einen Seite auf die Freien Gewerkschaften unter F¨¹hrung von Leipart, wo es Bedenken gab gegen den sozialdemokratischen Kurs weiterer Verweigerung von Hilfe f¨¹r die Politik der herrschenden halbmilit?rischen Regierung, um Hitler von der Macht fernzuhalten. Auf der anderen Seite gab es die mehr zum Sozialismus dr?ngenden Kreise der Nazipartei um den scheinbar m?chtigen "Reichsorganistionsleiter" der Partei, Gregor Strasser, der sich gegen Hitlers Bestehen auf totaler Macht¨¹bernahme gewandt hatte. Eine bekannte Berliner Tageszeitung, die "T?gliche Rundschau", war f¨¹r den "Tatkreis" gekauft worden, vermeintlich mit Schleichers Unterst¨¹tzung, mit Zehrer seit September 1932 als Chefredakteur. Papen hatte Hindenburg keine parlamentarische Mehrheit f¨¹r seine Regierung beschafft und mu?te zur¨¹cktreten, Hindenburg machte Ende November 1932 Schleicher zum Reichskanzler. Zehrers Aktivit?ten und Entwicklung hatte ich ja seit Herbst 1929 aufmerksam und mit, wenn auch gar nicht unqualifizierter Anteilnahme verfolgt, seine Schl¨¹sselstellung als scheinbarer Sprecher Schleichers (6) brachte mich diesen letzten verzweifelten Anstrengungen gegen Hitlers Macht¨¹bernahme besonders nahe. Auch sonst gab es auf der Linken neben den Gewerkschaften Leiparts Zeichen von Zustimmung. Leopold Schwarzschild hatte mit seiner antideflationistischen Kampagne zur Arbeitsbeschaffung in einer gemeinsamen Front mit Leipart und den Gewerkschaften Stellung bezogen. Bei allem Abstand zwischen ihm und der "Tat" kam er zum Schlu?, da? nur die Unterst¨¹tzung einer aufgekl?rten autorit?ren Regierung das Schlimmste, n?mlich Hitler's Macht¨¹bernahme, verhindern k?nne (7). Der Kreis um die "Neuen Bl?tter f¨¹r den Sozialismus" hatte auch an "Br¨¹ckenbau" zwischen links- und rechtsgerichteten sozialistischen Kr?ften gearbeitet, auch mit Kontakt u.a. mit Otto Strasser (8). Bei den Neuen Bl?ttern war man aber anscheinend skeptisch ¨¹ber eine solche "Einheitsfront" um Schleicher, aber die F¨¹hlungnahme wird als Teil der in diese Richtung gehenden Anstrengungen gesehen (9). Schleicher's Pl?ne f¨¹r eine "Dritte Front" kamen nicht zum Zug. Er dachte wohl auch immer noch an eine "Z?hmung" der Nationalsozialisten als Alternative. Die Heeresleitung war zweifelhaft, ob ein Einsatz der Reichswehr gegen Hitlers Kampfverb?nde noch durchf¨¹hrbar sein w¨¹rde. Strasser schien den Stein ins Rollen zu bringen und legte mit einem Applomb am 8. Dezember alle seine ?mter in der NSDAP nieder. Es schockierte Hitler, er soll von Selbstmord gesprochen haben (10), aber es kam nicht zur erwarteten Spaltung der Partei. Auf der anderen Seite wurde auch Leipart vom Parteivorstand der SPD zur¨¹ckbeordert (11), der abgesetzte v. Papen sorgte ¨¹ber Schleichers Kopf f¨¹r neuen rechtsb¨¹rgerlichen Support f¨¹r Hitler und schlie?lich f¨¹r Hindenburgs Beschlu?, Hitler am 30.Januar 1933 zum Reichskanzler zu ernennen (12). Nicht alle der in diesem R¨¹ckblick erw?hnten Zusammenh?nge und Vorg?nge sind dem Miterlebenden in jenen schicksalshaften Monaten schon vollkommen klar geworden. Ich habe f¨¹r meine Darstellung auch auf die reichhaltige Nachkriegsliteratur und Aktenforschung hinweisen k?nnen (13). Ich habe diese bewegten Monate zwischen der Universit?t Breslau und Kattowitz miterlebt, wo man nat¨¹rlich viele Kontakte, wie auch alle Zeitungen und Zeitschriften hatte. Mit "Tat" und "Neuen Bl?tter" war ich ja seit langem vertraut, ebenso mit Schwarzschilds Tagebuch, nun las man auch die "T?gliche Rundschau". Aber es kam anders, das Unheil Hitler wurde nicht aufgehalten. Einem grausigen Vorfall auf dem tragischen Weg zu Hitlers Machtergreifung war ich auch besonders nahe gewesen. Im August 1932 hatte die Mordtat der Nationalsozialisten im deutsch-oberschlesischen Potempa, bei Gleiwitz, die Gem¨¹ter in ganz Deutschland erregt. Hitler hatte sich mit den T?tern voll und ganz solidarisch erkl?rt, die ihr Opfer zu f¨¹nft zu Hause ¨¹berfallen und durch wiederholte Tritte in den Hals ermordet hatten (14). Ich war damals im August in Kattowitz auf der polnischen Seite Oberschlesiens nur etwa 30 km vom Tatort entfernt, wo Presse- und Rundfunknachhall noch intensiver waren. Ich wu?te, was die Nazis sind, da war ja nicht nur Hammersen gewesen, es hatte st?ndig schwere nationalsozialistische Grausamkeiten in Stra?enk?mpfen gegeben. Potempa war nicht im Stra?enkampf, es war ein ¨¹berfall von f¨¹nf Nazis auf einen als kommunistisch verd?chtigten jungen Arbeiter. Ob auch mitspielte, da? die Familie des Opfers polnisch-sprechend war, ist nicht klar. Ersch¨¹tternd war danach wieder, wie bedrohlich eine m?gliche Machtergreifung Hitlers f¨¹r Deutschland sein w¨¹rde, und man mu?te dabei nun auch an die sich abzeichnende Drohung f¨¹r die Juden in Deutschland denken. Wie Hitler die T?ter des Potempa Mordes als Helden seiner Bewegung herausstellte, machte klar, da? es bei ihm keine Schranken gab f¨¹r die Anwendung brutalster, rechtloser physischer Gewalt. Aber er wurde Reichskanzler. Was w¨¹rde nun wohl aus Deutschland werden? Kapitel 6 Nach dem Ende von Weimar Die Macht¨¹bernahme Hitlers als Reichskanzler erlebte ich nun in Kattowitz mit Rundfunk, Zeitungen, einigen Telefongespr?chen, dann gab es Filmwochenschauen. Es war ganz eindeutig mit dem Aufgebot an SA M?rschen und Publikumserregung, obwohl das Kabinett noch eine Mehrheit von b¨¹rgerlichen und Fachministern hatte, das war die Machtergreifung. Hitler und seine Nazis schienen eine nachtwandlerische Begabung zu haben, solche Ereignisse zu inszenieren. Von den Festm?rschen ging die SA wieder direkt zur¨¹ck auf die Stra?e und Schlimmeres. Es kamen die Meldungen von blutigem Terror und Vergeltungsma?nahmen. Bald mu?te ich lesen, da? mein ?lterer FWV Bundesbruder G¨¹nter Joachim in Berlin von SA-Leuten abgeholt und grausam erschlagen wurde. Die Meldungen ¨¹ber Menschen, die als bekannte Gegner der Nationalsozialisten umgebracht oder in eines der schnell entstehenden Konzentrationslager gebracht wurden, h?uften sich, besonders nachdem der Reichstagsbrand die Szene in Deutschland hell beleuchtet hatte, und es waren darunter immer wieder Namen, die ich gut kannte, und manche, denen ich begegnet war. Eine ganze Reihe meiner Freunde verlie? Deutschland schon damals. Bei den neuen Reichstagswahlen am 4. M?rz 1933 erhielt Hitlers Partei immer noch keine 50% der Stimmen, mit Hugenbergs Partei aber hatten sie es nun, und andere Parteien wurden soweit eingesch¨¹chtert, da? ein Erm?chtigungsgesetz Hitler vollkommene Macht gab. Es hatte von Nazis und ihrer SA veranstaltete antij¨¹dische Kundgebungen gegeben, und am 1.April kam ein Tag des Boykotts aller j¨¹dischen Gesch?fte als Signal, da? die Unterdr¨¹ckung des j¨¹dischen Bev?lkerungsteils nun im Ernst einsetzte. Es war gut, da? ich in diesen Wochen sehr besch?ftigt war mit meiner Dissertation. Auch nahm ich ja an den Vorg?ngen im Gesch?ft und zu Hause in Kattowitz teil. Es war im Gesch?ft 1932 eine Ver?nderung eingetreten, die auch meine eigene Stellung und Zukunft betreffen sollte. Die Liquidit?t im Gesch?ft war angespannt geblieben, der Absatz der Ziegelei kam erst langsam aus der Wirtschaftskrise, weitere Kredite hatten beschafft werden m¨¹ssen, wobei ich entscheidend mitgeholfen hatte. Dann kam 1932 der Tod des fr¨¹heren Partners Max Gr¨¹nfeld, f¨¹r dessen Kremation Vater und ich nach Berlin gefahren waren. Nach seinem Ausscheiden hatte er in Berlin ein bequemes und geruhsames Leben f¨¹hren k?nnen und danach noch geheiratet. Es war ihm noch ein verzinsliches Guthaben in der Firma verblieben, nach seinem Tode wurde nun verlangt, da? das f¨¹r die Erben gesichert wird, und zu denen geh?rte nicht nur die Witwe, Tante Mucke, sondern nach ihr alle Vettern und Kusinen, die etwas von solcher Erbschaft brauchen konnten, und da gab es einige. Daher waren nun an solcher Sicherung auch die interessiert, die sich als Sachwalter solcher Familieninteressen f¨¹hlten. Zu deren Auflagen geh?rte au?er hypothekarischer Sicherung auch, da? ich keine anderen Pl?ne f¨¹r meine Karriere machen, sondern bei meinem Vater in Kattowitz bleiben sollte. Mit Verh?ltnissen in Polen hatte ich mich ja nicht nur durch die im Osteuropainstitut in Breslau vorhandene Literatur und Zeitschriften, sondern auch in Kattowitz vertraut machen k?nnen. Mein Polnisch hatte sich zusehends verbessert, wenn auch mehr zum Lesen solcher Literatur und Zeitungen oder auch Gesch?ftspapieren als f¨¹r Konversation und Umgangssprache. Im Sp?tsommer 1932 besuchte ich zum ersten Mal Warschau. Meine M¨¹nchner Freundin hatte sich einer Ru?land-Exkursion des Kutscher'schen Theaterwissenschaftlichen Seminars der Universit?t M¨¹nchen angeschlossen, zu der auf der R¨¹ckreise ein Aufenthalt in Warschau geh?rte, und ich wollte sie dort treffen. Sie kam dann auch nach Kattowitz. Meine Schwester Lotte hatte sich unterdessen mit dem Betriebsleiter der Ziegelei Zygmunt Weingr¨¹n, der ¨¹berhaupt eine St¨¹tze des Gesch?fts geworden war, sehr angefreundet, sie schienen es sehr ernst zu nehmen. Bei Familie und Freunden traf Lotte damit zun?chst auf Erstaunen, nicht nur, da er polnisch-j¨¹disch war und dementsprechend seine Familie und sein Freundeskreis, aber viele empfanden ihn auch als einen recht harten Menschen. Ich habe ihn im Laufe vieler Jahre dann eben als nicht nur sehr intelligent und tatkr?ftig, sondern auch als besonders zuverl?ssig f¨¹r alle Dinge, f¨¹r die er sich einsetzte, sch?tzen gelernt. In den Monaten nach Hitlers Macht¨¹bernahme, die ich in Kattowitz verbrachte, hatte sich Lotte mit ihm bereits verlobt, die Hochzeit sollte im Juni stattfinden. Ich aber wollte zu Semesterbeginn Anfang Mai doch wieder nach Breslau gehen, um meine Dissertation bei Dr. Hesse einzureichen. Zur Hochzeit meiner Schwester h?tte ich ja dann kurz nach Kattowitz kommen k?nnen. Aber das kam dann anders. Ich hatte nat¨¹rlich ein merkw¨¹rdiges Gef¨¹hl, jetzt nach Breslau zu kommen. Ich hatte mich ja als Gegner der Nazis exponiert und Hammersen w?re ich gewi? nicht gern begegnet. Aber wie eigenartig sich das jetzt f¨¹gte. Ich hatte ja einen polnischen Pa?, und was man so h?rte, auch mi?liebigen fremden Staatsb¨¹rgern wurde damals gew?hnlich keine rohe Gewalt angetan. Ich unterhielt mich mit Dr. Hesse ganz offen ¨¹ber die Lage; an der Universit?t war man noch unsicher, neue Richtlinien ¨¹ber eine Sonderstellung j¨¹discher Studenten waren nicht ergangen, aber wurden erwartet, er nahm aber meine Dissertation entgegen und wollte mir Bescheid geben. Unterde? nahm ich an Seminaren teil, seines war sachlich und diszipliniert, etwas ungem¨¹tlicher f¨¹hlte ich mich im Seminar des Dr. Br?uer. Ich konnte zun?chst bei den Eltern meines FWV Bundesbruders Kurt Leipziger ¨¹bernachten, bis ich ein m?bliertes Zimmer fand. Ich meldete mich auch bei Rudi Treuenfels, er bat mich, ihn sofort zu verst?ndigen, wenn ich in der Universit?t irgendwelche Schwierigkeiten habe. Ein Zimmer fand ich durch Hans-Werner Niemann. Er hatte eines in der sehr gro?en Wohnung von Dr. Ernst Fraenkel am Nikolaistadtgraben und es war noch ein anderes frei. Frau Fraenkel war eine sehr eindrucksvolle Frau, es waren viele Kinder im Haus (den Sohn Ernst, damals 9 Jahre alt, sollte ich 23 Jahre sp?ter in London wiedertreffen). Ihr Mann, Jurist, sehr k?mpferisch gesinnter KCer und mit Auszeichnungen versehener Frontk?mpfer des 1.Weltkriegs, widmete sich jetzt voll seinem Amt im Reichsbund j¨¹discher Frontsoldaten, durch dem bedr?ngten j¨¹dischen Kriegsteilnehmern oft geholfen werden konnte. Dazu geh?rten Vorstellungen von ihren Spitzenfunktion?ren sogar bei Hindenburg, aber Dr. Fraenkel war besonders bekannt daf¨¹r geworden, da? er sich in die H?hle des L?wens zum Breslauer Gauleiter Heines, einem der ber¨¹chtigsten SA F¨¹hrer, gewagt und mit gro?em Schneid diese Intervention ¨¹berstanden hatte. Er war jetzt meist im Berliner B¨¹ro des J¨¹dischen Frontk?mpferbundes; wenn er am Wochenende nach Hause kam, reihten sich Besucher an Besucher, die Hilfe oder auch nur Rat von ihm haben wollten. Es war ein Zufall, da? ich nun dort war, ein sehr passenden Rahmen f¨¹r meinen kurzen Mai 1933 Aufenthalt in Breslau, so kurz, weil Dr. Hesse mir bald mitteilte, da? neue Anweisungen nun vorl?gen und j¨¹dische Studenten nicht mehr promovieren d¨¹rften. Er bedauerte das, bot an, mir eine Empfehlung an Dr. B¨¹chner, fr¨¹her auch in Breslau, jetzt Ordinarius in Z¨¹rich zu geben, die ich auch gerne annahm. Man hatte ja solch eine Sperre nicht ausschlie?en k?nnen, und ich hatte f¨¹r diesen Fall nicht nur an die Schweiz, sondern auch an die deutsche Universit?t in Prag gedacht, wo ich eventuell mit meiner Dissertation noch promovieren k?nnte. Zun?chst verst?ndigte ich auch Rudi Treuenfels; f¨¹r meinen Besuch bei ihm hatte er auch seinen Freund Dr. Rademacher, fr¨¹her so aktiv als republikanischer Professor, ein bekannter Mathematiker, gebeten. Beide bestanden darauf, da? man eine Beschwerde an das Kultusministerium machen m¨¹?te. Rudi Treuenfels, der ja zur Abstimmungszeit oft bei uns in Kattowitz war, fand, das w?re doch ein ausgezeichneter Fall, der Regierung die Unsinnigkeit ihrer Verf¨¹gungen nahe zu bringen. Ich war nicht sehr f¨¹r diesen Plan, war dann doch bereit, eine solche Eingabe da und dort mitzuverfassen und zu unterschreiben, aber machte ganz klar, da? ich mich dadurch nicht gebunden f¨¹hlte und wahrscheinlich Breslau sofort verlassen und eine andere Universit?t au?erhalb Deutschlands mir suchen w¨¹rde. Nach Verst?ndigung mit zu Hause beschlo? ich, es erst in Prag zu versuchen. Nazi Grenzkontrollen beim Verlassen Deutschlands waren schon etwas wie ein Schreckgespenst geworden. Eine Bekannte von Kurt Leipziger wollte auch ¨¹ber Prag ausreisen; wir fuhren zusammen, man war bange, aber es gab gar keine Zwischenf?lle. In Prag sah ich meine Freunde von der Rede- und Lesehalle, man war dort schon Emigranten gew?hnt, und auf der Stra?e begegnete ich Dr. Otto Friedl?nder, einst Vorg?nger meines Freundes Berlowitz an der Spitze der Sozialistischen Studenten in Deutschland. Wir kannten uns gut, er war dann sp?ter sehr aktiv in der studentischen V?lkerbundsgruppe, wie ich ja auch. Er war nun schon einige Zeit in Prag als politischer Fl¨¹chtling, und ich h?rte viel ¨¹ber die sich dort versammelnde politische Emigration, ihre Probleme, Pl?ne und beginnenden Aktivit?ten. Er arbeitete auch zusammen mit Kurt Gro?mann, bekannt gewesen als Sekret?r der Deutschen Liga f¨¹r Menschenrechte, auf dessen Bitte ich auch bereit war, da? sein Haushaltsgut von Deutschland ¨¹ber meine Adresse in Kattowitz geleitet w¨¹rde, soda? es von dort nach Prag gehen konnte. An der Deutschen Universit?t Prag war man nicht bereit, mich noch f¨¹r das Sommersemester einzuschreiben, und so fuhr ich ¨¹ber M¨¹nchen weiter nach Z¨¹rich. Beim Umsteigen in M¨¹nchen besuchte ich ganz schnell noch meine Freundin; sie war krank, und so ging ich allein essen, in die Osteria Bavaria, es war ziemlich leer, aber da sa? Hans Bethe, Freund meines Vetters Werner Sachs, ich hatte ihn ?fters in Dahlem getroffen, und so a? ich mit ihm. Als Physiker schien er schon weit aufgestiegen, war gerade von einer Gastdozentur in England zur¨¹ckgekommen, es gefiel ihm nicht in Deutschland, er w¨¹rde gleich wieder weggehen. Von Heisenberg und Schr?dinger sprach er schon damals wie von Gleichgestellten. In Z¨¹rich, nach September 1930 war dies nun mein 2.Besuch und es regnete wieder, wurde ich sehr freundlich und hilfsbereit von Dr. B¨¹chner empfangen und h?tte bei ihm meine Dissertation fertigstellen k?nnen. Er konnte aber nicht garantieren, da? die Vorschriften erlauben w¨¹rden, da? ich noch f¨¹r das Sommersemester immatrikuliert werde. Das Sekretariat der Universit?t lehnte das dann auch ab, f¨¹r das Wintersemester sollte es m?glich sein, aber zusagen k?nne man es jetzt nicht. Ich traf in Z¨¹rich an diesem Tag auch die, wie ich schon von Hans Wener Niemann geh?rt hatte, unterde? im Breslauer Seminar zu Rabbinern promovierten Bekannten Schlesinger und Funkenstein. Wir gingen zusammen essen, es gab da ein koscheres Restaurant in Z¨¹rich, und meiner neuen Lage war das ja auch sehr angemessen, da? ich dort so viel j¨¹dische Atmosph?re zu sp¨¹ren bekam und soviel dar¨¹ber h?rte. Unsere Unterhaltung war sehr lebhaft. Sie wollten durchaus ihr Bestes tun, um mich etwas mehr auf j¨¹dische Wellenl?ngen zu bringen. Als sie besonders lebhaft sprachen und gestikulierten, wie ich es bei ihnen von Breslau her gar nicht gew?hnt war, schreckte ich wohl etwas zur¨¹ck, und da meinte Schlesinger halb Scherz, halb Ernst, ich m¨¹sse mich eben daran gew?hnen, da? wir Juden eine orientalische Bev?lkerung sind. Mein n?chstes Ziel sollte die Universit?t Basel sein, sie gaben mir die Adresse ihres Kollegen Lothar Rothschild in Basel. Dort ging ich sofort zur Universit?t, die f¨¹r mich unterde? eine gewisse Gloriole als ein Wunschziel bekommen hatte. Sie war sehr alt und voller Prestige, man brachte sie schon mit Erasmus von Rotterdams Aufenthalt in Basel in Verbindung, dann waren da so bedeutende Namen wie Jakob Burkhardt und Friedrich Nietzsche. In der Kanzlei schien der Pedell die Szene zu beherrschen, seine Erscheinung entsprach so ganz dem Ruhm der Universit?t, wie ich ihn zu sehen begonnen hatte. Er hatte einen wundervollen Vollbart, an den ich mich als r?tlich-braun erinnere, und er stand ganz vorn, wo der Amtsraum von den Besuchern abgegrenzt war, vor ihm lag ein gro?es ledergebundenes Buch. Ich trug ihm meinen Fall vor, und mit einer einladenden Handbewegung schlug er das Buch auf und bat mich, meinen Namen einzutragen. Damit war ich immatrikuliert. Es hatten sich damals in Basel seit Beginn des Sommersemesters 1933 eine gr??ere Zahl von Studenten versammelt, die aus politischen oder "rassischen" Gr¨¹nden ihr Studium in Deutschland abbrechen mu?ten. Ich war denn auch keineswegs der letzte Refugee, der noch im Laufe des Sommersemesters angenommen wurde. Diesmal ohne jede Empfehlung meldete ich mich mit meiner Dissertation bei Dr. Edgar Salin, der mich als Doktorand annahm. Die Begegnung mit ihm beeindruckte mich sehr und er?ffnete viele neue Dimensionen (1). Wenn man ihm zuh?rte, begann man zu vergessen, da? er als so rechtsgerichtet galt. Er war vehement gegen die Erf¨¹llungspolitik f¨¹r die deutschen Reparationen aufgetreten, als Gegenpol zu dem mir vom Demokratischen Studentenbund einst als h?ufiger Gast so gut bekannten Dr. M.J. Bonn. Aber es war schwer m?glich, sich Edgar Salin in der N?he auch nur Hugenbergs vorzustellen. Wesentlich war bei ihm Friedrich List, der deutsche National?konom des fr¨¹hen 19. Jahrhunderts, der an deutschen Hochschulen kaum noch neben Adam Smith oder Ricardo erw?hnt worden war. List war ein "Nationaler" ?konomist gewesen, f¨¹r den staatliches Denken die Basis war, so etwas wie ein post-absolutistischer Merkantilist. Bei Edgar Salin war es auch die Staatsidee, die mit seiner Verbundenheit mit dem Stefan George Kreis zusammenhing, er hatte auch ¨¹ber Plato's Staatsidee ein Buch geschrieben. Bemerkenswert war dabei, da? er in allen Problemen der modernen Markt- und Verkehrswirtschaft meisterhaft zu Hause war und sich daf¨¹r in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg noch einen erheblichen Ruf errang. Sein Seminar auch in 1933 war mehr davon erf¨¹llt als von Plato und Friedrich List, und man h?rte viel auch ¨¹ber Schumpeter und Keynes. Es ging damals dem langsamen Ende der Wirtschaftskrise entgegen, Roosevelt hatte sein Amt angetreten, die Allgegenwart des Staates in der kapitalistischen Wirtschaft war einem sehr stark bewu?t geworden. Schutzz?lle waren noch durch Devisenbewirtschaftung aufgestockt worden, und der Weg aus der Krise schien in den USA Roosevelts wie auch im Deutschland Hitlers und Schachts wiederum durch massives Einwirken des Staates zu f¨¹hren. Edgar Salin schien die auf Adam Smith und Ricardo basierenden Theorien der reinen Verkehrswirtschaft als Abstraktionen zu sehen, n¨¹tzlich f¨¹r die erstrebenswerten Ziele der Marktwirtschaft, aber eben kein vollst?ndiges Bild der Wirklichkeit, aus der "die ?ffentliche Hand" im Wirtschaftsgeschehen intern und international durch die Jahrhunderte, ganz gleich unter welcher Herrschaft, gar nicht weg zu denken ist (2). Neben den so interessanten Seminaren Edgar Salins und dort gemachten Bekanntschaften bot die Zeit in Basel auch andere anregende Abwechselung. Es gab die sch?nen Sommerabend-Konzerte im Hof des alten M¨¹nsters mit seinen Kreuzg?ngen, Orchesterkonzerte unter Felix Weingartner. Die Frau unseres Kattowitzer Anwalts und entfernten Vetters Hans Loebinger hatte mir Empfehlungen an zwei Verwandte in Basel gegeben, die beide aus Schlesien stammten. Der eine war Dr. Karl Joel, als Ordinarius der Philosophie Nachfolger auf dem Lehrstuhl Friedrich Nietzsches. Er lebte mit seiner Schwester; sie hatten Sonntagmittag jetzt oft eine Reihe von Emigrantenstudenten eingeladen. Sie waren beide sehr warm empfindende und geistig lebhafte Menschen. Auch wenn er nach einem Schlaganfall war, hielt er immer noch Vorlesungen. Sie geh?rten sehr zu Basel und seiner Universit?t, aus den Unterhaltungen ergab sich, da? Albert Schweizer und Heinrich W?lfflin zu den engsten Freunden geh?rten. Die andere Einf¨¹hrung war an Dr. Ludwig Scherbel, f¨¹hrend in der Motor Columbus, die seinerzeit auch das Elektrizit?tswerk in Prinzengrube in Oberschlesien, eine alte Kindheitserinnerung von mir, mitfinanziert hatte. Er war nicht nur ein prominenter und sachverst?ndiger Gesch?ftsmann, sondern auch ein Mensch mit auserlesenen kulturellen Interessen und Geschmack, gro?er Bibliophile und Kunstsammler. Er empfing mich ¨¹beraus freundlich, ich lernte viele interessante Leute in seinem Haus kennen und war dort sehr gern. In der Universit?t hatte ich im Seminar den etwas ?lteren sozialistischen Studentenf¨¹hrer Beyer aus Berlin wiedergetroffen. Er erkannte mich vom DStV her, wir sahen uns auch sonst, meist sa? ich im Seminar neben ihm. Auch in Basel war von FWVern wieder der schon von M¨¹nchen her befreundete Ralph Kleeman und von Breslau Franz Ledermann, und ich war viel zusammen mit einigen Medizinstudentinnen, auch emigriert aus Deutschland. Nat¨¹rlich besch?ftigte einen damals die j¨¹dische Frage besonders und Kontakte die damit zusammenhingen waren intensiv. Bei Lothar Rothschild hatte ich mich schon gleich nach Ankunft gemeldet und wurde gleich zum Freitagabend eingeladen. Er war noch ohne Stellung als Rabbiner, der Prophet gilt nichts im eigenen Vaterland, wie er meinte. Er lebte zu Haus bei seinem verwitweten Vater, wir hatten lange Spazierg?nge und Gespr?che ¨¹ber Gott, vor allem aber den damaligen Zustand der Welt und die j¨¹dische Lage. Durch ihn und Funkenstein lernte ich auch andere, meistens auch Emigranten kennen, die stark in j¨¹dischem Bewu?tsein und Interessen verwurzelt waren. Es gab auch einen Diskussionsabend von einer zionistischen Studentengruppe arrangiert, wo die in Basel angekommenen sich aussprechen sollten. Die meisten kamen als bisherige Gegner oder Skeptiker, jemand, es wurde mir berichtet, es war einer meiner FWV er Freunde, sagte, wir selbst k?nnen einen Weg zum Zionismus nicht mehr finden (man war in seinen fr¨¹hen zwanziger Jahren), vielleicht mal unsere Kinder. Ich f¨¹hlte, auch wenn man f¨¹r sich selber aus der hergebrachten Abwehrstellung und Skepsis schwer herauskam, da? es doch ein nat¨¹rliches Bed¨¹rfnis wurde, in der f¨¹r die Juden durch Hitlers Macht¨¹bernahme in Deutschland sichtbaren Entwicklung den zionistischen Gedanken und Bestrebungen Interesse und aktive Sympathie entgegen zu bringen. Man wu?te ja von ihnen, man war aber ein eher ablehnender Beobachter gewesen, der Akzent wurde jetzt doch anders. Ich h?rte auch Martin Buber, der als diesj?hriger Gast der Studentenschaft Basel in ihren Vortragsreihen einen religionsphilosophischen Vortrag hielt und ihn mit den Worten "S?ren Kierkegaard.." anfing. Da war also ein alter Zionist der fr¨¹hen Stunde, der den Zusammenhang mit europ?ischer Geistesgeschichte so betonte und in ihr seinen Platz einnahm. Am Ende des Sommersemesters besuchte ich auf dem Weg nach Hause meinen Vetter Ernst Gr¨¹nfeld in Freiburg i.Br., wo er weiter Chemie studierte. Wir waren w?hrend des Semesters in nachbarschaftlichen Kontakt getreten, und nun zeigte er mir Freiburg. Wir tranken Wein auf dem M¨¹nsterplatz, aber obwohl es so eine katholische Stadt war, sah man auch viele Naziuniformen, und als das gro?e Skandalum war da nat¨¹rlich die Befremdung ¨¹ber die nazifreundliche Haltung, die der bekannte Philisoph Martin Heidegger als damaliger Rektor der Universit?t zeigte. Man hatte dar¨¹ber in Basel mehr gesprochen als anscheinend in Freiburg. Es war f¨¹r mich keine pers?nliche Entt?uschung, bei allem Interesse f¨¹r seinen Lehrer Husserl, er war f¨¹r mich ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Husserl hatte ja auch in Freiburg gelehrt, auch der alte National?konom Schultze-Gaevernitz, h?ufiger Gast bei uns im Demokratischen Studentenbund in Berlin, ebenso wie seine Tochter, und ich erinnerte mich an Rudolf K¨¹stermeyer, treibender Geist f¨¹r unseren DStV. Jetzt stand ¨¹ber allem in Freiburg ein gro?es Fragezeichen. Ich fuhr nach Hause mit einem Zug, der mich direkt durch den Schwarzwald nach Osten f¨¹hrte und mir noch ein neues, sch?nes St¨¹ck S¨¹ddeutschlands zeigte. Irgendwo in Bayern sa? ich im Abteil mit einem Bauern, er war sichtlich nicht sehr eingenommen von Hitler, aber lassen wir es mal, sagte er, der mu? ja jetzt zeigen, was er kann, wahrscheinlich dauert das Ganze nur ein paar Monate. Solche ?u?erungen h?rte man gern, aber konnte man wirklich hoffen, da? es so ausgeht? Bei Beginn des Wintersemesters stellte es sich heraus, da? ich es gar nicht mehr auszusitzen brauchte, schon im Dezember konnte ich meine Pr¨¹fungen ablegen und am 15. Dezember erfolgte meine Promotion. Der Pedell mit dem wunderbaren Bart zog in einem Talar mir voran und dann wurde ich vom Dekan promoviert, langer M¨¹he und mancher Hindernisse Lohn. Nach meinem Examen lud ich zum Abschied zu einem kleinen Abendessen ein, italienisch, f¨¹r mich damals ganz neu, aber so hatten es sich die Medizinstudentinnen gew¨¹nscht, und eine von ihnen fuhr mit mir, als ich vor der R¨¹ckkehr nach Kattowitz noch ¨¹ber Weihnachten und Neujahr meine Schwester Marianne in Paris besuchen wollte. Sie hatte aus gesundheitlichen Gr¨¹nden aufgeben m¨¹ssen Chemie zu studieren und war zu Sprachkursen nach Paris gegangen. Paris und etwas vom Leben in Frankreich war nochmals ein neues Erlebnis und eine neue Erfahrung, und auch eine aktuelle. Es hatte in der Politik gerade den Stavisky Skandal gegeben, man wu?te nicht, war das auch eine t?dliche Krise der Republik, es gab auch Stra?endemonstrationen, Ausschreitungen. Werden sie das System umst¨¹rzen? Nein, sagte Kurt Kronheim, der alte Freund vom Demokratischen Studentenbund, die franz?sische Republik steht fest auf ihren F¨¹?en, und er schien recht zu behalten. Er war einer von vielen deutschen Emigranten, die ich in Paris nun wiedertraf, auch Kurt Berlowitz war darunter. Marianne wohnte am Boulevard des Augustins, nahe dem Quartier Latin. Auch hier waren, wie in Prag, bereits viele der deutschen Emigrantenzeitschriften entstanden, die bis zum Kriegsausbruch 1939 f¨¹r mich wichtige Beziehungspunkte mit politischen Entwicklungen bleiben sollten. Marianne und ihre Freunde f¨¹hrten mich zu Weihnachten in ein els?ssisches Restaurant, sie hatten alle noch Heimweh. Berlowitz war vom Weltstudentenwerk gebeten worden, einen Artikel ¨¹ber die Lage der j¨¹dischen Studenten zu schreiben. Er schlug vor, ich sollte das an seiner Stelle tun, ich w¨¹?te ja mehr z.B. ¨¹ber Polen, und jetzt in Basel hatte ich ja nicht nur deutsche Emigranten getroffen, sondern auch j¨¹dische Studenten aus Ost und S¨¹dosteuropa, von denen seit Jahren viele ins Ausland gehen mu?ten, um zu studieren. Es war ein wirkliches Problem, ¨¹ber das ich da nachdenken sollte, das die Sorgen j¨¹ngster deutsch-j¨¹discher Emigration in einen viel weiteren Rahmen stellte. Wo gab es da Wegweiser, war eine verst?rkte j¨¹dische Berufsumschichtung zu einer normaleren soziologischen Struktur, weg vom hohen Prozentsatz akademischer Berufe und Ambitionen, wie ihn ja nicht nur die Zionisten f¨¹r die M?glichkeiten, die sich ihnen in Pal?stina bieten k?nnten, sondern auch f¨¹r die weite Diaspora zum Beispiel die Gesellschaft "Ort" als Ziel hatte? Aber welche Chancen konnten verloren gehen f¨¹r wirkliche Intelligenz aus dieser j¨¹dischen Bev?lkerung Europas, man mu?te nur an die vielen Nobelpreistr?ger denken, die aus ihr hervorgegangen waren. Mit diesem zu verfassenden Artikel im Gep?ck fuhr ich dann von Paris nach Hause. Kapitel 7 Emigration nach Hause, in Polen Wenn ich mir vorstellte, wo ich mir einst eine Karriere und Aufgabenfeld f¨¹r meine Zukunft aufbauen w¨¹rde, war mir im Laufe meiner Studentenjahre doch immer die Weimarer Republik als das nat¨¹rliche Habitat f¨¹r die Zukunft erschienen. Die gab es nun nicht mehr. Meine Freunde aus der Studentenzeit emigrierten, meist in die weite Welt, wo immer man ein Visum bekommen konnte, manche auch nach Pal?stina, f¨¹r manche hie? es Umschulung weg von ihrem Studiengebiet auf einen praktischen Beruf. F¨¹r mich aber hatte wieder gegolten, da? ich jedenfalls zur Zeit an der Seite des Vaters gebraucht w¨¹rde, und so sollte Mitarbeit im Familiengesch?ft jetzt meine Hauptbesch?ftigung werden. Man mu?te sehen, wie sich das gestalten w¨¹rde. F¨¹r weitere Sicht blieb Auswanderung, weiter weg von Hitlers Deutschland, immer noch im Blickfeld. Gesch?ftlich aber konnten wir damals in Kattowitz mit sich verbessernder Konjunktur wieder zuversichtlicher sein. Die Ziegelei stellte als eine ihrer Spezialit?ten aus ihren Tonreserven Eisenklinker her, f¨¹r die sich pl?tzlich substantielles Interesse f¨¹r den Stra?enbau ergab. Das Projekt war im Verhandlungsstadium und interessierte mich sehr. Im Verh?ltnis der deutschen Juden zu den offiziellen deutschen Organisationen hatte sich nach Hitlers Macht¨¹bernahme in Deutschland alles ge?ndert. Es gab gewi? auch Kr?fte bei den Deutschen dort gegen eine Gleichschaltung dieser Organisationen mit den Nationalsozialisten in Deutschland (1), aber es wurde doch unm?glich f¨¹r j¨¹dische Mitglieder, in einer Organisation zu bleiben, die nicht offiziell von der judenfeindlichen Linie der Nazis abr¨¹ckte. Mein Vater legte sein Amt als Vizepr?sident des Deutschen Volksbunds sehr bald unter Protest dagegen nieder und schied aus der Stadtverordnetenversammlung aus (2). Die pers?nlichen Kontakte zum Leben der deutschen Minderheitsgruppen und zu manchen guten Freunden wurden auch betroffen. Meine Mutter und andere j¨¹dische Mitglieder zogen sich nach einiger Zeit aus dem Meister'schen Gesangverein zur¨¹ck, auch aus dem Hilfsverein Deutscher Frauen, und man ging nicht mehr in die Veranstaltungen der Deutschen Theatergemeinde, deren Spielplan ja von Deutsch-Oberschlesien herkam. Zum Teil war das ein langsamer Erosionsproze?, es gab ja doch die verschiedensten Deutschen, die das wirklich bedauerten und aus ihrer Distanzierung zu den Nationalsozialisten keinen Hehl machten, es war ja auch nicht so wie in Deutschland, da? ein beh?rdlicher Druck dagegen stand. Als bezeichnend f¨¹r das Bild der deutschen Minderheit vor 1933 sehe ich, da? am Vortragsprogramm des Deutschen Kulturbunds, unter Leitung von Viktor Kauder, auch viele republikanische Akademiker und Schriftsteller aus Deutschland teilnahmen, so die Professoren G. Kessler, Th.Litt, Bergstr?sser, H.v.Eckart, unter den Schriftstellern Walter v.Molo und Klaus Mann, der sich damals f¨¹r den noch sehr jungen Autor Dr. Franz Goldstein sehr einsetzte (3). Bis Kriegsausbruch gab es dann zwei deutsche politische Gruppen im damaligen Polnisch-Schlesien, die sich offen gegen Hitler stellten. Da war die deutsche Sozialdemokratische Partei unter ihrem schon langj?hrigen oberschlesischen F¨¹hrer Johann Kowoll und Dr. Siegfried Gl¨¹cksmann aus dem fr¨¹her ?stereichischen Teil (Bielitz). Sie hatte weiter ihre eigene Fraktion im Schlesischen Sejm, unterhielt ihre Zeitung "Volkswille", aber verglichen mit den 1920er Jahren waren ihre Statur und Einflu? zur¨¹ckgegangen. Bei hoher Arbeitslosigkeit und der gegen deutsche Arbeiter gerichteten Einstellungspolitik der polnischen Regierungspartei hatten die deutschen Gewerkschaften an Boden verloren, und als 1933 die Freien Gewerkschaften in Deutschland gleichgeschaltet wurden, verloren die deutschen Sozialdemokraten in Polnisch-Oberschlesien noch mehr an R¨¹ckhalt. Ihre Partei und einige ihrer Organisationen blieben aber aktiv und arbeiteten effektiv mit an der gef?hrlichen T?tigkeit des sozialdemokratischen Widerstands gegen Hitler in Deutschland zusammen mit der deutschen sozialdemokratischen Emigration in Prag. Dazu geh?rte sowohl "Kuriert?tigkeit" f¨¹r Einschleusen von Flugbl?ttern und anderer Literatur, wie auch Rettung von politisch Verfolgten, die Deutschland heimlich verlassen mu?ten (4). Ich wu?te damals nicht im Einzelnen ¨¹ber diese Aktivit?ten, aber kannte den Gewerkschaftsvertreter Johann Kowoll. Mein Vater hatte ja auch einige ?mter in seiner Berufssph?re gehabt, Obermeister der Maurer- und Zimmererinnung, Vorsitzender der Arbeitgeberverb?nde f¨¹r Bau- und Ziegeleiindustrie, und da hatten die Gewerkschaften ja auf der anderen Seite des Tisches gesessen. Der Syndikus der vom Vater geleiteten Arbeitgeberverb?nde war Franz Cichon. Er stand der anderen Gruppe von deutschen Hitlergegnern in Polnisch-Schlesien nahe, deren Auftreten besonders bemerkenswert ist. Sie bestand aus einem Teil der urspr¨¹nglichen Deutschen Katholischen Volkspartei. Unter deren Vorsitzenden Dr. Eduard Pant war diese Partei und ihre Zeitung "Oberschlesischer Kurier" zun?chst ganz offen gegen den Machtwechsel in Deutschland aufgetreten (5). Auf Pants Antrag hatte sie gleich im M?rz 1933 ihren Namen in Deutsche Christliche Volkspartei gewechselt, um auch anderen christlichen Hitlergegnern Zusammenarbeit anzubieten, und Dr. Pant fand daf¨¹r noch im August 1933 eine Mehrheit seines Parteitags. Daneben gab es noch den "Verband der Deutschen Katholiken", wo er auch bis Dezember 1934 die Oberhand behielt. Seit Februar 1934 gab er eine Wochenzeitung, "Der Deutsche in Polen", heraus; der bisherige Chefredakteur des Oberschlesischen Kuriers J.C. Maier wurde dort schon fr¨¹her wegen seiner offenen antihitlerischen Haltung sehr angefeindet und wechselte zu Dr. Pants Zeitung als Chefredakteur. Im Juni 1934 legte Dr. Pant sein Amt im Deutschen Volksbund nieder, und im Dezember 1934 erzielten die Gruppen der deutschen Katholiken, die es vorzogen sich nicht offen gegen Nationalsozialisten zu stellen, eine Mehrheit gegen Dr. Pant im Verband der deutschen Katholiken. Dr. Pant und seine Gruppe blieben danach isoliert, ihre Haltung blieb eindeutig gegen die Nationalsozialisten gerichtet, und der "Deutsche in Polen" brachte fortlaufend viele kritische Berichte ¨¹ber Nazigreueltaten und auch die antisemitischen Exzesse. Nat¨¹rlich wurden in deutsch-j¨¹dischen Kreisen die Entwicklung von Dr. Pants Partei zu einer so entschlossenen antihitler Organisation mit ihrer eigenen sehr gut redigierten Zeitung au?erordentlich begr¨¹?t und bewundert. Wir waren Abonnenten der Zeitung und verbundene Leser, es war aber eine sehr betont auf christlicher und eigentlich eben katholischer Basis bestehende Gruppierung, so da? sich die Frage einer eventuellen Mitarbeit oder Einbeziehung deutsch-j¨¹discher Kreise nie stellte. Ich erinnere mich auch nicht an pers?nliche Kontakte mit Dr. Pant selber aus dieser Zeit. Er war aus dem ?sterreichischen Teil Schlesiens gekommen, von daher in seine f¨¹hrende Stellung unter den deutschen Katholiken Polnisch-Schlesiens aufgestiegen und sp?ter nach Kattowitz gezogen, geh?rte also nicht zu den alten Bekannten (6). In der ideologischen Einstellung gab es einen gewissen Unterschied zwischen reichsdeutschen und den ?sterreichischen Katholiken, mit ihrer st?rkeren Betonung einer v?lkischen Note und damit einem gewissen offenen Antisemitismus, anders als man es gew?hnlich von einem F¨¹hrer des katholischen Zentrums in Deutschland gewohnt war (7). Bei Dr. Pant hatte man Anfang der drei?iger Jahre vor Hitlers Machtergreifung einen Kampf um den Vorsitz der Deutschen Theatergemeinde in Kattowitz, vielleicht zu Unrecht, etwas in diesem Licht gesehen. Die langj?hrige Vorsitzende Rosa Speyer sah sich einer Gegenkandidatur Dr. Pants gegen¨¹ber. Ich war bei dieser erregten Versammlung, die Wogen gingen hoch, es wurde durchaus nichts antisemitisches gesagt, f¨¹r Dr. Pant schien es eine Sache christlich-nationaler Thematik f¨¹r das Kulturprogramm im Gegensatz zu dem vermeintlich bisher vorherrschenden liberalem Einflu? (8). Es ist eigenartig: protestantische Gruppen und Jugend, aus der sich sp?ter viele pro-Nazis rekrutierten, stimmten damals gegen Dr. Pant f¨¹r die Wiederwahl der langj?hrigen Vorsitzenden Rosa Speier, und als einer ihrer Freunde beschwerte ich mich beim katholischen Abgeordneten Jankowski, da? seine Organisation die Einheit st?ren wolle. Er selbst aber war dann in der Hitlerzeit unter den Katholiken nicht mehr auf der Seite Dr. Pants. Nun war also gerade Dr. Pant an die Spitze der katholischen Abwehrbewegung gegen Hitler getreten und gab ihr soviel Profil und Aggressivit?t. Pers?nlich besser bekannt waren uns einige der angestammten Oberschlesier, die zu ihm hielten, so der langj?hrige Kattowitzer Stadtrat Schmiegel, Dr. Alfons Rojek von den Christlichen Gewerkschaften und Dr. Alfred Gawlik, Gesch?ftsf¨¹hrer der "Wirtschaftlichen Vereinigung in Polnisch-Schlesien". Ihn sah ich dann oft, denn die Vereinigung erm?glichte es Dr. Franz Goldstern, Redakteur ihrer Wochenzeitung "Wirtschaftskorrespondenz in Polen" zu bleiben und auch seine literarische Beilage im bisherigen Stil weiterzuf¨¹hren. Er hatte mich gebeten, Buchrezensionen ¨¹ber politische und geschichtliche Themen zu ¨¹bernehmen, da seine Interesse mehr Literatur und Musik galten, und ich hatte auch angefangen, ¨¹ber aktuelle wirtschaftspolitische Tagesthemen Leitartikel f¨¹r das Hauptblatt zu schreiben. Dabei bewegten mich auch Sorgen wegen der polnischen Finanzpolitik, die sich strikt an franz?sischen Theorien modellierte, w?hrend woanders eine expansionistische Geldpolitik basierend auf den Ideen von Keynes betrieben wurde. Das Amerika Roosevelts war das einpr?gsamste Beispiel daf¨¹r, ¨¹ber das ich oft schrieb. F¨¹r Polen sollte ja die N?he des sich auch mit expansionistischer Geldpolitik rapide aufr¨¹stenden Hitlerdeutschlands ein Grund gewesen sein, seine Geldpolitik zu ¨¹berdenken und sich von den Fesseln der franz?sischen Schule von Gide und Rist zu emanzipieren, wovon ich auch sprach. Polen schien sich lange durch seine Finanzpolitik den notwendigen Spielraum zur erforderlichen Weiteraufr¨¹stung zu verbauen. Zur Zeit der Weimarer Republik mit ihrer 100.000 Mann Reichswehr galt ja wohl in Deutschland mit Recht die polnische Armee als eine m?gliche Bedrohung. Die Welt erwachte nur sehr langsam zu dem Ausma? der von Hitler seit 1934 betriebenen, viele Vorstellungen sprengenden deutschen Aufr¨¹stung. Jemand, der dar¨¹ber laut und stark sprach, war Leopold Schwarzschild in seinem in Paris erscheinenden Neuen Tagebuch, das wir in Kattowitz nat¨¹rlich abonnierten. ¨¹berhaupt war nun die in allen ihren Schattierungen bei uns vorhandene deutsche Emigrationspresse eine wesentliche Quelle von Information und Verbindung mit den Vorg?ngen in der Westlichen Welt. Man hatte sich ja auch neue Tageszeitungen suchen m¨¹ssen, die Vossische Zeitung gab es nicht mehr, die lokale Kattowitzer Zeitung war gleichgeschaltet, so kamen wir zun?chst zum "Prager Tagblatt", eine liberale Zeitung, die durch den Zuzug so vieler deutscher Emigranten nach Prag an Profil noch gewonnen hatte. Als sie nachlie?, war da die "Prager Presse", im Besitz der tschechischen Regierung, aber auch mit Beitr?gen von deutschen Emigranten, zum Schlu?, wohl bis M?rz 1939 war es dann noch die M?hrisch-Ostrauer Morgenzeitung, die uns in Kattowitz ganz gut versorgte. Mein Freund Dr. Fritz Guttmann wurde auch von Kattowitz aus ein Mitarbeiter. Von allen politischen Emigrantenzeitschriften hat mich Schwarzschild's Neues Tagebuch immer am nachhaltigsten beeindruckt. Um die Warnungen vor der t?dlichen Bedrohlichkeit der Hitler'schen Aufr¨¹stung zu unterstreichen, brachte er h?ufig Beitr?ge von Winston Churchill und Andr¨¦ Tardieu, den prominentesten der einsamen Rufer unter westlichen Politikern, die das Gleiche f¨¹hlten. Meine Mitarbeit an der Wirtschaftskorrespondenz f¨¹r Polen gab mir nat¨¹rlich einige Genugtuung. Meine Schwester Marianne erz?hlte nach einem Skiausflug in die Beskiden, da? auf der R¨¹ckfahrt in ihrem Abteil zwei Beamte des Wojewodschaftsamts sa?en, die sich ¨¹ber meine prokeynesianischen Artikel lebhaft unterhielten. Ich wurde also gelesen. Es ?nderte sich aber wenig in der Politik. Was wir in der Wirtschaftskorrespondenz schrieben, machte sie nicht zu einem politischen antihitler Kampforgan, wie es Dr. Pant's "Der Deutsche in Polen" war. Es war ja eine Wirtschaftszeitung mit Literaturbeilage, aber aus der klaren antinationalsozialistischen Einstellung wurde kein Hehl gemacht, und unter den B¨¹chern, die besprochen wurden, waren viele, die in Deutschland verboten worden waren. F¨¹r mich blieb das eine Nebenbesch?ftigung, f¨¹r die ich kein Honorar bezog. Ich schrieb unter einem Pseudonym, denn meine Hauptaufgabe dort in Kattowitz war ja im v?terlichen Gesch?ft. Dort war das Projekt f¨¹r Bau gro?er Stra?en mit Eisenklinkern weiter fortgeschritten, der Initiator war der fr¨¹here polnische Finanzminister Wladyslaw Grasbki in Warschau, auch Eigent¨¹mer einer gro?en Ziegelei und sehr interessiert an der Mitwirkung unserer Ziegelei, die ihrer Kapazit?t nach eine der gr??ten in Polen war. Der Vater fuhr nach Warschau mit Zygmunt Weingr¨¹n zu einer Besprechung mit Grabski, der zwar ein Politiker der nationaldemokratischen Opposition, aber doch mit guten Verbindungen war, und das Projekt sah weiter vielversprechend aus. Zus?tzliche Kredite wurden von der Stadtsparkasse in Kattowitz daf¨¹r in Aussicht gestellt, und ich sollte nach Berlin fahren, um das daf¨¹r n?tige Einverst?ndnis der Witwe des Onkel Max zu erlangen, die von der dortigen Familie beraten wurde. Bevor ich nach Berlin fuhr, kamen die Nachrichten von der politischen Mordaktion Hitlers am 30. Juni 1934. Ich war gerade f¨¹r einen Tag nach Krakau gefahren, man sa? im Kaffee auf dem Platz vor den Tuchlauben gegen¨¹ber der alten Marienkirche; Kaffeehaus dort schien ein Anklang an die ?sterreichische Vergangenheit Galiziens. Da kamen die Zeitungen heraus mit den Nachrichten ¨¹ber Hitlers Mordaktion und die Kommentare, die Hitler dazu abgab. Es war unbeschreiblich und unfa?bar, wie so etwas vom Zaune gebrochen, wie es aufgezogen war, dahin also waren die Deutschen gekommen, so sah ihre Regierung aus (9). Kurz danach fuhr ich also nach Berlin. Die alten Kumpane vom Demokratischen Studentenbund Franz Suchan und Horst Mendershausen holten mich am Bahnhof ab. Ich wohnte in Dahlem, die gesch?ftlichen Unterhaltungen spielten sich im B¨¹ro der GfE an der Hardenbergstra?e ab. Mein Vetter Herbert schien dort im Sattel als ein Primus inter pares in der GfE Leitung mit Leo Forchheimer und Dr. Hans Krakenberger. Mein Onkel Paul war viel abwesend durch Krankheit. Meine gesch?ftlichen Gespr?che verliefen befriedigend, also stand der Aufnahme des Kredits in Kattowitz, der f¨¹r das neue Projekt gebraucht wurde, nichts mehr entgegen. Die Eindr¨¹cke w?hrend des Besuchs in Berlin waren schlimm. Die meisten Menschen, die ich traf, waren verwundert und verschreckt. Freunde, die nahe bei den Kasernen in Lichterfelde wohnten, wo man die ganze Nacht die Sch¨¹sse geh?rt hatte, ja es wurde immer noch weiter geschossen, waren ein lebhaftes Beispiel. Ich besuchte auch Richard Winners und Else Runge, er arbeitete jetzt wieder f¨¹r eine amerikanische Zeitung. Ich fragte, was nun wirklich passiert w?re, das k?nnen Sie uns doch viel besser erz?hlen. Da meinten beide, Sie kommen ja aus dem Ausland, und das h?rte ich noch oft. Dabei geh?rte Winners' amerikanische Zeitung zu den prominentesten, die sich durch konsequente antihitlerische Berichterstattung und Haltung auszeichneten, und das war auch ganz energisch wie je seine Haltung. Bei manchen anderen schienen es nicht nur die Schwierigkeiten zu sein, richtige Informationen zu bekommen, sondern auch das Risiko, dem man sich aussetzte, wenn man zuviel herumzuh?ren schien. Ich glaube da eine beginnende ¨¹bung zu entdecken, m?glichst nicht mehr zu viel zu sehen und zu h?ren. Das waren also die Wochen nach dem 30. Juni 1934. Auf der R¨¹ckfahrt von einer meiner Reisen nach Berlin w?hrend der Hitlerzeit hatte ich in Breslau Station gemacht und war auf der Schweidnitzer Stra?e Dr. Hans Lukaschek begegnet. Er hatte bei Hitlers Macht¨¹bernahme sein Amt als Oberpr?sident von Deutsch-Oberschlesien verloren, ein engagierter Zentrumsmann. Er hatte sich als Anwalt in Breslau niedergelassen, erkundigte sich nach meinen Eltern. Als ich fragte, was er ¨¹ber die Entwicklung in Deutschland denke, sagte er, Sie haben es doch nun selbst gesehen, Sie wissen es doch, ich sah zu ihm auf, es liefen Tr?nen ¨¹ber seine Backen. So stand dieser gro?e, starke Mann vor mir, f¨¹r den ich immer soviel Sympathie und Hochachtung gehabt hatte, ein Eindruck, den ich in den kommenden Jahren nie vergessen konnte. Am Morgen nach meiner R¨¹ckkehr gab es bei uns Alarm. In der Ziegelei war in der Nacht ein Feuer ausgebrochen, sie war weitgehend zerst?rt, es hatte lange gedauert, bis die vielen Feuerwehren, die von der ganzen Umgebung zusammenkamen, den Brand unter Kontrolle bringen konnten. F¨¹r den Vater war es besonders tragisch, das Werk, auf das er so stolz war, als Ruine zu sehen; f¨¹r uns alle war es ein gro?er Schock. Der Betrieb mu?te eingestellt werden, f¨¹r mich wurde die Auseinandersetzung mit den Versicherungsgesellschaften, die das Feuerrisiko teilten, die Hauptaufgabe. Die Sachverst?ndigengutachten der beiden Seiten ¨¹ber die Schadensh?he gingen weit auseinander, es kam zu einem Proze?. Da der Grund von der Kopalnia Wujek (Oheimgrube) der Hohenlohewerke unterbaut war, wurden diese auch in die Auseinandersetzungen verwickelt, da die Sachverst?ndigen der Versicherungen einen Teil der festgestellten Sch?den, besonders an den gro?en ?fen, als Bergbausch?den bezeichneten. Die Hohenlohewerke, damals von den Gebr¨¹dern Petchek kontrolliert, waren ja immer wieder wegen drohender Bergsch?den im Gespr?ch gewesen, sogar ihr Ankauf des Grunds als L?sung. Jetzt gab es erneuten Kontakt, ihr Markscheider Dlugoborski war ein h?ufiger Besucher in den Ruinen der Ziegelei, f¨¹r die sie ihren Abbau in diesem Teil der Oheimgrube hatten beschr?nken m¨¹ssen. Ich hatte also einiges zu tun, und gut, da? ich da war. Unser Anwalt Hans Loebinger hatte unterde? einen neuen, sehr intelligenten und versierten polnisch-j¨¹dischen Partner in Marek Reichmann bekommen. Er kam aus der Gegend Lembergs, war erst k¨¹rzlich von Bielitz nach Kattowitz ¨¹bergesiedelt. Es wurde 1935, bis wir den Proze? gewannen und sich viele neue Fragen ergaben. Wiederaufbau der Ziegelei schien ein sehr schwieriges Vorhaben, und die Kosten h?tten die Entsch?digungssumme ¨¹berschritten, die Rehabilitierung der Schornsteine alleine w?re der bergbaulichen Situation wegen zweifelhaft gewesen. In der N?he war der Flugplatz entstanden, auch von da war Widerstand zu erwarten. F¨¹r vorst?dtische Bebauung f¨¹r Wohnzwecke wurde das Gel?nde aber als geeignet gefunden, und wir entschlossen uns dazu. Das Stadtbauamt bef¨¹rwortete den Plan f¨¹r die Parzellierung in Villengrundst¨¹cke. Die Tischlerei sollte aber vorl?ufig weiter bestehen, hatte sich schon in eine erfolgreiche M?belfabrik entwickelt, es wurde noch dort investiert, ein Verkaufgesch?ft in der Stadt er?ffnet, so hatten Lotte und ihr Mann dort eine Existenz, die sie voll ausf¨¹llte. Im August 1935 wurde ihre Tochter Nina geboren. Sie bekam ein deutschsprechendes Kinderfr?ulein, Thea, und wuchs damals mit Deutsch als ihrer Muttersprache auf. Ich mu?te nach dem Ausgang des Prozesses wieder nach Berlin, Tante Mucke beanspruchte einen Teil der Entsch?digung, ihre Hypothek mu?te f¨¹r die Parzellierungsaktion gel?scht werden. Es gab wieder die vielen Sitzungen im B¨¹ro der GFE, Onkel Felix Benjamin, Vetter Herbert Gr¨¹nfeld, Anw?lte. Der von uns an die Tante zu bezahlende Betrag wurde vereinbart (10). Von meinen j¨¹dischen Freunden in Berlin waren die meisten schon ausgewandert, Kurt und Elli Lange, er erfolgreicher Mediziner, warteten darauf. Otto und Lore Lilien wollten nach Pal?stina und dort eine Druckerei aufmachen. Das hat mich interessiert, ich wollte sehen, ob ich mich daran nicht beteiligen k?nnte. Nicht nur in Deutschland, ich sah auch eigentlich nicht in Kattowitz oder ¨¹berhaupt in Polen eine wirkliche Zukunft f¨¹r mich. Wenn die Parzellierung erfolgreich eingeleitet ist, w?re f¨¹r mich doch Auswanderung auch der richtige Weg gewesen. In der Einstellung zu zionistischen Hoffnungen in Pal?stina hatte sich doch manches ge?ndert. Wie konnte es auch anders sein. Auch wenn die Aussonderung der Juden aus der deutschen Gesellschaft, zu der sie doch so stark und lebendig geh?rten, und eben die nationalsozialistische Herrschaft nichts Endg¨¹ltiges sein mu?ten, die Ungewi?heiten j¨¹dischen Diasporadaseins waren in neues Licht ger¨¹ckt. Was f¨¹r M?glichkeiten die zionistischen Hoffnungen wirklich bieten w¨¹rden, das mu?te sich noch zeigen, und eigene Identifikation mit nationalen j¨¹dischen Zielen war noch wieder eine andere Frage, aber aktiver Sympathie f¨¹r diejenigen, die sich daf¨¹r voll einsetzen wollten, konnte man sich nicht mehr verschlie?en. Wir waren zu Hause auch bald Abonnenten der in Berlin von Robert Weltsch herausgegebenen "J¨¹dischen Rundschau" geworden, die ein hervorragendes Forum f¨¹r die Familiarisierung weiter Kreise des deutschen Judentums mit zionistischem Gedankengut und der politischen Entwicklung in und um Pal?stina wurde. Nun erlebte ich ja Zionismus auch aus n?chster N?he von einer anderen Seite, durch meinen zunehmenden Kontakt mit polnischen Juden. Hier waren seit langem auch in Intelligenz und B¨¹rgertum fast alle prozionistisch eingestellt. Polen, das Zufluchtsland f¨¹r europ?ische Juden nach mittelalterlichen und sp?teren Verfolgungen, hatte ein wirkliches j¨¹disches Bev?lkerungsproblem im Zuge rapide wachsender Industrialisierung und Urbanisierung seiner Bev?lkerung. Es gab Rufe nach einer drastischen Berufsumschichtung in der j¨¹dischen Bev?lkerung oder eben auch massiver Auswanderung, und das waren Fragen, die auch von den einsichtigsten Leuten auf j¨¹discher Seite empfunden wurden. Zionisten und Ort hatten daher einen fruchtbaren Boden f¨¹r ihre Bestrebungen. In Krakau gab es eine j¨¹dische polnische Tageszeitung "Nowy Dziennik", auch prozionistisch eingestellt, und die habe ich auch verfolgt. Ich nahm auch an Veranstaltungen der Zionistischen Vereinigung in Kattowitz teil, sie bestand aus einigen alteingesessenen deutschen Juden, Zionisten der ersten oder jedenfalls fr¨¹hen Stunden und manchen der polnisch-j¨¹dischen Zuz¨¹gler. Zu Vortr?gen kamen Martin Buber, Harry Torczyner, Dr. Elias Auerbach, Olschwang u.a., nach denen man die Redner auch noch beim Tee kennen lernen konnte. Hannah Rappaport, vorher kurze Zeit mit Franz Neumann verlobt, hatte den aus Krakau stammenden Zygmunt Krieger, Importeur Schweizer Uhren, Bruder des sehr erfolgreichen Bankiers Hennek Krieger, geheiratet, ich wurde ein enger Freund. Sie war sehr aktiv bei den Zionisten, und ich erkl?rte mich bereit, an Spendenwerbungen teilzunehmen, man wies mir als Mitglied der entferntesten Kreise die "hoffnungslosen F?lle" zu. Dazu geh?rte auch die Frau Else Silberstein. Ich rief an und sagte, ich wolle sie zusammen mit Hannah Krieger besuchen. Sie wu?te daher gleich, worum es gehen sollte und sagte, Herr Walter, Sie wissen doch wie gern ich Sie habe, und Sie sind doch immer bei mir willkommen, aber, bitte, kommen Sie mir doch nicht "mit diesen Leuten". Ich mu?te mich darauf einigen, da? sie eine Spende per Post schicken w¨¹rde. Sie tat es auch, aber die Spende war sehr klein. Es schien nicht einmal ein hoffnungsvoller Anfang, und leider konnte es auch keiner werden, denn sie wurde bald schwer krank. Bei der Beerdigung auf dem j¨¹dischen Friedhof fand ich mich in der Reihe, die am Grab vorbeizog, um Erde auf den Sarg zu streuen, pl?tzlich hinter den einstigen Bridgepartnern v.d. Knesebeck und Waclawek. Jeder verabschiedete sich von der alten Dame noch mit einer formellen Verbeugung wie einem milit?rischen Salut. Es schien wie das Symbol einer vergehenden Zeit. Es blieb schon dabei, das zentrale Anliegen war einem der Sturz des Hitlerregimes in Deutschland, die Verbundenheit mit der deutschen Emigration und ihrer Publizistik das eigentliche Medium. Das war nicht nur das pers?nliche, j¨¹dische Interesse, sondern auch die deutsche und schlechthin europ?ische Betroffenheit, die man dar¨¹ber empfand. Das j¨¹dische Interesse aber an neuen L?sungen und dann auch die Lage Polens, seine Probleme und Innenpolitik waren Fragen des Alltags geworden, mit denen man auch zunehmend befa?t war. Einige meiner j¨¹dischen Schulfreunde waren aus ihrer juristischen Karriere in Deutschland geworfen worden, lebten zeitweilig auch wieder in Kattowitz. So hatten wir einen kleinen Kreis ?hnlich gestellter (11). Meine Gro?mutter Oettinger war von Breslau nach Berlin zu ihrem Sohn gezogen. Er war nach den N¨¹rnberger Gesetzen vorzeitig pensioniert worden und war im Verein nicht-arischer Christen t?tig. Sie kamen beide ?fters f¨¹r lange Besuche zu uns. Weiterer von Hitler bedingter langer Besuch waren meine Vettern Gerber. Wolfgang, nachdem er den Juristischen Dienst quittieren mu?te, war im Berliner B¨¹ro der GfE untergekommen. Der Rassenschande angeklagt, kam er schnellstens zu uns, sein Bruder Hans, Mediziner, sp?ter auch. Die polnische Regierung gab Aufenthaltsbewilligungen, aber nicht unbegrenzt, Wolfgang mu?te sp?ter nach Prag gehen, Hans ging nochmal zur¨¹ck nach Deutschland. Sie waren beide als Protestanten aufgewachsen, nun lernten sie auch unsere vielen neuen Kontake aus polnisch-j¨¹dischen Kreisen kennen. Diese waren fast alle in polnischer Sprache aufgewachsen, Anw?lte, ?rzte, Ingenieure oder Gesch?ftsleute, sie geh?rten zu den j¨¹dischen Gebildeten, die mit ihren lebhaften Interessen, gutem Geschmack und Temperament viel beitrugen zum pulsierenden Leben und der kulturellen Szene von St?dten wie Warschau und Krakau. Die wir kannten, waren eben die, die es nach Oberschlesien verschlagen hatte. Meine Eltern nahmen an neuen Kontakten mit polnisch-j¨¹dischen Kreisen kaum Teil, aber die mit deutsch-j¨¹dischen wurden enger und vielf?ltiger. Unsere Parzellierung hatte gute Anfangserfolge aber ging dann langsam, ein neuer Durchbruch mu?te noch kommen. Mein Vater hatte im Oktober 1935 seinen 70.Geburtstag gefeiert. Er meinte, wenn man genug Grund verkaufen k?nnte, m¨¹?te die Familie wieder eine neue "Produktionsst?tte" aufbauen. Das blieb sein wirklicher Wunsch. Ich begann verschiedentlich, mich auch nach einstweiliger anderer Besch?ftigung in der N?he von zu Hause umzusehen. Dabei helfen wollte mir Hans Proskauer, Sohn unseres einstigen Hausarztes, der Karriere als Syndikus der Oberschlesischen Kohlenkonvention noch unter dem alten Geheimrat Williger gemacht hatte und nun auch unter den neuen polnischen F¨¹hrungskr?ften in der Industrie in seiner wichtigen Stellung blieb. Er war einiges ?lter als ich, aber wie seine Eltern Freund unserer Familie. Dann waren Pl?ne f¨¹r eine Beteiligung an einem Transportgesch?ft in Danzig zwecks Er?ffnung einer Filiale im neuen polnischen Hafen Gdyngen f¨¹r mich, und schlie?lich n?her dem Kriegsausbruch Ankauf eines Agenturgesch?fts in Kattowitz, das den Import von Rohstoffen f¨¹r kleinere Industrien betrieb. Es h?tte Kommissionsguthaben im Ausland gebracht. In Polen war seit 1936 auch volle Devisenbeschr?nkung eingef¨¹hrt und Auswanderungspl?ne waren sehr erschwert. Es kam aber doch so, da? ich ganz mit den Angelegenheiten des v?terlichen Verm?gens in Kattowitz befa?t blieb. Wegen der Baubeschr?nkungen sollten Entsch?digung von Hohenlohe und der Luftverteidigungsliga (LOP) gezahlt werden, ich fuhr mehrfach nach Warschau mit unserem Anwalt, der mit dem Syndikus der LOP gut bekannt war, die auch bereit schien, etwas zu tun. In der gro?en Tongrube der Ziegelei war ein sehr sch?ner Teich entstanden. Wir h?rten ¨¹ber einen Plan in der Wojewodschaft in Kattowitz, da? dieses Teichgel?nde uns abgekauft und als Erholungsgebiet gestaltet werden sollte, als Abgeltung etwaiger Anspr¨¹che von uns an die LOP. Das war dann aber schon sehr nahe dem Kriegsausbruch, und so blieben das alles Probleme und Hoffnungen, die sich in der dann einsetzenden Katastrophe wie Rauch und Dunst verfl¨¹chtigten. In diesen sp?teren 1930er Jahren ging ich auch noch mehrfach auf Ferien in die Hohe Tatra, wieder auf die slowakische Seite, nun in das Sanatorium des Dr. Holtzmann. Die Mischung war von ungarischem, slowakischen und deutschem Element, auch recht viel j¨¹disches Publikum, es war noch das einstige Mitteleuropa in einer so anziehenden Form. Nach Berlin war ich seit Mai 1936 nicht mehr gekommen. Kontakt mit den Berliner Verwandten gab es dann immer noch, da Vetter Herbert ?fters auf Gesch?ftsreisen nach Polen kam und uns besuchte, einmal traf ich ihn sogar zuf?llig in Warschau. Im September 1937 starb der Onkel Paul Gr¨¹nfeld. Er hatte sich immer geweigert, an Aufgabe der deutschen GfE Werke und Auswanderung zu denken. Die Familie war aber unter zunehmenden Druck der Nazis gekommen, mu?te verkaufen und Deutschland verlassen. Tante Grete und die beiden S?hne Herbert und Ernst wanderten nach England aus. F¨¹r uns in Kattowitz wurde die weitere politische Entwicklung auch Grund zunehmender Be?ngstigung. Hitler hatte provokativ einen einseitigen Bruch des Versailler Vertrags nach dem anderen verk¨¹nden und durchf¨¹hren k?nnen, ohne Widerstand seitens der Westm?chte, das flagranteste die Remilitarisierung des Rheinlandes Anfang 1936, bei der man allgemein und wohl auch in Kreisen der deutschen Heeresleitung franz?sische und englische Milit?raktionen erwartet hatte, die, hoffnungsvoll, vielleicht zu einem Ende des Hitlerregimes h?tten f¨¹hren k?nnen. Diese Erwartung, da? eines Tages die Heeresleitung es ablehnen w¨¹rde, die Verantwortung f¨¹r Hitlers abenteuerliche Kriegspolitik weiter mitzutragen, gab es ja immer wieder, aber die Erfolge, die ihm wiederholt verg?nnt wurden, schw?chten in Deutschland Skepsis und Widerstandswillen gegen Hitler und schienen bei den Westm?chten das Streben nach Appeasement nur noch zu vergr??ern. Im September 1936 kam Stella Braham zu Besuch, Mutters Freundin aus Breslauer Jungm?dchenjahren. Ihr Mann Dudley Braham war unterde? einer der Editors der "Times" in London. Sie war nach Schlesien gekommen, um zu sehen, wie es den alten Freunden, die noch dort waren, in der Hitlerzeit erging, und so kam sie auch ¨¹ber die Grenze zu uns. Marianne hatte ihre Zeit in Frankreich abgeschlossen, Arbeitsgenehmigungen waren schwer, sie hatte zum Schlu? dort als Au Pair oder Praktikantin in Bauernbetrieben auf dem Land verbracht, das hatte ihr sehr gelegen. Tante Stella lud sie nach London ein, sehr wesentliche Folge ihres Besuchs. Marianne war immer ein Mensch mit einem L?cheln und gewinnendem Wesen, sehr nat¨¹rlich und "down to earth". Sie gewann dann auch in England viele Freunde. Mit unserem Besuch sprachen wir auch viel ¨¹ber Politik. Die "Times" war ja sp?ter ein Hauptpfeiler f¨¹r Neville Chamberlains Appeasement Politik. Wie immer stark unter dem Eindruck von Leopold Schwarzschild's "Tagebuch" ¨¹ber die Gefahren deutscher Aufr¨¹stung und drohenden Krieges und die Artikel Churchills, die dort ver?ffentlicht wurden, fragte ich sie, wann denn in England Winston Churchill in die Regierung aufgenommen w¨¹rde. Nein, sagte sie, uns in England ist er zu abenteuerlich, man hat Mi?trauen, er wird nicht wieder in die Regierung kommen. Ich war sehr betroffen ¨¹ber diese Antwort, und das steigerte sich zur kritischen Verzweiflung beim Miterleben der st?ndig sich brauenden Katastrophe, die sich dann von Beginn des Jahres 1938 an unaufhaltsam entwickelte (12). Im Februar h?rte man vom erzwungenen R¨¹cktritt des Chefs der deutschen Heeresleitung v. Fritsch wie von einem Warnzeichen weiterer Zuspitzung. Viele hatten ihn f¨¹r eine Hoffnung milit?rischen Widerstands gegen Hitler angesehen. Danach folgte der Einmarsch in Wien. Von Oberschlesien aus war man Wien n?her ger¨¹ckt, es war noch ein deutsches Gebiet gewesen, das nicht gleichgeschaltet war, auch viele unserer polnischen Freunde waren noch aus galizischer Vergangenheit her gewohnt, nach Wien als Beziehungspunkt zu sehen, so f¨¹r Einkauf, Mode, Theater, ?rztliche und zahn?rztliche Kapazit?ten. Wellen von politischen und j¨¹dischen Fl¨¹chtlingen str?mten nach Prag und manche kamen schon von dort nach Polnisch-Schlesien, als Hitler seine Aggressivit?t und Propaganda gleich nach dem ?sterreichischen Anschlu? auf die Tschechoslowakei richtete, mit der er dann im September in M¨¹nchen einen vollen Erfolg erzielte: die Tschechoslowakei wurde ihm von Neville Chamberlain und Daladier ausgeliefert. Schon f¨¹r einige Zeit hatte sie Zweifel am Wert des franz?sischen B¨¹ndnisses gehabt und einen Vertrag auch mit Ru?land abgeschlossen. Es schien uns in diesen sp?ten Septembertagen 1938 ungewi?, ob die Russen, selbst wenn das M¨¹nchener Abkommen zustande kam, was ja auch bis zum letzten Moment unsicher war, nicht doch zun?chst durch Luftangriffe bei einem Einmarsch Hitlers in die Tschechoslowakei intervenieren w¨¹rden, und dann wohl nicht ohne Auswirkungen auf das benachbarte Oberschlesien. ¨¹berhaupt waren diese Tage des M¨¹nchner Abkommens f¨¹r uns ja nicht nur Tage aufregender Radio- und Zeitungsmeldungen. Polen selber hatte eine sehr eigenartige Stellung bezogen. Schon im Januar 1934 hatte Pilsudski, nachdem die Westm?chte seinen Vorschlag (13) gemeinsamer milit?rischer Intervention gegen den damals noch schlecht bewaffneten Hitler abgelehnt hatten, einen Nichtangriffspakt mit Deutschland geschlossen, durch den Hitler auch die bestehenden Grenzen f¨¹r zehn Jahre anerkannte. Auch nach Pilsudskis Tod 1935 ?nderte sich wenig in dem semiautorit?ren Regime Polens, dessen "Obersten"Regierung versuchte, Konflikte mit Deutschland zu vermeiden und eine gute Atmosph?re zu erhalten. So wurden, obgleich die Kreise um Pilsudski eher von linker, nichtklerikaler Seite kamen, eines Tages alle Freimaurerlogen verboten. Es gab keine Gesetze, die j¨¹dische b¨¹rgerliche Gleichberechtigung einschr?nkte und schon gar nicht Rassengesetze, aber zunehmende Diskussion ¨¹ber die Notwendigkeit verst?rkter j¨¹discher Auswanderung z.B. durch eine spezielle Aktion nach Madagaskar, und es kam ein stark umstrittenes Verbot ritueller Sch?chtung, das der polnischen Regierung auch wirtschaftlich vorteilhaft erschien. Am auff?lligsten aber wurde die eigenh?ndige au?enpolitische Linie der polnischen Oberstenregierung in den beiden gro?en Krisen des Jahres 1938. Die Zeit des ?sterreichischen Anschlusses benutzten sie, um ultimativ eine alte Rechnung mit Litauen zu begleichen, und in der Krise der Tschechoslowakei verlangte Polen die Zuteilung des 1920 bei der Tschechoslowakei verbliebenen westlichen Olzateils des fr¨¹heren ?sterreich-Schlesiens und bereitete sich vor, dort mit polnischen Truppen einzur¨¹cken, sobald Hitler die Tschechoslowakei angreifen w¨¹rde. Gewi? war das nicht als deutschfreundliche Ma?nahme gedacht, es war der verzweifelte Versuch, wenn die westlichen Alliierten die CSR nicht verteidigen w¨¹rden, die Grenze zu Hitler dort wenigstens etwas nach Westen zu schieben. Es war aber auch die polnische Verweigerung russischer Durchmarschrechte, die eine Einigung des Westens mit Ru?land hinderte und zum Weg nach M¨¹nchen f¨¹hrte. So erlebten wir denn die Tage um M¨¹nchen bei uns in Kattowitz als wirkliche Vorboten kriegerischer Verwicklungen, als polnische Milit?rbewegungen sich in der Stadt bemerkbar machten. Wir hatten auch Grundst¨¹cke in Nikolai, bei Kattowitz, es war auf dem Weg nach der Tschechoslowakischen Grenze bei Teschen. Ich mu?te gerade dorthin fahren, es wurde eine Reise mit Hindernissen, die Stra?e war voll mit motorisiertem Milit?rtransport, auch Artillerie war zu sehen. Man konnte nur den Kopf sch¨¹tteln, es sollte also wirklich dort einmarschiert werden, und es wurde auch. Der Vers?hnungstag 1938 stimmte einen besonders ernst, als ob man ahnte, es k?nnte der letzte in Kattowitz sein (14). Zun?chst gab es neue dramatische Vorf?lle, auch f¨¹r uns pers?nlich. Die Naziregierung hatte bisher Aufenthaltsrechte j¨¹discher polnischer B¨¹rger in Deutschland respektiert. Gleich nach M¨¹nchen hatten sie begonnen, ihre Aggressivit?t auch gegen Polen zu richten, noch im Oktober gab es Forderungen und dann pl?tzliche gewaltt?tige Ausweisung aller polnischer Juden, die einfach abgef¨¹hrt und an die n?chste polnische Grenzstation transportiert wurden. Man kann sich vorstellen, was solch eine sp?therbstliche, n?chtliche Aktion gegen ganze Familien und viele ?ltere Menschen an H?rte und Grausamkeit bedeutete. Jenny Gr¨¹nfeld, die schon betagte, unverheiratete Kusine des Vaters aus der Zalenzer Gr¨¹nfeld Familie, war einer Erbschaft wegen unl?ngst von Kattowitz nach Beuthen gezogen, hatte einen polnischen Pa?. Sie wurde auch zwangsweise nachts an die Grenze gestellt, die von den Polen zun?chst geschlossen wurde. An manchen Stellen zwangen die Nazis die Deportierten zu Fu? auf die polnischen Grenzposten zuzulaufen, es wurde eine grausame Nacht f¨¹r alle Betroffenen. Bei uns l?utete morgens das Telefon, meine Mutter fuhr an die Grenze, um die Tante auszul?sen. Sie hat dann in Kattowitz bei uns zu Hause bis zu Kriegsausbruch und Flucht gewohnt. Man erinnert sich, in Paris war der junge Gr¨¹nspan so ersch¨¹ttert ¨¹ber die Deportation seiner Eltern, da? er auf einen deutschen Diplomaten, der das nicht verdiente, ein Attentat ver¨¹bte. Die Nazis benutzten das in der Nacht des 9.November 1938 als Anla? f¨¹r die "Reichskristallnacht". In allen j¨¹dischen Gesch?ften wurden die Schaufenster eingeschlagen, und alle Synagogen in Deutschland sollten angez¨¹ndet werden. Durch einen seltsamen Zufall kamen wir diesem bis dahin massivsten Nazi Gewaltausbruch gegen die Juden auch selber ganz nahe. Gro?mutter und Walter Oettinger hatten uns nicht mehr in Kattowitz besuchen k?nnen. Ein "J" war in ihren Pa? gestempelt und Ausreise nur mit ordnungsgem??en Auswanderungspapieren erlaubt. Wir hatten mit dem Onkel ein Treffen in Beuthen f¨¹r 9.November verabredet, bevor man ahnen konnte, was an dem Tag passieren wird. Erika Schlesinger, Kusine aus der Zalenzer Gr¨¹nfeld Familie, hatte angeboten, in ihrer Wohnung in Beuthen zusammenzukommen. Auch mein Vater wollte mitfahren, um den Onkel Walter zu sehen. Am Morgen wu?te man schon in Kattowitz, was sich in der Nacht in ganz Deutschland und auch in Beuthen ereignet hatte. Wir h?rten von Erika, da? inzwischen weiter alle j¨¹dischen M?nner abgeholt oder gesucht und in Konzentrationslager gebracht wurden. Ihr Mann, er war protestantisch, war noch nicht abgeholt worden, aber man bef¨¹rchtete es. Da Onkel Walter schon angekommen war, fuhren wir auch nach Beuthen und nahmen teil an den Gef¨¹hlen und der Beklemmung, die die Vorg?nge der Kristallnacht bei den deutschen Juden ausl?sten. In der Wohnung wartete man ?ngstlich jede Minute, ob SS oder Polizei doch kommt, um den Arzt Dr. Schlesinger abzuholen. Man h?rte ¨¹ber andere Beuthener Verwandte, darunter den ¨¹ber 80 j?hrigen Onkel Wachsmann und Frau Bertha, ?lteste Tochter der Zalenzer Gr¨¹nfelds, und deren Kinder Weissenberg und Brann, die abgeholt und gezwungen wurden, die Nacht ¨¹ber mit an der brennenden Synagoge zu stehen. Am Nachmittag gingen wir auf die R¨¹ckreise, die Stra?en immer noch voll Glas und Tr¨¹mmer, eine bedr¨¹ckende Stimmung lag in der Luft. Die Vorg?nge hatten gro?en Nachhall von Abscheu und Zweifel im Ausland. So kurz nach den unerwarteten Konzessionen, die Hitler in M¨¹nchen gemacht worden waren und "Frieden f¨¹r unsere Generation" bedeuten sollten, brachte diese massive Exhibition Hitler'scher Grausamkeit und Zerst?rungswut gro?e Ern¨¹chterung und damit einen Schritt weg vom Geiste des Appeasements. Auch in Deutschland schien Zustimmung zu diesen Vorg?ngen nicht allgemein zu sein. Unser j¨¹ngerer Onkel Paul hatte 1937, als der Ablauf des Genfer Minderheitenschutzabkommens auch die Juden in Deutsch-Oberschlesien voll der Nazi Gesetzgebung aussetzte, sein Gesch?ft in Beuthen aufgeben m¨¹ssen und es seinem bisherigen Gesch?ftsf¨¹hrer Slamal, einem guten oberschlesischen Deutschen ¨¹berlassen. Er selbst konnte sich nicht zur Auswanderung entschlie?en und zog nach Berlin. Herr Slamal kam kurz nach der Kristallnacht nach Kattowitz und besuchte uns. Er war sehr ersch¨¹ttert und in Aufruhr ¨¹ber die Vorg?nge der Kristallnacht, es g?be viele, die seine Entr¨¹stung teilten. Er fand ¨¹berhaupt, da? es viel Ablehnung g?be. Neulich hatte er Besuch von einem Verkaufsdirektor von Krupp aus dem Westen, war zum Fr¨¹hst¨¹ck mit ihm verabredet. Als er ihn pflichtgem?? mit dem Hitlergru? begr¨¹?te, winkte der Besucher ab, nein bitte, da? k?nne er vor dem Fr¨¹hst¨¹ck schon ¨¹berhaupt nicht vertragen. So etwas gab es also, auch in solchen Kreisen, aber es hatte, leider, keine Konsequenzen. Im weiteren Verlauf des Winters wurde die Wendung Hitlers nun zu aggressiver Frontstellung auch gegen Polen immer klarer. Weihnachten besuchte uns Marianne. Sie hatte in England nach der Einladung bei Brahams und Sprachkursen eine Au Pair Stellung bei dem ?lteren, kinderlosen Ehepaar Dr. Kidd, er Naturwissenschaftler, gefunden, was auch mit Landwirtschaft zu tun hatte, und sie wurden ihr sehr gute Freunde. Daraus wurde dann Studium des Gartenbaus an der Universit?t Reading, so da? sie f¨¹r diese Zeit keine Aufenthalts-Schwierigkeiten in England hatte. F¨¹r nachher machte sie sich Sorgen. Man hatte sie f¨¹r Auswanderung nach Neuseeland begeistert, oder, wenn wir ihr finanziell von Kattowitz daf¨¹r helfen konnten, wollte sie ein kleines Gartenbaugrundst¨¹ck in England kaufen, wovon man bei harter Arbeit gut leben k?nnte. Die Eltern, meinte sie, k?nnten dann auch hinkommen, wenn Hitler auch bei uns angreift. Das Ehepaar Kidd wollte sie adoptieren, wie w¨¹rde Vater das nehmen? Ich fand man sollte ihm das nicht antun. Nat¨¹rlich war das ganz falsch. Sie wollte sich auch taufen lassen, was ohnehin ihren Neigungen entsprach, anders als Lotte und ich hatte sie nie eine positive Beziehung zu ihrem J¨¹dischsein. Arme Marianne, die Tragweite des Ernstes unserer Situation hatte man nicht richtig begriffen. Heute wei? ich es, man h?tte alles in Bewegung setzen, alles andere hintanstellen sollen, und versuchen sollen, ihr das Geld f¨¹r die kleine Gartenwirtschaft freizumachen und ihr nach England zu transferieren, und ihr zur Adoption durch die Professor Kidds zuraten sollen. Als ich sie zum Abschied auf die Bahn brachte, erz?hlte sie, Vater hatte ihr beim Abschied gesagt, sie w¨¹rden sich wohl nicht wiedersehen. Er ahnte und verstand es vielleicht viel besser. Die Stimmung ?ngstlicher Ungewi?heit erreichte einen neuen H?hepunkt und eigentlich den entscheidenden Wendepunkt mit Hitlers Einmarsch am 15. M?rz 1939 in die nach M¨¹nchen noch unabh?ngig verbliebenen Teile B?hmens und M?hrens, und Abtrennung der Slowakei von was bis dahin der tschechoslowakische Staat gewesen war. Es war mit hergebrachten Kategorien des Denkens schwer fa?bar. Nach all den Zusicherungen, die Hitler in M¨¹nchen gegeben hatte, marschierte er weiter. Churchill hatte es immer gesagt, Leute wie Schwarzschild hatten vergeblich versucht, Hitler die biedere Maske vom Gesicht zu rei?en, jetzt lie? er sie selber ganz unverfroren fallen. Die Wirkung war momentan. Als Hitler gleich darauf seine Forderungen an Polen betreffs Danzig und den Korridor stellte, verpflichtete sich England schon am 31.M?rz zu gemeinsamer englisch-franz?sischer Hilfe f¨¹r Polen. Nach weiteren f¨¹nf Monaten brach der 2.Weltkrieg aus. Nach der Besetzung Prags durch die Nazis ergo? sich ein Strom von politischen und j¨¹dischen Fl¨¹chtlingen an und ¨¹ber die tschechisch-polnische Grenze. Es waren dabei auch viele, die erst ein Jahr vorher von Wien nach Prag entkommen waren. Es fanden sich verborgene Wege ¨¹ber "die gr¨¹ne Grenze" und wegkundige Begleiter, f¨¹r politische Fl¨¹chtlinge einschlie?lich Journalisten wurde auch viel getan von den Deutschen Sozialdemokraten in Kattowitz unter Johann Kowoll. Viele, die entkommen konnten, lernte man in Kattowitz kennen, die Kaffeeh?user Skala und Opera waren voll von ihnen, es entstanden gute Bekanntschaften, ja Freundschaften, bei uns zu Hause kamen immer irgendwelche neue oder auch wiedergefundene Fl¨¹chtlingsfreunde zum Essen. Viele blieben nur kurz, hatten schon von Prag aus an Visas gearbeitet, oder konnten sie jetzt sich verschaffen, die Konsulate, besonders das englische hatten viel zu tun und versuchten so viel zu helfen, wie es London ihnen erlaubte, die polnischen Beh?rden dr¨¹ckten alle Augen zu. Polen war ja nun selber in der hei?esten Schu?linie. Die Leute, die da geflohen waren, sie erschienen beinahe schon Schicksalsgenossen. Viele der Fl¨¹chtlinge aber wurden von den Nazis bei Ankunft von Prag an der Grenze geschnappt und f¨¹r weitere Untersuchung interniert. So erging es meinem armen Vetter Wolfgang Gerber. Er war einige Zeit in Prag geblieben, er kannte ja das GfE Gesch?ft und sie hatten dort Auftr?ge f¨¹r ihn, mit sp?teren Bem¨¹hungen um Auslandsvisas hatte er noch keinen Erfolg gehabt, er war aus Prag geflohen, aber nicht bei uns angekommen, und wir hatten keine Nachricht. Bei Rosa Speier hatte ich damals das Ehepaar Kowoll getroffen, schlie?lich fuhr ich mit ihm wieder auf der Stra?e nach Teschen zu seinen Kontakten an der Grenze. Er erfuhr, da? Wolfgang auf der anderen Seite im Gef?ngnis sa?, es wurden in Berlin Nachforschungen gemacht, ob etwas gegen ihn vorliegt. Das klang nicht gut. Wenn man etwas ¨¹ber das Rassenschandeverfahren gegen ihn fand, w¨¹rde er wohl zur Aburteilung nach Deutschland gebracht werden. Wenn nichts vorlag, wurden die Fl¨¹chtlinge meist entlassen und konnten dann sehen, wie sie ¨¹ber die Grenze kamen. Die Fahrt mit Kowoll gab mir eine Idee von seiner wichtigen Arbeit, ich hielt mit ihm Kontakt aufrecht. Die wachsende Spannung zwischen Deutschland und Polen machte sich in Polens westlichen Provinzen besonders bemerkbar, Zeichen von Sympathie, ja Begeisterung von gro?en Teilen der deutschen Minderheit f¨¹r Hitlers Forderungen auf Abtretung polnischer Gebiete wurden immer markanter, es kam zu Zusammenst??en, jugendliche Deutsche flohen auf die deutsche Seite und bildeten dort Sto?trupps f¨¹r den Tag, der kommen sollte. Man war umgeben von dauernder Kampfstimmung um die Zukunft Polens, und es waren nicht nur die vielen Fl¨¹chtlinge aus Prag, die einem die Lage deutlich machten. Einer unser h?ufigen Fl¨¹chtlingsg?ste, fr¨¹her Syndikus der ?sterreichisch-englischen Handelskammer in Wien, schlug meinem Vater Besorgung von brasilianischen Einwanderungsvisen f¨¹r die ganze Familie vor. Es war schwer vorstellbar, mein Vater nahe 74 Jahre, finanziell waren wir sehr gebunden, die Parzellierung kam nur langsam vorw?rts, so auch unsere Entsch?digungsklagen. Als sich die Lage so zuspitzte, machten wir besondere Anstrengungen auch f¨¹r billigen Verkauf des gesamten Grundbesitzes. Als ein Interessent erschien unerwartet der polnische Bergarbeiterverband, noch immer unter F¨¹hrung von Herrn Grajek wie zur Abstimmungszeit, jetzt war er Mitglied des polnischen Senats in Warschau. Er fand, sein Verband sollte die Grundst¨¹cke erwerben, aber konnte nicht allein entscheiden. Ich war interessiert zu h?ren, wie das mit seinen Erwartungen ¨¹ber Aussichten f¨¹r einen Krieg zusammenhing. Ja, sagte der Senator Grajek, ich wei?, was Sie denken, aber die Schicksale des Krieges sind wechselhaft, ich wei?, wenn die Deutschen angreifen, wir werden schon weichen und Grund aufgeben m¨¹ssen, aber wir werden dann wiederkommen. Das war also ein alter polnischer Oberschlesier, Bergarbeiterf¨¹hrer. Ich habe oft an diesen Ausspruch gedacht. So wie es dann kam, haben wir es uns beide wahrscheinlich in diesem Sommer 1939 kaum vorgestellt. Die Verhandlungen kamen nicht zum Zuge. Es gelang uns aber in den Wochen vor Kriegsausbruch die vier Geb?ude, Wohn- und B¨¹roh?user, die noch von dem Betrieb der Ziegelei her bestanden, zu verkaufen, und so hatten wir bei Kriegsausbruch etwas fl¨¹ssige Mittel, um f¨¹r das Gr?bste zun?chst ger¨¹stet zu sein. Das brachte uns dann aber schon bis in die letzten Tage des August 1939. Es gab immer st?rkere Anzeichen, da? Hitler eine Vermittlung ¨¹berhaupt nicht haben wollte, da? er ganz auf Krieg setzte. Ich hoffte noch, wenn er sich ¨¹berzeugt, da? England und Frankreich wirklich f¨¹r Polen in den Krieg gehen, er doch noch zur¨¹ckschreckt. Aber die Spannung wuchs, wir begannen, wieder zu beraten, was man tun w¨¹rde, wenn es wirklich... Die Eltern w¨¹rden in Kattowitz bleiben, das wurde eigentlich immer angenommen. Wenn die Deutschen kommen sollten, f¨¹r die Eltern als alte Leute, und sie hatten ja auch verschiedene alte Bekannte, hoffte man, es k?nnte kaum so schlimm werden, wie auf einer Flucht. Wir Kinder w¨¹rden weggehen, weder ich noch mein Schwager sollten riskieren, den Nazis, falls sie in Kattowitz einr¨¹ckten, in die H?nde zu fallen. Da war, wenn man die Lage betrachtete, noch die offene Frage, was Ru?land im Konfliktfall tun w¨¹rde. Man wu?te, London und Paris verhandelten intensiv, aber es schien zu keiner Vereinbarung zu kommen. Trotz aller politischen Aggressivit?t und autokratischem Gebaren, wie sie es zum Beispiel im Spanischen B¨¹rgerkrieg gezeigt hatten, ich selbst sah die Russen nicht als milit?risch aggressiv an. Waren sie daf¨¹r genug ger¨¹stet? Einstellung zu ihnen war eine sich wiederholende Kette von versuchtem positivem Interesse und gewaltiger Entt?uschung. Ich hatte das ja auch lebhaft in Literatur und Presse der deutschen Emigration verfolgt. Mitte der drei?iger Jahre, als man desillusioniert wurde ¨¹ber die Haltung der Westm?chte gegen¨¹ber Hitler, bem¨¹hte man sich, herauszufinden, ob Ru?land doch sich als eine Hoffnung f¨¹r fortschrittliche und freiheitliche Gesinnung entwickeln k?nnte. Die Vergangenheit war nicht ermutigend. Gab es Entwicklungen, die zu Hoffnung berechtigen konnten? Zu wem konnte man hinsehen, wenn der Westen zu beginnen schien, sich mit Hitler abzufinden? Es gab Erkundigungs-Pilgerschaften nach Moskau, auch Thomas Mann ging. Lion Feuchtwanger blieb sogar lange ein Getreuer, Schwarzschild hielt Distanz, und in Prag machte Willy Schlamm in der Weltb¨¹hne sogar einen Salto und wurde einer der heftigsten Ru?landgegner. Das hat man damals alles sehr miterlebt. F¨¹r mich war mit Stalins S?uberungsprozessen und Exekutionen wieder einmal alles vor¨¹ber. So war es ja schon in Deutschland sp?testens 1932 beim Verkehrsarbeiterstreik in Berlin gewesen. Man konnte sich nur abwenden, und so war es ja auch mit der Behandlung von linken Abweichlern im Spanischen B¨¹rgerkrieg, die Orwell zum Feinde machten, und auch als Arthur Koestler entt?uscht aus Ru?land in den Westen zur¨¹ckkehrte. Nun wartete man, konnten die Westm?chte als Trumpfkarte gegen Hitler doch noch zu einem Abkommen mit Ru?land kommen? Dann kam das r¨¹de Erwachen als Stalin einen Pakt mit Hitler schlo?. Nun schien der Ausbruch des Krieges fast unabwendbar. Viele gingen schon fort von Kattowitz. Lotte reiste mit Nina nach Lemberg ab, viel Haushaltsgut, auch z.B. Silber von den Eltern wurde dorthin geschickt. Ich war zweifelhaft ¨¹ber die Wahl von Lemberg in ukrainischer Umgebung, w¨¹rde ein Krieg sich nicht auch bald auf den Balkan ausdehnen, mit Rum?nien und Jugoslawien, Restmitglieder der Kleinen Entente und Verb¨¹ndete Frankreichs? Aber viele Bekannte und Freunde gingen nach Lemberg. Manche aber waren schon vor Monaten nach Warschau gegangen, hatten dort Wohnungen gemietet. Ich war auch f¨¹r Flucht in Richtung Warschau, wenn einem schon nicht mehr Chance und Zeit blieb, noch eine Reise ins westliche Ausland zu versuchen. Manche unserer Bekannten waren vorsorglich auf Ferien gegangen. Man konnte in Polen damals Ausreiseerlaubnis und kleine Devisenzuteilung f¨¹r Ferienreisen nach Frankreich oder England bekommen. Bis in die allerletzten Tage des August war ich aber mit Vater noch mit den verschiedenen Notariatsterminen und anderem im Zusammenhang mit den Hausverk?ufen "unabk?mmlich". Mein Schwager plante schon w?hrend dieser Tage, auch nach Lemberg zu fahren, aber er war noch in Kattowitz, als es im Laufe des 31. August ganz klar wurde, da? Hitlers Angriff auf Polen unmittelbar bevorsteht. In Polen wurde Mobilmachung erkl?rt, der zivile Verkehr auf der Eisenbahn sollte um Mitternacht eingestellt werden, der letzte Zug von Kattowitz nach Warschau um 9.30 Uhr abends abgehen. Ich begann meinen Koffer zu packen. Mein Schwager wollte im kleineren Skoda Wagen, den er immer benutzte, nach Lemberg fahren. Manchmal hatte ich gedacht mit unserem alten gro?en Mercedes wegzufahren, hatte Telefongespr?che mit Johann Kowoll ¨¹ber die Lage und ob wir nicht zusammen wegfahren w¨¹rden, aber woher sollte das Benzin f¨¹r so einen schweren Mercedes im Kriegsfall kommen? Ich war auch kein guter Fahrer, es kam also f¨¹r mich auf die Eisenbahn heraus. Ich rief Kowoll noch an, er hatte auch gesagt, J. Maier vom "Der Deutsche in Polen" war auch interessiert, aber es war niemand mehr da, das Telefon antwortete nicht mehr. Ich packte fertig, nur ein handlicher Koffer, man mu?te leicht und beweglich sein, es waren sehr hei?e Sommertage, so packte man also. Ahnte man, wie lange es sein w¨¹rde, da? man nie wiederkommen, die Eltern nie mehr sehen w¨¹rde? Man konnte es nicht ausschlie?en. Es gab einen herzzerrei?enden, ganz kurzen Abschied, es war beinahe, als ob Mutter doch dachte, die Eltern sollten auch mitfahren. Mein Schwager brachte mich auf den Bahnhof, wir verabschiedeten uns, er wollte noch die Nacht durch nach Lemberg zu Lotte und Tochter fahren. Als polnischer Staatsb¨¹rger war ich ja milit?rpflichtig, hatte zun?chst Aufschub f¨¹r mein Studium erhalten. Als ich mich 1931 zur Musterung stellen mu?te, wurde ich wegen Kurzsichtigkeit zur Kategorie C eingeteilt, vom Dienst befreit, aber konnte im Fall einer Mobilmachung doch eingezogen werden. Ich hatte einen entsprechenden Milit?rausweis erhalten, unter Personalien stand da auch "Nationalit?t: Deutsch", "Religion: mosaisch". Neben meinem Pa? hatte ich diesen Ausweis auch bei mir, als ich nun meinen Zug bestieg. Kapitel 8 Der 2.Weltkrieg bricht aus Der Zug war ¨¹bervoll. Mein einziger Koffer lag da irgendwo oben, ich stand oder vielmehr hing an dem Handgriff, der von der Decke kam, so voll war das Coup¨¦, gesprochen wurde kaum. Von Station zu Station kamen noch Leute in den Zug, erst nach langer Zeit erreichte der Zug das so nahe Sosnowiec, und da es Mitternacht war und der Zivilverkehr eingestellt wurde, sollte der Zug nicht weitergehen. Man sollte aber warten. Auf dem Bahnsteig sprach mich ein untersetzter Mann mittleren Alters auf deutsch an. Er war ein j¨¹discher Anwalt aus Chemnitz, der aus Prag nach Kattowitz geflohen war, und hatte mich, wie er sagte, ?fters im Caf¨¦ Skala gesehen. Er war ganz allein, sprach kein Wort polnisch. Was f¨¹r ein Elend, dachte ich. Er hatte geh?rt, am Ende des Zugs sei ein spezieller Wagen f¨¹r Fl¨¹chtlinge aus der Tschechoslowakei, k?nnte ich ihm helfen, dorthin zu kommen. Wir kamen auch dort an, es war ein Salonwagen, f¨¹r tschechische politische Fl¨¹chtlinge, wie es sich herausstellte, vielleicht waren auch einige Prominente darunter, sie taten eher so, jedenfalls f¨¹r ihn hatten sie keinen Platz, er w?re ja nur ein "wirtschaftlicher" Fl¨¹chtling. Wir mu?ten abziehen, er sprach immerfort deutsch mit mir, wir wurden aufgehalten, mu?ten uns ausweisen, er fuhr dabei gut, er hatte von der polnischen Polizei in Kattowitz einen Fl¨¹chtlingsausweis erhalten. Ich mu?te meinen Milit?rausweis zeigen, da stand ja Nationalit?t deutsch, Bekenntnis mosaisch. Das schien schwieriger f¨¹r die Bahnhofspolizei, er konnte gehen, ich blieb verhaftet. Dann hie? es, der Zug geht doch weiter, ich wurde freigelassen und stieg wieder in mein Coup¨¦, es war mehr Platz, ich konnte sitzen, und wir fuhren auf Umwegen Dombrowa-Olkusz, kamen nach Wolbrom. Es kam schon die Morgend?mmerung und man sah eine Gruppe von Flugzeugen, sie flogen niedrig, pa?ten sich den Konturen des h¨¹geligen Gel?ndes an, eigenartig und unheimlich. Waren das schon deutsche Flugzeuge? Man wu?te es nicht, aber konnte wenig Illusionen haben. Es gab also doch Krieg, all die letzten Bem¨¹hungen des 31. August, belgischholl?ndisch noch, waren wohl gescheitert, es war nun der fr¨¹he Morgen des 1. September. Die eigene Situation war schwer zu glauben. Zu Hause waren die Eltern geblieben, hier war ich allein in diesem Zug, wohin fuhr er? Wo f¨¹hrte das alles hin, versank jetzt alles, was man kannte? Ich sah einen Lichtblick: Es w¨¹rde wohl das Ende Hitlers sein, auch Deutschland w¨¹rde von ihm befreit werden, aber was war der Preis? Was hie? Krieg 1939 verglichen mit 1914? Was w¨¹rde die Zerst?rung durch Flugzeugbomben sein? Man hatte von Guernica viel geh?rt, w¨¹rden alle St?dte im Nu zerst?rt werden? F¨¹r meine eigene Situation hatte ich ja schon in Sosnowiec noch einen zus?tzlichen geh?rigen Schock bekommen. Schon in den Wochen vor Kriegsausbruch war ja die Luft voll gewesen von Furcht und Verd?chtigungen gegen eine 5. Kolonne, jetzt nahm das noch ganz andere Formen an. Auf einer Zwischenstation hatte ich die Abteilt¨¹r ge?ffnet, mein Weggenosse aus Chemnitz war froh, mich wiederzuentdecken und stieg ein, wir sprachen wieder deutsch, ich versuchte, es zu beschr?nken. Man wartete auf die n?chste gr??ere Station, Tunel, Knotenpunkt mit der Bahn von Krakau nach Warschau, was w¨¹rde man dort h?ren, wie war das mit diesen Flugzeugen? Die Abteilt¨¹ren gingen auf, man sprach die ersten Leute, ja, deutsche Flugzeuge waren gekommen und hatten Bomben abgeworfen. Also das war es, der Krieg war da. Es war noch fr¨¹her Morgen am 1.September. Alles war bedr¨¹ckt und aufgeregt, dann kam Polizei, jemand im Coup¨¦ mu?te sie gerufen haben, wir beide wurden verhaftet. Es war wieder dasselbe, auf seinen Fl¨¹chtlingsausweis wurde er gleich freigelassen, ich mu?te warten. Es war wohl auch besser, da? wir uns trennten. Schlie?lich konnte ich auch weiterfahren, mu?te nochmals den Zug wechseln, es gab weitere deutsche Fliegerangriffe, aber ich kam in Warschau an und fand ein Zimmer im Hotel Angielski. Meine Freunde Zygmunt und Hannah Krieger hatten auch eine Wohnung in Warschau gemietet und waren schon vor Wochen dorthin gezogen. Ich rief an, sein Bruder, Bankier Hennek, war auch da, wohnte bei ihnen, ein Prokurist der Bank, Zygmunt Rossh?ndler war grade angekommen, da ich ein Doppelzimmer im Hotel hatte, k?nnte er nicht zu mir kommen. Ja, nat¨¹rlich. Auf der Stra?e und im Caf¨¦ traf ich einige Kattowitzer, den Schulkameraden "Julek" darunter, ¨¹berhaupt manche deutsche Juden mit polnischen oder deutschen P?ssen. Von der Vereinigten Holzindustrie Viktor Bulowa und Frau, sie wollten mit ihrem Auto nach Schweden, ja das w¨¹rde mich interessieren, sie wollten mich wissen lassen. Es gab Sirenen, Luftangriffe, schon schlechte Nachrichten von deutschen Erfolgen in den Grenzgebieten. Am Sonntag 3.September sa?en wir im Caf¨¦ vor dem Hotel Europejski, als die Nachricht ¨¹ber Englands Kriegserkl?rung durchkam, es war eine enorme Erleichterung, man sp¨¹rte es allgemein, vor den Botschaften Englands und Frankreichs gab es Sympathiekundgebungen (1). Zum Abendbrot verabredete ich mich dort also mit dem Schulfreund, mein Hotel war ganz nahe dem Europejski. Es entsprach zwar den Gewohnheiten f¨¹r einen Besuch in Warschau, aber an dem Tag war es wohl eine irre Idee. Ich bekam eine Tisch f¨¹r zwei, aber er kam nicht, ich sah immerfort nach ihm aus, fiel wahrscheinlich auf, bestellte mein Essen, nachher in der Toilette verwickelte mich einer von diesen pfadfinder?hnlich gr¨¹n gekleideten jungen M?nnern mit Luftschutzabwehrtaschen umgeh?ngt in eine Unterhaltung, erz?hlte mir ¨¹ber verschiedene deutsche Angriffe und die Wirkungen, die sie hatten, wollte wissen, was ich geh?rt h?tte. Mit meinem holprigen Polnisch und heftigem Akzent sprach ich so wenig wie m?glich, ging zum Tisch und zahlte. Als ich aus der T¨¹r auf die Stra?e kam, wurde ich von zwei Bewaffneten verhaftet und in die Festung von Warschau gebracht, tief im Keller. In einem ziemlich gro?en Raum waren schon etwa 40 Leute, man konnte sitzen. Es war eine eigenartige Mischung, ich sah Bekannte, das Ehepaar L?bel aus Kattowitz, er aus Bayern mit deutschem Pa?, ich hatte sie schon am Morgen getroffen, einige ?hnliche F?lle. Von verschiedenen Polen, die dort auch sa?en, wurde besonders ein deutscher katholischer Geistlicher beschimpft, dem man nicht glauben wollte, da? er vor Hitler auf der Flucht war. Es wurde nicht viel gesprochen, pl?tzlich sah ich Ernst Berliner hereinkommen. Der j¨¹ngste Bruder des Schulfreundes Ludel Berliner hatte sp?t in Freiburg sein Chemiestudium beendet, war dann auch mit uns in Kattowitz, wir hatten uns gut kennengelernt. Da er ein sehr gutes Examen gemacht hatte, bekam er ein Stipendium f¨¹r die Harvard University, ein amerikanisches Visum und Schiffsbillet von Gdyngen f¨¹r die letzten Augusttage. W¨¹rde er es noch schaffen? Nun sah ich, er hatte es nicht mehr geschafft, war offensichtlich von Gdyngen noch nach Warschau gekommen, und nun fand man sich im Keller der Citadelle. Zun?chst blieben wir alle dort unten. Bei mir meldete sich mein Asthma besonders stark, und ich hatte meine Tabletten gar nicht mit. Die Nacht wurde eine Qual. Morgens wurden wir in Gruppen in ein B¨¹ro gef¨¹hrt, ein sehr ruhiger und sachlich scheinender Offizier pr¨¹fte die Ausweise; man wurde dazu aufgerufen, er sah meinen Milit?rpa?, fragte nach meinem zweiten Vornamen. Ich kannte ihn als Hans, aber z?gerte, stand da vielleicht auf polnisch Jan? Ich entschied mich daf¨¹r, es stimmte, ich wurde entlassen, ging eine schiefe Ebene hinauf, an deren Ende man von weitem Licht sah. Mir entgegen wankte ein vollkommen mit stellenweise durchbluteten wei?en Verb?nden bedeckter Mann, er schien im Delirium, an den Seiten standen mehrere Wachen mit ihren Gewehren auf ihn gerichtet, anscheinend um sein Entkommen zu verhindern. Ich konnte durchgehen, ein grausiger Eindruck, dieses Ende einer schrecklichen Episode. Auf der Stra?e sah ich bald eine Apotheke, sie war schon offen, kaufte meine Tabletten, konnte dann besser gehen. Im Hotel ging ich nach dieser Nacht im Festungskerker gleich unter die Dusche, und da war ich noch, als Zygmunt Rossh?ndler hereinst¨¹rzte, seine Sachen zusammenpackte und Adieu sagte. Er fahre mit Dr. Krieger weg aus Warschau, hoffe ¨¹ber Lemberg herauszukommen. Wie ich da stand, konnte ich nicht gut mitfahren. Das war's denn. Ich rief bei meinen Freunden Krieger an, erz?hlte, was mir passiert war. Da der Bruder Hennek nun weg war, hatten sie das Zimmer frei und luden mich ein, zu ihnen heraus zu kommen. Das pa?te mir sehr. Sulkiewicza 8 war ein ganz neues Sechsfamilienhaus in einer kleinen Seitenstra?e der Belwederska, direkt am Lazienki Park, es h?tte nicht sch?ner, passender und ruhiger sein k?nnen. Passend auch, denn au?er meinen Freunden Kriegers hatten noch zwei andere Zuz¨¹gler aus Kattowitz dort Wohnungen gemietet: Ferdinand Baender mit Frau und noch sehr junger Tochter Steffi; er besa? ein gro?es Haus an der Grundmannstra?e in Kattowitz mit einem Konfektionsgesch?ft, hatte aber in Breslau gelebt, war von dort 1938 mit der Oktoberaktion der Nazis vertrieben worden und dann nach Warschau gekommen. Die anderen Zuz¨¹gler waren Erich Steinitz mit Familie; seine Firma L. Borinski, liiert mit der Familie Weichmann, hatte den alten Kolonialwaren- und Produktengro?handel in Kattowitz durch ein gro?artiges Delikatessengesch?ft erg?nzt. Beide hatten schon Logierbesuch aus Kattowitz. Bei Steinitzs wohnten die alten elterlichen Freunde Dr. Max Koenigsfelds und bei Baenders Dr. Hurtigs (2). Der Hausbesitzer Rosen.....hatte auch eine der Wohnungen, eine andere Ing.Zandberg, der selber beim Milit?r war, seine Familie war da und mit ihnen Frau Dr. Krz. aus Gdyngen und Tochter Helena, Studentin. Sie war zum Luftschutzwart des Geb?udes ernannt worden. Das war also das Kompliment unseres Hauses, in dem wir die kommenden Wochen Belagerung, Fall und Okkupation von Warschau zusammen erleben sollten. Ich erz?hlte Kriegers, wie ich Ernst Berliner traf, und sie schlugen vor, da? er auch kommen sollte. Die Kriegers selber zogen dann bald in eine Pension in der Stadt und lie?en uns die Wohnung (mit Dienstm?dchen Bolla) h¨¹ten. Man war nat¨¹rlich fast dauernd mit allen Hausbewohnern zusammen, denn zunehmend spielte sich das Leben im Luftschutzkeller ab. Das Radio spielte eine gro?e Rolle, es wurde sehr gut gef¨¹hrt, dem Ernst der Stunden angemessen, viele Bekanntmachungen, Reden, Kommentare, Musik, viel klassische, auch das bekannte Warschauer Orchester unter dem alten Fitelberg. Am st?rksten in Erinnerung blieb das Pausenzeichen, der Anfang von Chopins Polonaise A-dur, immer wieder, und dann die omin?sen Signale: "uwaga, uwaga nadchodzi..", es schien die M?glichkeit eines baldigen Airraid Alarms anzudeuten, Sirenen und alles wieder in den Keller. Dazwischen sollte man auf der Belwederska helfen, Luftabwehrgr?ben auszuheben. Helena war verantwortlich, da? man da mithalf. Ich habe das erkl?rt, ich wollte nicht nochmals riskieren, als verd?chtig von patriotisch begeisterten Mithelfern denunziert zu werden. Das verstand man auch. Wenn ich hinausging, dann um mitzuhelfen bei der Versorgung der Freunde mit Lebensmitteln. Diese wurden sehr knapp, je mehr sich die Lage in Warschau versch?rfte. Man mu?te alle Vorkost-, Fleischer- und B?ckerl?den der Umgebung abklappern, um einfach irgendetwas zu beschaffen. F¨¹r besondere Gelegenheiten erwies sich Erich Steinitz sehr gro?z¨¹gig und verteilte Konserven und anderes von den Vorr?ten, die er aus seinem Gesch?ft nach Warschau gebracht hatte. Ihm geb¨¹hrte wirklicher Dank daf¨¹r. Es war sehr schnell gegangen, da? die Stadt Warschau de fakto von deutschen Truppen belagert war. Schon vom 3.September an hatten sich die Luftangriffe sehr verst?rkt und schlechte Nachrichten ¨¹ber Zusammenbruch polnischer Verteidigung in den Westgebieten Polens h?uften sich. Die Deutschen hatten ja zugeschlagen, als die Mobilisierung in Polen noch in den Anf?ngen war, Teile der Zivilbev?lkerung in den polnischen Westgebieten begaben sich auf panische Flucht, ¨¹berf¨¹llten Verkehrsmittel und Stra?en, auch Warschau f¨¹llte sich mit Fl¨¹chtlingen, aber auch mit versprengten Truppen von Heeresteilen, die im Westen aufgerieben wurden, und es kamen die ersten Transporte von Verwundeten. Die M?glichkeit Warschau zu halten wurde bald in Zweifel gestellt, die Regierung ordnete zun?chst Verlegung der ?mter auf das Ostufer der Weichsel an und beschlo? schon am 4.September Verlegung von Warschau nach Lublin, die am 5 und 6 eilig durchgef¨¹hrt wurde; auch der Staatspr?sident verlie? Warschau. Aber der Gedanke, Warschau aufzugeben, drang nicht durch, der B¨¹rgermeister Stefan Starzynski wurde zum Zivilen Kommissar f¨¹r die Verteidigung ernannt, und schlie?lich gab auch der Oberkommandierende General Rydz-Smigly von Lublin aus den Befehl zur Verteidung Warschaus und ernannte daf¨¹r einen milit?rischen Kommandanten. Starzynski gab ihr seine starke Note. Sein Name war mir gut bekannt, er war ein prominenter Vertreter der wirtschaftspolitischen Ideen des Pilsudski Regimes, eben des Etatismus, und ich hatte viel ¨¹ber und von ihm gelesen. Nun h?rte man ihn t?glich mit seinen Radioansprachen an die Bev?lkerung und mu?te seine Energie und seinen Mut bewundern, mit der er alles versuchte, die Verteidigung, das Funktionieren der technischen Einrichtungen und Feuerwehr und die Versorgung der Bev?lkerung so lange wie m?glich aufrecht zu erhalten. Als ¨¹bergang von "mittelbarer" zu "unmittelbarer" Verteidigung Warschaus wird der 8.September angesehen, als Beschie?ung mit Feldartillerie begann und die ersten deutschen Panzerabteilungen in der Umgebung von Warschau getroffen wurden, am 9. begann schon Feuer von schwerer Artillerie. Obgleich die Stadt schon von den verschiedensten Seiten her unter Angriff war, gab es immer wieder Reste polnischer Heeresgruppen, die sich durchschlugen und in die Stadt kamen, ebenso wie viele Zivilfl¨¹chtlinge. Neben dem Artilleriefeuer und meist mit ihm abwechselnd, gab es fortgesetzte Luftangriffe, die Zerst?rung und gro?en Br?nde waren furchtbar, viele Tote wurden schon oft nur an Stra?enr?ndern begraben. Die Spit?ler waren ¨¹berf¨¹llt, viele fielen Zerst?rung oder Br?nden zum Opfer, ¨¹ber der geschundenen, verzweifelt k?mpfenden Stadt breitete sich eine riesige Rauchschicht, der Himmel wurde gelb von all dem Schwefel, den man auch stark riechen konnte und einatmen mu?te, er wechselte bald von gelb in lila-gelb, rotgelb, blaugelb, die Detonationen peinigten. Die Haltung und Stimmung der Bev?lkerung in allen Teilen blieb exemplarisch, es war eine Atmosph?re der Bereitschaft und Einigkeit, solidarischer Handlungen und Verst?ndnisses. Starzynski trug mit seinen Ansprachen wohl entscheidend dazu bei, aber auch viele Organisationen von B¨¹rger- und Arbeiterschaft. W?hrend von au?erhalb der Regierungslager stehenden Kr?ften die sozialistischen Arbeitergruppen unter dem Veteranen Niedzialkowski einen prominenten Platz im Beirat des kommandierenden Generals einnahmen (3), nahm man die Mitarbeit, zu der die J¨¹dische Gemeinde und andere J¨¹dische Organisationen aufgerufen hatten, wohl als gegeben an, sie waren im Verteidigungsrat nicht vertreten. Dabei war etwa ein Drittel der Bev?lkerung Warschaus j¨¹disch. Starzynski hatte in seinen Ermahnungen an die Bev?lkerung h?ufig von der Wichtigkeit der Sauberhaltung von Stra?en und H?usern gesprochen und dabei auch das dicht besiedelte j¨¹dische Viertel, das Warschauer Ghetto erw?hnt und an die j¨¹dische Bev?lkerung appelliert. Au?er den deutsch-j¨¹dischen Bewohnern unseres Hauses hatten sich noch eine ganze Reihe anderer in der n?heren Umgebung gefunden, auch hatten wir Besuch von dem urspr¨¹nglich polnisch-j¨¹dischen Dr. Alberg aus Kattowitz, wo er als Syndikus von Giesche arbeitete, auch spanischer Honorarkonsul war. Er war Katholik geworden. Nun schien er sehr aktiv bei der Verteidigung Warschaus. Sein Vater aber war ein sehr typischer Warschauer Jude, mit entsprechendem Akzent, er kam uns ?fters besuchen. Als das j¨¹dische Neujahrsfest kam, wurde in Erich Steinitz's Wohnung gebetet, er war sehr kompetent daf¨¹r, es waren nostalgische Stunden. Die Chronik verzeichnet etwas ruhigere Tage vorher, da deutsche Truppen von Warschau wegen der Schlacht mit polnischen Heeresteilen an der Bzura abgezogen wurden, aber am 13.September griff die deutsche Luftwaffe mit gr??ter Vehemenz wieder an, mit 150 Gro?br?nden verzeichnet f¨¹r diesen Tag, mit besonders heftigen Verlusten im j¨¹dischen Stadtteil. Die Bev?lkerung der Stadt zeigte gro?e Beherrschung und Starzynski dankt ihr besonders f¨¹r den Einsatz beim L?schen der Br?nde. Die Deutschen melden am 14., die Polen dann f¨¹r den 16., da? der Ring um Warschau vom Osten her auch geschlossen ist. Deutsche Versuche, in die Stadt einzudringen, werden noch erfolgreich abgewiesen, Artilleriefeuer steigert sich am 17. zu bisher unerlebter Intensit?t, die Chronik berichtet ¨¹ber um 5000 Geschosse in weniger als 20 Stunden, und dazu kamen noch die Luftangriffe wie eine Arbeitsteilung der Angreifer. Auch machte sich ein Rhythmus bei der Artillerie bemerkbar, die Batterien strichen mit ihrem Feuer in bestimmten Abst?nden und Intervallen ¨¹ber unseren Stadtteil oder Vorort, so da? man schon erwarten konnte, wann sie bei uns oder in n?chster N?he einschlagen k?nnten. Dann gab es auch Pausen, vermutlich f¨¹r Fr¨¹hst¨¹ck etc. Als es zu solch enggezieltem Artilleriefeuer kam, war der Platz doch auch im Luftschutzkeller, vorher hatte man sich schon so an Artillerie gew?hnt, da? man auch bei leichterer Beschie?ung heraus oder auch in die Stadt ging. Am 17. September wurde auch das Elektrizit?tswerk durch Feuer besch?digt. Als das wichtigste Ereignis dieses 17.September erwies sich aber die Meldung vom Einmarsch russischer Truppen in die Ostgebiete Polens. Kriegers hatten in ihrer Wohnung einen sehr guten Radioapparat und wir konnten uns gut informiert halten. Au?er dem Warschauer Radio h?rten wir nicht nur deutsche Stationen, sondern auch Sendungen der BBC, und so h?rten wir auch sofort ¨¹ber dieses schicksalhafte Ereignis. So empfand ich es und habe spontan gesagt, wir haben schon viel erlebt, aber das wird sich als das schwerwiegendste erweisen, die Russen haben angefangen zu marschieren, wahrscheinlich werden sie erst am Rhein halt machen. Warum ich diesen blitzschnellen Gedanken hatte? Es stellte sich ja auch zun?chst als ganz falsch heraus, dann aber auch gar nicht, es wurde aber nur die Elbe, und das ist schwerwiegend genug geworden f¨¹r Europa. Man wu?te damals dort in Warschau am 17.September 1939 nicht, ob das eine gezielte aber einseitige Abwehrma?nahme der Russen im Hinblick auf die schnellen deutschen Erfolge in Polen war. Da? es ein abgekartetes Spiel war, schon im Hitler-Stalin Abkommen vom 22.August vorgesehen, das begann man erst langsam zu ahnen. Der Warschauer Bev?lkerung wurde die Nachricht zun?chst vorenthalten. Es war ja auch f¨¹r die Menschen im belagerten und verzweifelt sich verteidigenden Warschau eine ersch¨¹tternde Wendung. Als Ernst Berliner und ich in den Luftschutzkeller kamen und niemand etwas geh?rt hatte, haben wir zun?chst auch nichts gesagt, aber am n?chsten Tag ging das dann im Laufe von den ¨¹blichen Unterhaltungen ¨¹ber die Lage doch nicht mehr. Warum hatte das Warschauer Radio nichts gesagt? Au?er unseren engeren Bekannten glaubte man uns nicht recht, nur Frau Zandberg schien anzunehmen, da? ich nicht Unsinn rede. Aber als die n?chsten Nachrichtensendungen des Warschauer Radios immer noch nichts sagten, da sah sie mich auch vorwurfsvoll an, und Helena sagte, wenn wir Sie nicht sch?tzten und sie nicht ganz sympathisch f?nden, m¨¹?te ich eigentlich jetzt daf¨¹r sorgen, da? Sie an die Wand gestellt und erschossen werden. Dann am 19.September kam doch die Nachricht, und die Betretenheit schlug breite Wellen. Nichts ¨¹ber Hilfe hatte man vom Westen geh?rt, jetzt wurde der Rest Polens von den Russen verschlungen, Warschau und sein Kampf blieben einsam und allein. Die Not wuchs ins Ungeheuerliche, Stra?enr?nder und Pl?tze f¨¹llten sich weiter mit Gr?bern, es brannte ¨¹berall, H?user st¨¹rzten ein, in der Versorgung mit Strom gab es St?rungen. Die Chronik verzeichnet schon f¨¹r den 16. September Anstrengungen des Diplomatischen Korps, auf ein Abkommen mit den Deutschen f¨¹r eine Evakuierung der Ausl?nder hinzuarbeiten, und verzeichnet die Evakuierung am 21. September von 178 Mitgliedern des Diplomatischen Korps und 1200 anderen Ausl?ndern (4). Im noch immer intensiver werdenden Artilleriefeuer und bei Fliegerangriffen verbrachten wir dann den Vers?hnungstag, wieder auch mit Gebet bei Steinitz, oft unterbrochen, wenn man doch in den Keller mu?te, und an diesem 23. September deutete die Intensit?t des Feuers darauf hin, da? die Deutschen den Angriff auf die Stadt vorbereiteten. L?rm, Feuer, Rauch, Schwefelgeruch, der gelb-rote Himmel lie?en einem kaum Atem daran zu denken, was uns passieren wird, wenn die Deutschen einr¨¹cken sollten. Die Elektrizit?tsversorgung brach am 24. September vollkommen zusammen und damit auch die Radiosendungen, die Wasserversorgung versagte weitgehend, Feuer konnte kaum noch gel?scht werden. F¨¹r den 25. verzeichnet die Chronik Luftangriffe von 7 Uhr morgens bis abends. Ich erinnere mich, das waren Stuka (Sturzkampf) Flieger, eine unbeschreibliche Tortur, und es gab zu jeder Zeit des Tages etwa 200 gleichzeitige Br?nde in der Stadt. Am 26. September beschlo? die milit?rische F¨¹hrung und der Verteidigungsrat mit den Deutschen ¨¹ber Kapitulation zu verhandeln. Am 27.September, um 14 Uhr, trat ein Waffenstillstand ein, die deutschen Truppen waren jetzt unter dem Kommando des Generals v. Blaskowitz, der die wenigen von polnischer Seite gestellten Bedingungen annahm. Dann gab es Verhandlungen, zu denen au?er den Bevollm?chtigten des polnischen Milit?rs auch der B¨¹rgermeister Starzynski zusammen mit technischen Beamten der Stadtverwaltung kommen mu?te, die f¨¹r Gesundheit, Elektrizit?ts- und Wasserversorgung verantwortlich waren. Die Deutschen verlangten die Stellung von zw?lf Geiseln aus allen Teilen der Bev?lkerung, unter ihnen war auch Schmuel Zygielboim von der j¨¹dischen Arbeiterorganisation "Bund", dessen Name ich vorher noch nicht geh?rt hatte (5). Unter deutscher Besetzung Der erste Eindruck war, da? die Deutschen sich mit einiger Vorsicht an die Aufgabe des Einmarsches und der Besetzung der Stadt herantasteten. Es war ja wohl auch keine allt?gliche Operation, eine Millionenstadt, die sich milit?risch verteidigt hatte, ihre technischen Einrichtungen weitgehend zerst?rt, zu besetzen und daf¨¹r ein Abkommen mit Milit?r und Stadtverwaltung zu verhandeln. Der Einmarsch deutscher Truppen war erst f¨¹r die n?chsten Tage angesagt, aber aus der Stadt wurde uns berichtet, da? an einigen Punkten Soldaten in polnischer Uniform erschienen, die Deutsche waren. Noch am 30.September schien es unklar, ob der Einmarsch stattgefunden hatte oder wie weit er gekommen war (6). In unserem Haus Sulkowicza 8 habe ich damals keine deutschen Truppen erlebt, wie ein Wunder blieben wir verschont, aber aus naher Nachbarschaft gab es bald schreckenerregende Berichte. Es war nun nicht so, da? deutsche Einheiten und schon gar nicht Milit?r kamen und blindlings Juden ermordeten, aber es zeigte sich sofort, da? Juden weitgehend vogelfrei waren, jeder Willk¨¹r ausgesetzt und eben in st?ndiger pers?nlicher Gefahr, auch Gefahr ihres Lebens. Meine erste Assoziation war, Leben unter dieser deutschen Okkupation in Warschau, das war wie "die ganze Zeit Reichskristallnacht". Soldaten waren zun?chst gleich auf Missionen geschickt, Wohnungseinrichtungen zu requirieren, die von der Besatzungsmacht gebraucht wurden. Das war wohl nicht ungew?hnlich, wenn fremdes Milit?r einr¨¹ckte. Aber hier wurden sie in j¨¹dische Wohnungen geschickt. In der Nachbarschaft kam eine Truppe, lie? sich best?tigen, da? die Bewohner Juden sind und begannen, alle Betten wegzutragen. Die alte Gro?mutter war krank, sie wurden gebeten, wenigstens das eine Bett ihr zu lassen, der befehlende Leutnant wollte das auch tun, da trat einer seiner Leute hervor und fragte ihn, "sind das nun Juden, oder nicht?". Das Bett wurde auch mitgenommen. Das war so einer der Berichte, die einem vermeintlich Anhaltspunkte geben konnten, wie es bei den Deutschen damals aussah. Die Frage danach hatte ja einen wesentlich weiteren Rahmen, als wie sie es mit dem Antisemitismus hielten: Es hatte immer wieder Anzeichen und Berichte gegeben ¨¹ber hohe milit?rische Opposition gegen die nationalsozialistische Regierung, die dann im Widerspruch gegen die mehr abenteuerlichen Pl?ne Hitlers zum Vorschein kam. Dar¨¹ber hatte man vor dem Einmarsch in ?sterreich und der Tschechoslowakei geh?rt, es gab die R¨¹cktritte v. Fritzschs und v. Becks, und nun hatte man w?hrend der Belagerung geh?rt, da? der fr¨¹here Oberbefehlshaber Generaloberst v. Fritzsch aus seinem 1938 erzwungenen Ruhestand heraus mit den deutschen Truppen vor Warschau gek?mpft habe. Hie? das, da? er dann von Warschau zur¨¹ckkommen und die Wehrmacht dann Hitler zum R¨¹cktritt zwingen w¨¹rde, um einen Friedensschlu? mit England und Frankreich zu erreichen? Das war so eine der fl¨¹chtigen Spekulationen ¨¹ber ein m?gliches rechtzeitiges Ende der Katastrophe, in die Hitler die Welt gest¨¹rzt hatte. In unserer deutsch-j¨¹dischen Enklave dort in Warschau hatten wir von den Meldungen oder Ger¨¹chten ¨¹ber Fritzsches Anwesenheit au?erhalb Warschaus Notiz genommen (7). Noch zwei weitere Episoden aus den ersten Tagen der Okkupation fallen mir ein zu unserer sehr intensiven Frage, wie es bei den Deutschen damals aussah. Der alte Dr. Koenigsfeld kam von einem ersten Erkundungsgang in die Stadt zur¨¹ck. Vor dem nahen Eingang zum Schlo? Lazienki hatten zwei Schilderh?user gestanden, jetzt mit zwei deutschen Soldaten besetzt, auf der Belwederskastra?e fuhren gerade Lastautos vorbei, voll besetzt mit schwarzuniformierten SS Leuten, die ersten, die er in Warschau sah, und so ging es anscheinend auch den beiden Soldaten; er h?rte, wie der eine zum anderen rief "na, die haben uns hier grade noch gefehlt". Der alte Dr. K?nigsfeld freute sich diebisch, das zu h?ren. Also so etwas gab es doch noch. Dann war da noch Gustav T. aus Karlsruhe, der in eine der alten deutsch-j¨¹dischen Familien nach Kattowitz geheiratet hatte und auch in Warschau gestrandet war. An einer Stra?enecke hatte ein Auto mit deutschen Offizieren gehalten und die dort wartenden Passanten gefragt, ob jemand deutsch spricht. Neben ihm Stehende hatten auf ihn gewiesen, und er sollte ins Auto zusteigen, wurde gleich gefragt, wie er mit seinem Badenser Akzent hier nach Warschau verschlagen wurde. So wie er uns das erz?hlt hat, betonte er, ich mu? Ihnen gleich sagen, ich bin Jude, vielleicht hatten sie es ohnehin gesehen, jedenfalls sagte der H?chstrangige sofort, aber das macht uns gar nichts, das wird jetzt sowieso alles anders, da k?nnen Sie versichert sein. Das gab es also auch. Aber ausgemacht f¨¹r den weiteren Verlauf der Dinge hat es eben nichts. Au?er unserem besonderen Problem, wie sich die Okkupation f¨¹r die Juden gestalten wird, gab es ja aber noch die allgemeine Not der Stadt, wie sie langsam nach der Belagerung wieder zum Leben finden k?nnte. Die ersten Tage, mit Wasser und Strom noch unterbrochen, waren schwierig, da? es nicht mehr scho?, brannte, der Himmel langsam nicht mehr gelb und schweflig war, half, aber man mu?te weit laufen, um sich nach Wasser anzustellen. Es war nach dem hei?en September fr¨¹h herbstlich k¨¹hl geworden, die modernsten H?user, wo es nicht mal mehr Herde f¨¹r ein K¨¹chenfeuer gab, sondern alles auf Strom eingestellt war, hatten es am Schlimmsten, in H?fen, Gartenpl?tzen und Stra?en stellten die Bewohner kleine Roste auf, um sich eine Suppe zu kochen; den Anblick werde ich nicht vergessen. Der ?ffentliche Verkehr spielte sich ausschlie?lich mit Leiterwagen ab, gro?e und kleinere, man konnte Pl?tze bekommen, aber eigentlich lief man nur, weite Wege in die Stadt und dort und wieder zur¨¹ck, viele waren auf den Beinen, es kamen nach der Belagerung neue Sch¨¹be von Fl¨¹chtlingen aus der Provinz in gro?en Mengen, es kamen aber auch langsam mehr Lebensmittel. Das schien leichter zu bekommen als manches andere. Statt der Gesch?fte gab es zun?chst an den Stra?en nur H?ndler, die von B?nken oder in St?nden verkauften, was grade noch zu bekommen gewesen war aus den Tr¨¹mmern und nach Pl¨¹nderungen in den allerletzten Tagen der Belagerung. Die Zerst?rung in der Stadt war gro? und bedr¨¹ckend, nach meinem Eindruck war es etwa ein Drittel aller Geb?ude, die durch Bomben- oder Brandsch?den zerst?rt waren, und da waren die vielen Gr?ber auf den Stra?en. Ich ging auch bald in die Stadt, ich hatte ja nur Sommerkleidung mitgenommen, es dauerte eine Weile, bis ich etwas finden konnte, Gesch?fte richteten sich langsam wieder ein, sogar einen Wintermantel konnte ich auftreiben. Ein wichtiger Besuch war zu dem Rechtsanwaltsfreund aus Kattowitz Marek Reichmann, der schon eine ganze Reihe Verbindungen aufgenommen hatte, die mit dem brennendsten Thema, wie man aus Warschau wegkommen k?nnte, zu tun hatten. Auf dem Weg nicht so weit von unserer Wohnung hatte ich die Schwedische Botschaft entdeckt, und da? da jemand drin war (8). Am n?chsten Tag warf ich einen Brief ein, adressiert an Ragnar Nilson, Chef der immer noch zum Restbesitz meiner nach London ausgewanderten Dahlemer Verwandten geh?renden AB Ferrolegeringar Stockholm, den ich in Dahlem ?fters getroffen hatte. Ich bat ihn, nach London mit meiner Adresse mitzuteilen, da? ich in Warschau die Belagerung ¨¹berlebt habe. Ich hoffte, so auch vielleicht etwas ¨¹ber meine Eltern und Schwestern zu h?ren. Es gab unterdessen auch Verbindungen mit Kattowitz, und ich habe da schon geh?rt, da? meine Eltern gar nicht dort geblieben waren. Als ich mich am Bahnhof am 31.August nachts von meinem Schwager verabschiedete, fuhr er nicht sofort zu Lotte nach Lemberg, sondern ¨¹bernachtete noch bei sich zu Hause. Als die deutschen Bomber am fr¨¹hen Morgen gekommen waren, fuhr er erst zu meinen Eltern, und da entschlossen sie sich, doch mit ihm die Autofahrt nach Lemberg zu riskieren. Von Lemberg, nun unter russischer Besetzung, hatten wir zun?chst in Warschau noch keine Nachrichten. Mittlerweile war verschiedentliche Bewegung in die Frage des Wegkommens von Warschau gekommen. Erstens gab es schon Traffik ¨¹ber die "gr¨¹ne Grenze" von und nach dem russisch besetzten Teil Polens, eben auch Lemberg, wo ich Lotte und ihre Familie und vielleicht auch meine Eltern glaubte (9). In Kattowitz waren eines Tages alle j¨¹ngeren j¨¹dischen M?nner verhaftet und nach Osten abtransportiert worden (10), n?mlich an die Grenze der russischen Besetzungszone, dort wurden sie herausgelassen und befohlen ¨¹ber die Grenze zu rennen. Es wurde auch nach ihnen geschossen dabei, einige, so auch mein Freund Ludel Berliner kamen in Lemberg an, andere z?gerten, verbargen sich und tauchten dann bei uns in Warschau auf, konnten alles erz?hlen. F¨¹r ein Wegkommen setzte ich aber Hoffnungen auf doch noch einen Weg nach dem Westen, denn es gab auch die Italienische Botschaft, die offen war und Transitvisa erteilte. Von anderen Konsulaten, zum Teil wohl auch Honorarkonsulen, tauchten unterde? P?sse auf, die man kaufen konnte, und einige Bekannte hatten schon beinahe alles zusammen um abzureisen. Es war eine Verordnung ergangen, die auch Ausreisegenehmigungen f¨¹r Juden vorsah, ?hnlich wie ja auch in Deutschland auch nach der Kristallnacht und noch nach Kriegsausbruch Ausreise von Juden zun?chst m?glich war. Meine Freunde Krieger, die wieder in ihre Wohnung gezogen waren, hatten sich auch bald irgendwelche Visa beschafft, auf die hin man dann ein italienisches Transitvisum und durch das polnische Reiseb¨¹ro "Orbis" auch eine Ausreisegenehmigung der deutschen Besatzungsbeh?rde erhielt. Sie reisten ab, wohl schon gegen Ende Oktober, und Ernst Berliner und ich zogen in die untere Wohnung in unserem Hause, von wo die Familie Steinitz auch schon ins Ausland abgereist war. Eines Abends wurde ich in Sulkowicka 8 mit sehr ernster Miene empfangen. Am Nachmittag war meine Tante Jenny Gr¨¹nfeld da, nach einem Fu?marsch ¨¹ber die russisch-deutsche Zonengrenze von Lemberg her in Warschau angekommen. Sie wollte mir berichten, da? meine Eltern mit ihr und meinem Schwager am Morgen des 1.September auch nach Lemberg geflohen und dort angekommen waren, am 17.September Lotte und Familie weiter gefahren sind, in der Hoffnung nach Rum?nien zu entkommen. Meine Eltern blieben mit ihr in Lemberg, mein Vater kam in ein Krankenhaus mit einer Lungenentz¨¹ndung und starb dort am 20.September. Tante Jenny war mit meiner Mutter allein zur¨¹ckgeblieben, aber wollte zur¨¹ck nach Beuthen gehen, meine Mutter wollte in Lemberg bleiben, lie? mir aber sagen, ich sollte auf keinen Fall dorthin kommen, sondern versuchen, nach dem Westen auszureisen. Da Tante Jenny auf mich gar nicht mehr warten wollte, wurde mir das alles von dem Ehepaar Dr. K?nigsfeld schonend beigebracht. Ich war wie erschlagen, das war ein trauriges Ende f¨¹r meinen Vater, Ende eines einst so stolzen Lebens. Und die Situation meiner Mutter dort in Lemberg, es war kaum auszudenken, mein Vater starb an dem Tag, als Lemberg schon von deutschen Truppen angegriffen, sich ihnen ergeben hatte, sie zogen aber nicht ein, sondern ¨¹bergaben die Stadt den Russen. Am Tag ihres Einzugs wurde mein Vater begraben. Das spiegelt so die ganze Verwicklung dieser ersten Kriegswochen wider. Heute, wo man ¨¹ber das Schicksal der unter deutscher Hoheit verbliebenen Juden, Auschwitz und Theresienstadt wei?, mu? man es eigentlich noch als ein gn?diges Schicksal empfinden, aber das war damals nicht so, es war eine bittere Nachricht, inmitten all des Ungl¨¹cks um mich herum in Warschau (11). Ende Oktober mu?ten sich alle j¨¹dischen Einwohner Warschaus registrieren(12), der Aufruf ging an alle Juden, also nicht wie deutsche Rassegesetze. Es lie?en sich noch manche schnell taufen, um zu vermeiden, sich durch Nichtregistrierung strafbar zu machen. Ich tat das nicht, wir registrierten uns. Der Aufruf schuf gro?e Ver?ngstigung, war das nun die Einleitung zu strengeren Ma?nahmen gegen die Juden? Es hatte ja immerfort Grausamkeiten und Schikanen gegeben. Auf der Stra?e konnte man von unterschiedlich Uniformierten angehalten und, wenn man Jude war, um Pelz, Mantel oder Geld gebracht werden. Juden wurden zur Zwangsarbeit in den Ruinen requiriert, man sah dort in zunehmender K?lte die bejammernswerten Gestalten von b?rtigen Kaftanjuden, auf zusammenst¨¹rzenden Ruinenmauern oder -ger¨¹sten bei der ungewohnten und ungelernten Zwangsarbeit. Was f¨¹r ein Elend. Mit der polnischen Bev?lkerung teilte man die Furcht vor Vergeltungsma?nahmen des deutschen Milit?rs: wenn einem Deutschen etwas zustie?, wurden 100 Leute als Geiseln zusammen gelesen und erschossen; es konnte jeden treffen, der grade vor¨¹berging. F¨¹r die polnische Bev?lkerung wurden die katholischen Feiertage Allerheiligen/Allerseelen am 1.und 2.November eine eindrucksvolle Kundgebung stillen Widerstands. Ich kannte diese katholischen Totengedenktage von Oberschlesien, wo man auf den Friedh?fen Kerzen auf meist blumen- oder tannengeschm¨¹ckten Gr?bern sah. Nun hier in Warschau brannten sie auch auf den vielen Gr?bern, die auf Stra?en und Pl?tzen w?hrend der Belagerung entstanden waren, es war bewegend zu sehen. Es konnten ja kaum nur Angeh?rige von Umgekommenen sein, die das ganze Lichtermeer bereitet hatten, man schlo?, da? dies organisiert war, als Demonstration eines Untergrundwiderstands. Weiteres wurde dann von den Deutschen f¨¹r den 11. November bef¨¹rchtet, Waffenstillstandstag des 1. Weltkrieges und Jahrestag der Gr¨¹ndung der Polnischen Republik 1918. Es entstand erhebliche Nervosit?t und Spannung, man erwartete eine Verhaftungswelle, und wie viele andere zog ich es vor, diesen Tag nicht in der Wohnung, wo ich registriert war, zu verbringen. Ich fand Unterkunft bei Dzidzia Kapellner, einer Verwandten der Krieger Familie. F¨¹r die Juden war unterde? weitere Panik und Verzweiflung ausgebrochen, da bekannt gemacht wurde, da? in K¨¹rze f¨¹r alle die sofortige Umsiedlung in die Gegend des alten Warschauer Ghettos angeordnet wird. Das konnte dann nur der Anfang zu wesentlich Schlimmerem sein. Man wu?te schon, da? es bisher in Warschau noch eher besser zugegangen war als zum Beispiel in Lodz und vielen kleineren Orten. Aus Lodz waren viele Fl¨¹chtlinge weiter nach Warschau gekommen. In unserer Enklave hatten wir Besuch von Bruno Altmann, dem Pr?sidenten der J¨¹dischen Gemeinde Kattowitz, der zun?chst nach Lodz entkommen war und nun in Warschau ankam. Der Schreck und Kelch mit dem Umzug ins Ghetto ging zun?chst vor¨¹ber, der Plan wurde verschoben (13). Wie man wei?, wurde die Umsiedlung ins Ghetto dann aber doch im Herbst 1940 begonnen. Zu dieser Zeit war ich schon aus Warschau entkommen. Bem¨¹hungen um eine Ausreisem?glichkeit hatten bei mir ganz absolute Priorit?t, nur so konnte ich es doch noch schaffen. Kein Risiko konnte mich abhalten, daf¨¹r immer wieder in die Stadt zu wandern. Es wurde auch h?chste Zeit. Man konnte mit seinem polnischen Pa? abreisen, die deutsche Ausreisegenehmigung beschaffte das alte polnische Reiseb¨¹ro Orbis als separate Bescheinigung, man brauchte gar keine deutschen Amtsstellen zu sehen. Die Schwierigkeit war ein Visum zu bekommen, auf das die Italiener dann ein Transitvisum erteilen konnten. Gut hatten es Bekannte wie Ernst Berliner mit seinem amerikanischen Stipendium und Visum, ausnahmsweise hatten die Italiener einmal ein echtes Visum zur Weiterreise von Italien vor sich. Die beiden T?chter der Dr. Koenigsfelds waren schon vor dem Krieg nach Brasilien ausgewandert, die Eltern erwarteten also auch echte Auswanderungsvisen. F¨¹r Andere mu?te versucht werden, Visas zu kaufen. Es mu?ten immer wieder neue Kombinationen gefunden werden, die f¨¹r ein italienisches Transitvisum gut waren. So bereitwillig anscheinend die Italienische Botschaft war, es mu?te ja dann auch in Italien klappen. Das erste Pech dabei hatten schon die Zygmunt Kriegers gehabt. Die italienischen Grenzbeh?rden hatten schon etwas Nachteiliges ¨¹ber die spezifische Kombination bemerkt, die Kriegers wurden trotz Transitvisum nicht hereingelassen und kamen in ein deutsches Transitlager. In dieser Notlage konnten ihre Gesch?ftsfreunde aber sehr schnell damals ein Visum nach der Schweiz f¨¹r sie bekommen, von wo aus sie dann Auswanderung nach Brasilien arrangieren konnten. Das waren eben die Risiken mit diesen "Kombinationen", denen ich auch ins Auge sehen mu?te. Was immer man hatte, konnte sich als schon "abgenutzt" herausstellen, wenn man an der italienischen Grenze ankam, und dann war man in gro?er Gefahr. Der Weg hinaus f¨¹hrte von Warschau mit schon verkehrendem Schnellzug nach Wien und dann nach Triest ¨¹ber die Grenze bei Tarvisio. Es gab schon auch eine "Gr¨¹ne Grenze" nicht nur nach Ru?land, sondern auch nach S¨¹den, Slowakei und Ungarn. Das war die Route besonders f¨¹r Polen, die sich der in Frankreich entstehenden polnischen Armee anschlie?en wollten, aber man konnte auch f¨¹r private Fluchtm?glichkeiten sorgen. Gesundheitlich kam das f¨¹r mich aber gar nicht in Frage, nach schweren Asthmaanf?llen in den letzten Tagen der Belagerung war ich noch immer in schlechtem Zustand, wir waren ja alle ziemlich verhungert gewesen, ich konnte an eine Flucht zu Fu? ¨¹ber die Karpathen nicht denken. Ragnar Nilson hatte mich unterde? mit dem seit einiger Zeit in Z¨¹rich er?ffneten B¨¹ro der Ferrolegeringar in Verbindung gebracht, wo mir Dr. Hans Krakenberger und Hans Grelling von Berlin her noch gut bekannt waren. Sie gaben mir die Warschauer Adresse von Frau Janina Nejfeld, falls man sich wegen Ausreisem?glichkeiten gegenseitig helfen k?nnte. Sie war Witwe des fr¨¹heren Vertreters des Konzerns in Polen und hatte selbst die Vertretung noch weitergef¨¹hrt. Sie war jetzt aus Lodz nach Warschau gekommen und hatte mit Z¨¹rich Kontakt aufgenommen. Wir hatten beide das Gef¨¹hl, da? man bei Ankunft in Italien auf erste Hilfe von diesem B¨¹ro in Z¨¹rich hoffen konnte. Visas waren schon schwer zu beschaffen. Die n?chste "Kombination", die Marek Reichmann fand, dann auch selbst benutzte und mir anbot, war einfach eine Bescheinigung in den Pa? geklebt, da? f¨¹r den Inhaber bei Ankunft in Triest ein Zertifikat zur Einreise nach Pal?stina bereit liegt. Die Italienische Botschaft war bereit, auch darauf ein Transitvisum zu geben. Es kostete ebenso viel wie ein "besseres" "richtiges" Visum; das ganze wurde f¨¹r eine Gruppe arrangiert, wobei die H?lfte, ich eingeschlossen, zahlt, und die andere H?lfte nicht, n?mlich alles verdiente zionistische Funktion?re mit Familien, und zwar, etwas zu meinem Leidwesen, Revisionisten. So jedenfalls wurde mir das erkl?rt. Ich lernte zwei der Revisionisten auch kennen (14). Alles ging auch durch "Orbis", wo ich au?er in Marek Reichmanns Wohnung ein beinahe t?glicher Besucher wurde. Vom 1.Dezember an (15) wurde f¨¹r Juden das Tragen eines wei?-blauen Davidsternabzeichens verordnet. Es war also kein "Gelber Fleck" wie in den Deutschland einverleibten westlichen Gebieten. Was es auch war, das Leben wurde gef?hrlicher, nicht zuletzt das Risiko von der Stra?e weg zu Zwangsarbeit requiriert zu werden. Man ¨¹berlegte sich jeden Morgen, was das gr??ere Risiko war, mit oder ohne den Davidstern auszugehen. Wochentags in die Stadt ging ich meist ohne das Abzeichen, f¨¹r sonnt?gliche Besuche von Freunden in den Vororten dachte ich, man kann sich den Luxus des Davidsterns erlauben, denn es wurde ja kaum gearbeitet. Das Risiko ihn nicht tragend ertappt zu werden war wochentags geringer als das Tragen des Sterns, wenn man ertappt wurde, konnte es aber total sein. Daran hatte man sich eben gew?hnen m¨¹ssen, nach dem Risiko von Artilleriefeuer und Bomben w?hrend der Belagerung war jetzt das Risiko der Konfrontation mit SS und Gestapo oder ihren geringeren Helfern getreten. Ich mu?te Gott danken, mit welchem Gl¨¹ck ich in der Okkupationszeit meine Anonymit?t behalten konnte und davonkam. Die einzige Begegnung mit einem SS-Mann in Warschau verlief auch harmlos. In der Wohnung von Marek Reichmann, der selbst schon abgereist war, erschien ein junger, anscheinend oberschlesischer SS-Mann, gestikulierte wild und machte Ans?tze zu schreien, wollte pr¨¹fen, wer da ist. Er war offenkundig ein Anf?nger, noch nicht lange bei der SS, das Schreien kam ihm nicht nat¨¹rlich. Eine andere Besucherin Frau B., gefragt ob sie j¨¹disch ist, sagte nein, aber setzte dann hinzu, sie sei getauft, seit dem 24.Oktober (also eben vor dem Registrierungsstichtag 29. Oktober). Ich sah sie fassungslos an, dann mu?te ich l?cheln, auf dem Gesicht des SS Manns war auch ein breites Grinsen. Er zog sich bald zur¨¹ck, er hatte wohl gemerkt, da? er sich hatte ertappen lassen, da? er doch ein Mensch war. Noch war die Gefahr f¨¹r mich nicht vor¨¹ber, meine Abreise verz?gerte sich. F¨¹r Benutzung eines Schnellzuges brauchte man eine Genehmigung, und Juden waren Schnellz¨¹ge neuerdings verboten. Orbis hatte noch keine L?sung f¨¹r mich. Eine kleine Verbesserung in den Verh?ltnissen war noch gewesen, da? der Postverkehr von und zwischen dem besetzten Warschau und Orten in Deutschland aber auch dem neutralen Ausland schon gut funktionierte. So hatte ich Kontakt nicht nur mit Z¨¹rich, sondern auch der noch in Berlin lebenden Familie, Gro?mutter und Onkel Walter Oettinger, von der Gr¨¹nfeld Familie die Epsteins und Hans Hirschel. Kontakt hatten wir von unserer Enklave auch weiter mit Erika Schlesinger in Beuthen, wo Tante Jenny unterde? zur¨¹ckgekehrt war, und durch das Hausm?dchen von K?nigsfelds mit den vielen traurigen Vorg?ngen in Kattowitz. Ich war sehr ger¨¹hrt, als durch sie der K¨¹rschnermeister Klimanek, zur katholischen deutschen Gruppe geh?rend, bei dem wir jeden Sommer unsere Pelze aufbewahrten, mir den Pelz meines Vaters nach Warschau schickte. Ich bekam auch einige Kondolationen zum Tode meines Vaters, so eine besonders bewegende von dem deutschen Baumeister Kutchera, Nachfolger meines Vaters in verschiedenen Berufsverb?nden. Die Verwandten in Berlin rieten, ich soll doch versuchen, zu ihnen zu kommen. In diesen ersten Kriegsmonaten hatte man wohl noch keine richtige Vorstellung dort, was das Schicksal der in Deutschland zur¨¹ckgebliebenen Juden sein w¨¹rde. Als ich meine Papiere mit D-Zugbillet nach Triest bei Orbis endlich abholen konnte, um mit dem n?chsten D-Zug am 10. Januar 1940 abzufahren, wurde ich gefragt, ob ich bereit bin, mit einer alten polnischen Dame und ihrem Enkelsohn zusammen zu fahren, da sie gar kein Deutsch sprechen. Es war eine Frau Aleksandrowicz, Mutter des amtierenden polnischen Konsuls in Triest, und dessen kleiner Sohn. Ich war verwundert, vielleicht war es ganz nat¨¹rlich, da? man bei Orbis auf diese Idee kam, aber in Wirklichkeit, dachte ich, war meine Passage unter einem gr??eren Risiko als die der alten Dame. Ich sagte aber doch zu. In der Sulkiewicza 8 gab es einen bewegten Abschied. Bei den freundschaftlichen Gef¨¹hlen, die sich entwickelt hatten, wurde es so schwer, sie alle dort ihrem so ungewissen, aber doch so bedrohend schwer aussehende Schicksal zur¨¹ckzulassen. Ich hatte schon lange versucht, besonders den Familien Baender und Hurtig zur Ausreise zuzureden, sie h?tten die Mittel in Warschau gehabt aber hatten Sorge f¨¹r das Leben im Ausland. Ich meinte, es ist noch niemand verhungert, und was einen in Warschau erwartete, sah grimm aus. Ich nahm Abschied. Es war ein sehr kalter Winter geworden, 1939/40, so war es ja in ganz Europa. Der Zug sollte gegen 10 Uhr abends gehen, ich traf jemanden von Orbis auf dem Perron, der mich mit Frau Aleksandrowicz bekannt machte. Wegen des Wetters versp?tete sich die Abfahrt des Zuges um einige Stunden, wir mu?ten bei minus 26 Grad auf dem ¨¹berf¨¹llten Bahnsteig warten. So fing die Fahrt schon mit einer schweren Probe an, dann ging es ganz glatt, vor Kattowitz verschwand mein Gesicht unter meinem Mantel und blieb. Man mu?te annehmen, da? wir den Anschlu? an den Zug, der unsere Wagen durchgehend nach Wien plombiert und ohne Grenzkontrolle durch das "Protektorat" (die besetzte Tschechoslowakei) bringen sollte, schon l?ngst vers?umt hatten, die Versp?tung war des kalten Wetters wegen nur noch gr??er geworden. Mir ahnte nichts Gutes, selbst nachdem ich Kattowitz ohne Zwischenfall passiert hatte. So war es auch; wir hatten keinen durchgehenden Zug nach Wien, mu?ten einen Zug im "Protektorat" nehmen und eine unvorhergesehene Grenzkontrolle zwischen dem "Protektorat" und ?sterreich in Breclav (Lundenburg) passieren. Sie wurde f¨¹r mich sehr unangenehm. M?nner und Frauen wurden getrennt, Frau Aleskandrowicz konnte mit ihrem Enkelsohn gehen, mich grillten drei SS-Leute. Ich dachte zeitweise nicht, da? ich davon komme, einer schien ein fanatischer und grober Judenhasser, die beiden anderen mehr zivilisiert, zum Schlu? fanden sie wohl, sie sollten meine Ausreisegenehmigung aus Warschau honorieren. Die Aleksandrowiczs warteten schon besorgt auf mich, wir fuhren nach Wien weiter, mu?ten den Bahnhof wechseln. Das waren wohl auch die Dinge, wegen der man mich gebeten hatte, sie unter meine Obhut zu nehmen. Wir a?en Abendbrot am S¨¹dbahnhof und fuhren dann nach Triest weiter. An der deutschen Grenzkontrolle nach Italien erschienen nochmals SS Leute, stolzten provokativ umher, schrien, aber es war wohl mehr ein Einsch¨¹chterungsman?ver, wir kamen ohne Schwierigkeiten durch, dann auch an der italienischen Kontrolle, meine "Kombination" schien also noch zu halten. Als der Zug weiter fuhr in Richtung Udine ¨¹berkam mich ein gro?es, unverge?liches Gef¨¹hl der Erleichterung. Es war kaum vorstellbar, nun schien ich gerettet vor Nazis und Gestapo, was f¨¹r eine Wendung. Sicher, die Zukunft war ungewi?, noch mit vielen undurchsichtigen Wolken verh¨¹llt, aber das war eine Erl?sung, wie man sie selten empfinden konnte. Frau Aleksandrowicz bemerkte das gleich, wie ich f¨¹hlte und nahm Anteil. Die Fahrt hinein nach Triest hoch ¨¹ber den unwirtlichen, windgefegten Karst nahm sich auch wie eine schicksalsvolle Reise aus, beim Abschied bat sie, ich m?chte doch ihren Sohn bald im polnischen Konsulat besuchen. Kapitel 9 Kriegsfl¨¹chtling In Transit in Italien Es war mein erster Besuch in Italien. In Triest war es auch kalt und unfreundlich, mich reizte der bunte, geschichtliche Hintergrund, man sp¨¹rte die Nachbarschaft Jugoslawiens und manches von der ?sterreichischen Vergangenheit. Es gab viele Fl¨¹chtlinge und andere Reisende. Von meinen Kattowitz-Warschauer Freunden war die Familie Steinitz noch dort, auf Emigration wartend. Er war ein gro?er Lehrmeister, wie man als Fl¨¹chtling so sparsam wie m?glich leben mu?te. Ich nahm gleich Kontakt mit Z¨¹rich auf, die Nachricht, da? ich aus Warschau entkommen war, wurde schnell in der Familie verbreitet, Lotte und Familie waren in Bukarest, standen in Kontakt mit meiner Mutter in Lemberg. Jetzt konnte ich wenigstens in Korrespondenz mit ihnen sein. Von Marianne h?rte ich aus England und auch von der Dahlemer Familie, Tante Grete, Herbert mit Frau Ery und der j¨¹ngere Bruder Ernst. Er hatte arrangiert, da? Lotte und Familie in Bukarest bei den Eltern des gemeinsamen Freundes Ralph Kleeman wohnen konnten. Beim polnischen Konsul Aleksandrowicz wurde ich freundlich, aber etwas zur¨¹ckhaltend empfangen. Ich vermutete, da? er ¨¹ber mich r?tselte, als ich meine Personalien und Lage erkl?rte. Mit meinen Papieren sollte ich so schnell wie m?glich Italien verlassen, und Frankreich schien am n?chsten. Ich erkundete mich beim Konsul, ob er mir dabei helfen k?nnte, ich w¨¹rde mich dann f¨¹r die polnische Armee stellen. Er winkte gleich ab, ich war ja Kategorie "C" wegen Kurzsichtigkeit, die polnische Armee in Frankreich war noch sehr klein und konnte nur gut trainierte Leute mit vorherigem Armeedienst brauchen. Der n?chste Besuch war beim B¨¹ro der Jewish Agency. Laut meinen Papieren lag dort f¨¹r mich ein Zertifikat f¨¹r Einwanderung nach Pal?stina, was ich ja nat¨¹rlich gar nicht geltend machen wollte, aber ich sah den Leiter des B¨¹ros Dr. Goldin, um mich ¨¹ber M?glichkeiten zu erkunden, wie man nach Pal?stina kommen kann. Ich fand auch, da? ich die Bescheinigung in meinem Pa? ¨¹ber ein Zertifikat erw?hnen mu?te. Es war mir nicht klar, ob er ¨¹ber diese "Kombination" aus Warschau zu fliehen, zum ersten Mal h?rte, jedenfalls zeigte er sich emp?rt und sagte mir, ich h?tte in Warschau bleiben sollen. So provoziert, teilte ich noch mit, da? auch andere, darunter sehr aktive Zionisten, und zwar Revisionisten mit solchen Papieren ankommen, da sagte er, die sollen dort bleiben. Ich traute meinen Ohren nicht, wei? er, was er da sagt, fragte ich. Ich begann zu verstehen, da? es in Zionistischen ?mtern nur strikt politische Kategorien gab, die hatten mit charitativem Denken oder Gef¨¹hlen nichts zu tun. Seit der Nachricht vom Tod meines Vaters hatte ich an keinem Gottesdienst mehr teilgenommen, in Triest nun ging ich Freitag abends in die Synagoge, um das Kaddisch Gebet zu sagen, und das habe ich dann versucht, bis zum Ende des Trauerjahrs aufrecht zu erhalten, wo immer ich nahe einer Synagoge war. Es hie? Bekanntschaft mit ganz verschiedenen Gemeinden und Gottesdienstformen, eine traurige, aber auch anregende und wichtige Erfahrung gerade in dieser Zeit der Verfolgung. Ich blieb nicht lange in Triest, fand, da? Marek Reichmann und Familie sich in San Remo aufhielten, und beschlo?, dort herauszufinden, wie man nach Frankreich gelangen kann. Anscheinend gab es daf¨¹r Wege ¨¹ber die Gr¨¹ne oder auch die Blaue Grenze, n?mlich mit einer Motorbootfahrt, aber sehr riskant. Ich machte Halt in Mailand, wo Ernst Berliner war, auch Danek Zins aus Kattowitz, Pianist und Begleiter des Tenors Jan Kiepuras, und Frau B. mit Tochter, und traf einen polnischen Diplomaten, fr¨¹her Handelsdelegierter in Hongkong, der erkl?rte, warum Leute wie er jetzt in der Emigration soviel Kontakt mit j¨¹dischen Landsleuten suchten. Die Juden, fand er, haben einen so ausgepr?gten Sinn f¨¹r Kommunikation, und das ist, was wir jetzt als Emigranten alle brauchen. Es war auff?llig, wie eng sich der Kontakt in der Emigration, wo immer man hinkam, gestaltete. In Mailand lernte ich auch einen ?lteren Mitemigranten, Anwalt aus Lemberg, auch Danzig, Dr. Parnes kennen, den ich sp?ter in Rom wiedertraf. Er wurde dann f¨¹r mein rechtzeitiges Wegkommen von Italien entscheidend. Der kalte Winter 1939/40 hielt noch immer an, Mailand war tief im Schnee. Erst auf der Fahrt nach Genua s¨¹dlich der Bergkette ?nderte es sich etwas, und da war auch das Erlebnis der Mittelmeer-Vegetation mit Pinien anstatt der gewohnten B?ume. In San Remo fand ich eine billige Pension. Die Unbilden von Belagerung, Okkupation, Reise und andauernder Ungewi?heit machten sich bemerkbar, ich wurde sehr krank, an die Motorbootfahrt nach Frankreich war ohnehin nicht zu denken. Mein Vetter Herbert in London wollte mir Einwanderung nach Bolivien erm?glichen. Nach dem Tod meines Onkels Paul Gr¨¹nfeld und der Auswanderung der Familie mit einigen Mitarbeitern nach London wurde dort eine neue Firma gegr¨¹ndet, die schwedischen Werke und Chromerzgruben in T¨¹rkei und Cypern geh?rten weiter dazu. Lotte und Familie konnten am 21.M?rz von Bukarest nach Cypern abreisen, wo ihr Mann durch Herbert eine Stellung als Chemiker erhielt. Bei einer neuentstandenen Verbindung in Bolivien f¨¹r Einkauf von Erzen wollte Herbert mich unterbringen. Ich wartete sehr, da? das zustandekommt. Ernst Berliner fuhr von Genua nach den USA ab, und dann auch Dr. Koenigsfelds, direkt aus Warschau nach Genua kommend, auf dem Weg nach Brasilien. Die Abschiede waren immer bewegend, man hoffte, auch einmal so weit zu sein, aber der Bolivienplan f¨¹r mich schien nicht gut zu gehen. Statt dessen bekam ich von der Fremdenpolizei in San Remo Ende M?rz einen Ausweisungsbefehl, die Zeit f¨¹r ein Transitvisum sei abgelaufen. Ich sollte mich sofort bei der italienischen Grenzpolizei in Tarvisio melden, um ¨¹ber die Grenze, ¨¹ber die ich hereingekomen war, wieder zur¨¹ckgestellt zu werden. Anstatt der vorl?ufigen, nun nicht verl?ngerten Aufenthaltsgenehmigung der Fremdenpolizei, wurde das von nun an mein einziger g¨¹ltiger polizeilicher Ausweis, den ich in Italien vorzeigen konnte. Kaum von schwerer Erkrankung etwas erholt, befand ich mich also erneut in Alarmzustand. Inzwischen war Marek Reichmann nach Rom gefahren, um dort an seiner weiteren Auswanderung zu arbeiten, ich mu?te jedenfalls aus San Remo verschwinden und beschlo?, nach Rom zu gehen. Die Geschwister Grelling hatten einen Teil ihrer Jugend in Florenz verbracht, ihr Vater hatte Deutschland im 1.Weltkrieg als Gegner des Kriegs verlassen, seinerzeit eine "cause celebre". Die Tochter Annemarie kannte ich von Dahlem her, sie hatte unterde? den jungen Verleger Gentile geheiratet, Sohn des bekannten italienischen Philosophen, Senators und zeitweiligen Kultusministers Mussolinis, Dr. Giovanni Gentile. Ich hatte Annemarie's Adresse in Florenz (Fiesole) von Hans Grelling aus Z¨¹rich erhalten, hatte ihr schon geschrieben und geh?rt, da? ich jederzeit zu einem Besuch willkommen sei. So meldete ich mich an, um auf der Reise nach Rom kurz in Florenz halt zu machen. Dieser Tag in Florenz war ein Lichtblick in meinem oft so bedr¨¹ckenden und angespannten Fl¨¹chtlingsaufenthalt in Italien. Fr¨¹h schaute ich mich um in den gro?en Kunstsch?tzen in Florenz und geno? das Stadtbild, machte einen Besuch im Verlag Olschki, worum mich Warschauer Leidensgenossen gebeten hatten. Die freundschaftliche Aufnahme zum Mittagessen in der alten Villa in Fiesole bei Annemarie und ihrem Verlegergatten war so wohltuend, man sa? im Freien in der Fr¨¹hlingssonne, es wurde viel Interessantes erz?hlt. Der kleine Sohn Giovanni spielte herum und machte die Verzauberung vollkommen durch sein L?cheln, wenn auch soviel Trauriges zu erz?hlen war. Ich sollte mich gleich am n?chsten Tag bei Dr. Gentile (1) in Rom melden, fuhr ¨¹ber Nacht hin. Er war nun Pr?sident der Italienischen Akademie der Wissenschaften, ein imposantes Geb?ude und B¨¹ro. Auch hier war der Empfang wieder ¨¹beraus freundlich. Er erkundigte sich nach "Tante Grete", wie er sie wohl in der Sprache seiner Schwiegertochter Annemarie nannte. Er verfa?te eine Eingabe an ein Ministerium und beruhigte mich. Wenn ich in Schwierigkeiten mit der Polizei komme, sollte ich ihn sofort anrufen. Es kam nicht dazu, aber ich konnte auch nicht sicher sein, wie es ausgegangen w?re, ob noch Zeit geblieben w?re f¨¹r einen Anruf. Das Damoklesschwert war noch nicht wirklich fort in meinen Gedanken, und die Wochen in Rom blieben davon beschwert. Es war nicht so einfach, sich ein Bild von der politischen Stimmung in Italien zu machen. Der 9.April, an dem ich in Rom ankam, brachte auch die Nachricht vom Angriff Hitlers auf D?nemark und Norwegen, also das Ende des angespannten Zwischenstadiums, in dem der Krieg seit dem Zusammenbruch Polens geblieben war. Das trug nat¨¹rlich dazu bei, das Gef¨¹hl eigener Bedrohtheit zu steigern. Man kam nicht heraus aus dem Staunen ¨¹ber die Pracht von Rom, und doch hatte man daf¨¹r zun?chst nur einige fl¨¹chtige Blicke, man war unter lauter Fl¨¹chtlingen, die Suche nach Reisezielen und Visen verdr?ngte alles. Man traf nicht nur j¨¹dische oder polnische Fl¨¹chtlinge. So teilte ich in Rom einen Tisch in der Pension mit einem jungen lettischen Historiker und Journalisten, es war interessant und neu. In Triest war es ein alter griechischer Politiker gewesen, der zu Steinitz und mir sagte, wir h?tten doch in Polen bleiben und gegen Hitler k?mpfen sollen, wie das eben die Griechen seit Jahrhunderten f¨¹r ihre nationale Sache tun mu?ten. Ein Merkmal des Fl¨¹chtlingsdaseins wurde eine immer gr??er werdende Korrespondenz. So lange man noch im neutralen Ausland war, wie damals noch Italien, gab es Kontakt mit zu Hause, der nahen Schweiz, ebenso wie England, Frankreich und USA. Man hatte viele Bitten, Nachrichten zu ¨¹bermitteln, auch an die in Warschau, Oberschlesien oder Berlin/Breslau Zur¨¹ckgebliebenen. Mein Vetter Herbert konnte den Bolivienplan f¨¹r mich nicht weiterverfolgen, aber durch meine Bekanntschaft mit Dr. Parnes fand ich unerwartet die M?glichkeit, ein Visum nach der T¨¹rkei zu bekommen. Sie wurde zusehends ein Zufluchtshafen f¨¹r die polnischen Fl¨¹chtlinge, meistens nur auf Transitbasis. Ich bekam ein Einreisevisum. Herbert bot sofort an, da? die Firma der t¨¹rkischen Chromgruben, T¨¹rk Maden, sich um mich k¨¹mmern w¨¹rde, aber Arbeitsgenehmigung f¨¹r eine Anstellung bei ihnen k?nnten sie nicht bekommen. Lotte und Familie waren bei kurzer Durchreise nach Cypern schon in Istanbul betreut worden, hatten mir davon geschrieben. In Dahlem hatte ich einst die T?nzerin Palukka kennengelernt, ihr Vater war der Chef der T¨¹rk Maden in Istanbul, ich wu?te auch, da? eine Reihe deutscher, darunter viele j¨¹dische Emigranten als Professoren von der t¨¹rkischen Regierung nach der T¨¹rkei gerufen worden waren. Es gab also Bezugspunkte. In Rom traf ich auch wieder Frau Nejfeld und sie bekam auch ein t¨¹rkisches Visum. W?hrend des Wartens auf die Visaausfertigung und Buchung einer Schiffspassage Neapel-Pir?us-Izmir-Istanbul hatte ich doch noch mir viel von Rom, auch seinen Museen und Kirchen in etwas gr??erer Ruhe ansehen k?nnen. Neapel ging an mir schnell vor¨¹ber, daf¨¹r war aber die Schiffsreise sch?n, wenn auch ins so ziemlich Ungewisse, und sch?n war auch der erste Blick auf Istanbul. In der T¨¹rkei Alfred Palukka hatte im Park Hotel f¨¹r mich gebucht. Ein ?lterer Herr, viele Jahre mit der Firma meines Onkels Paul in der T¨¹rkei verbunden, er war albanischer Herkunft, sehr ruhig und weise, gab mir freundliche Einf¨¹hrung ins Leben in der T¨¹rkei, im Nahen Osten ¨¹berhaupt, und nun mu?te ich mich umsehen. Zu den deutschen Emigrantenprofessoren an der Universit?t Istanbul geh?rte der Breslauer Mediziner, Internist, Dr. Frank. Er war ein j¨¹ngerer Vereinsbruder meines Onkels Walter Oettinger. Meine Gro?mutter schrieb sofort von Berlin, ich mu? mich bei Franks melden, mit denen die Familie in Breslau gut bekannt war. Dann stellte sich auch heraus, da? Frau Frank aus Kattowitz kam, Mitsch¨¹lerin meiner Kusine Margot Epstein, die mir auch dar¨¹ber schrieb. Sie hatten zusammen viel Tennis auf unserem Tennisplatz gespielt. Franks hatten eine Tochter Sabine, die in Istanbul Orientalistik studierte, und einen j¨¹ngeren Sohn. Ich wurde sehr freundschaftlich aufgenommen und bin der Familie immer wirklich dankbar daf¨¹r gewesen. Durch sie lernte ich auch viele andere Mitglieder der deutschen akademischen Emigration in Istanbul kennen; das wurde einer der recht verschiedenen Kreise, die ich dort hatte. F¨¹r meine Suche nach einer beruflichen L?sung hatte Dr. Frank mich an einen aus rassischen Gr¨¹nden abgesetzten Direktor der Deutschen Bank in Istanbul empfohlen, der nach seinem Auscheiden eine Handelsfirma gegr¨¹ndet hatte. Es ergab sich aber ein anderer Plan. Frau Nejfeld brachte mich mit ihrem Lodzer Landsmann Podczaski zusammen, ein mit einer T¨¹rkin verheirateter Pole, deren Bruder Tekim durch Podczaski zu einer Zusammenarbeit mit der polnischen staatlichen Exportgesellschaft f¨¹r Agrarprodukte "Dal" gekommen war. Es gab eine Tochterfirma "Turkdal" in der T¨¹rkei, f¨¹r die neue Gesch?ftst?tigkeit gesucht wurde. Ich hoffte, f¨¹r Au?enhandelsgesch?fte Verbindungen durch Ferrolegeringar in Stockholm und Z¨¹rich anzukn¨¹pfen, das T¨¹rkdal interessierte, und wir kamen zu einer Vereinbarung. Sie sollten alle Kosten tragen, ich selbst war auf Gewinnbeteiligung angewiesen, also es hing f¨¹r mich alles davon ab, da? auch Gesch?fte zustande kommen. Ich begann gleich aus ihrem B¨¹ro eine lebhafte Korrespondenz, der t¨¹rkische Partner Tekim brachte viele m?gliche Kunden. Bald zog ich aus dem Parkhotel, in dem Herr Palukka mich glaubte zun?chst unterbringen zu m¨¹ssen, in die Pension Hella, die er mir empfohlen hatte. Sie geh?rte Herrn Errol, der urspr¨¹nglich Gr¨¹nfeld hie?, aus Ungarn. Es war eine interessant gemischte kleine Gesellschaft dort. Dr. Weiss aus Wien, ein Chemiker, geh?rte zu den j¨¹dischen Emigranten an der Universit?t, dann waren verschiedene Engl?nder da, ein ?lterer war in Istanbul als Sachverst?ndiger f¨¹r Marinetransport stationiert, ein junger Mann von der japanischen Botschaft und das Ehepaar Daniec, aus Polen geflohen, er war dort einer der Direktoren von Dal gewesen und jetzt in Istanbul verantwortlich f¨¹r T¨¹rkdal. Mit ihm hatte ich auch die Vereinbarungen mit Turkdal abgeschlossen, und es ergab sich eine gute und freundschaftliche Zusammenarbeit. Er schien mir ein besonders guter Prototyp der neuen Wirtschaftselite, die sich im Polen der Zwischenkriegszeit unter den Zeichen des Etatismus gebildet hatte. Dal war eine unabh?ngige staatliche Wirtschaftsgesellschaft. Ausbildung und gesch?ftlichem Denken nach schienen Dals Leute aber ganz wie nach privatwirtschaftlichen Kategorien zu arbeiten und hatten in und f¨¹r Polen gute Erfolge erzielt, zum Beispiel im Aufbau eines gro?en Exports polnischer prozessierter Schinken u.a. nach England. Es war nur ein Zufall, da? ich in dieser Pension nun auch mit dem Ehepaar Daniec zusammen war. Zur Gesellschaft beim Mittagessen geh?rte auch noch ein jugoslawischer Journalist, politisch gut informiert, schien manchmal ins Revolution?re zu tendieren, so alles zusammen, es war eine lebhafte Tafelrunde mit oft ganz offener Diskussion ¨¹ber die Kriegsereignisse, die sich unterde? dramatisch entwickelt hatten. Schon zwei Tage nach meiner Ankunft in der T¨¹rkei kamen die Meldungen ¨¹ber Hitlers Angriff an der Westfront, Einmarsch in Holland und Belgien, in London ¨¹bernahm sofort Winston Churchill die Regierung. Der deutsche, uns atemlos haltende Vormarsch in Frankreich bedeutete den Zusammenbruch einer Welt und lie? einen sprachlos. Es waren Wochen der Agonie Europas, die man miterlebte, wie man es und wie es die Geschichte nie gekannt hatte. Rotterdam war Warschau gefolgt mit gro?en Verw¨¹stungen durch erbarmungslosen deutschen Angriff. Mit meiner Mutter in Lemberg hatte ich von Istanbul gute Postverbindung, mit den regelm??igen Schiffen aus Odessa kamen auch ?fters Ausreisende von dort, die einem ¨¹ber die Verh?ltnisse berichteten. F¨¹r Mutter wurde durch Stella Braham und ihren Mann ein Einreisevisum nach England besorgt, es machte einen hoffnungsvoll, da? sie eines Tages auch mit einem dieser russischen Schiffe in Istanbul ankommen k?nnte. Bei dieser Aktion f¨¹r ein englisches Visum hatte Herbert geholfen und auch Marianne. Sie hatte sich aber im April entschlossen, eine Stellung auf Guernsey in den Channel Islands anzunehmen und war dorthin abgereist, grade als ich dabei war, von Italien nach der T¨¹rkei zu gehen. Sie hatte keine richtige Arbeitsgenehmigung in England selbst bekommen, lebte von tempor?ren Jobs, die sich ergaben. F¨¹r landwirtschaftlichen Betrieb zog Guernsey sie an, so schrieb sie. Als Erleichterung und jedenfalls Versprechen f¨¹r fortgesetzten Widerstand gegen Hitler empfand man die erfolgreiche Evakuation der britischen Truppen von Dunkerque, auch General de Gaulle entkam nach England. Sein Name war mir gut bekannt, schon durch Schwarzschilds Tagebuch, durch seinen vergeblichen Kampf um st?rkere Tankausr¨¹stung der franz?sischen Armee. Noch in Warschau hatte man gesagt, wenn doch nur die polnische Armee seinen Ansichten in den sp?teren 30er Jahren mehr Beachtung geschenkt h?tte. Die Lage nach der Evakuation von Dunkerque machte mir schwere Sorgen ¨¹ber Mariannes Schicksal. Hatte sie sich evakuieren k?nnen, hatte sie die richtige Entscheidung daf¨¹r getroffen? Sollte man telegraphieren, mit Zensur im Kriege? "Nihil nocere" hatte mir einmal ein Arzt als seine wichtigste Maxime genannt. Es ist eben nicht immer richtig. Ich habe nicht telegraphiert, ich wei? nicht, ob es sie erreicht und auch noch h?tte helfen k?nnen. Sie ging einem tragischen Schicksal entgegen. Die nationalsozialistische Propaganda ¨¹ber bevorstehende Invasion in England stiftete Verwirrung und Unsicherheit. Aus Berlin schrieb Margot Epstein mit gro?er Besorgnis ¨¹ber die Verwandten, die es geschafft hatten, nach England auszuwandern. Diese Gedanken teilte ich nicht, der Kampfwille und die Zuversicht, die von Churchill ausgingen, waren sehr ¨¹berzeugend, die T¨¹rken blieben auch bei ihrer ganz eindeutigen proenglischen Haltung. Man sagte ihnen nach, da? sie eine gute Armee hatten, jedenfalls bedeutende Truppenst?rke. Nachdem Italien im Juni auch in den Krieg eingetreten war, schien eine Ausdehnung auf das Mittelmeer zu drohen. Ich fand vieles an der t¨¹rkischen Machtstruktur damals eindrucksvoll. Die modernistische und laizistische Bewegung Kemal Atat¨¹rks versuchte Land und Gesellschaft an westliche Ideen und Formen anzugleichen. Verglichen mit anderen "Parteidiktaturen", die im 20.Jahrhundert erwachsen waren, schien mir diese 1940 zivilisiert und mit einer grunds?tzlichen Ausrichtung, die zu der stillen Allianz mit den Westm?chten durchaus pa?te. Eine Richtlinie war gewi? auch das alte Gef¨¹hl der Bedrohung durch Ru?land, das immer dominiernd zu sein schien. Ich hatte angefangen, etwas T¨¹rkisch zu lernen, so konnte ich auch verstehen, woher der Drang nach einem t¨¹rkischen Geschichtsbewu?tsein, unabh?ngig von arabisch-islamischer Kultur genommen wurde. Es war ja alles auf lateinische Schrift umgestellt, in Post?mtern konnte man noch manchmal sehen, wie ?ltere Beamte sich unter dem Schaltertisch noch Notizen oder Kalkulationen in arabischer Schrift machten, eigentlich war es verboten. Die Verwaltung beruhte auf ?ltester Tradition, manches noch von Byzanz herkommend, sagte man. Es gab einen Bazar, aber Handel und Wirtschaft waren doch stark in den H?nden von Minderheiten, Griechen und Armeniern und nicht zuletzt den Juden, den l?nger eingesessenen sephardischen und auch sp?ter einigen aus Ru?land zugewanderten. In t¨¹rkischen Familien war es mehr ¨¹blich, seine Karriere im Milit?r oder der Verwaltung zu suchen. So ergab sich f¨¹r die neue modernistische Jungt¨¹rkenpartei ein Aufgabenraum, t¨¹rkische Wirtschaftsentwicklung vom Staat her zu stimulieren, also eine ?hnliche Ausgangposition f¨¹r Etatismus, wie ich sie von Polen her kannte. Von polnischem Etatismus und neuer wirtschaftliche Intelligenz bekam ich in Istanbul noch einiges mehr zu sehen, mein Freund Daniec blieb nicht der einzige, Istanbul war ja ein lebhafter Durchreisepunkt f¨¹r die verschiedensten polnischen Fl¨¹chtlinge geworden. Der Pr?sident von Dal in Polen war der Senator Roman Przedpelski gewesen, er wurde oft erw?hnt, war auch aus Polen entkommen, noch im Balkan, sollte auch auf der Weiterreise durch Istanbul kommen. Dieser Name war mir sehr bekannt, denn sein Bruder war in Oberschlesien als Verwalter des gr??ten Bergbau- und H¨¹ttenkonzerns vom Staat eingesetzt worden (2). Als Zeichen f¨¹r die erfolgreiche Profilierung solcher neuen polnischen Wirtschaftselite schien mir auch bemerkenswert, da? im Verlaufe des Krieges und danach eine Reihe polnischer Berg- und H¨¹ttenfachleute in westlichen L?ndern gro?e Anerkennung fanden. Meine Eindr¨¹cke und Kenntnisse der wirtschaftlichen Entwicklung in der T¨¹rkei waren in der nur kurzen Zeit meines Aufenthalts nicht sehr eingehend, aber da ich mich interessierte und durch meine gesch?ftlichen Anstrengungen bekam ich doch Einiges zu h?ren. Es gab die beiden zur Wirtschaftsf?rderung gegr¨¹ndeten neuen staatlichen Banken, die Etibank, haupts?chlich f¨¹r Bergbau, die Sumerbank f¨¹r Verwaltung und Entwicklung von Industrie. Die Etibank hatte seit Kriegsausbruch das Monopol f¨¹r Chromerzexport, damals sollte keines nach Deutschland gehen. Schon die Namen der beiden Banken fand ich interessant, bei Etibank kam er von den alten Hethitern, Sumerbank von den Sumerern. Mit dem Streben nach einem neuen, s?kularisierten, von jeder arabischen Akulturierung unabh?ngigen t¨¹rkischen Nationalbewu?tsein wollte man also weit zur¨¹ck in die Vergangenheit reichen. Die arch?ologische Suche nach den Hethitern erregte damals viel Aufmerksamkeit, es wurde viel ¨¹ber Bogazhkoi gesprochen, ich hatte auch unter den deutschen Emigrantenakademikern in Istanbul den jungen, aber schon damals anerkannten Hethitologen Dr. G¨¹terbok kennengelernt. Eine f¨¹r mich n?here Bekanntschaft wurde aber der National?konom Dr. Kessler, aus Leipzig aus politischen Gr¨¹nden emigriert, der Vorsitzender des Verbands Republikanischer Hochschullehrer zu Zeiten der Weimarer Republik gewesen war. Er war auch einmal in Kattowitz zu einem Vortrag im Deutschen Kulturbund, wo ich ihn geh?rt hatte. Franks riefen an, um mich einzuf¨¹hren. Sabine Frank nahm regelm??ig teil an Abenden bei ihm, wo oft Schauspiele deutscher Klassiker mit verteilten Rollen gelesen wurden, und ich ging mit ihr. Er beeindruckte mich sehr, das Bild eines deutschen Wissenschaftlers, von gediegener Sachlichkeit, mit einem weiten Blick, nicht nur auf seinem Fachgebiet, sondern alles kulturelle und auch religi?se einbeziehend, man konnte ihm nur mit gro?er Hochsch?tzung und im Laufe der Monate auch Zuneigung begegnen. Sein Vater war protestantischer Geistlicher gewesen, Generalsuperintendent der Kurmark, und er schrieb, unter anderem, gerade an einer Biographie seines Vaters. Er selbst war urspr¨¹nglich erst Althistoriker geworden und dann zur National?konomie gekommen, f¨¹r die er den Lehrstuhl in Leipzig hatte. Dort war er bald nach Hitlers Macht¨¹bernahme verhaftet worden. F¨¹r mein Verst?ndnis des t¨¹rkischen Wirtschaftslebens, aber auch des Kriegsgeschehens, war diese Bekanntschaft sehr interessant, ich habe ihn oft gesehen. Er nahm mich auch mit in sein Institut an der Universit?t, und ich lernte die t¨¹rkischen Assistenten kennen, die er dort in Wirtschaftswissenschaften ausbildete. Von einigen anderen Wirtschaftsexperten unter den deutschen Emigranten, die nicht an der Universit?t, sondern in Regierungs?mtern arbeiteten, lernte ich auch den Agrarexperten Dr. Wilfrid Baade kennen (auch seine Frau, die aus der Leinenfabrikantenfamilie F.V. Gr¨¹nfeld aus Landeshut stammte), und sah auch wieder Dr. Hans Wilbrandt, der bei unserer mitteleurop?ischen Studententagung 1931 in Pre?burg gesprochen hatte. Die Sommermonate 1940 der "Battle of Britain" waren f¨¹r die Engl?nder grausam und verzweifelt, aber doch erfolgreich verlaufen, und das Gef¨¹hl unmittelbarer weiterer Bedrohung hatte sich gewendet. Wie aber sollte es weitergehen, woher sollte eine wirkliche Wende kommen? Es war immer noch schwer, wirklich Zuversicht zu gewinnen. Da erinnere ich mich an meine Unterhaltungen mit Lotek Potok aus Bendzin, der einer der vielen polnischen Fl¨¹chtlingspassanten auf dem Weg vom Balkan nach dem Westen oder nach Pal?stina war. Er war ein sehr erfolgreicher Industrieller in der weiterverarbeitenden Stahlindustrie gewesen, einer der Partner in dem Syndikat, das gewalzte verzinkte Bleche nach dem Verfahren des polnischen Ingenieur-Erfinders Sendzimir herstellte und diesem damit zu seinem gro?en Erfolg verhalf. Potok fand die Lage ganz einfach. Die Amerikaner hatten schon angefangen, England industriell massiv zu unterst¨¹tzen. Sehen Sie, sagte er, wenn sie die Stahlproduktion der Welt zusammenrechnen, auch wenn der ganze Kontinent Europa jetzt in deutscher Hand ist, das ¨¹bergewicht bleibt schwer gegen die Deutschen, und man kann sich darauf verlassen, sie m¨¹ssen den Krieg verlieren. Es war das Zuversichtlichste, was ich in jenen Tagen h?rte, hatte er Recht? War das der allein wichtige Schl¨¹ssel? Immerhin, ich habe diese Unterhaltung mit ihm in Istanbul nie vergessen. Aber mit Stahl allein Hitler aus Europa zu vertreiben, da fehlte wohl doch etwas. Wieder, wie Mitte der drei?iger Jahre, mu?te einem dabei auch Ru?land einfallen. War das nun doch der fehlende Faktor, auf den man noch hoffen mu?te? Es interessierte mich immer sehr, Leute zu treffen, die noch immer vereinzelt aus Lemberg mit den russischen Schiffen ankamen, die vom Schwarzen Meer her durch den Bosporus ihren Weg zum Hafen Istanbul nahmen, mit lauten Kl?ngen der Internationalen. Es gibt manchmal so Reaktionen, die man nur als ganz emotionell und primitiv bezeichnen kann, so ging es mir einmal. Jemand beschreibt, wie die russische Polizei auftritt. Man sitzt in einem Kaffee, in Lemberg, sie kommen herein f¨¹r eine Kontrolle, jeder mit zwei Schu?waffen, eine nach rechts, die andere nach links vom Gang her gerichtet. Ich habe mir das vorgestellt, ich hatte von so einer Szene noch nie geh?rt, die zwei Pistolen, oder was es war, f¨¹r jeden, das war mir zuviel. Ich wu?te wieder, das ist nicht f¨¹r uns, es bleibt ganz fremd. ¨¹ber meine Mutter hatte ich am 15. Juli aus Lemberg eine, wie ich es damals empfand, Schreckensnachricht bekommen. Sie war "nach Ru?land abgereist", und, wie sich bei Nachfrage herausstellte, sie war ins Innere Ru?land zun?chst mit unbekanntem Ziel deportiert worden. Die Briefe, in denen sie die Reise in Viehwagen mit allen Entbehrungen schilderte, waren herzzerbrechend, aber es waren gar nicht die Grausamkeiten und Dem¨¹tigungen erw?hnt, ¨¹ber die man von Deportationen in Viehwagen durch Hitlerdeutschland sp?ter h?ren sollte. Ich telegraphierte gleich an Brahams nach London und die Britische Botschaft in Moskau, wo ja ein englisches Visum f¨¹r meine Mutter angekommen war. Dr. Frank empfahl mich an einen prominenten Patienten, der seit einiger Zeit in Istanbul stationiert war. Sir Dennison Ross war einer der f¨¹hrenden englischen Orientspezialisten, ein ?lterer, sehr freundlicher Mann, halb Gelehrter, halb eben ein prominenter Regierungsmann. Er bot sofort an, einen Freund in der Moskauer Botschaft zu alarmieren. Ich blieb in schrecklichster Ungewissheit, bis am 1.August Nachricht kam, da? meine Mutter in der Sowjetrepublik Mariskaja angekommen war, anscheinend interniert in einem Barackenlager im Wald. Das Gute war, die Eltern und zwei Schwestern von Zygmunt Weingr¨¹n waren im selben Transport und sie blieben zusammen. Der Winter in dieser entlegenen Gegend wurde hart. Nach dem Krieg erfuhr ich, da? man meiner Mutter Aufnahme in ein russisches Altersheim angeboten hatte, aber sie dachte nur daran, uns Kinder so schnell wie m?glich wiederzusehen. Vielleicht h?tte sie eine bessere Chance gehabt, den Krieg dort in einem Altersheim zu ¨¹berleben. Es wurde noch viel versucht, Mutters Ausreise aus Ru?land zu erreichen. Die Russen verweigerten damals Gebrauch der alten polnischen P?sse, wie meine Mutter ja einen hatte, f¨¹r die Ausreise. Die Britische Botschaft konnte kein "Laissez Passer" ausstellen. Schlie?lich konnte ich durch den befreundeten Kattowitzer Zahnarzt Dr. Fritz Reichmann aus Lissabon einen mittelamerikanischen Pa? f¨¹r Mutter besorgen. Mit dem englischen Visum, oder f¨¹r T¨¹rkei und Cypern, um die wir uns bem¨¹hten, hoffte man, darauf russische Ausreiseerlaubnis zu bekommen. Frau und zwei Kinder Dr. Reichmanns waren in Lemberg immer sehr hilfreich zu meiner Mutter, ich hielt auch weiter von Istanbul aus durch sie Verbindung mit Mutter im fernen Marijskaja aufrecht. Unterde? hatte sich die Kriegssituation im Balkan und am Mittelmeer sehr zugespitzt. Schon im Juni war Rum?nien gezwungen worden, Bessarabien an Ru?land abzutreten, im August/September andere Gebiete an Ungarn und Bulgarien, und es war in Rum?nien eine Nazifreundliche Diktatur entstanden, der K?nig Karol geflohen, antisemitische Richtungen hatten die Oberhand. Im Oktober besetzten die Deutschen Rum?nien, und es verbreitete sich Besorgnis in der T¨¹rkei, da? deutsche Truppen auch Bulgarien besetzen und so an der t¨¹rkischen Grenze erscheinen w¨¹rden. Man gab sich zuversichtlich in der T¨¹rkei, da? die Deutschen dort nicht einfallen w¨¹rden, weil die t¨¹rkische Armee auf ihrem Gebiet erfolgreich Widerstand leisten k?nnte, aber als Fl¨¹chtling vor Hitler wurde ich, wie viele ?hnlich placierte, doch sehr unruhig. Es kamen viele weitere polnische Fl¨¹chtlingsfamilien aus Bukarest auf der Durchreise nach Istanbul, viele gingen nach Pal?stina, andere konnten sich z.B. brasilianische Visen beschaffen. Das tat ich denn auch und dazu noch von der englischen Botschaft ein dazugeh?riges Transitvisum f¨¹r Pal?stina. Italien griff Ende Oktober Griechenland an. Die T¨¹rkei war weitgehend abgeschnitten, jedenfalls f¨¹r unsereinen. Syrien, damals noch von der mit Hitler zusammenarbeitenden franz?sischen Regierung von Vichy kontrolliert, kam als Durchgangsland auch nicht in Frage. Der einzige Weg f¨¹r Ausreise f¨¹hrte ¨¹ber den Hafen Mersin im S¨¹den der T¨¹rkei mit Schiff nach Haifa, und alle, die nicht Hitler oder anderen Axism?chten in die Hand fallen wollten, mu?ten ihn nehmen. Man traf sich oft mit anderen polnischen Fl¨¹chtlingen. Als Neuank?mmling stellte sich eines Tages Jozef Winiewicz vor, der Chefredakteur des Dziennik Poznanski in Posen gewesen war, und setzte gleich noch hinzu, er sei ein Endek, also zur nationalistischen Rechtspartei der Dmowski Richtung geh?rend. Ich wunderte mich eigentlich, wieso er das so betonen mu?te. Man sah ihn dann nicht oft, aber eines Tages sah ich Daniec mit ihm durch den ganzen Raum schnurstracks auf mich zukommen, und Daniec sagt mir, Winiewicz will mich etwas fragen. Er wollte wissen, wie ich mir f¨¹r nach dem Krieg die Grenze zwischen Polen und Deutschland vorstelle. Offenbar wu?te er, wer ich war, woher ich kam. Wie Daniec gesagt hatte, ich trug ja meinen "preu?ischen Akzent" wie eine Fahne umher. Ich war ganz unvorbereitet auf diese Frage. Es war schon richtig, die Battle of Britain hatte Hitler schon so gut wie verloren und alle, die seine Niederlage herbeiw¨¹nschten, sollten sich Gedanken ¨¹ber die Gestaltung der Nachkriegszeit machen und dabei auch ¨¹ber k¨¹nftige deutsch-polnische Grenzen. Wie es in Europa damals im Sp?therbst 1940 aussah, schien mir die Frage fr¨¹h, und ich mu?te sehr schnell denken. Mit voller ¨¹berzeugung habe ich dann geantwortet, ich f?nde die 1939 Vorkriegsgrenzen sollten wiederhergestellt werden. Sie waren doch gar nicht so schlecht gewesen, meinte ich. Daniec schien meine Antwort ganz gut und nat¨¹rlich f¨¹r mich zu finden, aber Winiewicz erkl?rte nach einer Pause sehr entschieden und aggressiv, die Grenze m¨¹sse weit nach Westen bis ganz an die Oder verschoben werden. Ich gab zu bedenken, da? dort doch gar nicht polnisch gesprochen wird. Nach ihm war das belanglos, es seien alte slawische Gebiete und sie m¨¹?ten zu Polen kommen. Daniec klopfte mir beruhigend auf die Schulter und wir trennten uns (3). W?hrend der gr??ten Nervosit?t ¨¹ber deutschen Einmarsch in Bulgarien im November 1940 war ich nicht nach Mersin abgefahren, um zun?chst einmal nach Pal?stina weiterzukommen, was viele gemacht haben. Es stellte sich heraus, die Flucht w?re auch nicht n?tig gewesen. Bulgarien wurde zwar im M?rz 1941 doch von deutschen Truppen besetzt, aber Hitler hat die T¨¹rkei nie angegriffen, und alle, die in Istambul blieben, sollten es gut ¨¹berleben. Im September war Sir Dennison Ross gestorben, der sich f¨¹r die Ausreise meiner Mutter aus Ru?land miteingesetzt hatte; ich nahm teil am Trauergottesdienst in der Englischen Botschaft. Nun am 14. Dezember starb Alfed Palukka nach monatelangem Leiden, ich hatte ihn immer seltener sehen k?nnen. Bei der katholischen Beerdigung sah man auch viele Deutsche. Zu Weihnachten lud Dr. Kessler seine jungen Freunde ein, sein Sohn lebte auch bei ihm, es war ein kleiner Kreis, es waren auch mit mir einige andere j¨¹dische Fl¨¹chtlinge da. Es war etwas Tragisches dabei, wie er sein Weihnachtsfest verbringen mu?te, denn seine Frau war in Deutschland, in Bethel beim Pastor Bodelschwing. Es gab anscheinend nicht nur den Herrn Winiewicz, der sich mit den Problemen der Nachkriegszeit besch?ftigte. In der englischen Botschaft sollte jemand auf Dr. Kessler als einen m?glichen deutschen Reichspr?sidenten hingewiesen haben, wenn Hitler abgesetzt wird. Vielleicht war Kessler durchaus geschmeichelt, als wir dar¨¹ber sprachen, aber er wollte nichts davon wissen, er k?nnte es sich gar nicht vorstellen, wieder nach Deutschland zur¨¹ckzukehren und einigen Leipziger Kollegen zu begegnen, die ihn nicht einmal im Gef?ngnis besucht hatten. Die Entscheidung, ob und wann ich weiterreisen sollte, wurde mir am 31. Dezember abgenommen. Die T¨¹rkische Polizei verl?ngerte meine Aufenthaltsgenehmigung nicht, und ich mu?te sofort nach Mersin abreisen. Die Bahnfahrt ging durch Anatolien und dann die aufregende Gebirgsszenerie des Taurus, ein gro?artiges Naturschauspiel. An der Mittelmeerk¨¹ste in Mersin war man schon wieder in einer anderen Welt nahe Syrien, auch bei der Bev?lkerung merkte man das. Das Hotel hatte damals viele fremde Transitg?ste verschiedener Nationen und Herkunft, die den Weg rund um das Vichy Syrien machen wollten. Man traf viele Bekannte, die kamen und gingen, ich vers?umte die n?chsten Schiffe und war nicht der einzige. Nachdem meine Mutter nun im Innern Ru?lands war, schien ihre baldige Ausreise noch schwieriger. Man wu?te damals nicht, da? nach schon sechs Monaten sich Ru?lands Stellung im Krieg und damit auch die Bedingungen der dorthin verschlagenen polnischen Fl¨¹chtlinge entscheidend ?ndern w¨¹rden. Damals, Januar 1941, sah ich Erlangung eines t¨¹rkischen Transitvisums f¨¹r sie zur Weiterreise nach Cypern als eine der wenigen Chancen f¨¹r sie, wieder mit ihren Kindern zusammenzukommen. Ich w?re gern mit dem Anwalt Halil Bey in Istanbul in engem Kontakt geblieben. So versuchte ich, wie ein Freund das nannte, mich noch in Mersin etwas am Rand der T¨¹rkei festzuhalten. Es war ja auch noch Vorsorge zu treffen f¨¹r Finanzierung der Weiterreise. Viele polnische Kriegsfl¨¹chtlinge wurden damals von der Exilregierung in London unterst¨¹tzt, doch dazu geh?rte ich nicht. Die Polizei dr?ngte, wenn immer ein Schiff abgehen sollte, und schlie?lich mu?te ich auch eines besteigen. "Vous vous devez d¨¦brouiller" sagte der Beamte, und das war es dann. Es war ein kleiner ?gyptischer Frachter mit Passagierverkehr. Die Hauptfracht schienen Schafe zu sein, in einem gro?en offenen "Hold", aus dem ein penetranter Geruch str?mte, der den abenteuerlichen Charakter unserer Reise noch verst?rkte. Darum herum sa?en hunderte von einfachen Passagieren, die man um ihr Los nicht beneiden konnte. Etwas weg davon waren Kaj¨¹ten, ich bekam einen Platz dort, mit anderen polnischen Fl¨¹chtlingen. Im Hotel hatte ich Jerzy Nowak aus Kattowitz kennengelernt, er geh?rte zu einer Gruppe, seine Schwester war mit Lotte in der Schule bekannt, er wu?te, wer ich war, zeigte sich hilfreich. Zu den Passagieren geh?rten der Senator Roman Przedpelski und Sohn, er hatte von meiner Assoziation mit T¨¹rkDal und meiner Anwesenheit in Mersin bei der Durchfahrt in Istanbul geh?rt und begr¨¹?te mich schon im Hotel in Mersin dem entsprechend. Er erw?hnte wieder, wie es schon Podczaski und Daniec in Istanbul getan hatten, da? ich in Pal?stina mich immer an den dortigen langj?hrigen Vertreter von Dal, Hermann Safir, auch aus Polen stammend, um Rat wenden kann. Das Schiff fuhr verdunkelt, das ?stliche Mittelmeer war Kriegsgebiet. Der Seegang war betr?chtlich, meine Anf?lligkeit f¨¹r Seekrankheit omin?s. Nach dem Abendbrot suchte der Ingenieur K., wir hatten uns ?fters im Hotel gesprochen, einen Vierten f¨¹r eine Bridgepartie, ich war bereit. Die beiden anderen Partner, die K. gefunden hatte, waren Roman Maier, den ich auch schon im Hotel in Mersin kennengelernt hatte, Chefredakteur der Sanacja Regierungszeitung in Kattowitz: "Polska Zachodnia", der andere war Josef Winiewicz, und den kannte ich ja auch schon. Ich konnte nicht lange mitspielen, der Seegang wurde immer heftiger, einige verlie?en schon den Raum, Bridge verpflichtet ja zu mehr, aber ich mu?te mich dann auch entschuldigen und in die Kaj¨¹te fliehen. Mit M¨¹he schaffte ich es am n?chsten Morgen noch zum Fr¨¹hst¨¹ck, dann kamen wir in Haifa an. Die Polen hatten alle kaum Schwierigkeiten, Senator Przedpelski wurde von Hermann Safir abgeholt und stellte mich ihm vor, er sagte, ich solle ihn sp?ter in Tel Aviv anrufen, falls ich bei der Landung Schwierigkeiten habe. Bei mir verlief die Pa?kontrolle gar nicht glatt. Der f¨¹r die britische Mandatsverwaltung amtierende Inspektor Tabori, wie man mir nachher sagte, ein ungarischer Jude, sehr bekannt in Pal?stina, wollte alles ¨¹ber mich wissen. Er pr¨¹fte auch die ganze Korrespondenz, die ich mit mir f¨¹hrte, also mit meinen Verwandten in London, auch der Mutter in Ru?land, es war ja dort sehr Verschiedenes. Er mu?te mich wohl nicht nur vom Standpunkt der Mandatseinwanderungsbestimmungen pr¨¹fen, das war ja auch mein ¨¹bergang in Kriegszeiten vom neutralen Ausland in Englisch verwaltetes Gebiet. Vielleicht war es Tabori gar nicht so vollkommen fremd, ein polnischer Pa?, aber jemand offensichtlich, auch in seiner ganzen Korrespondenz deutschsprachig, und j¨¹disch, kam nicht mit einem Zertifikat, sondern Transitvisum nach Brasilien, er wollte wohl seiner Sache ganz sicher gehen. Dabei war er sehr freundlich, aber Landegenehmigung gab er mir nur gegen Zahlung eines Deposits von Sechzig Pfund. Ich konnte auf den Quai gehen, jedenfalls um zu telefonieren. Das Geld f¨¹r das Deposit hatte ich nicht, ich war zuversichtlich, Herbert w¨¹rde mich da ausl?sen, aber anscheinend hatte ich nur drei Stunden, dann sollte das Schiff nach Alexandria weiterfahren. Es kam schon ein Matrose, der mein Gep?ck wieder an Bord nehmen wollte. Man hatte viel geh?rt ¨¹ber Fl¨¹chtlinge, die monatelang auf dem Mittelmeer herumkreuzten, von manchen hatte man nie wieder geh?rt. Ich hatte ja schon manches mitgemacht, aber geriet in ziemliche Panik. Sobald ich annehmen konnte, da? Hermann Safir und die Przedpelskis schon in Tel Aviv angekommen sind, rief ich dort an und erkl?rte meine Lage, h?rte, wie er mit Przedpelski sprach, und dann sagte er zu, das Deposit f¨¹r mich vorzuschie?en und sofort alles N?tige zu veranlassen. Das Schiff wurde schon zur Abreise ger¨¹stet, ich aufgefordert, wieder an Bord zu gehen, da kam zur Zeit noch die Best?tigung, da? mein Deposit bezahlt worden war. Ich konnte an Land bleiben (4). Aufenthalt in Pal?stina Jetzt war ich also in Pal?stina, eine sehr wichtige, neue Begegnung. Einmal das Land altzeitlicher j¨¹discher Vergangenheit, sehns¨¹chtiges Ziel zionistischer Hoffnungen auf j¨¹dische nationale Existenz, ein Thema, dem ich neuerdings mit viel Sympathie, aber als wirkliche pers?nliche Identifikation doch mit angeborenen Hemmnissen und Vorbehalten bisher begegnet war. Ich wollte es nun wirklich ganz unvoreingenommen und mit soviel Idealismus wie m?glich erleben. Der andere Aspekt, und vom Standpunkt meines Erlebens des Krieges ebenso wichtig, ich war jetzt auf englischem Gebiet, auf der Seite, von wo der Kampf gegen Hitler gef¨¹hrt wurde, die Seite der Alliierten, die die Hoffnung aller Gegner des Nationalsozialismus wurde. Meine Kontakte sollten sehr mannigfach sein, und da war die Frage, ob ich werde bleiben wollen, und ob ¨¹berhaupt bleiben k?nnen. Aussichten f¨¹r Weiterreise nach Brasilien waren ganz undeutlich, im Gegensatz zu Bolivien hatte Herbert schon geschrieben, da? er in Brasilien keine passenden Verbindungen h?tte und mir dorthin nicht helfen kann. Man hatte mir f¨¹r die Nacht ein Hotel am Hafen in Haifa genannt, es geh?rte Arabern. Die arabische Umgebung im Hafengebiet und Hotel war nat¨¹rlich recht fremd. Ich wu?te von einigen alten und neueren Bekannten in Pal?stina, aber von wenigen in Haifa. Ich sah den FWFer Gr¨¹npeter, auch aus Oberschlesien, der bei einer Bank arbeitete, mir erste Informationen und auch die Adressen von Bekannten gab, und beschlo?, nach Jerusalem zu fahren. Es war nicht leicht, dort Unterkunft zu finden, und ich wei? nicht, wer mich ins Hotel Zion brachte. Es wurde von einem vollb?rtigen Besitzer streng orthodox gef¨¹hrt, so streng, das war wieder soviel fremder als alle die guten Bekannten und Freunde, die ich in Jerusalem wiedertraf. Das Klima schien mir gar nicht zu bekommen, ich hatte das st?rkste Asthma und andere allergische Kr?mpfe, Freitagabend ging das Licht aus, und man konnte es auch nicht mehr anz¨¹nden im Hotel. Die Wirtsfamilie nahm auch gar keine Notiz davon, da? es einem schlecht ging, etwelcher Enthusiasmus ¨¹ber die neue Umgebung wurde bald ged?mpft. Es war anders mit den vielen Freunden und Bekannten, die ich wiedertraf. Da war Erich Markus aus Gleiwitz, Musikenthusiast; als Zahnarzt hatte er wohl Telefon, das war dort gar nicht so selbstverst?ndlich damals. Otto Lilien selbst war bei der Royal Airforce in Kairo, aber Lore Lilien war da, auch der einstige Schulkamerad und FWV Bundesbruder Hans Roman. Ganz gro?e Hilfe in meinen Krankheitsproblemen wurde der FWVer Max Altmann, einstiger Mitarbeiter und Nachfolger von Kurt Lange in der Krankenkasse der Studentenhilfe der Universit?t Berlin, jetzt Assistenzarzt am Hadassahhospital bei seinem Onkel, dem Laryngologen Dr. Lachmann aus Berlin. Bald traf ich auch Franz Goldstein, von seinem ersten Exil Prag noch rechtzeitig nach Jerusalem gelangt, mit seiner gro?en Bibliothek, und als Musik- und Filmkritiker bei der Pal?stine Post t?tig. Mein Asthma nahm aber in wenigen Tagen solche Formen an, da? Max Altmann mich ins Hadassahhospital in die 2. Medizinische Abteilung bei Dr. Rachmilewitz einlieferte, der sich f¨¹r mich als wunderbarer Arzt erwies. Ich teilte das Krankenzimmer mit einem jungen Kibbutznik. Mit seiner guten Stimme hatte sein Kibbutz ihn zur Ausbildung nach Jerusalem geschickt. Er schien ein einfacher Mensch, aber sehr geweckt, gut gebildet, mit gro?em Enthusiasmus f¨¹r die Ideen des Kibbutz und das neue j¨¹dische Pal?stina. Meine Aussprache der ersten hebr?ischen Worte fand er zwischen bedauernswert und belustigend. Ich sollte am Wort "bachur" versuchen, mich von meinem hochdeutschen Akzent dabei zu befreien. Es schien hoffnungslos. "Jecke potz" sagte er verzweifelt, ich mu?te an Daniec's Ausspruch ¨¹ber meine preu?ische Akzentfahne denken, anscheinend blieb man Fremder ¨¹berall. Verstehen lernte ich gut in den wenigen Tagen dort, wie auch in einem bewu?t nichtreligi?sen Kibbutz j¨¹dische biblische ¨¹berlieferung ganz wie gegenw?rtig als Folklore, wie Sagen¨¹berlieferung oder M?rchen weitergelebt, ja erlebt wird, und es wurde eine meiner wichtigsten Erfahrungen in Pal?stina. Mein Aufenthalt war diesmal recht kurz, ich konnte bald entlassen werden und zog in die Pension Shalwa, von polnisch-j¨¹dischen Einwanderen aus Sosnowitz gef¨¹hrt. Die G?ste waren mehr im gewohnten Stil, auch deutsch-j¨¹dische, auch von der Universit?t. Nun hatte ich einige Wochen vor mir, in denen ich am Leben in Jerusalem teilnehmen konnte. Franz Goldstein war wieder ein interessanter Kontakt (5). Seine Bibliothek war gut installiert, ganz anheimelnd f¨¹r Besucher, oft kam zum Beispiel Else Lasker-Sch¨¹ler, schon sehr alt, mit viel Zauber und Humor. Eines Tages wollte sie eine Art S¨¦ance vorbereiten, so viele wie m?glich sollten zusammensitzen und durch ganz starke Konzentration ein Ereignis herbeiw¨¹nschen, das den Fall des Hitlerregimes nach sich zieht. Sie war sicher, durch starke Konzentration k?nnte man das erreichen. Ihre Idee war, man mu? sich ganz auf die Person Hitlers konzentrieren und w¨¹nschen, da? er eine ganz gro?e Dummheit begeht, zum Beispiel in einem Argument mit einem seiner Gener?le diesen ohrfeigt. Bin ich nicht auch der Ansicht, fragte sie mich, da? Hitler dann gest¨¹rzt werden w¨¹rde? Das habe ich schon best?tigt, aber taktvolle Zweifel angemeldet, da? man so etwas tats?chlich herbeiw¨¹nschen kann. Mit einem so wundersamen Menschen wie ihr mu?te man ja behutsam umgehen. Das Thema wurde auch allgemein akzeptiert, die Session fand sp?ter auch statt, aber ich mu?te mich entschuldigen. Heute wei? ich nicht einmal mehr, nach aller Literatur, die es ¨¹ber die Reaktionen und Nichtreaktionen der Gener?le in der Hitlerzeit gibt, ob solch eine Entgleisung Hitlers damals wirklich zu seinem Sturz gef¨¹hrt h?tte. In seinen Anschauungen hatte sich Franz Goldstein, er schrieb immer noch als "Frango", immer besonders mit Max Brod und Arnold Zweig verbunden gef¨¹hlt und war in Kontakt mit beiden geblieben. Max Brod blieb eine S?ule zionistischer Gesinnung, aber Arnold Zweig war, so erz?hlte Frango, von viel st?rkeren Zweifeln und Entfremdung befallen. Frango war es ?hnlich ergangen, seit er von Prag nach Pal?stina weiterreisen mu?te. Er hatte in Jerusalem durchaus Anklang und Anschlu? gefunden, materiell aber war es noch problematisch, aber da war er nicht allein. Au?er f¨¹r die Pal?stine Post schrieb er dann auch f¨¹r die Zeitschrift "Orient" (6), die von Arnold Zweig und Wolfgang Yourgrau herausgegeben wurde und sich stark f¨¹r j¨¹disch-arabische Verst?ndigung einsetzte. Darin geh?rte sie zu der vom Rektor der Universit?t Dr. Magnes gef¨¹hrten Bewegung, der auch Martin Buber nahestand. Dessen Rolle im damaligen j¨¹dischen Pal?stina schien mir bezeichnend f¨¹r die Schwierigkeiten, einige Z¨¹ge deutsch-j¨¹discher Tradition in den Strom der Entwicklung zionistischen Denkens einzuf¨¹gen. Das betraf nicht nur solch geistige Prominenz, auch alte oberschlesische Zionistenf¨¹hrer, die ich traf, f¨¹hlten sich deutlich ausgelassen, als ob sie nicht Jahrzehnte lang f¨¹r den Zionismus gearbeitet h?tten. Es gab nur wenige, die damals ihren Begabungen und fr¨¹herem Wirkungskreis entsprechende Stellungen einnahmen, z.B.in der Verwaltung Fritz Naphtali und im Bildungswesen Ernst Simon. Durch Lore Lilien lernte ich im j¨¹dischen Bezalel Museum in Jerusalem Jakob Steinhardt kennen, einen alten Freund des Malers E.M. Lilien, und eine andere interessante Begegnung arrangierte sie f¨¹r mich mit der Witwe Eliezer ben Jehudas, Pioniers der neuen Hebr?ischen Sprache, nach dem prominente Stra?en in allen St?dten benannt waren. Die eindrucksvolle alte Dame kam wie ihr Mann aus Ru?land, sprach flie?endes Deutsch, verwaltete sehr aktiv die Herausgabe des Hebr?ischen Lexikons und anderer Werke. In der lebhaften Unterhaltung stellte ich auch Fragen ¨¹ber weitere Entwicklungen, denn ich wu?te, da? ein Sohn in Tel Aviv f¨¹r die ¨¹bernahme lateinischer Schrift f¨¹r das Neue Hebr?isch eintrat, ein paralleles Thema war mir ja vom Aufenthalt in der T¨¹rkei her gel?ufig. Es schien mir nicht, da? sich die Frau Elieser ben Jehudas mit den Bestrebungen des Sohnes identifizierte. Sie erw?hnte aber ein anderes Thema, Reform der hebr?ischen Grammatik, das h?tte ihrem Mann sehr am Herzen gelegen, aber, sagte sie, wie mir schien etwas kryptisch, jetzt w?hrend des Krieges kann daf¨¹r ohnehin nichts getan werden. Wieso, fragte ich. Ihr Mann hatte immer gesagt, daran w¨¹rde er nur mit Hilfe eines bestimmten deutschen Philologen arbeiten k?nnen, und den k?nnte man ja jetzt w?hrend des Krieges eben nicht hinzuziehen. Ich war erstaunt, es schlug da ein Cord an, der mir ja von meiner Besch?ftigung mit der Literatur deutscher Alttestamentler ¨¹ber israelitische Geschichte und Religion so vertraut war, aus der ich ja eigentlich glaube, mein bestes Verst?ndnis f¨¹r diese mir so wichtigen Themen gewonnen zu haben. So f¨¹hlte ich mich unerwartet recht zu Hause bei dieser Unterhaltung. Eine, wie mir schien, wichtige Perspektive f¨¹r Pal?stina wurde mir nahegebracht, als ich mich um eine Aufenthaltsgenehmigung bem¨¹hte. Einer meiner Bekannten aus dem Demokratischen Studentenbund Berlin war in Jerusalem erfolgreich geworden in einer der deutsch-j¨¹dischen Privatbanken. Deren Anwalt arrangierte f¨¹r mich einen Besuch im Immigrationsdepartment der Britischen Mandatsverwaltung, wo ich von einem Mitglied der arabischen Familie Nashashibi empfangen wurde. Im Gegensatz zu dem Gro?mufti aus der Familie Husseini, der scharf gegen England Stellung nahm, waren Mitglieder der arabischen Familie Nashashibi auf Seite der Alliierten und, so meinte man, vielleicht eher zu einem Zusammenleben mit den Juden in Pal?stina bereit. Die Unterhaltung spielte sich in vollendeter H?flichkeit ab, und ich habe mich oft an die Haltung dieses damals noch j¨¹ngeren Mannes erinnert. Sie vermittelte mir den Eindruck der starken, alteingesessenen Stellung der arabischen Pal?stinenser, aber, so dachte ich, auch eine m?gliche Hoffnung, da? bei gegenseitigem Respekt es eine M?glichkeit f¨¹r ein Zusammenleben geben k?nnte. Ich erhielt eine mehrmonatige Aufenthaltsverl?ngerung f¨¹r mein Transitvisum. In diesen Wochen konnte ich auch die Altstadt, Klagemauer und andere ber¨¹hmte St?tten in Jerusalem besuchen, die Hebr?ische Universit?t und die Bibliothek. Aber meine Zeit daf¨¹r lief bald ab. Von der Pension Shalwa war ich grade in eine Wohnung im gleichen Haus umquartiert worden, und die Frau Justizrat aus K?ln war, wie sich herausstellte, die Schwester des Dirigenten Otto Klemperers, es waren all die alten M?bel da. Mein Asthma nahm wieder bedrohliche Formen an, Max Altmann nahm mich wieder in die Hadassah, diesmal in die 1. Medizinische Klinik, wo mich ein deutscher Professor behandelte. Ich wurde dort vier Wochen gehalten, qu?lend und mit nachhaltigem Schaden, trotz des Vorgangs der fr¨¹heren erfolgreichen Behandlung. Zum Schlu? entschied der Professor, man m¨¹?te einfach einen Tag w?hlen, wo es mir einigerma?en ging, und dann sollte ich schnell packen und nach Tel Aviv ¨¹bersiedeln in der Hoffnung, da? es mir dort besser gehen wird. Ich hatte durch Beobachtungen festgestellt, da? ich, wenn dem in Jerusalem besonders heftigen Chamsinwind zugekehrt, mehr litt als abgekehrt vom Wind. Es best?tigte sich auch, da? es mir dann in Tel Aviv weit besser, wenn auch nie wirklich gut ging. Im Hotel Hayarkon an der Ben-Yehuda-Stra?e in Tel Aviv war erster neuer Eindruck die vielen Leute von der j¨¹dischen "B¨¹rgerwehr"-Truppe der Haganah, die dort ein und ausgingen. Diese j¨¹dische Selbstverteidigungsbewegung war gegen¨¹ber den schon so lange anhaltenden Angriffen arabischer bewaffneter Gegner des Zionismus entstanden. Die j¨¹dische Arbeiterbewegung schien ihre Hauptst¨¹tze zu sein. Meine Erinnerung aus diesen Tagen in Tel Aviv bleibt an vern¨¹nftige und entschlossene Leute, oft schon gesetzteren Alters, man f¨¹hlte die gro?e Zuverl?ssigkeit ihres Einsatzes. Unterde? war der Krieg dem ?stlichen Mittelmeer immer n?her ger¨¹ckt. Die Deutschen waren nach einem Proachse-Staatsstreich in Jugoslawien eingefallen, machten die anf?nglichen R¨¹ckschl?ge der Italiener in Griechenland und Nordafrika wieder gut. Tel Aviv war schon von deutschen Luftangriffen bedroht, und Anfang Mai gab es in Irak einen pro Hitler Putsch gegen die Engl?nder durch Raschid Ali, vom Jerusalemer Mufti Husseini unterst¨¹tzt, man war wieder im Feld ?u?erster Spannungen. Der Putsch im Irak wurde von den Engl?ndern bald unterdr¨¹ckt, aber im Mittelmeer spitzte die deutsche Invasion Kretas die Lage weiter zu. In Tel Aviv hatte ich Verwandte wiedergefunden. Meine Tante Edith Samuelssohn aus K?nigsberg, Arztwitwe, selber einst schriftstellernd und Mitglied des Deutschen Penclubs dort gewesen, war eine Lieblingskousine meiner Mutter. Ihre Tochter Eva war diejenige, die sich f¨¹r den Zionismus begeistert und bei Paltreu, der in Deutschland entstandenen Treuhandgesellschaft f¨¹r Auswanderer nach Pal?stina, gearbeitet hatte. So kam dann auch ihre Mutter, recht unwahrscheinliche Kandidatin daf¨¹r von ihrem bisherigen Leben her, nach Pal?stina, und auch Schwester Lilly, Goldschmiedin, mit zweitem Vornamen Margarethe, die mit einem Arzt verheiratet war. Ich lernte in ihrem Haus viele ihrer meist K?nigsberger Freunde kennen und hatte oft guten Rat und Zuspruch. Tante Ediths Bruder war Paul Riesenfeld aus Breslau, ein Musikkritiker und -lehrer, etwas exzentrisch, der nun f¨¹r eine in deutscher Sprache erscheinende kleine Emigrantenzeitung in Tel Aviv schrieb. Zu meinen bereicherndsten neuen Bekanntschaften in Tel Aviv geh?rte Conrad Kaiser, der entfernt verwandt war. Als Lotte sp?ter auch nach Tel Aviv kam, wohnte sie mit Nina bei Kaisers, und ich nahm am Mittagstisch teil. Er war ein alter Zionist, KIVer, aber auch mit erfolgreicher Karriere im preu?ischen Staatsdienst, zuletzt Regierungsdirektor im Berliner Polizeipr?sidium, mit weitem Horizont und Interessen, besonders Geschichte, hatte eine ausgew?hlte, gro?e Bibliothek. In seinen Ansichten war er ein Beispiel konsequenter zionistischer Einstellung und Reaktionen auf alles was vorkam, und er versuchte mir, das jeweils ganz klar zu machen. Ich glaube, es war ein Raubmord in Tel Aviv ¨¹ber den die Zeitungen berichteten. Er brach in Jubel aus, das war es, nun gab es auch j¨¹dische Verbrecher, die Juden waren auf dem Weg, ein normales Volk zu werden (7), das war die Essenz des Zionismus. Er konnte sehen, wie diese Interpretation mich ¨¹berraschte und mir gegen den Strich ging, aber er lie? nicht locker. Eine starke Bewunderung, die ich teilte, verband ihn mit dem Werk Jakob Burkhardts, aber was f¨¹r ein schrecklicher Antisemit er gewesen sei. Da war alle Literatur in seiner Bibliothek, auch Burkhardts Briefwechsel mit seinem Freund Prehn, es war wirklich so. Ein gemeinsames Interesse mit Conrad Kaiser war die Betrachtung j¨¹discher Urspr¨¹nge und Geschichte im Lichte der Erkenntnisse der alttestamentlichen Bibelkritik, auch hier war seine Bibliothek reich versehen. Einige der alten Freunde Conrad Kaisers lernte ich auch kennen und besuchte auch Dr. Badt, den fr¨¹heren Ministerialdirektor beim preu?ischen Ministerpr?sidenten Otto Braun. Er war selbst Sozialdemokrat aber auch immer alter Zionist gewesen stark angegriffen von der Rechten. Seine Schwester Bertha Badt-Strauss, Schriftstellerin, hatte ich oft in Dahlem gesehen, eine Schulfreundin meiner Tante Grete, so auch eine Jugendbekanntschaft des Dr. Badt, und er sprach von ihr. Ich hatte wieder denselben Eindruck; Badt, trotz gro?er Erfahrung in Politik und Verwaltung und alter Zionist, wurde wie mancher andere deutsch-j¨¹dische Einwanderer damals au?erhalb des zionistischen Establishment gehalten. Als wie eine pers?nliche Ermahnung blieb am st?rksten in Erinnerung von allen deutsch-j¨¹dischen Begegnungen mein FWV Bundesbruder Max Pinn. Er hatte sich in Berlin dem Kreis um Robert Weltsch angeschlossen, war ¨¹berzeugter Zionist geworden, arbeitete bei Paltreu und war erst im letzten Moment nach Pal?stina gekommen, studierte nun nochmals f¨¹r sein juristisches Examen dort. Wir hatten einige lange abendliche Spazierg?nge in lebhafter Meinungsverschiedenheit. Ich mu?te mich an meine Spazierg?nge in M¨¹nchen mit Walther Seuffert erinnern, aber diesmal ging es um ein anderes Thema. Ich hatte gro?e Schwierigkeiten nicht nur f¨¹r mich selbst, sondern auch vom Standpunkt des deutsch-j¨¹dischen Assimilanten, und das waren wir ja beide gewesen, eine positive Bilanz ¨¹ber das, was ich dort sah, zu ziehen. Zuviel schien mir verloren zu gehen, nicht bei der zionistischen Zielsetzung an sich, sondern wie ich es empfand, da? sich die Dinge im Lande tats?chlich entwickelten. Sein Enthusiasmus war so gro?, da? er all das bei Seite schob. Das ist die geschichtliche Entwicklung, sagte er, was Du dabei empfindest, ist ohne Belang, wenn die Zeit ¨¹ber in der Diaspora entwickeltes Gedankengut hinweggeht, dann mu? es halt sein, das wichtige ist, da? es ein j¨¹disches Pal?stina geben wird. Strenge Ermahnungen, er war ein Mensch geneigt zu einer Art eiserner Disziplin, eigentlich sehr preu?isch in seinem Charakter (8). Wir haben uns nicht geeinigt, ich fand, entscheidend mu? sein, wie so ein neues Judentum aussehen, sich gestalten kann. Vor dieser gro?en Frage war ich so skeptisch, ja vielleicht kann man sagen, entfremdet geworden. Das war noch ganz unabh?ngig von dem gro?en Problem des Verh?ltnisses zionistischer territorialer Ziele zu der arabischen Umwelt. Ich hatte nat¨¹rlich auch lebhafte Kontakte mit polnisch-j¨¹dischen Kreisen. Abgesehen von vielen Kattowitzer Bekannten, zum Teil schon in kurzer Zeit als Neuank?mmlinge erfolgreich, so in der jungen Diamantenindustrie, aber auch viele, die sich sehr qu?lten, sah ich beinahe t?glich einen Kreis, zu dem der mir von vielen Vorkriegsartikeln bekannte Krakauer National?konom Dr. Ludwik Berger geh?rte. Ich hatte da schon einige gemeinsame Anschauungen ¨¹ber polnische wirtschaftliche Probleme gefunden, und auch jetzt verstanden wir uns gut ¨¹ber nun aktuelle Fragen. Zu dem Kreis, den ich fast t?glich in einem Caffee am Dyzengoff Platz traf, ich war unterde? aus dem Hotel in ein m?bliertes Zimmer in dieser Gegend gezogen, geh?rte auch Zygmunt Hochwald, Herausgeber der Krakauer j¨¹dischen Tageszeitung "Nowy Dziennik", eine der rep?sentativsten der gro?en j¨¹dischen Minderheit in Polen. Sie war prozionistisch, s?kular, f¨¹r b¨¹rgerliche, assimilierte polnische Juden mit j¨¹dischem politischen Bewu?tsein. Es waren mehrere Journalisten da, und das hei?t ja oft, da? die Stimmung aufs?ssig ist, so gab es auch manche Kritik an j¨¹discher Entwicklung und Politik in Pal?stina. Die offizielle Spitze der j¨¹dischen Pr?senz in Pal?stina war die Jewish Agency, Sochnuth im j¨¹dischen Sprachgebrauch dort. Weitzmann war ja im Ausland, der Statthalter war Ben Gurion. Einige prominente Vertreter der polnischen Juden geh?rten zur Spitze. Meine Stammtischfreunde am Dyzengoff Platz schienen einen ganz guten "Draht" dorthin zu haben. Eines Tages kam jemand zur¨¹ck aus Jerusalem und sagte, wenn man da in die Sochnuth kommt, die sprechen schon so, als ob sie morgen die Regierung des Landes sein werden. Ich war best¨¹rzt. Das hatte nie zu meinem Blickfeld geh?rt. Die Balfour Deklaration hatte eine "Heimst?tte" f¨¹r das j¨¹dische Volk in Pal?stina proklamiert, es war daraus schon eine starke j¨¹dische Siedlung entstanden, der Jischuw genannt. Juden konnten auf vieles dabei stolz sein und weitere gute Hoffnung haben, aber die Idee eines j¨¹dischen Staates anstelle eines Schutzes wie des von England ausge¨¹bten Mandates, das schien mir ein verwegener Gedanke mit all den alteingesessenen Arabern herum. Man war im ganz arabischen Jaffa gewesen, im Bus von Jerusalem nach Tel Aviv durch ganz arabische Gegenden gefahren, sollte, ja konnte es da einen j¨¹dischen Staat geben, war das sinngem??, im wirklichen Interesse der Zukunft des Jischuws? Man schien auch etwas skeptisch an dem Caffeehaustisch, ob solche Stimmung in der Sochnuth zeitgem?? oder wirklichkeitsfremd ist, aber meine Reaktion war viel st?rker, f¨¹r mich ging schon die Konzeption eines j¨¹dischen Staats als Staat in Pal?stina zu weit. Ereignisse seitdem haben meine damalige Reaktion ja weitgehend ¨¹berholt. Ich frage mich heute, war das mein Wirklichkeitsempfinden nach mehrmonatigem Aufenthalt in Pal?stina, oder ist da ein Ideologieverdacht: die Idee einer Zionistischen Heimst?tte schon, aber die eines j¨¹dischen Staates konnte meine assimilierte Grundhaltung schwer vertragen. Von dem eigentlichen Holocaust mit Millionen j¨¹dischen Lebens vernichtet, wu?te man damals im fr¨¹hen Sommer 1941 noch nicht. Es ging alles darum, da? Hitler besiegt wird und das Hitlerregime von der politischen Szene Europas verschwindet. Die Frage der Gestaltung der Nachkriegswelt in Europa besch?ftigte mich immer mehr. Die Unterhaltung mit Winiewicz war da ein Stachel. Mit solchen polnischen Zielsetzungen schien es mir schwer, sich ein friedliches neues Europa vorzustellen. Ich versuchte f¨¹r solch ein Europa eine Konzeption zu entwerfen und das sozusagen als ausf¨¹hrliche Antwort in die Form eines Memorandums an die polnische Exilsregierung in London zu bringen. Ein wesentlicher Gedanke war, die Formulierung von Kriegszielen der Alliierten d¨¹rfe sich nicht im luftleeren Raum bewegen, eine Schl¨¹sselfrage mu?te sein, wie man sich die Entwicklung in einem besiegten und von den Nazis befreiten Deutschland vorstellen kann. Das Postulat einer zun?chst vollst?ndigen Entwaffnung Deutschlands nach diesem 2.Weltkrieg schien unabweisbar, politisch sah ich die Antwort damals im Sommer 1941 in der sofortigen Gr¨¹ndung einer Europ?ischen Union mit Einschlu? Englands. Nach Wiederherstellung Frankreichs m¨¹?ten auch die mittel- und osteurop?ischen Nachbarn Deutschlands so gest?rkt werden, da? sie eine wichtige St¨¹tze f¨¹r eine Europ?ische Union w?ren. Deutschland, zun?chst unvermeidlich ganz entmachtet, k?nnte dann in eine solche Union hineinwachsen. F¨¹r WiederIdentifikation und gute Nachbarschaft w?re das der hoffnungsvollste Weg. Darauf, da? dies dann auch gelingt, mu? man aber bedacht sein, da? drastische Grenzrevisionen auf Kosten Deutschlands da nichts Gutes f¨¹r die Zukunft bringen w¨¹rden. Meine Hoffnung war, da? entgegen den Ansichten von Jozef Winiewicz, auf polnischer Seite die Konzeption eines starken Polens in einer Europ?ischen Union, aber letzten Endes eben unausweichlich als guter Nachbar eines reformierten, demokratischen Deutschlands Anklang finden k?nnte. Ich sprach h?ufig mit Ludwik Berger ¨¹ber mein Thema, er verstand das gut. Au?erhalb des Zirkels, in dem wir uns trafen, hatte er auch Verbindungen zu Kreisen der Londoner Exilsregierung. Mein Entwurf f¨¹r ein Memorandum wurde ganz umfangreich, ich gab es ihm zu lesen, aber er kam zur¨¹ck und fand, es sei f¨¹r die damalige Lage viel "zu liberal" und w¨¹rde seine Wirkung verfehlen. Ich hatte es auf deutsch geschrieben, weder mein Polnisch noch damals mein Englisch waren gut genug, ohne diesen Umweg auszukommen, ich h?tte es noch ¨¹bersetzen lassen m¨¹ssen. Die "damalige Lage" hatte sich in diesen Wochen ganz entscheidend ge?ndert, schwerwiegendst durch den Einfall Hitlers in die Sowietunion am 22.Juni 1941. Es war eine ¨¹berraschung, eine, meiner Ansicht nach, nicht rational erkl?rliche Entscheidung Hitlers. Auch dabei machten also seine Gener?le mit. Da hatten Hitlers Gegener gewartet, da? Ru?land und die Alliierten sich doch noch zusammenfinden, jetzt sorgte Hitler selbst daf¨¹r. Die Chancen, da? der Krieg gegen Hitler nicht nur in ein stalemate verwandelt, da? er auch gewonnen werden k?nnte, schienen nun weit besser. Die ersten Nachrichten von der russischen Front waren allerdings be?ngstigend, es war furchtbar von dem neuen riesigen Blutvergie?en zu h?ren, das Hitler da angefangen hatte. N?her, im Mittelmeerraum, hatten die Deutschen aber vorher nicht nur Kreta erobert, auch in Nordafrika waren sie unter Rommel bis an die ?gyptische Grenze vorgesto?en und stellten eine akute Bedrohung dar. Auf Cypern f¨¹hlten sich nach dem Fall Kretas alle bedroht, die Grund hatten, vor Hitler zu fliehen, und die britische Regierung veranla?te ihre Evakuation, mit ihnen auch die Familie Weingr¨¹n. Es handelte sich aber um eine sehr viel umfangreichere Aktion f¨¹r polnische Fl¨¹chtlinge, denn die britische Regierung hatte fr¨¹her 500 polnische Fl¨¹chtlinge aus Rum?nien nach Cypern evakuiert, wobei es sich um die im Falle einer deutschen Besetzung Rum?niens politisch am meisten bedrohten Personen handeln sollte. Die polnische Exilregierung in London war unter General Sikorski als breite Koalition aller der Parteien von den Nationaldemokraten bis zu den Sozialisten entstanden, die sich in Opposition gegen die Sanacjagruppierung um Pilsudski gehalten hatten. Deren Anh?nger wurden von der Exilregierung so gut wie ausgeschlossen. Daf¨¹r wurden sie vornehmlich ber¨¹cksichtigt, als die Liste f¨¹r die Evakuation von 500 Fl¨¹chtlingen nach Cypern aufgestellt wurde. Die eigenen Anh?nger wollten die Parteien der Exilsregierung lieber in wichtigere Zentren bringen. Lotte und ihre Familie wurden nun bei ihrer Evakuation von Cypern dieser polnischen Cyperngruppe angeschlossen. F¨¹r mich wurde es eine sehr bewegende Ver?nderung, da? ich jetzt Lotte und ihre Familie wiedersehen sollte. Die erste Station der Evakuierung sollte Pal?stina sein. Zygmunt Weingr¨¹n wurde bei Landung gleich zur polnischen Armee eingezogen, er hatte einst seinen Armeedienst gemacht. Er war nicht der einzige, die Gruppe war also kleiner geworden, es hie? bald, die Engl?nder w¨¹rden sie nach Nordrhodesien weiterevakuieren, um die Zahl der polnischen Fl¨¹chtlinge in Pal?stina nicht weiter anschwellen zu lassen. Unerwartet stellte sich f¨¹r mich nun dieselbe Frage. Ich hatte beantragt, auf die Liste der polnischen Kriegsfl¨¹chtlinge gesetzt zu werden, die vorl?ufig in Pal?stina bleiben konnten und als Fl¨¹chtlinge betreut wurden. In Istanbul hatte ich nur im polnischen Konsulat einen neuen Pa? bekommen und mich dabei auch zum Milit?r nochmals stellen m¨¹ssen, wurde aber nicht genommen; es war nun wieder so. Dann kam Bescheid, f¨¹r Kriegsfl¨¹chtlingsstatus k?nnten sie mich in Pal?stina nicht annehmen, aber mich als "War Evacuee" auf die Listen f¨¹r den Transport der Britischen Regierung nach Nordrhodesien setzen. Das war eine frappierende Entwicklung, da Lotte und ihre Tochter auch dorthin gehen sollten. Ich entschlo? mich dazu. Die Weiterreise nach Nordrhodesien schien gar nicht so popul?r bei manchen Mitgliedern der Cyperngruppe zu sein. Einige der zum Milit?r eingezogenen M?nner hofften, ihre Familien k?nnten ihnen n?her in Pal?stina bleiben, auch andere zogen das vor, es wurde nur in Ausnahmef?llen erlaubt. Immerhin ergaben sich verschiedene freie Pl?tze in der Gruppe, unter den neu in Pal?stina hinzukommenden waren auch einige andere j¨¹dische Fl¨¹chtlinge aus Polen. Alter und sehr gern wiedergesehener Bekannter aus Kattowitz war der Tierarzt Dr. Ignacy Mann, er hatte unterde? eine rum?nische Architektin geheiratet, und dann war dort das mir aus Kattowitz bekannte polnisch-j¨¹dische Arztehepaar Berman. Lotte, die von Cypern her schon viele Bekannte in der Gruppe hatte, vers?umte aber die Abreise der ersten Teilgruppe, Zyga wollte sehr, da? sie in Pal?stina bleibt. Vor der Abreise der weiteren Gruppe wurde sie krank, ich stieg allein in den Zug, ohne sie. Es war ein schmerzlicher Abschied gewesen. Der Transportleiter war Ing. K., Bekannter von Mersin und der Bridgepartie auf der Schiffsreise, und es war gut, da? Dr. Manns da waren. Einige Tage vorher war ich noch nach Jerusalem gefahren, um von Freunden Abschied zu nehmen. Franz Goldstein benutzte immer noch die Schreibmaschine, die ich ihm 1937 bei seinem Weggang von Kattowitz gegeben hatte. Nun borgte ich sie, um mir einige meiner Artikel aus der Wirtschaftskorrespondenz abzuschreiben. Ich dachte, da ich jetzt auch ein Fl¨¹chtling war und weit weg ging, k?nnte ich nicht jetzt die Maschine wiederhaben. Er hatte eine Redaktion in Jerusalem, ich dachte an mein Manuskript, an dem ich weiter arbeiten wollte. Er war sehr best¨¹rzt, es ist doch sein Brot, sagte er, ohne diese Maschine w?re er vollkommen gel?hmt. Ich habe sie dort gelassen. Eine Bekannte in einer Pension etwas au?erhalb Jerusalems sagte mir, es w?re ein Verwandter von mir da, Dr. Erich Sachs, von der Berliner Konzertdirektion Wolf & Sachs, wir hatten uns nie kennengelernt. Der Weg zur Pension f¨¹hrte durch das Quartier Mea Shearim der Ultraorthodoxen Juden, noch heute oft erw?hnt und umstritten, und so lernte ich noch einen weiteren Aspekt des j¨¹dischen Pal?stinas kennen. Besucht hatte ich auch von Tel Aviv aus verschiedene genossenschaftliche Siedlungen, Moshaws, deutsch-j¨¹dische H¨¹hnerfarmen, aber zu einem Kibbutz brachte ich es damals nicht. Vor der Abreise hatte man nat¨¹rlich versucht, etwas ¨¹ber Nordrhodesien zu erfahren. Geographische Nachschlagewerke mu?ten her, etwas Geschichte, aber Augenzeugen fanden wir nicht, es wurde doch weitgehend eine Reise ins Unbekannte. Reise nach Nordrhodesien Die Eisenbahnfahrt in Pal?stina ging vor¨¹ber an einigen Siedlungen, noch mit viel Gr¨¹n, dann W¨¹ste, bei El Kantara kamen wir an den Suezkanal und Grenzkontrolle nach ?gypten, britische Milit?rverwaltung. Meine Korrespondenz und andere Papiere wurden wieder eingehend gepr¨¹ft, man nahm einige meiner Artikel aus der Wirtschaftskorrespondenz f¨¹r Polen und den Entwurf f¨¹r das Memorandum an die polnische Exilregierung weg, versprach, ich w¨¹rde es sp?ter wiederbekommen. Ich war perplex, wie hatte man ausgesucht, welche meiner Artikel zu weiterer Pr¨¹fung mitzunehmen und welche mir zu belassen? Aber es gab genug, was einen zun?chst jetzt besch?ftigte. Der neue Zug, der uns nach Cairo bringen sollte, hielt auf einem Bahnhof, als Alarm wegen eines deutschen Luftangriffs ert?nte. Schneller konnte es einem nicht klargemacht werden, da? man in Kriegsgebiet war. Es wurden ?ngstliche Minuten, umso mehr, als das Ger¨¹cht aufkam, der Zug, der neben unserem stand, sei ein Munitionszug. In Kairo kamen wir zun?chst in ein Lager, ein Teil des Transports reiste weiter, aber das n?chste Schiff mit Platz f¨¹r unsere Restgruppe ging erst in einigen Wochen. Wir wurden ins Hotel Lunapark, gut gelegen in der Stadt, einquartiert. Nat¨¹rlich bekam ich kein Einzelzimmer, ich mu?te es teilen, mein Zimmergenosse war der Senator Rudolf Kornke, prominent in Oberschlesien als Vorsitzender des Verbands der polnischen Aufst?ndischen. Als wenn sich das jemand ausgedacht h?tte. Um mich klar zu identifizieren, habe ich gleich gesagt, wer ich bin, n?mlich der Sohn meines Vaters, dessen Namen er ja gut kannte. Er war ein sehr ruhiger Mann nicht vieler Worte, aber mit sehr bestimmten Ansichten. Bei einer Unterhaltung ¨¹ber die Kriegslage, die Nachrichten von der russischen Front waren weiter schlecht, fragte ich, h?tte der Eintritt Ru?lands in den Krieg auf Seiten der Alliierten nicht die Aussichten auf eine Niederlage Hitlers entscheidend verbessert? Es entsprach der allgemeinen Stimmung. Nein, sagte Kornke, ohne den Eintritt der USA in den Krieg kann Hitler nie besiegt werden. Aber, meinte ich, Roosevelt hat ja schon die vollste industrielle Unterst¨¹tzung f¨¹r die gegen Hitler vereinigten Kriegspartner organisiert. Nein, sagte Kornke, das gen¨¹gt nicht, nur Einsatz amerikanischer Truppen in Europa kann die Situation wenden. Es schien die n¨¹chternste Analyse, die ich bis dahin geh?rt hatte. Die Japaner haben ja dann daf¨¹r gesorgt, da? es dazu kam. Als sie in Pearl Harbour angriffen, mu?te ich an den Senator Kornke denken. Unseres war ein Turmzimmer, direkt unter dem Dach. Es gab damals auch in Kairo deutsche Luftangriffe. Bei einem Alarm, und es wurde ziemlich hei?, wollte ich ins Vestib¨¹l des Hotels gehen, wo in Mangel eines Luftschutzkellers sich die Bewohner versammeln sollten. Kornke bestand darauf, oben zu bleiben. Sind Sie wahnsinnig, sagte er, dort unten f?llt das ganze Haus auf Sie, wenn wir getroffen werden, hier oben ist es vielleicht halb so schlimm. Er klang sehr ¨¹berzeugend, ich blieb mit ihm oben, ungem¨¹tlich wie es wurde. Tags¨¹ber sahen wir uns kaum, er hatte seine Kreise und Freunde, und ich hatte meine gefunden. Mit den Manns und anderen meistens j¨¹dischen Evacuees machte ich Ausfl¨¹ge zu den Pyramiden, auch den Ausgrabungen in Sakara, die Museen waren leider wegen des Krieges geschlossen oder sogar evakuiert. Man besuchte Moscheen in der Stadt, aber ich hatte auch noch meine eigenen, deutsch-j¨¹dischen Kontakte. Otto Lilien war im Stab der Royal Air Force als Experte f¨¹r Aerial Photography. Er nahm mich in den j¨¹dischen Servicemen Club mit, ins Haus des FWV Bundesbruder Dr. Hermann Engel, als bekannter Orthop?discher Chirurg aus Berlin nach Kairo emigriert und dort sehr anerkannt, so war der Internist Dr. Rosenberg, den ich durch meinen Onkel Walter Oettinger in Berlin kannte. Ich ging in Synagogen, wie ich es auch in Istanbul und Pal?stina getan hatte, der sephardische Gottesdienst war schon vertraut geworden. Assimilation gab es, viele gute B¨¹rger kamen mit Fez als Kopfbedeckung in die Synagoge. Man merkte sie aber auch sonst, es gab da reiche und vornehme Kaufmannsfamilien, deren H?upter den Paschatitel trugen und gute Beziehungen zum K?nigshof hatten. Dann sah ich Dr. Hans Nissel, verwandt mit Familie Landshut in Jerusalem, Verwandschaft unserer Sachs Familie. Er war deutsch-j¨¹discher Emigrant, Elektroingenieur, arbeitete in einer dieser j¨¹dischen Firmen und wohnte mit seiner Familie im sch?nen Gartenvorort Madi. Es waren viele Engl?nder da, zum ersten Mal kam ich mit ihm auf einen Bowlinggreen. Er war auch ein passionierter Cellospieler, ich sah so auch Leben in Kairo von angenehmster Seite. Aber der Krieg war furchtbar nahe, die Nazis machten nicht nur Luftangriffe, sie waren vor der T¨¹r, und der K?nig, der es mit den Engl?ndern hielt, im Lande stark umstritten. Die Britische Armee und ihre Verwaltung war ¨¹berall sichtbar. Es war ein eindrucksvoller Apparat, der da zur Verteidigung ?gyptens und des Mittleren Ostens aufgebaut wurde. Die polnische Armee, die im mittleren Osten gebildet wurde, war auch dabei, mein Schwager Weingr¨¹n war damals bei Tobruk stationiert, ich habe ihn w?hrend unseres Aufenthalts in Kairo nicht sehen k?nnen. Es kamen dann die Tage, wo wir st¨¹ndlich auf den Befehl zur Weiterreise warteten. Es sollte ein n?chtlicher Konvoy zur Hafenstadt Suez sein, sobald ein Schiff zur Abfahrt bereit ist, und es durfte dann niemandem gesagt werden, wann wir abfahren. Es konnte also gar keine Abschiede geben. Indem man selbst Abschied von Kairo nahm, wurde man nachdenklich. Jetzt hatte ich seit Kriegsbeginn vom altbekannten mitteleurop?ischen Gebiet weg soviele alte Kulturst?tten, Rom, Istanbul, Jerusalem und Kairo gesehen, und nun ging es wirklich weit weg, ins Innere Afrikas, wie mir schien. Aber auch der Besuch in Kairo war ganz unter dem Zeichen des Krieges, die Sorge, wie er weiter geht, und um all die Lieben, die weiter in gro?er Not oder Bedrohung waren, die Mutter in Ru?land. Von Marianne hatte man nur Rotkreuznachricht, sie war unter Naziokkupation in Guernsey gekommen, und soviel Familie doch noch in Deutschland, Beuthen, Breslau und Berlin zur¨¹ckgeblieben. Man fuhr schweren Herzens in die unbekannte neue Welt. Der Konvoy fuhr mit viel Vorsicht durch die W¨¹stennacht, in Suez erwartete uns die "New Amsterdam", gr??tes, neugebautes holl?ndisches Passagierschiff gewesen, jetzt von den Alliierten als wichtiges Truppentransportschiff benutzt. Unsere polnische Evacuee Gruppe war zusammen untergebracht, aber in den allgemeinen R?umen traf man sich mit vielen Soldaten, die das Gros der Passagiere waren. Die meisten waren Urlauber, viele auch aus S¨¹dafrika. Das wurde also gleich ein Hauch der neuen Welt, in die wir reisten. Gleich auf den Anfang der Reise fiel das j¨¹dische Neujahrsfest. Einige in unserer Gruppe legten Wert darauf, ich tat es auch, und so war es auch bei einigen der Soldaten und Offiziere aus England und S¨¹dafrika, es gab einen gut besuchten Gottesdienst. Nat¨¹rlich gab es dann auch viele Unterhaltungen ¨¹ber Leben in S¨¹dafrika, wie war es im Vergleich dazu in Nordrhodesien, wollten wir wissen. Es war aber niemand da, der wirklich dort gewesen war. Auch die Schiffsreise stand ganz unter Vorsicht vor dem Feind, nicht nur das Rote Meer, auch der Ozean bis nach S¨¹den hinunter galt als bedrohtes Gew?sser. Wir erfuhren, da? das Schiff uns nach Durban bringen und wir von dort ohne Aufenthalt mit dem Zug nach Nordrhodesien fahren w¨¹rden. Die Reise nach Durban dauerte wohl etwas ¨¹ber zehn Tage, das kann ich noch gut sch?tzen, denn der letzte Tag der Reise war der Vers?hnungstag, es gab wieder Gottesdienst und ich fastete, aber a? noch das letzte fr¨¹he Abendbrot, bevor wir in Durban landeten. In Afrika gelandet Eine n?chtliche Zugfahrt sollte unsere Gruppe zun?chst von Durban nach Johannesburg f¨¹hren. Dort hatten wir einige Stunden Aufenthalt. Ich wu?te, dorthin waren die Verwandten Mia Weissenberg und Kurt Koenigsfeld emigriert und die Freunde Hans Kunz mit Frau Margot, deren Eltern und ihr Bruder Ernst Koenigsfeld (EK). Ich hatte die Adresse von Kunz, alle kamen schnell auf den Bahnhof, mich zu sehen, ich war ja von soviel n?her ihrer Heimat frisch angekommen. Sie wollten viel von mir h?ren, aber es war auch schon Monate her, da? ich von Kurts Schwester Erika Schlesinger aus Beuthen vor meiner Abreise aus der T¨¹rkei noch geh?rt und Kurt nach Pretoria dar¨¹ber geschrieben hatte. Es wurde ein sehr bewegtes Wiedersehen, dann ging der Zug mit unserer polnischen Evacuee Gruppe weiter nach Bulawayo im damaligen S¨¹drhodesien. Ich bekam noch die Adresse von Franz Schalscha, urspr¨¹nglich aus Kattowitz, der zu den dort eingewanderten deutschen Emigranten geh?rte. Wir mu?ten dort den Zug wechseln, mit mehreren Stunden Aufenthalt konnte ich mich bei den Schalschas melden, wurde sehr herzlich begr¨¹?t und hatte nun einen freundschaftlichen Kontakt in Bulawayo, der Stadt, die f¨¹r das ganze damalige Nordrhodesien die n?chste "Metropole" war, zu der Eisenbahnverbindung bestand. Die ging ¨¹ber die Viktoria Falls, erste vor¨¹berfahrende Begegnung mit diesem gro?en Naturschauspiel, und dann Livingstone, unser erster Halt in Nordrhodesien. Auf dem Bahnhof erste Neugier, man trifft einen Transportunternehmer, der Taxis hat, Furmanovsky, Jude, das gibt es also auch. Einige von unserem Transport waren dort platziert worden und stiegen aus. Ein Teil unserer "Cypern Gruppe" war ja schon vorher angekommen, auf verschiedene Orte in Nordrhodesien verteilt worden, meist nicht in Lagern, sondern in Hotels, und unsere Gruppe wurde auf diese Orte nun auch verteilt. Ich aber kam zu einer kleinen Gruppe, etwa zw?lf, die auf einer Farm 15 Meilen von dem Ort Monze wohnen sollten. Auf der Reise hatte uns von der nordrhodesischen Regierung aus Major McKee, ein Gesch?ftsmann aus der Hauptstadt Lusaka begleitet, der dem Parlament (Legislative Council) angeh?rte und uns nicht nur empfangen, sondern auch beraten wollte. Es hie?, nat¨¹rlich wird arbeiten k?nnen, wer eine Stellung finden kann. Ich verwies weniger auf meinen national?konomischen Doktor, als mein Diplom Kaufmanns Grad, mit Betonung auf Buchhaltungskenntnisse; er meinte, wenn das so etwas wie ein Chartered Accountant w?re, dann w¨¹rde ich bestimmt gleich eine Stellung finden. Nordrhodesien war eine britische Kronkolonie, deren Verwaltung und Beamte dem Colonial Office in London unterstanden. Im Norden hatte sich bedeutender Kupferbergbau entwickelt, der die Kolonie kriegswichtig machte. Neben Kupfer, Zink und Blei fielen auch Kobalt und Vanadium an. Der Farmer H.L. Savory erwartete uns an der Station Monze, wo auch eine gr??ere Gruppe ausstieg, die dort im Hotel untergebracht wurde. Die Farm der Familie Savory war schon alt und f¨¹r nordrhodesische Begriffe ehrw¨¹rdig, urspr¨¹nglich vom Vater Savory angelegt, einstigem Landvermesser der ersten englischen Kolonialregierung Nordrhodesiens. Man hatte f¨¹r uns sogenannte Rondavels (9) errichtet, ich bewohnte eins allein. Im alten Farmhaus hatte unsere Gruppe ihr E?zimmer und Aufenthaltsr?ume mit sehr sch?nem Garten, eine lange Allee mit riesengro?en alten B?umen f¨¹hrte vom Farmhaus des jetzigen Farmerehepaars Savory zu unserem kleinen Evacuee Compound. Von meinen Freunden und Bekannten in unserer Reisegesellschaft hatte ich mich in Monze verabschieden m¨¹ssen, von der kleinen Gruppe auf der Farm Savory kannte ich niemanden, es waren zum Teil etwas schwierige Leute, aber ich kam gut aus. Die Farm war f¨¹r unsere Begriffe riesengro?, hatte einen Viehbestand von etwa 2000 und gro?en Maisanbau. Die Schwarzen wohnten mit ihren Familien in D?rfern um die Farm, zu der sie zur Arbeit kamen. Nat¨¹rlich war bei der Ankunft in Afrika diese Frage, wie es mit den Schwarzen stand, ein Hauptgegenstand meines Interesses. Ich erinnerte mich an ein Buch, wohl etwa 1931 verfa?t, des damals sozialdemokratischen Geographen Walter Pahl, der die Frage der Schwarzen in Afrika als ein kritisches Problem der nahen Zukunft beschrieben hatte. Ich selbst hatte ja einmal diesen Seminarvortrag ¨¹ber die Zukunft des Britischen Empires halten m¨¹ssen, aber da schienen etwaige Probleme auf den zentrifugalen Tendenzen in einigen wei?en Dominien und Indien, und nicht so stark auf der Frage der Schwarzen in afrikanischen Kolonien zu liegen. Pahl hat das wenig sp?ter mit Blick auf S¨¹dafrika anders dargestellt. Es war eine ganz neue Begegnung f¨¹r mich, nun inmitten dieser Fragestellung zu leben, und da waren rein menschlich nun auch die ersten Kontakte mit Schwarzen, zun?chst einfach zu den Bediensteten, die f¨¹r unsere Gruppe in dem kleinen Evacuee Compound besch?ftigt wurden, oder dann auch die Hausangestellten des Ehepaars Savory oder Arbeiter auf der Farm. Die sechs Monate dort waren eine gute Einf¨¹hrung ins Leben in Afrika (10), seine Reize als Gegensatz zum Leben in Europa, viele seiner Probleme, Leben mit englischen Menschen in den Kolonien. Mein Englisch verbesserte sich entscheidend, ich hatte soviel Zeit daf¨¹r und viel Verst?ndnis und Hilfe von den Savorys. Mit einigen aus unserer Gruppe, die auch etwas Englisch konnten, hielten wir engen Kontakt mit der Farmer Familie, spielten auch Bridge dort oder sollten sie zum "Sundowner" besuchen. Das waren die abendlichen "Drinks" bei Sonnenuntergang, eine typisch koloniale Sitte, wurde mir gesagt, man mu?te um die Zeit seine Chininpillen nehmen, und dazu mu?te man nat¨¹rlich etwas trinken. Die Pillen mu?te ich auch nehmen, aber bekam trotzdem bald meine erste Malaria. Als Tageszeitung brachte die Post das "Bulawayo Chronicle" mit kurzer Versp?tung, auch gab es die "Sunday Times" aus Johannesburg, aber f¨¹r wirkliche t?gliche Nachrichten versorgte uns die BBC. Man konnte sich, wie es die Savorys taten, B¨¹cher aus den guten Best?nden der ?ffentlichen Bibliothek in Bulawayo kommen lassen. In diesen sechs Monaten wurde ich in meinem Rondavel, es hatte eine typische hohe Decke, die auch das Dach war, aus Gras, ein unerm¨¹dlicher Leser, nat¨¹rlich nur englischer B¨¹cher, viel Anthropologie, das war ja ein sehr aktuelles Interesse in der neuen Umgebung, aber auch alle politischen Fragen, die mit Afrika oder dem Kriegsgeschehen und seiner Vorgeschichte zu tun hatten. Es war ein gro?es Programm, aber bald nahm ich auch wieder mein Memorandum ¨¹ber das erhoffte Nachkriegseuropa zur Hand. Ich wei? nicht mehr, wieviel mir davon nach der Grenzkontrolle am Suezkanal noch ¨¹brig geblieben war, ich bekam meine Papiere von dort nie zur¨¹ck, ich machte wohl eine ziemlich neue Fassung jetzt, konnte eine Schreibmaschine der Savorys dazu benutzen. Ich konnte es doch vorl?ufig erst in Deutsch schreiben, ein fr¨¹herer polnischer Richter j¨¹discher Herkunft hatte zugesagt, es mir ins Polnische zu ¨¹bersetzen, es kam aber nie dazu. Im April 1942 fing ich dann an, in der Wirtschaft des "Copperbelt" zu arbeiten, und da gab es neue Priorit?ten. Auch wurde dann klarer, da? mein Bild einer Europ?ischen Union mit Ru?land ruhig hinter seinen alten Grenzen sitzend, kaum den Realit?ten entsprechen w¨¹rde. Ich hatte es so erhofft, als beste Sicherheit nach dem Kriege f¨¹r alle, ich hatte beiseite geschoben, da? am 17. September 1939 ich ja so spontan und panisch auf den russischen Einmarsch in Ostpolen mit der Vermutung reagiert hatte, sie w¨¹rden erst am Rhein Halt machen. Durch die polnische Vertretung in Lusaka erhielt man auch regelm??ig die in London erscheinende Exilpresse und Literatur. Als wir in Nordrhodesien ankamen, gab es dort eine Welle von Sympathie f¨¹r die Russen, die unter den heftigen Angriffen Hitlers verzweifelt k?mpften, und man konnte sich dem gar nicht verschlie?en. F¨¹r mich kam noch das Gef¨¹hl dazu, da? meine Mutter nun in deren Obhut war, durch die Deportation vor den Nazis gerettet. Die Freunde, die in Lemberg blieben, waren den Nazis in die H?nde gefallen, die ja in von den Russen eroberten Gebieten sofort mit systematischen Massenmorden begannen. Die Lage der polnischen Fl¨¹chtlinge in Ru?land dagegen hatte sich langsam verbessert. Die Sowjetregierung erkannte die polnische Exilregierung in London an, es wurden Vereinbarungen ¨¹ber Bildung einer polnischen Armee in Ru?land aus dort befindlichen Fl¨¹chtlingen getroffen, dann aber Pl?ne f¨¹r deren Evakuation ¨¹ber Persien in den Westen gemacht. Meine Mutter konnte zusammen mit den alten Weingr¨¹ns und T?chtern Andzia und Irene aus der Internierung in Marijskaja auf langem Weg zun?chst in die provisorische Hauptstadt Ru?lands in Kuybishew auf der Wolga fahren, wo auch die englische und polnische Botschaft waren. Meine Mutter erhielt dort im Oktober 1941 einen neuen Pa? und ihr englisches Visum, dann fuhren sie weiter nach Uzbekistan, von wo manche polnischen Fl¨¹chtlinge dann ¨¹ber die Grenze nach Persien gehen konnten. Besonders diejenigen, die Angeh?rige in der polnischen Armee hatten, bekamen dazu die Erlaubnis. Obwohl mein Schwager in der polnischen Armee in Egypten diente und meine Mutter ein Visum nach England hatte, wurde sie in keinem der polnischen Transporte mitgenommen. Auch vorsorgliche Bitten um Hilfe bei der polnischen Regierung in London hatten nicht geholfen. Der Vater Weingr¨¹n war unterwegs in Taschkent gestorben. Als meiner Mutter die Ausreise verweigert wurde, blieben die alte Frau Weingr¨¹n und Tochter Andzia mit ihr zusammen in Uzbekistan in der Stadt Kermine zwischen Bokhara und Samarkand. F¨¹r viele ein Land m?rchenhafter Erz?hlungen, aber sie haben dort sicher in gro?em Elend leben m¨¹ssen. Meine Mutter ist dort am 30.November 1942, wie man mir sp?ter sagte, an Typhus gestorben. Der Taschenkalender, den sie seit 1939 f¨¹hrte, hat sich erhalten, da steht noch unter den Adressen "Mein geliebter Walter c/o Savory Monze Northern Rhodesia", also da? ich in Nordrhodesien gelandet war, hat sie noch erfahren, hoffentlich auch noch Briefe von mir gehabt. ¨¹ber ihren Tod h?rte ich erst im April 1943 von Lotte aus Tel Aviv, es war eine tragische Botschaft, sehr gro?es Leid. Damals war ich schon ein Jahr lang weg von der Farm bei Monze und arbeitete im Copperbelt. Als es in meinen ersten Monaten auf der Farm diese Welle der Sympathie f¨¹r das mitk?mpfende Ru?land gegeben hatte, wurde zu Spenden aufgefordert durch eine Gesellschaft der Freunde Ru?lands, und ich gab eine kleine Spende, die Savorys fanden das richtig, sie hatten es auch getan. Wie das aber schon mehrmals gewesen war, dann gab es wieder Nachrichten ¨¹ber die absto?enden Z¨¹ge des dortigen Regimes, es kam eine, die bei mir wieder eine entschiedene Abwendung brachte. Zwei F¨¹hrer des j¨¹disch-sozialistischen "Bund" aus Polen, Alter und Ehrlich, die auch als Fl¨¹chtlinge in Ru?land waren, wurden nach einem Proze? erschossen. Ich hatte die Nachricht in der polnischen Exilpresse gelesen. Diese Sowjets waren immer wieder die alten. Wer f¨¹r Ansichten stand, die nicht 100% Konform waren, mu?te umgebracht werden. Man konnte sich nur abwenden, was f¨¹r eine Tragik. Es hie? nichts Gutes f¨¹r die Zukunft. Mein Vetter Herbert hatte Verbindungen zu den zwei gro?en Bergbaukonzernen, die in Nordrhodesien Gruben besa?en, da sie ja auch Kobalt bzw. Vanadium produzierten. Es gab keine Vakanz bei Anglo-American, aber durch Ronald Prain bekam ich eine Stellung bei Mufulira Copper Mines, ging April 1942 dorthin, fing an im Magazin zu arbeiten. Der Chefarzt aber fand, da? mein R?ntgenbild Silikosisverdacht (Steinstaublunge) zeigte. Es war gegen die Politik der Grubengesellschaften, Silikosisverd?chtige anzustellen. Ich fand eine andere Stellung im Copperbelt bei Northern Caterers, die alle Hotels und B?ckereien dort betrieben. Abgesehen von einigen dienstlichen Zwischenaufenthalten in Kitwe und Luanshya blieb ich in Mufulira, mit wechselnden Stellungen allerdings, bis Anfang 1947. Dort habe ich dann also auch den weiteren Verlauf der Kriegsjahre miterlebt. Es waren dieselben Zeitungen wie in Monze, ich wurde auch Abonnent der "Time". Radioempfang war gut, man blieb doch ganz gut informiert, au?er der polnischen Exilpresse sah ich manchmal das deutsche Emigrantenblatt "Aufbau" aus New York. Ich teilte alle diese Erlebnisse mit den etwa 2000 Europ?ern (10) in Mufulira. Die Mehrheit waren die Englischst?mmigen, darunter manche Bergleute aus Yorkshire oder Wales, viele Beamten der Grube, auch S¨¹dafrikaner, englische oder Buren, auch einige j¨¹ngere ostj¨¹dische Einwanderer und sephardische Juden aus Rhodos und drei andere von den polnischen Evakuees, zwei Juristen und ein Bankdirektor; wir hielten engen Kontakt. Von den nicht zur Grube, sondern wie ich zur kommerziellen Township geh?rigen, wurden zu engsten Freunden die Familien Mohrer und Messerer aus Frankfurt und zwei Familien Illion aus Libau. Es gab eine sehr ungezwungene Gesellschaft, viel angeregte Unterhaltung und auch Meinungsverschiedenheiten. Zu den j¨¹dischen Feiertagen gab es kleine Gottesdienste, erst im Hause Mohrer, schlie?lich wurde eine j¨¹dische Gemeinde gegr¨¹ndet und sogar eine sch?ne, nicht zu gro?e Synagoge gebaut. Es waren doch etwa 100 Mitglieder. Die Begeisterung besonders des jungen Messerers war inspirierend. Schlie?lich war ich auch im Vorstand, als Kassierer. Der Verlauf des Krieges gab mehr Zuversicht, da? er mit einem Sieg der Alliierten ¨¹ber Hitlers Axism?chte enden w¨¹rde. Es gab immer noch viel Ungewi?heit, so im Fernen Osten und den U-Bootkrieg, aber in Nordafrika und an der Ostfront hatte es doch deutliche Fortschritte gegeben. Zwei gro?e Felder von Sorgen zeichneten sich ab. Das eine war das Schicksal der j¨¹dischen Bev?lkerung, die in Hitlers Hand gefallen war. Man wu?te ¨¹ber die Vorg?nge in den Anf?ngen der Besetzung Polens, hatte immer wieder von dort geh?rt. Mit dem Eindringen der Deutschen in Ru?land waren noch schrecklichere Nachrichten ¨¹ber systematische Ausrottung der dortigen j¨¹dischen Bev?lkerung gekommen. Eines Tages kam die Nachricht, da? aus dem polnischen Untergrund Berichte nach London gekommen waren ¨¹ber den Beginn von systematischen Vernichtungsaktionen auch im besetzten Polen. Die Meldung kam in sehr eindringlicher Form, n?mlich da? der Abgeordnete im polnischen Exilparlament in London, Schmuel Zygielboim, sich aus dem Fenster gest¨¹rzt und das Leben genommen hatte, aus Protest dagegen, da? es keine wirkliche Reaktion auf diese Todesberichte aus Polen gegeben hatte. Sein Selbstmord wurde verschiedentlich von der Presse berichtet, aber die polnische Exilpresse gab ihm nat¨¹rlich das weiteste Profil. Sein Name als F¨¹hrer des j¨¹dischen "Bund" war mir ja von der Besetzung Warschaus her vertraut. Er hatte zu den zw?lf Geiseln geh?rt, die f¨¹r die Zeit der ¨¹bernahme den Deutschen vom polnischen Verteidigungskomitee hatten gestellt werden m¨¹ssen. Er war dann entkommen und nach Aufenthalten in Br¨¹ssel und New York 1941 nach London gelangt. Es war eine ersch¨¹tternde Nachricht zu einer Zeit, als das Vernichtungslager Auschwitz mit seinen Cyclon B Anlagen noch nicht bekannt war. Lager wie Treblinka wurden aber schon erw?hnt. Man h?rte auch von Deportationen aus Holland und Frankreich und es gab so viele, um die man sich pers?nlich Sorgen machte, eben auch die Schwester Marianne. Es schien nichts zu geben, was von alliierter Seite getan werden konnte, auch nicht nach dem gro?en Signal, das Schmuel Zygielbojm als Protest des j¨¹dischen Volkes gesetzt hatte. Das andere Problem, auf das man zunehmend aufmerksam wurde, waren die sich abzeichnenden Interessengegens?tze zwischen den Anh?ngern Ru?lands und seines kommunistischen Regimes und den anderen Gegnern Hitlers. Da war nicht nur die wachsende Antipodie Ru?lands gegen¨¹ber der polnischen Exilregierung in London, mit der sie schon April 1943 die Beziehungen abbrachen und dann zur Bildung einer eigenen polnischen, kommunistisch gef¨¹hrten Exilregierung in Ru?land schritten. Es war auch die Entwicklung in Jugoslawien, die einen beunruhigte. Die von Moskau unterst¨¹tzten Antihitlerguerillas Titos machten bald bessere Fortschritte als die den alten jugoslawischen Regimes treuen Guerillas Michajlowiczs, gegen die auch zu k?mpfen den Gruppen Titos gar nichts ausmachte, im Gegenteil, dieser Kampf schien genauso ihr Ziel zu sein wie der Kampf gegen Hitler. Das war auch wieder be?ngstigend. Auf alliierter Seite war die Entschlossenheit zur siegreichen Beendigung des Krieges absolut vorherrschend, daher hat auch die englische Regierung Churchills dann Tito aktiv unterst¨¹tzt, weil es die besseren Chancen f¨¹r baldige Beendigung des Krieges zu bieten schien. Mit den polnischen Evacuee Freunden in Mufulira teilte ich stark die Besorgnisse, die man f¨¹r die k¨¹nftige Gestaltung der Dinge in Polen deswegen haben mu?te. In diesen Jahren waren f¨¹r mich die Sylvesterabende immer ein Anla? f¨¹r wehm¨¹tige Erinnerungen an das zu Hause, die Eltern, und alles, was so vollkommen untergegangen zu sein schien. Es gab immer Feiern im Freundeskreis, einmal, wohl 1943/44 war es bei den jungen Illions gewesen. Danach hatte ich eine so besonders starke Erinnerung an diese Abende einst zu Hause, und ich sah vor mir auch das Bild des Dr. Hans Lukaschek, der ja einige Male Gast bei uns zu Hause an Sylvesterabenden gewesen war. Es war beinahe wie eine Vision, und ich erinnerte mich an die sp?tere Begegnung in Breslau, als ihm die Tr?nen ¨¹ber die Backen liefen wegen der Verh?ltnisse in Deutschland unter Hitler. Wo war das alles, gab es solche Leute noch in Deutschland, fragte ich mich dann gerade in dieser Sylvesternacht im fernen Mufulira. Das n?chste Jahr 1944/45, die Illions waren von Mufulira weggezogen, beging ich den Sylvesterabend bei mir zu Haus mit den zwei Polen Notar P. und Bankdirektor D. als meinen G?sten. Mein Hausgehilfe und Koch Moffat hatte eine sch?ne Ente bereitet, wir tranken s¨¹dafrikanischen Rotwein, es war ein nachdenklicher und sorgenvoller Abend. Eine Radiorede des neuen Premiers der polnischen Exilregierung in London Mikolajczyk wurde von der BBC ¨¹bertragen. Die Russen hatten im Juli 1944 das Moskauer polnische Komitee als polnische Regierung anerkannt; als die mit der Londoner Regierung zusammenarbeitende polnische Untergrundarmee und die Bev?lkerung eine Aufstand in Warschau gegen die Deutstschen machten, verweigerte die nahestehende russische Armee jede Unterst¨¹tzung und erlaubte den Deutschen diesen Aufstand blutig zu liquidieren. Trotz Luftunterst¨¹tzung von den westlichen Alliierten kam es dazu. Grund f¨¹r uns an diesem Tag zu d¨¹steren Erwartungen. F¨¹r mich waren das nicht nur Gedanken an Polen und meine oberschlesische Heimat, ich f¨¹hlte, wenn die Alliierten sich nicht stark machen, eine wirkliche Unabh?ngigkeit Polens zu sch¨¹tzen, dann ist das ein schlechtes Omen f¨¹r das zuk¨¹nftige Bild Europas. Da war ich von den Ideen meines Memorandums noch nicht weggekommen. Ich habe damals wegen meiner starken Gef¨¹hle f¨¹r die Interessen der Polen gegen¨¹ber russischen Vormachttendenzen viele Argumente mit meinen j¨¹dischen Freunden und Anfeindungen von Fernerstehenden gehabt. Es war da ganz allgemein, einfach wegen vermeintlichem besonders gro?em Antisemitismus der Polen, ein starkes Vorurteil zugunsten der Sowjetunion bemerkbar. Unter den ostj¨¹dischen Minenarbeitern gab es einige, die stark kommunistisch eingestellt schienen, es gab aber auch revisionistisch-zionistische, alle etwas rabiater Disposition. Von den Linksstehenden wurde mir ausgerichtet, wenn mein Freund P. nicht mit seinen besorgten polnischen, d.h. antirussischen Ansichten zur¨¹ckh?lt, dann k?nnte ihm eines Tages untergrund etwas passieren. Das m?chte ich ihm doch bitte sagen, es sei ernst gemeint. Ich war konsterniert, so eine Drohung von Leuten, die der Gesellschaft der Freunde Ru?lands nahestanden. Sie hatte einmal eine Versammlung gehalten mit Rednern aus S¨¹dafrika, zuf?llig sa?en sie im Hotel am Nebentisch, daher habe ich mir die Namen so gemerkt, es waren die Advokaten Abraham Fischer und Zwarenstein. Man hat die Namen dann oft in S¨¹dafrika geh?rt. Die Yaltakonferenz einige Wochen nach unserem Sylversterabend gab den Russen weitgehende Handlungsfreiheit gegen¨¹ber der Londoner Exilregierung Polens. Es gab zwar Versprechen demokratischer Verfassungen, man konnte hoffen gegen alle Anzeichen, aber im Grunde genommen zeichnete sich eben ab, wozu es dann kam, die Zweiteilung Europas. Der Putsch gegen Hitler am 20.Juli 1944 war gescheitert, der Putsch, den die deutsche Heeresleitung allersp?testens nach Stalingrad h?tte machen sollen, hatte nie stattgefunden. Die Alliierten hatten die bedingungslose Kapitulation Deutschlands schon 1943 als Ziel formuliert. Es wurde klar, die Russen w¨¹rden vorr¨¹cken bis zu Linien, die man vereinbart hatte, und was hinter ihren Linien sich politisch gestalten w¨¹rde, dar¨¹ber sollte man keine Illusionen haben. Ein anderes Thema heftiger Diskussion mit den j¨¹dischen Freunden war die Entwicklung in Pal?stina. F¨¹r mich war die Verfolgung zionistischer Ziele ohne R¨¹cksicht auf bestehende arabische Interessen nicht vorstellbar. Eine alte Dame wies mich zurecht, sie war nicht nur eifrige Zionistin sondern auch sozialistisch eingestellt gewesen. Sie sagte, die Interessen der Araber, das w?ren doch nur feudalistische Interessen, sehen Sie sich doch ihre Gesellschaftsordnung und R¨¹ckst?ndigkeit an, Pal?stina kann doch nur gewinnen durch einen zionistischen Staat. Gewi?, ich dachte an manches, was ich gesehen, und R¨¹ckst?ndigkeit war schon da, aber schon 15 Jahre vorher hatte ich Hans Kohns Buch "Nationalismus im Vorderen Orient" gelesen, das hatte ein ganz anderes Bild der nationalistischen Bewegung der Araber gegeben. Im Argument ¨¹ber Polen und die Sowjetunion hat sich seitdem das Blatt sehr gewendet. Manche meiner Freunde von damals habe ich wiedergetroffen, sie haben mir unterde? Recht gegeben. Nicht ganz so ist es mit dem Argument ¨¹ber zionistsiche Ziele, unterde? also den Staat Israel. Dabei hatte ich damals auch nach dem Weggang von Pal?stina keineswegs meine Sympathie aufgegeben, war auch dem Zionistischen Verein in Mufulira beigetreten, sogar sein Sekret?r geworden, lernte einige der s¨¹dafrikanischen aktiven Zionisten kennen, aber auf meine grundlegenden Vorbehalte bin ich immer wieder zur¨¹ckgekommen. Um noch einen kurzen Blick auf meine berufliche T?tigkeit zu werfen, Northern Caterers hatten mich zunehmend als Vertreter f¨¹r abwesende leitende Leute verwendet, auch in Kitwe im Hauptb¨¹ro der Gesellschaft. Dort war wieder der Freund Wasserberger, als Neuank?mmlinge das j¨¹ngere Ehepaar Banasz, die in Polen nahe uns in Bendzin gelebt hatten, er war Ingenieur, erfahren in Zinkwei?produktion. Sie waren intelligente und anregende Gesellschaft dort. Ich verlie? meine Firma, denn ich hatte mich dort in Abwesenheit des befreundeten Schulmanns von seinem Boss aus Bulawayo zur¨¹ckgesetzt gef¨¹hlt, und fand gleich eine neue Stellung bei den griechischen Unternehmern Tatalias & Samaras in Mufulira, wo ich die administrative Seite zu betreuen hatte. Sie waren Kontraktoren mit Holzwirtschaft, Ziegelei und hatten ein Fleischgesch?ft, das aber bald von der gr??eren Firma Werner & Co. ¨¹bernommen wurde, die mir bei sich eine ?hnliche Stellung anboten, und dort habe ich dann bis Anfang 1947 gearbeitet. Die Firma hatte die Vertr?ge f¨¹r die Fleischversorgung der gro?en Mufulira- und Luanshya-Minen. Ich hatte als Dienstwohnung die H?lfte eines Zweifamilienhauses, aber noch keine Familie, hatte mir ein Auto gekauft. Als nach Kriegsende der Leiter der Firma auf Urlaub nach England ging, ¨¹bernahm ich die Vertretung und bekam als Dienstwagen einen gro?en Ford Mercury, also ich brauchte mich gar nicht zu beklagen. Die Arbeit hat mich auch interessiert. Diese Viehwirtschaft hatte schon ihre anregenden Seiten. Es handelte sich um gro?e vertragliche Verpflichtungen. In diesen halbtropischen Gebieten konnte Vieh nur in bestimmten krankheitsfreien Zonen gehalten werden. Das Vieh f¨¹r den Copperbelt mu?te zum Teil ¨¹ber gro?e Entfernungen z.B. aus Bechuanaland (heute Botswana) herangebracht werden, dazu ¨¹ber den Zambesi Flu? getrieben und dann auf daf¨¹r gekauften Ranchen vor¨¹bergehend gehalten werden. Der energische Junior Partner der Firma war Harry Wulfsohn in Livingstone, ein sehr begabter junger Mensch, mit dem ich gut auskam. Er war zu mir ausgesprochen freundschaftlich. Es war verabredet, da? ich als Nebenbesch?ftigung weiter die B¨¹cher des Kontraktorgesch?fts meiner griechischen Freunde f¨¹hren konnte, es gab sogar noch einen Bauunternehmer in Mufulira, f¨¹r den ich das auch tat, ich habe also sehr hart dort gearbeitet. Man f¨¹hlte sich auch wohl. Der VE Day und wie sich Dinge, wo ich in Europa her kam, zu gestalten schienen, machten eine R¨¹ckkehr nach Hause nicht ratsam. Als dauernde L?sung aber fand ich Nordrhodesien wohl doch nicht richtig, weder f¨¹r meine beruflichen Ambitionen noch die kulturellen Interessen. Ich ging zun?chst einmal im September 1945 auf Ferien nach Johannesburg und fand Atmosph?re und Leben dort sehr angenehm. Unter den Verwandten, die ich auf der Durchreise im Oktober 1941 auf dem Bahnhof wiedergesehen hatte, war Mia, nun Mary, Weissenberg, unterde? mit Herbert Priebatsch verheirat. Sie hatten einen Sohn Norman, Kurt Kingsfield war verheiratet mit Violet. Was 1941 noch gemeinsame Besorgnis war um die Familie, die unter Hitlers Gewalt zur¨¹ckblieb, nun war es Trauer und unbeschreiblicher Schmerz, manchmal auch noch Ungewi?heit und Warten auf weitere Informationen. Volles Begreifen, was die Nationalsozialisten mit der j¨¹dischen Bev?lkerung getan hatten, die ihnen in die H?nde fiel, kam ja doch erst nachdem alliierte Truppen diese Gebiete Europas befreit hatten. Die Geographie dieser Vernichtungsgreuel nahm langsam Gestalt an vor den Augen der Welt. Da waren die Berichte ¨¹ber Lager wie Bergen-Belsen, Buchenwald und andere, dann ¨¹ber Auschwitz und Birkenthal, so nah bei Kattowitz, und man h?rte immer mehr ¨¹ber die Vernichtungslager weiter in Polen. Mary und Kurt waren sicher, die Familie, die sie in Beuthen zur¨¹ckgelassen hatten, lebte nicht mehr, waren deportiert worden, Mary's Eltern und Gro?eltern, Kurts Schwester Erika und ihre Familie. Ich hatte von Marianne nichts mehr geh?rt, es war jetzt f¨¹nf Monate nach Kriegsende in Europa, sie war wohl nicht mehr am Leben. Hatte man noch, gegen alles Wissen, gehofft? Es gab ja einige wenige ¨¹berlebende, die sich hatten verbergen k?nnen. Es schrieb dann ihre Kollegin, Mary Edwards, von ihrem Arbeitsplatz in Guernsay. Marianne hatte ihr noch nach ihrer Deportation aus Frankreich 1942 geschrieben, sie war dann vom Sammellager Drancy im August 1942 nach Auschwitz deportiert worden. Solche Tragik des Schicksals, von den englischen Channel Islands zu dieser Greuelst?tte, so nahe ihrem zu Hause, wo sie geboren war und aufwuchs, und wir alle waren schon lange weg (11). Von den in Berlin zur¨¹ckgebliebenen Mitgliedern der Gr¨¹nfeld Familie ¨¹berlebte als einziger Hans Hirschel. Er hatte eine wundersame Rettung durch die mutige und aufopfernde Haltung und T?tigkeit von Maria Gr?fin von Maltzan, die ihn verbarg und ihm das Leben retten konnte. Sie heirateten nach Kriegsende (12). Ich hatte auch bald Briefe von Hans Hirschel und nahm Anteil an dem Wunder seiner Rettung. Von den anderen Mitglieder der Familie waren die ?lteren Luzie Hirschel und Felix Benjamin nach Theresienstadt, die vier Kusinen, Kaiser und Epstein, nach dem Osten deportiert worden, Paul und Mimi Gr¨¹nfeld nach Lodz. Sie kamen alle um. Walter Oettinger wurde, wie ich erst nach vielen Jahren feststellen konnte, im August 1942 zum Ghetto Riga als "Jude" durch die Gestapo Berlin "evakuiert, ein Todesnachweis...liegt nicht vor". Mein Vetter Hans Gerber war noch 1939 nach England emigriert, diente als Arzt in der englischen Armee, nach Indien und Burma gesandt als Antimalaria- und Bilharzia Spezialist. Er blieb auch sp?ter ein Fachmann auf diesem Gebiet. Bald nach dem Krieg arbeitete er f¨¹r UNRA auch in Europa, wu?te, da? sein Bruder Wolfgang im Konzentrationslager umkam. In Johannesburg lernte ich 1945 als weitere Verwandte Robert Gr¨¹nfeld und Joan kennen, er der j¨¹ngere Bruder des zum bekannten Bankier in London gewordenen Vetters Henry Gr¨¹nfeld aus der Zalenzer Linie der Familie. Ich traf weitere Freunde aus der FWV, Fred Rothberg und Frau Grete geb. Schild, Heinz Kretschmer und andere Breslauer mit ihren Familien. Auch durch meine Kontakte in Mufulira machte ich Bekanntschaften in Johannesburg. Es war gut, andere Menschen, auch Zeitungen und Buchhandlungen zu sehen, in einer gr??eren Stadt mal zu sein, mit Natursch?nheit mu?te Johannesburg ja nicht unbedingt mit der subtropischen Landschaft Nordrhodesiens konkurrieren. Auf der Bahnfahrt zur¨¹ck entlang durch Bechuanaland machte ich die interessante Bekanntschaft des Anthropologen Max Gluckmann, der damals das Rhodes-Livingstone Institute in Livingstone leitete. Durch meine anthropologische Lekt¨¹re noch auf der Farm Savory war ich auf dessen Arbeiten und Ver?ffentlichungen aufmerksam geworden und ein Leser geblieben. Wir hatten eine sehr angeregte Unterhaltung, er stand sehr links, wie mir schien. Ihn interessierte, da? ich etwas ¨¹ber Max Weber wu?te, er meinte, ich k?nnte vielleicht am Institut mitarbeiten, denn das w¨¹rde gut passen. Das h?tte mich schon interessiert, aber ich dachte doch mehr an eine T?tigkeit in der Wirtschaft. Ich f¨¹hlte, ich hatte mich da gut eingearbeitet und hatte Erfolg und Anerkennung gehabt. Ich fragte meinen Vetter Herbert, ob er M?glichkeiten in S¨¹dafrika und Rhodesien f¨¹r mich sehe z.B. f¨¹r Einkauf von Erzen. Ich berichtete ihm auch ¨¹ber die Pl?ne f¨¹r Bau eines Staudammes entweder am Zambesi vor der Kariba Gorge oder am Kafue Flu? in Nordrhodesien, durch den billiger Strom unter anderem f¨¹r die Produktion von Ferrochrome aus s¨¹drhodesischen Chromerzen bereitgestellt werden sollte. F¨¹r das nordrhodesische Kafue-Projekt trat besonders der Ingenieur Morris ein, Mitglied des Legislative Councils f¨¹r Mufulira, den ich auch besuchte. Herbert zeigte sich damals sehr interessiert; seine Gruppe sei eine der ganz wenigen im Britischen Commonwealth mit Erfahrung in Ferrochrome Produktion. Morris zeigte sich auch sehr interessiert, aber die Pl?ne waren noch sehr unbestimmt. F¨¹r Einkauf von Erzen im s¨¹dlichen Afrika erw?hnte Herbert, da? er diese viel durch die Firma Derby & Co. Ltd in London gekauft h?tte, einer deren Direktoren, Frederik Rau, k?me demn?chst nach Salisbury in S¨¹drhodesien und w¨¹rde mich gern kennenlernen. Ich traf ihn dort im Mai 1946. Er erschien mir ganz als der geb¨¹rtige Engl?nder, der er war und den ich erwartet hatte, aber dann stellte sich heraus, da? er einer sehr frommen j¨¹dischen Familie angeh?rte; der Vater war aus F¨¹rth gekommen, er sprach auch flie?end Deutsch. Fred Rau machte einen starken Eindruck auf mich und ich konnte sehen, da? er das auf viele machte, gesch?ftlich sowohl wie als Pers?nlichkeit. Herberts Firma schien ein wichtiger Kunde Derbys f¨¹r ihre rhodesischen und s¨¹dafrikanischen Erze zu sein, und die Beziehungen sehr freundschaftlich. Rau hatte das Gesch?ft von Derby im s¨¹dlichen Afrika besonders gepflegt, hatte viele Monate im Krieg dort mit einem Auftrag des British Ministry of Supply f¨¹r die Beschaffung kriegswichtiger Rohstoffe zugebracht. Derby dachten daran, jetzt eine Vertretung in Johannesburg einzurichten, ich war daran nat¨¹rlich sehr interessiert, er w¨¹rde das erw?gen, sagte er, als ich an meinen Posten im Copperbelt zur¨¹ckflog. Nur nach wenigen Tagen bekam ich dort ein Telegram von ihm aus Johannesburg, ob ich dort zu einer weiteren Besprechung sofort hinkommen k?nnte. Ich mu?te nochmals um kurzen Urlaub bitten und fuhr mit der Bahn. Am Bahnhof wurde ich abgeholt von Fred Rau und Oskar Lazar, Inhaber des Chemischen Laboratoriums McLachlan & Lazar, ein guter Freund Derbys in S¨¹dafrika, der eine Handelsfirma "Minerals & Plant (Pty.) Ltd" in Johannesburg gegr¨¹ndet hatte, um die Vertretung von Derby zu ¨¹bernehmen. Der als gesch?ftsf¨¹hrender Partner von Lazar vorgeschlagene junge Anwalt, den Fred Rau jetzt hatte kennenlernen sollen, erwies sich als unvertr?glich und gab auf. Fred Rau schlug vor, da? ich in die neue Firma als gesch?ftsf¨¹hrender Partner eintreten soll und diese dann die gemeinsame Vertretung von Derby und der von Herbert gef¨¹hrten Gr¨¹nfeld Gruppe ¨¹bernehmen w¨¹rde. Man besprach die Grundlinien von Vertr?gen daf¨¹r, nach wenigen Tagen flog ich zur¨¹ck auf meinen Posten in Mufulira. Plan und Vertragsbedingungen brauchten noch die Zustimmung aller Beteiligten in London, ich mu?te Einwanderungsgenehmigung f¨¹r S¨¹dafrika beantragen und sechs Monate K¨¹ndigung meines Postens in Mufulira geben. Wenn ich auf meinen Lebenslauf bis dahin, zum Jahre 1946, zur¨¹ckblickte, hatte ich ja immer wieder eine Menge gutes Gl¨¹ck gehabt, aber es oft auch bitter n?tig, denn so vieles kam mir da nicht leicht bei. Auch hier wieder gab es unerwartete Schwierigkeiten, die Bearbeitung meines Einwanderungsgesuchs zog sich hin, dann wurde es abgelehnt. Es gab einen starken Einwanderungsdrang, technische Berufe hatten bessere Chancen, f¨¹r meine geplante kaufm?nnische T?tigkeit war das schon schwerer, aber mit den Empfehlungen der Beteiligten, der Auslandsvertretung des s¨¹dafrikanischen Bergbaudepartments in London und der Schwedischen Botschaft in Pretoria hatte man gedacht, mein Antrag w¨¹rde eine sichere Passage haben. Alle Beteiligten beschlossen erneute Interventionen in Pretoria. Unterde? war meine K¨¹ndigungszeit aber abgelaufen, der Manager, den ich vertreten hatte, aus Wales zur¨¹ckgekehrt und ein Nachfolger f¨¹r mich aus Johannesburg geholt worden. Ich verlie? meinen Job und beschlo? aus Mufulira abzureisen, zur¨¹ckblickend auf eine sehr bedeutsame, auch etwas eigenartige und zur¨¹ckgezogene, aber doch auch wieder anregende und lehrreiche Zeit in meinem Leben. Ich hatte mir etwas Geld gespart und beschlo? in Ruhe den Ausgang der weiteren Anstrengungen in Pretoria abzuwarten. F¨¹r einige Wochen ging ich in die Hauptstadt Lusaka. Dort gab es auch interessante Bekanntschaften unter polnischen Evacuees, die in der Regierung Stellungen hatten, zum Teil im Audit- aber auch in anderen Departments. Eine Bekannte, Janka S¨¹sskind-Scheck, hat dann sogar im nordrhodesischen Regierungsdienst bis in die Jahre nach der 1964er ¨¹bergabe von der englischen Kolonialverwaltung an die neue Regierung des unabh?ngigen Zambias gearbeitet. Dann ging ich nach Livingstone, die urspr¨¹ngliche Hauptstadt am Zambesi, nahe den Victoriaf?llen. Die ganze koloniale Besiedlung Nordrhodesiens war ja sehr jung, sogar bei den Ma?st?ben meiner Heimat im oberschlesischen Industriegebiet, aber diese kleine koloniale Stadt Livingstone hatte schon so etwas wie Patina, verglichen mit den ganz neuen Siedlungen im Copperbelt. So erschienen einem auch die j¨¹dischen Kaufleute dort mehr alteingesessen als alte Kumpanen anderer Alteingesessener in Bowling oder Golfclubs und die Frauen bei durch die Kriegzeiten gegebenen charitativen Gelegenheiten in Uniformen der St.Johns Brigade. Besonders in Erinnerung bleibt mir die Familie Kopelowitz. Sie f¨¹hrten ein gar nicht pomp?ses, aber sehr stilvolles und gastfreies Haus. Er pr?sidierte auch ¨¹ber die j¨¹dische Gemeinde, die Synagoge war viel benutzt, es gab auch viel Jugend und verschiedene Bekanntschaften mit deutschen j¨¹dischen Emigrantenfamilien. Auch polnische Evacuees gab es in Livingstone. Eines Tages h?rte ich, da? unter denen, die durchgereist waren, um nun doch nach Hause in die Volksrepublik Polen zu gehen, auch der alte Senator Kornke war. Meine Freunde aus Mufulira sind einige Jahre sp?ter dann auch zu ihren Familien nach Polen zur¨¹ckgekehrt. Als H?hepunkt des Aufenthalts in Livingstone bleibt mir aber der Besuch der Englischen K?nigsfamilie im Juni 1947 in Erinnerung. Dieser war ausgedehnter f¨¹r S¨¹dafrika und S¨¹drhodesien. F¨¹r die damalige Kronkolonie Nordrhodesien war Livingstone der einzige Punkt, in dem sich so alles f¨¹r den Empfang des K?nigspaars zusammenzog. Es war eine au?erordentlich wirksame und malerisch geplante Veranstaltung. Alle waren sehr aufgeregt und die Stimmung herzlich. Au?er den ¨¹blichen Empf?ngen f¨¹r Beh?rden und Honoratioren unter der B¨¹rgerschaft gab es auch zwei gro?artig ausgedachte und aufgezogene Veranstaltungen, die die Begegnung des K?nigpaares mit den schwarzen Eingeborenen darstellten. Sie waren dem Publikum zug?nglich, ich erinnere mich gut an sie. Eine besondere Ehrung wurde dem Chief des Barotse Stammes zuteil. Er beanspruchte k?niglichen Rang, sein Stamm hatte einst die meisten anderen im nachmaligen Nordrhodesien tributpflichtig gemacht. Symbol seiner k?niglichen W¨¹rde war eine zeremonielle Barke, in der er j?hrlich auf dem Zambesi von der Sommer- in die Winterhauptstadt seines Stammesreiches fuhr. Nun wurde arrangiert, da? diese Barke am Ufer des Zambesi bis in die N?he der Viktoriaf?lle transportiert wurde. Als Beginn ihres nordrhodesischen Besuchs fuhren der Englische K?nig mit Familie und Begleitern in einem Motorschiff vom s¨¹drhodesischen Ufer des Zambesi her¨¹ber zum nordrhodesischen Ufer, in der Mitte des Flusses begegneten sie der traditionell geruderten k?niglichen Barke der Barotses mit dem Chief und Gefolge, es gab die entsprechenden Salute und Respektsbezeigung. Sehr aufgeregt ¨¹ber diese spektakul?re Veranstaltung, an deren Erfolg er auch, wohl schon im Zusammenhang mit dem schwierigen Transport der anthropologisch so interessanten Barke Anteil zu haben schien, war der Dr. Max Gluckmann. Ich hatte viel Zeit in seinem Rhodes-Livingstone Institut zugebracht, wunderte mich, wie jemand, dem man kommunistische Neigungen nachsagte, sich emotionell so stark mit der Stammestradition der Barotse verbunden f¨¹hlte, die einst fast ganz Nordrhodesien unterworfen hatten. Trotzdem fand ich seine professionelle Begeisterung ¨¹ber diese Zeremonie sehr sympathisch und nachdenklich machend. Sp?ter gab es dann die offizielle Begegnung des Englischen K?nigs mit den Vertretern der gesamten eingeborenen Bev?lkerung, wozu die vier Chieftains der wichtigsten Stammesgruppen ausgew?hlt wurden. Es war eine Art Indaba auf einer gro?en Wiese, tausende von Schwarzen waren da, einer der Chieftains war nat¨¹rlich der K?nig der Barotse. Drei von ihnen erschienen in traditionellem Gewand oder in einer prunkvollen Uniform, aber der H?uptling des gr??ten der St?mme, der Bemba, erschien wie ich mich erinnere, ganz ohne Prunk in einem grauen Lounge Anzug. Die Bemba waren mir gut vertraut, stellten einen gro?en Teil der Bev?lkerung des Copperbelts. Auf der Empore f¨¹r die Begegnung mit dem englischen K?nig konnte man auch den Chief-Induna, also etwa Kanzler, der Barotse sehen. Man hatte ihn ?fters erw?hnt in diesen Tagen als vermeintlich den kl¨¹gsten Mann in Nordrhodesien ¨¹berhaupt, dessen Rat oft bei der Regierung in Lusaka gefragt war. Ich sah ihn also, ein ?lterer Mann, auch in einer sch?nen Uniform oder Hoftracht. Viele Jahre sp?ter sollte mir auffallen, als Nordrhodesien unabh?ngig und der Staat Zambia wurde, da war von einem Mann seiner Stellung wenig die Rede mehr. Es waren ganz andere Kr?fte, die dabei in den Vordergrund traten. Eines Tages traf ich in Livingstone Frau Savory. Ich hatte die Savorys in den ¨¹ber f¨¹nf Jahren, seit ich von der Farm bei Monze wegzog, nicht mehr gesehen, aber manchmal geschrieben. Sie lud mich ein, doch einige Tage bei ihnen auf der Farm zu verbringen, wenn ich noch auf das Permit von S¨¹dafrika warten mu?. Ich habe das sehr gern getan. Es war sch?n die Menschen und die alte Szene meiner ersten Monate im Lande wiederzusehen und diese Freundschaftlichkeit der Savorys wieder zu erfahren. Es war dann wirklich so, nach schon zwei Tagen kam das Telegramm von Oskar Lazar, mein Einwanderungsvisum war bewilligt, ich mu?te mich bei den liebensw¨¹rdigen Gastgebern entschuldigen, fuhr zur¨¹ck nach Livingstone und dann bald auch mit dem Zug nach Johannesburg. Es war der 17. August 1947. Mein Dasein als Kriegsfl¨¹chtling und Evakuee war nun vor¨¹ber. Ich war jetzt eingewandert in S¨¹dafrika, damals ein Dominium im Britischen Commonwealth. P.S.: In Johannesburg war man Informationen und Literatur ¨¹ber die Welt meiner Vorkriegs- und Kriegserlebnisse wieder soviel n?her gekommen, als ich es in Nordrhodesien haben konnte. Bald nach meiner Ankunft 1947 sah ich in einer Buchhandlung eine d¨¹nne Brosch¨¹re "A German of the Resistance". Das interessierte mich brennend, ich hatte so wenig dar¨¹ber lesen k?nnen. Es hie? weiter "The Last Letters of Count Helmuth James von Moltke". Ich hatte von ihm und dem Kreisauer Kreis im Zusammenhang mit dem mi?lungenen Putsch vom 20. Juli 1944 geh?rt, aber nie Einzelheiten erfahren. Ich sah, da? die Mutter dieses Grafen Moltke englischer Herkunft war, die Tochter des Chief Justice des Transvaal, Sir James Rose-Inness. Die Brosch¨¹re, die ich gekauft habe, war in S¨¹dafrika herausgegeben "wegen des Papiermangels in England, um die Briefe den vielen Freunden des Grafen Moltke und der Familie Rose-Inness in S¨¹dafrika zug?nglich zu machen". Es war ein Nachdruck, von dem "Round Table" herausgegeben. Die Brosch¨¹re brachte mit Abdruck einzelner Briefe auch eine Liste der Hauptteilnehmer des Kreisauer Kreises, der sich um den Grafen Moltke gebildet hatte. Ich war sehr bewegt, als ich unter den 16 Namen, die genannt waren, so viele mir bekannt sah, so Carlo Mierendorf und Paul van Husen, der auch in Kattowitz amtiert hatte, und pers?nlich hatte ich drei von ihnen gekannt, es waren Theo Haubach, Adolf Reichwein und Hans Lukaschek, ich habe ihn ?fters erw?hnt in meinen R¨¹ckblicken. Es gab mir doch das Gef¨¹hl einer noch immer bestehenden Verbundenheit mit diesen Menschen, f¨¹r die man nur die gr??te Bewunderung haben konnte, etwas, was einem neue Zuversicht f¨¹r die europ?ische Zukunft geben konnte. Anmerkungen Anmerkungen zu "Fr¨¹hes Panorama und Vorgeschichte" 1) So Thomas G.E. Powell in "Europe, Prehistory..", Encyclopaedia Britannica 1964, Bd.8 S.852/3. 2) Jazdzewski, Konrad "Urgeschichte Mitteleuropas" Wroclaw 1984 S. 271/486; auch A. Gieysztor u.a. "History of Poland", Warszawa 1968 S. 31. Als gegenteilige Meinung O. Kleemann "Vorgeschichte Schlesiens" in "Geschichte Schlesiens", Stuttgart 1961. 3) Dar¨¹ber siehe ausf¨¹hrlich O. Pustejowsky "Schlesiens ¨¹bergang an die b?hmische Krone", K?ln 1975. 4) O. Karzel, "Die Reformation in Oberschlesien", W¨¹rzburg 1979, S.224, allgemein f¨¹r Ausbreitung der Reformation im s¨¹dlichen Oberschlesien S.150f.,206f. Ma?nahmen der Gegenreformation waren aber fr¨¹h wirksam: die Kirche in Woschczytz wurde f¨¹r den lutherischen Gottesdienst 1628 gesperrt. 5) F¨¹r die fr¨¹hen Besuche zeugt die "Raffelst?dter Zollurkunde". Ein fr¨¹her Reisebericht stammt von dem j¨¹dischen Kaufmann aus Spanien Ibrahim ibn Jaqub (G. Rhode "Kleine Geschichte Polens", S.8 und A. Gieysztor a.a.O S... F¨¹r sp?tere j¨¹dische Ansiedlung siehe B. Bretholz "Geschichte der Juden in M?hren im Mittelalter" I, Br¨¹nn 1934. 6) V. Lipscher: "Die Juden im Habsburgerreich des 17.und 18. Jahrhunderts am Beispiel B?hmens und M?hrens", Dissertation Z¨¹rich 1983, S.103 undS.141. 7) H. Teufel: "Zur politischen und sozialen Geschichte der Juden in M?hren vom Antritt der Habsburger bis zur Schlacht am Weissen Berg (1526-1620)", Phil. Dissertation Erlangen 1971, S.74,S.84. 8) S. Dubnow: "Weltgeschichte des J¨¹dischen Volkes", Berlin 1928, Bd. VI, S.225 und C. d'Elvert: "Zur Geschichte der Juden in M?hren und ?sterr.-Schlesien", Br¨¹nn, 1895, S.123. 9) B Brilling: "Die schlesische Judenschaft im Jahre 1737" im Jahrbuch der Schlesischen Friedrichs-Wilhelm-Universit?t zu Breslau, Bd. XVII, Berlin 1972. 10) S. Dubnow a.a.O., Bd. VII, S.286f. Anmerkungen zu "Die Familie und Kattowitz" 1) Nr.1256 des Staatsb¨¹rgerverzeichnis im Amtsblatt der K?niglichen Breslauschen Regierung vom 16.November 1814, Beilage S.16, sein Wohnsitz Woschczytz. Er ist auch verzeichnet im Register der im Kreis Pless damals wohnenden Juden im Zydowski Instytut Historyczny w Polsce, Warszawa, als 1782 geboren, seit 1808 verheiratet mit Saara, und zu seinem Hausstand geh?ren 4 zwischen 1799 und 1806 geborene Stiefkinder mit dem Namen "Walder". Laut ¨¹berlieferung und anderer Evidenz war die Ehefrau Sarah geb. Holl?nder, verwitwete Waldau. Keines der beiden Register hat Rubriken f¨¹r den Geburtsort oder Namen des Vaters. ¨¹ber diesen, meinen Ururgro?vater haben wir nur die m¨¹ndliche Tradition, da? er in seinem Alter von Woschcz¨¹tz als Schriftkundiger nach Pilica gerufen wurde und dort starb. Das k?nnte zu der Zeit gewesen sein, als Pilica durch die Teilungen Polens an der Grenze des preu?ischen und ?sterreichischem Teilgebiet lag (Gieysztor "History of Poland", Karte Nr.25). 2) Siehe "Mormonen" Film 579598 Bd.29 Familienregister der Juden von Sohrau Nr.39. In der 1817 Zuzugseintragung ist sein Geburtsjahr als 1779 verzeichnet, sein Beruf als Lederhandel. 3) Von den Kindern seiner verstorbenen Frau adoptiert er den 1802 geborenen j¨¹ngsten Stiefsohn Isaak, dessen Sohn Louis sp?ter Mitgr¨¹nder der bekannten Erzhandelsfirma Rawack & Gr¨¹nfeld wird. 4) Vermutlich eine Tochter des 1768 geborenen, seit 1809 in Nieborowitz, Kreis Rybnik, ans?ssigen Gastwirts Samuel Huldschinsky. 5) Handbuch zu dem Atlas von Preu?en, Erfurt 1836. 6) Im Zuge der wieder zunehmenden Ansiedlung von Juden in Oberschlesien wird Woschczytz f¨¹r 1693 erw?hnt(....), und ein j¨¹discher Toleranzsteuerzahler in 1737 ist auch f¨¹r Woschczytz erw?hnt bei Brilling S... 7) M. Freudenthal "Leipziger Messg?ste"... 8) Nerlich S.51. 9) A. Weltzel, Geschichte der Stadt Sohrau, Sohrau 1897, und die neuere von G. Nerlich, Dortmund 1972. 10) Weltzel S.65. 11) Weltzel S.431. 12) Nerlich S.46. 13) Das Rittergut Bogutzker Hammer mit Kattowitz und Brynow wurde 1702 an die Plesser Standesherren v. Promnitz verkauft. Das Inventar (Urbar), das daf¨¹r gemacht wurde, verzeichnet die Namen der angesiedelten G?rtner, darunter Skiba (Hofmann S.30) und erw?hnt wird auch (Majowski 1958, S.25) der "Kretschem, von dem wegen Bier-und Brannweinverlag der Jude j?hrlich Mittem zu geben pfleget". Eine ausf¨¹hrliche und, in vieler Beziehung sich um Abgewogenheit bem¨¹hende Darstellung der Geschichte des Dorfes Kattowitz und der nachfolgenden Stadtwerdung bringt auch S. Karski in Kattowitz (1985). Unter den j¨¹dischen Toleranzsteuerzahlern 1737 (Brilling S.57) ist f¨¹r Bogutzker Hammer ein Abraham Moses verzeichnet, auch je ein Name f¨¹r die D?rfer Bogutsch¨¹tz und Zalenze, ebenso wie f¨¹r Woschczytz. Das Rittergut mit den D?rfern ging 1736 von den v. Promnitz wieder an die Myslowitzer Standesherren, die polnische Adelsfamilie v. Mieroszowski ¨¹ber. 14) Dieser Urgro?vater Peretz (oder Perens) Sachs, 1794 geboren, Sohn des dann 1812 in Maczejkowitz, Kreis Beuthen, ans?ssigen und Staatsb¨¹rger gewordenen Isaac Sachs, zog 1819 von Hajduck, Kreis Beuthen, nach Smilowitz, bei Nikolai, Kreis Pless und heiratete dort die 1799 geborene Tochter Minel des 1812 dort ans?ssigen Joachim Ludniowski, der selbst als 1763 geboren ausgewiesen wird. Das Ehepaar Peretz Sachs zog 1827 mit 3 Kindern von Smilowitz nach Zalenze, damals im Kreis Beuthen gelegen. 15) Unter den Ver?ffentlichungen ¨¹ber ihn siehe Dr. Ernst Koenigsfeld in "Schlesien" IV, 1984. Von polnischer Seite, wo man sich auch gern an diesen Engl?nder unter den Pionieren der oberschlesischen Stahlindustrie erinnert, die Brosch¨¹re "John Baildon" von Jerzy Sikora (Katowickie-Tow.Spo.Kult.). 16) Majowski 1958 S.55/6. 17) Hoffmann S.34. 18) Broszat, Martin "Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik" S.90. 19) Broszat S.105. Es ist interessant, da? die Betonung auf dem Erfordernis der Loyalit?t gegen¨¹ber dem preu?ischen Staat und seiner Monarchie lag, zu deren St?rkung Kenntnis der deutschen Amtssprache verbreitet werden sollte, aber sie sollte nicht aufgedr?ngt werden und "jeder Anschein einer versuchten Verdr?ngung oder Beeintr?chtigung des polnischen Elements vermieden werden" (Denkschrift des v. Arnim-Boitzenburg, zitiert von M. Broszat). 20) In einer Atmosph?re, die sich schon zu der liberalen 1848 Revolution hin entwickelte, hatte der F¨¹hrer der Liberalen im Preu?ischen Landtag, Georg v. Vincke, erkl?rt, nicht nur das Gro?herzogtum Posen, auch Teile anderer preu?ischer Provinzen, so Oberschlesien m¨¹?ten "als der polnischen Nationalit?t zugeh?rig" angesehen werden. S. Broszat, S.108. 21) Broszat, S.116. 22) F¨¹r 1783 verzeichnet Hoffmann 490 Einwohner f¨¹r Kattowitz mit Brynow, 1825 675, 1836 sind es laut Atlas von Preu?en, Erfurt, 785 Einwohner. F¨¹r 1867 sind es schon 4.815 ohne Brynow, das nicht ins neue Stadtgebiet einbezogen wurde. 23) Hoffmann S.54. 24) Ver?ffentlichungen des Katowickie Towarzystwo Spoleczno-Kulturalne und auch dort Krystyna Szaraniec "Znani i nieznani Katowiczanie". 25) Dr. J. Cohn, Geschichte der Synagogengemeinde Kattowitz, S.1. 26) Hoffmann, S.71. Auch die neue Ver?ffentlichung Kattowitz 1985 behandelt die damaligen Vorg?nge ausf¨¹hrlich, so Dr. S. Karski S.30/37. 27) S. Wenzel, "J¨¹dische B¨¹rger und Kommunale Selbstverwaltung", S. 126/8. 28) Fuchs, Konrad, Wirtschaftshistoriker in Mainz, erw?hnt die Gr¨¹ndung des Unternehmens durch diese 3 "Kattowitzer Finanziers"; in "Die Bismarckh¨¹tte in Oberschlesien..." in der Schriftenreihe "Tradition" 15/1970 gibt er eine ausf¨¹hrliche Darstellung des Werks, das bald auf Wunsch seines technischen Pioniers Wilhelm Kollmann in Bismarckh¨¹tte umbenannt wurde. 29) Das Baugesch?ft war sehr erfolgreich und hatte meinen Gro?vater zu einem sehr anerkannten und wohlhabenden Mann gemacht. Aus dem Jahr 1877 stammen Zeugnisse ¨¹ber von ihm ausgef¨¹hrte Arbeiten in der oberschlesischen Industrie. So bescheinigt Wilhelm Kollmann den Um- und Neubau (1869/72) des ganzen H¨¹ttenwerks der damals W. Hegenscheidt'schen Baildonh¨¹tte unter den schwierigsten Verh?ltnissen, w?hrend die H¨¹tte selbst in fortw?hrendem Betrieb war, einschlie?lich schwieriger Fundament- und Zementarbeiten f¨¹r die Maschinen, Dampfh?mmer, Kessel und Schornsteine. Das zweite Zeugnis von Kollmann bescheinigt die Bauten an der Bismarckh¨¹tte 1872/4 (das ganze Puddel- und Walzwerk mit 12 gro?en Kaminen, das Verwaltungsgeb?ude und 10 gro?e Arbeiterwohnh?user). \XC4hnlich preisend ist das Zeugnis des Herrn Bernhardi f¨¹r Giesche ¨¹ber Arbeiten 1874/76 u.a. an den Wilhelm- und Pauli-Zinkh¨¹tten. Es erw?hnt besonders eine 302 Fu? hohe Esse. Es gibt dann noch alte Zeugnisse der Schlesag (einer Zinkh¨¹ttengesellschaft), der Thiele-Winkler'schen Verwaltung und der Eisenbahnverwaltung betreffend Arbeiten in Kattowitz, K?nigsh¨¹tte, Beuthen, Gleiwitz und Neuberun. 30) In einem Bericht ¨¹ber die Einweihung des neuen Gymnasiums 1900 (aus Kattowitzer Zeitung, abgedruckt im Oberschlesischen Kurier, Salzgitter) sind beide Br¨¹der in diesen Eigenschaften erw?hnt, der Stadtbaurat Max Gr¨¹nfeld wurde dabei mit einem Orden ausgezeichnet, da das Gymnasium nach seinen Entw¨¹rfen gebaut wurde. Viele Jahre sp?ter erw?hnt (auch in einem Beitrag in der Kattowitzer Zeitung, abgedruckt im Oberschlesischen Kurier) der einstmalige Kattowitzer Stadtrat Louis Dame, auch ein Baumeister, in seinen Erinnerungen an Kattowitz, die st?dtebaulich hervorragende Bebauung der damaligen August Schneiderstra?e (sp?ter und noch heute ulica Mickiewicza): das st?dtische Badehaus, danach die Synagoge (die ebenfalls von meinem Onkel Max Gr¨¹nfeld entworfen war) und dann eben das Gymnasium, alle in einer Reihe, in ?hnlichem roten Backsteinbau. Er erinnerte sich damals an diese L?sung als ein besonderes st?dtebauliches Schmuckst¨¹ck f¨¹r Kattowitz. F¨¹r eine Abbildung siehe Sammelwerk Kattowitz, 1985, S.92. 1939 haben die Nationalsozialisten als Eindringlinge die Reihe gest?rt, als eine ihrer ersten Taten sprengten sie die Synagoge. 31) Maximilian Harden in seinem Buch "K?pfe", S. 141, erw?hnt ihn als Hausarzt des Geheimrat Holstein, der bekannten "Grauen Eminenz" im Ausw?rtigen Amt. 32) Als Student in W¨¹rzburg trat er der "Deutschen Burschenschaft" bei, wie damals manche aus stark assimilierten j¨¹dischen Familien. 33) Die Stadt Rackwitz hatte laut Atlas von Preu?en 1836 1494 Einwohner, "besuchte Getreidem?rkte". Josef Oettinger war ca.50 Jahre Gemeindevorsteher, gr¨¹ndete 1806 die "Chevra Kadisha", er starb 1862. Ein Sohn, Hermann Noah, als "fromm und wohlt?tig bekannt", gr¨¹ndete das Handelshaus H.N. Oettinger & Cie. in Hamburg (Hepner S. 879). 34) Eine Kopie seiner Dissertation (mit Lebenslauf: Geburtsdatum 1808, hatte das Gymnasium in Posen besucht) zum Thema "Hippokrates, vita, philosophia et ars medica", in lateinischer Sprache verfa?t, habe ich in der Zentralbibliothek Z¨¹rich gefunden und kopieren k?nnen. 35) Ihre Familie gab es in Wollstein, zu ihr geh?rte Moritz Schiff und Frau Sydonie geb. v. Taussig, die Verwandtschaft in Ungarn hatte. 36) Er soll ein sehr erfolgreicher Industrieller geworden sein, der in jungen Jahren mittellos aus Litauen nach Ostpreu?en kam, mit einem j¨¹ngeren Bruder, den er studieren lie? und der als Beamter und Wissenschaftler in preu?ischen Statistischen ?mtern eine Karriere machte und den Geheimratstitel erhielt. Das war dann wohl der fr¨¹heste in meiner Familie, aber ich habe keine Details dar¨¹ber gefunden. 37) Paul Gerber war Hals-, Nasen- und Ohrenarzt, Professor an der Universit?t Koenigsberg, auch mit Geheimratstitel, ver?ffentlichte aber auch Gedichte und auch kleine politische Schriften, so eine um 1918 betitelt "Goethe und die franz?sische Revolution, ein blaues Trostb¨¹chlein in roter Zeit". Politisch geh?rte er zur Deutschnationalen Volkspartei, er starb schon jung 1919. 38) Er war Assistenzarzt des bekannten Dr. Fl¨¹gge und danach, bis er 1914 in den Krieg ging, Oberarzt des Dr. Pfeiffer in Breslau. Als Student geh?rte er zum "Akademisch Literarischen Verein" in Breslau. Anmerkungen zu "Kindheit und fr¨¹he Jugend" 1) Es gibt daf¨¹r Hinweise in der nach dem 2.Weltkrieg sich profilierenden Literatur ¨¹ber Anzeichen von Antisemitismus in Deutschland vor der Hitlerzeit. 2) An Encyclopaedia of World History ed. W. Langer, London 1948, S.936. 3) Verfasser der Geschichte der Stadt Kattowitz (1895), hatte lange dort gelebt, mein Vater kannte ihn gut. Wie mir erz?hlt wurde, verlie? er mit anderen seine Burschenschaft aus Protest gegen den Ausschlu? j¨¹discher Altburschenschaftler, also ein liberaler Zug, aber in die Weimarer Nationalversammlung ging er 1919 als deutsch-nationaler Abgeordneter. 4) ¨¹ber die sprachliche Verh?ltnisse im Regierungsbezirk Oppeln zu Beginn des 19. Jahrhunderts hei?t es im "Handbuch zu dem Atlas von Preu?en" (Erfurt, 1836): "Die herrschende Sprache ist die polnische, um Neisse und Grottkau wird ganz, um Falkenberg und Neustadt viel deutsch, in den Kolonien Friedrichgr?tz, Buddenbrock und Prittwitz b?hmisch, an der ?sterreichischen Grenze m?hrisch gesprochen" (S.l91). Dann werden die einzelnen Kreise besprochen, so zu Beuthen: "die Sprache der Bev?lkerung ist fast ¨¹berall polnisch", Lublinitz: "die polnische Sprache ist fast ¨¹berall die herrschende", Kreis Neustadt: "die Sprache ist um Neustadt die deutsche, ¨¹brigens wird mehr polnisch gesprochen", Kreis Pless: "In Pless wird deutsch, ¨¹brigens polnisch gesprochen", Rybnik: "die Einwohner, welche sich der polnischen Sprache bedienen..." (S.207). Exkurs Die Struktur der polnisch-sprechenden Bev?lkerung hatte sich mit der Zeit ge?ndert. Es hatte nicht nur polnische Landbev?lkerung gegeben. Noch im 18. Jahrhundert waren viele St?dte katholisch und polnisch sprechend. Durch die schnelle Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstand dann eine starke polnische Industriearbeiterschaft, bei der nationale polnische Bestrebungen einen ebenso aktiven Anklang fanden wie bei der b?uerlichen polnischen Landbev?lkerung. Andererseits gab es aber auch zunehmende Assimilation (Germanisierung), besonders bei Intelligenz und wirtschaftlich gehobeneren Schichten. Das preu?ische Schulwesen und die Anziehungskraft des damals haupts?chlich von der deutschsprechenden Bev?lkerung vorw?rts getriebenen wirtschaftlichen Fortschritts verfehlten nicht eine gewisse Wirkung. So finden sich unter den deutschsprechenden und deutschgesinnten Oberschlesiern viele mit polnischen Namen. Andererseits war das Polentum unter oberschlesischer Intelligenz und Mittelstand nicht im Verh?ltnis zu seiner Bev?lkerungsst?rke vertreten. Die nationalpolnische Bewegung, in die polnische Kr?fte in Posen und Westpreu?en auch die oberschlesischen Polen einbeziehen wollten, f¨¹hrte dazu, da? bew?hrte Kr?fte z.B. aus der Provinz Posen sich in Oberschlesien ansiedelten, mitf¨¹hrend in der nationalpolnischen Bewegung wurden und zur St?rkung eines polnischen Mittelstands beitrugen. 5) M. Broszat a.a.O, S.176. 6) do. S.193. 7) do. S.199. 8) Ruth Storm "..und wurden nicht gefragt", Augsburg 1972, S.50. 9) Laut A.J.P. Taylor (Encyclopaedia Britannica 1964, Bd.10/S.327) die einzige wichtige Konzession, die Deutschland in Versailles erreichen konnte. 10) O. Ulitz a.a.O.S.42. 11) aus "Atlas zusammengestellt von deutschen Autoren" (Moderner Buchklub, Darmstadt, zitiert im Oberschlesischen Kurier, Salzgitter) 12) G. Rhode, a.a.O. S.477. 13) Ein ausf¨¹hrlicher Bericht bei Krzystof Brozek in "Andrzej Mielecki" (Katowickie Towarzystwo Spoleczno-Kulturalne, Katowice 1983) erw?hnt auch 2 etwas unterschiedliche Erinnerungen. 14) Im seinerzeit vom Polnischen Plebiszitkommissariat auf franz?sisch ver?ffentlichen "Memoire.. sur les Troubles en Haute Silesie" finden sich viele Zeitungsausschnitte meist deutscher Zeitungen, aus denen ich Informationen ¨¹ber die damaligen Vorg?nge entnehmen konnte. 15) M. Broszat a.a.O. S.209. 16) "Memoire", a.a.O. S.25. 17) do. S.32. 18) do. S.24. 19) do. S.9. 20) do. S.49. 21) Item 5 des Anhangs zu Art.88. 22) G. Webersinn, "Otto Ulitz, ein Leben f¨¹r Oberschlesien", Augsburg 1974, S.27. 22) do. S.28. 23) Ulitz, a.a.O.S.59. Anmerkungen zu "Kattowitz kommt zu Polen" 1) ¨¹ber den Metropoliten entwirft ein Bild Hansjakob Stehle in "Die Zeit" 5. Juli 1985. 2) Dazu siehe Walter Laqueur "Die deutsche Jugendbewegung" K?ln 1962. 3) Ulitz a.a.O.S.81. 4) Ein alter Oberschlesier bei uns in der Ziegelei, sein Sohn hatte am polnischen Aufstand 1921 teilgenommen, best?tigte das und ¨¹berraschte mich ungemein, wie er das ausdr¨¹ckte: ja, die Leute f¨¹hlen, es geht nicht gut, und es ist Zeit, das der Herr Williger und der Herr Baumeister die Sache wieder in die Hand nehmen. Also Sehnsucht nach vermeintlich guten alten Zeiten, wo Schwerindustrie und die durch das Dreiklassenwahlrecht bestellte Stadtverwaltung sich in die lokale Verantwortung zu teilen schienen. 5) Bericht der "Kattowitzer Zeitung" vom 10.M?rz 1927, abgedruckt im "Oberschlesischen Kurier" Salzgitter. 6) Broszat,a.a.O.S.225f. 7) ¨¹ber ihn findet sich ein Beitrag in der Zeitschrift des J¨¹dischen Historischen Instituts, Warszawa. 8) Desgleichen auch die beiden der Polnischen Sozialistischen Partei angeh?rigen Kattowitzer Anw?lte Dr. Baj und Dr. Karol Stach, die mit Dr. Liebermann als Verteidiger auftraten. 9) Die ?lteste unter diesen Kusinen des Vaters Bertha Wachsmann mit zwei T?chtern: Erna Weissenberg (deren auch schon erwachsene Kinder Mia und Ernst) und Martha Brann (mit Tochter Ruth). Weitere Zalenzer Kusinen des Vaters waren Minna Koenigsfeld (mit Tochter Erika Schlesinger und Sohn Kurt), Trude Koenigsberger in Lublinitz(ein Sohn hie? Herbert, verheiratet in Neisse), Johanna Frankenstein und die unverheiratete Jenny Gr¨¹nfeld in Kattowitz. Der ?lteste Bruder Max lebte in Berlin, Direktor des Deutschen Eisenhandels, sein Sohn Heinz, sp?ter als Henry Grunfeld sehr erfolgreich und bekannt in London als Bankier (Kinder Thomas und Luise) weitere Kinder von Max und Rosa Gr¨¹nfeld in Berlin waren Edith Kosterlitz und Sohn Robert. 10) Die ?lteste Tochter Susi wurde Kinder?rztin, sp?ter in New York (Suzanne Forrest). die zweite K?the war Bildhauerin, Lotte mehr in meinem Alter heiratete den Anwalt Helmuth Margoninski, lebten in Kanada, die j¨¹rigste Ruth in Florida. Anmerkungen zu "Als Student in der Weimarer Republik" A) Berlin: a) "Leben und Studium" 1) Dazu O.F. Scheuer "Burschenschaft und Judenfrage S.30f und S.40. Zu bekannten Burschenschaftern j¨¹discher Abstammung geh?rten Heinrich Heine, Ferdinand Lasalle, Friedrich Stahl. 2) Zu Geschichte und Entwicklung "FWVer Taschenbuch", Berlin 1931, Schriftleitung Kurt Wilk mit Beitr?gen von Alfred Rothberg und Max Pinn (Mein Dank an R.Gr?upner, London, f¨¹r Beschaffung dieser Quelle). 3) Hans Peter Bleuel, Ernst Klinnert: "Deutsche Studenten auf dem Weg ins Dritte Reich" S.262. 4) Zu diesen Freunden geh?rte auch der Chemiker Fritz Haber. 5) Sie wurde sehr erfolgreich in ihrem Fach in den USA und teilte den Nobelpreis f¨¹r Physik 1963. Zu ihrem Lebenslauf Siehe "Kattowitz" 1985 S.46. b) "...und politische Bet?tigung". 6) Unser sozialdemokratisch gesinnter Mathematiklehrer in Kattowitz, Rath, hatte die ihm bekannte Frau Wegscheider, ohne mein Wissen, auf meinen Studienbeginn aufmerksam gemacht. 7) Die Studentenschaft der TH Charlottenburg hatte sich innerhalb der Deutschen Studentenschaft stark gegen jeden Kompromi? mit dem Minister exponiert (siehe Akten der Deutschen Studentenschaft, Bundesarchiv Koblenz ZSG 129). Mein Antrag mu? an meiner TH also im Mai ein recht hei?es Eisen gewesen sein. 8) Heinz Ollendorf in "Student und Hochschule" 20. Juli 1929, I/2. 9) Er war einer der bei der Gr¨¹ndung des DStV beteiligten Veteranen der Hochschulpolitik, Sohn von Hugo Preuss. 10) Werner Stephan: "Aufstieg und Verfall des Linksliberalismus 1918-1933", G?ttingen, S.416/7. 11) Theodor Heuss "Erinnerungen 1905-1933", T¨¹bingen 1963. 12) Heuss, a.a.O. S.386. 13) Stephan a.a.O S... 14) Das vorherige Kabinett Marx hatte den Bau beschlossen, der neue Finanzminister Hilferding best?tigt, da? die n?tigen Mittel da sind. Dietrich fand, die Demokraten sollten nicht dabei sein, den dadurch wirksam gewordenen fr¨¹heren Kabinettsbeschlu? jetzt umzusto?en. 15) Hermann Graml, "Europa zwischen den Kriegen", DTV 1974 S.216. 16) Peter Kr¨¹ger "Die Au?enpolitik der Republik von Weimar", Darmstadt 1985. 17) Broszat a.a.O.S.219/31. 18) Fred-Hildenbrandt in "...ich soll dich gr¨¹ssen von Berlin" (M¨¹nchen l966) bringt eine Erinnerung an die beiden Schwestern(S. 98/9). 19) In seinen Erinnerungen "Wirken in Wirren" (Hamburg 1950) beklagt sich Hellpach ¨¹ber mangelnde menschliche N?he f¨¹r ihn in der demokratischen Reichstagsfraktion, z.B. bei R¨¹ckkehr von schweren Erkrankungen sei er nie entsprechend begr¨¹?t worden. Davon wu?te ich damals nichts. 20) Der KCer Rudi Samuel, mein Mitk?mpfer an der TH Charlottenburg zeigte sich eines Tages erstaunt ¨¹ber meine Kenntnisse j¨¹discher Feiertage, ich sei doch getauft, der KC habe damals gegen mein Vorstandsamt im DStV gestimmt, weil sie sich nicht von einem getauften Juden vertreten lassen wollten. Er wu?te nicht, warum man sich nicht besser erkundigt hatte. 21) Die seit dem Juli 1929 erscheinende Zeitschrift des DStV "Student und Hochschule" war, wie mir bei heutiger Durchsicht scheint viel zu wenig auf Mitarbeit aus Kreisen und Ortsgruppen im Lande gest¨¹tzt und zu sehr von Berlin aus bestritten. 22) Presseberichte dar¨¹ber im Bundesarchiv Koblenz ZSG 189 und "Student & Hochschule" I/1. 23) ¨¹ber diese Bewegung hielt ich mich st?ndig auf dem Laufenden, au?er durch pers?nliche Kontakte auch durch ihre Zeitschrift "Nation und Staat", Wien. 24) Der Leiter war Dr. H. Schairer, der auf seinem Spezialgebiet auch international anerkannt war und sich sp?ter als aktiver Hitlergegner erwies. 25) ¨¹ber den Verlauf der Tagung fand ich viele Zeitungsausschnitte in den Akten der damals gegnerischen Deutschen Studentenschaft im Deutschen Bundesarchiv Koblenz ZSG 129. 26) Dr. Theodor Bohner war der Fachreferent der demokratischen Fraktion im preu?ischen Landtag f¨¹r Kultur- und Bildungswesen, also die Stellung, die Frau Dr. Wegscheider bei den Sozialdemokraten hatte. Er war ein besonders enger Freund des Demokratischen Studentenbunds und ich erinnere mich lebhaft an viele erfreuliche Gespr?che mit ihm. 27) siehe Vossische Zeitung 15. Januar 1930. 28) W. Stephan a.a.O. S.391. 29) "Student und Hochschule", 1929 Nr.5/6.: "die Ideologie der heutigen Studenten ist nicht zu verstehen, wenn man nicht zuvor die Soziologie der Studenten untersucht" begann Zehrer seinen Beitrag. Weit ¨¹ber die H?lfte kommen vom durch die Inflation verarmten Mittelstand, zwischen dem "Kapital" und den "Organisationen der Masse" zerrieben, die ?ltere Generation m¨¹rbe und resigniert, wachsen die S?hne schon in einer anderen Wirklichkeit auf, daher die Ideologie der vom Faschismus und Nationalsozialismus Angezogenen. Der Faschismus aber hat die Mittelklassen bereits 1924 "wieder ausgeschaltet", der Nationalsozialismus "aber verrannte sich im Antisemitismus und im Kampf gegen Rom und die Freimaurer". Viel wichtiger als gegen Republikfeindlichkeit und Unruhestifter in der Studentenschaft vorzugehen, w?re durch ein neues gro?es Wirtschaftsprogramm die Lage der Mittelklasse zu verbessern. Das kann nur durch eine "tiefgreifende Aktivierung der heutigen, alten Mittelparteien" geschehen. So Zehrer im November/Dezember l929. 30) ¨¹ber diese sehr enge Verbindung siehe Th. Heuss S.375 f. 31) W. Stephan S.395. 32) Die Versammlung fand in der Hochschule f¨¹r Politik statt. 33) Vossische Zeitung 4. M?rz 1930 und W. Stephan S.425. 34) Die politische Mitte vers?umte eine m?gliche Chance, da sie sich nicht zu einem Kraftzentrum formieren konnte. Die Konflikte zwischen Korporationen und Nationalsozialistischer Partei setzten sich auch sp?ter fort, und versch?rften sich noch nach Hitlers Machtergreifung. Dar¨¹ber Bleuel S220f. 35) So eine Rede Dietrichs, Vossische Zeitung, 8/3/1930. 36) Damals wu?te ich noch nicht, da? er als der Schriftsteller galt, der unter dem Namen Erich Maria Remarque schrieb. 37) ¨¹ber diesen siehe Heuss S.392/3, Stephan S.444f. 38) Stephan S.431/2 ¨¹ber Parteiausschu?sitzung in Halle 25.Mai 1930. 39) Stephan berichtet, da? in der letzten Unterredung des demokratischen Parteif¨¹hrers Koch-Weser mit dem kranken Streseman im September 1929, dieser eine Verschmelzung der beiden liberalen Parteien als derzeit unm?glich bezeichnete, aber Koch-Weser riet, auf eine Vereinigung der Demokraten mit dem Jungdeutschen Orden hinzuarbeiten. Davon wu?ten wir damals nichts. 40) Stephan S.446. Von den dort genannten "intellektuellen jungen Menschen", wurden bei uns im Demokratischen Studentenbund Theodor Eschenburg und Josef Winschuh zu Vortragsabenden eingeladen. 41) Stephan S.434/8. 42) Nach Stephan S.48 hatte Richard Otto Frankfurter noch auf der Vorstandssitzung vom 25.Juli gefordert, die Partei solle als "Dietrich Partei" allein in den Wahlkampf gehen. Frankfurter kannte ich als Pr?sidenten der Altherren der FWV, als ich 1929 als Nachfolger Ollendorfs Au?envertreter der FWV wurde, nahm ich an Sitzungen des Pr?sidiums in seinem Hause teil. Wie aktiv und anscheinend sehr angesehen er damals auch noch in den Gremien der Demokratischen Partei war, habe ich dem Buch von W. Stephan mit Interesse entnommen. Sein Vertrauen in Dietrich habe ich damals geteilt. 43) Hermann Proebst wurde nach dem 2. Weltkrieg als Chefredakteur der "S¨¹ddeutschen Zeitung" sehr bekannt und angesehen. 44) Hermann Graml S.214f. 45) Das war auf dem vorj?hrigen Kongre?, an dem ich noch nicht teilgenommen hatte, beschlossen worden. F¨¹hrer der deutschen Delegation war damals der. Zentrumsstudent Felix Raddatz gewesen. F¨¹r viele Informationen ¨¹ber die FUI bin ich Dr. Jacques Kunstenaar, Z¨¹rich, den ich damals als Leiter der Schweizer Delegation kennen lernte, zu Dank verpflichtet. 46) In seinem Bericht (Der Student 18/S.6) ¨¹ber den FUI Kongre? kommentiert Wolfgang Straede dann "..ein von den Deutschen wegen seines wichtigen Pr?zedenzcharakters ohne weiteres angenommener Vorschlag". F¨¹r mich war das ein Erfolg f¨¹r was man heute pluralistische L?sungen nennen k?nnte, verglichen mit der vorherigen Haltung der Deutschen Studentenschaft, und ich meinte, da? ich denen dabei beteiligten Exponenten Wolfgang Straede und Dr. Walther Reusch auf dem Wege zu diesem Schritt geholfen hatte. 47) Ich erinnere mich dabei an Ernst v. Salomon "Der Fragebogen". 48) W?hrend der Genfer FUI Tagung war bei dem ¨¹blichen Besuch der deutschen Studentendelegation bei der Deutschen Vertretung beim V?lkerbund auch das Thema Mitteleuropa erw?hnt worden und der Plan, da? wir dar¨¹ber mit den tschechischen Studenten sprechen w¨¹rden. 49) Informationen ¨¹ber Teilnehmerzahl (etwa 100 "Studenten und j¨¹ngere Altakademiker") und vertretene L?nder (10) enth?lt dann der Bericht ¨¹ber die Tagung in "Der Student" 1931 Folge 7 S.10. 50) "Student & Hochschule" Jahrgang 3 Nr.1/2 S.22. 51) Dazu siehe ausf¨¹hrlich in Peter Kr¨¹ger a.a.O. schon S.382/3, wo v. Schubert und K?pke als Gegner solcher Erw?gungen erw?hnt werden, die aber andere tats?chlich besch?ftigten. 52) Sozialistische Monatshefte 12/10/1931 S.960 "Die internationale Diskussion ¨¹ber den polnischen Korridor". 53) Nicht lange nach unserer Grenzlandtagung Mai 1929 in Dresden hatte ich Prag zum ersten Mal mit gro?er Begeisterung gesehen, um der dortigen befreundeten "Lese- und Redehalle deutscher Studenten" einen Besuch abzustatten. 54) F¨¹r Berichte siehe vossische Zeitung 2.April 1931, Journal de Gen¨¨ve 31. M?rz, "Der Student", Folge 7/1931 S.10, "Student & Hochschule", Mai 1931. 55) Ich wurde gebeten, einen Dr. G. dem F¨¹hrer der Schweizer Delegation Jaques Kunstenaar vorzustellen, denn G. sei auch Schweizer, dann stammelte er aber, da? er eigentlich aus Vorarlberg sei, aber das w?re doch beinahe dasselbe. Ich fand das sehr merkw¨¹rdig und besprach es mit Jacques Kunstenaar. Ein Dr. G. wird sp?ter als nationalsozialistischer Staatsrechtler bekannt. Jacques Kunstenaar war in dieser Zeit schon ein prominentes Mitglied der Spitze der FUI geworden und wurde dann auf der anschlie?enden Ratstagung in Wien zum n?chstj?hrigen Pr?sidenten bestimmt. 56) Die damalige Lage wird knapp zusammengefa?t von P. Kr¨¹ger a.a.O.S. 531. 57) Die wirtschaftlichen Referate wurden gehalten von dem tschechischen Dr. Schuster aus Prag und Dr. Kanas aus Pressburg, von deutscher Seite Dr. Fischer, Berlin und Dr. Hans Wilbrandt als agrarpolitischer Experte, der auch Mitarbeiter der "Sozialistischen Monatshefte" war. Ein deutscher Bericht ("Der Student" 7/10) zitiert als ?u?erung eines tschechischen Delegierten: "es ist das Problem eines gemeinsamen Lebensraums, das doch mehr ist als blo?e Nachbarschaft". 58) Die Ver?ffentlichung des Zollunionsplans war anscheinend f¨¹r einen etwas sp?teren Termin geplant, aber wurde dann wegen bef¨¹rchteter Indiskretionen auf diesen Tag vorverlegt (Kr¨¹ger, S.533, "Der Student" 7/S.4). 59) Vossische Zeitung 2. April 1931: "Die Tagung, die von Vizekanzler Schober er?ffnet wurde, zeigte einen erfreulichen Aufschwung der studentischen V?lkerbundsarbeit und ein Anwachsen der Organisation in fast allen L?ndern". 60) Journal de Gen¨¨ve 31.31.1931 und Der Student Folge 13/14 S.11/12. 61) Siehe P. Kr¨¹ger's Kommentar S.533: "Dies war wirklich der S¨¹ndenfall der deutschen Au?enpolitik, eine Herausforderung des europ?ischen Staatensystems und eine schlecht kalkulierte dazu" und seine weiteren Informationen ¨¹ber Opposition im Ausw?rtigen Amt gegen diese Pl?ne von Curtius und seinen neuen Staatssekret?r v. B¨¹low, und eine warnende Aufzeichnung von K?pke vom 21.2.1931, "da? die Tschechoslowakei und Frankreich wegen Bedrohung der tschechoslowakischen Unabh?ngigkeit die folgenreiche Ver?nderung der europ?ischen Machtverh?ltnisse durch die Zollunion keineswegs hinnehmen k?nnten. Als einzige M?glichkeit, dem Ziel n?her zu kommen, schlug K?pke jenen Weg vor, der in den Unterredungen zwischen Benes und Schubert im Mai 1928 sich als allein wirklichkeitsnah herausgestellt hatte, n?mlich beide L?nder von vornherein in die deutsch-?sterreichischen Verhandlungen einzubeziehen..". Eine ?hnlich kritische Betrachtung auch bei Graml a.a.O. S.260/1. B) M¨¹nchen 1) Ralph Kleemann war mit meinem Vetter Ernst Gr¨¹nfeld befreundet, den er in einem fr¨¹heren Semester getroffen hatte. 2) Ausf¨¹hrliche Informationen lieferte mir daf¨¹r die M¨¹nchner Dissertation aus dem Jahr 1949 "Der politische Kampf an den M¨¹nchner Hochschulen von 1929 bis 1933 im Spiegel der Presse" von Ludwig Franz. 3) Franz S.49. 4) Franz S.49/53. 5) Franz S.74. 6) Franz S.79 berichtet ¨¹ber diese Verwundung von Nawiaskis Assistenten. 7) Franz vermutet, weil sie nicht das Fortbestehen der staatlichen Anerkennung gef?hrden wollten. C) Zwischen Breslau und zu Hause 1) Mit ihm und seiner Freundin Lilo Linke waren wir im Demokratischen Studentenbund sehr eng verbunden gewesen, von Stephan S.394 als begabter Journalist und geistig f¨¹hrender Jungdemokrat bezeichnet. 2) Leopold Schwarzschild in seinem "Tagebuch" war einer der ausgesprochendsten Gegner, siehe "Die letzten Jahre vor Hitler", Ausz¨¹ge aus dem Tagebuch 1929/33 mit Vorwort von Golo Mann. Der fr¨¹here Staatssekret?r Hans Schaeffer nennt als Hauptursache von Br¨¹nings Deflationspolitik die Zwangsvorschriften f¨¹r deutsche Wirtschaftspolitik, die in den Dawesund Youngplanabkommen festgelegt waren, ohne deren Einhaltung Br¨¹ning niemals hoffen konnte, die wirtschaftlich absolut notwendige Stundung weiterer Reparationszahlungen zu erreichen. Unter heutigen Historikern gibt es aber auch den Vorwurf, da? Br¨¹ning die schrecklichen Auswirkungen seiner Deflationspolitik gar nicht bereute, er sah sie nicht nur als wirtschaftstheoretisch unvermeidlich an, sondern Verarmung, steigende Arbeitslosigkeit, ja sogar politische Unruhe in Deutschland schienen ihm gute Mittel, die Alliierten von der Undurchf¨¹hrbarkeit weiterer Reparationszahlungen zu ¨¹berzeugen, und dadurch die Revision des Versailler Vertrages einen Schritt weiterzubringen (s. Graml.S245/ 6). Ich erinnere mich nicht, da? es solchen Verdacht oder Vorw¨¹rfe schon damals gab. Man findet ihn auch heute nicht z.B. bei Martin Broszat in seiner Darstellung von Br¨¹nings Politik in "Die Machtergreifung" S.132/4. 3) Die Vorg?nge, die schon nach weiteren acht Monaten zur Machtergreifung Hitlers f¨¹hrten, wurden fr¨¹h eingehend dargestellt von Karl Dietrich Bracher "Die Aufl?sung der Weimarer Republik", S. 529f. Auf den neuesten Stand der Forschung und Meinungsbildung bringt Martin Broszat "Die Machtergreifung" DTV 1984-(1987). Siehe auch Kurt Sontheimer "Deutschland zwischen Demokratie und Antidemokratie", besonders sein Aufsatz ¨¹ber den "Tatkreis" S.56f., ferner Ebbo Demant "Hans Zehrer als politischer Publizist" S.84f. 4) Bracher S.644. 5) Bracher S.645. 6) Sontheimer S.81. 7) Schwarzschild in seinem Artikel im "Tagebuch" vom 31.12.1932 und in Golo Mann's Vorwort S.28/29. 8) August Rathmann "Ein Arbeiterleben" (Wuppertal 1983) S.182/3. 9) siehe auch Heinrich August Winkler ¨¹ber diese "Gratwanderung" in seiner Besprechung von August Rathmanns Buch in die "Zeit". 10) Bracher S.681. 11) dazu Bracher S.699 und Golo Mann bei Schwarzschild S.29 "sie haben Schwarzschilds Rat, die Regentschaft zu dulden, ja ihr nach Kr?ften zu helfen und so ihr eine breite Basis zu geben, nicht beherzigt...". 12) Siehe auch Bracher S.681f., 684/S.699 und ausf¨¹hrlich aber konzise Broszat "Die Machtergreifung" S.156/174. Dazu auch Bracher S.681f, besonders Anmerkung 148 S.684/S und S.699. 13) Dazu geh?rt auch die damalige Rolle des Reichslandbunds, Hindenburgs Verwundbarkeit in Sachen Osthilfe und Gegnerschaft zu Pl?nen f¨¹r Bauernsiedlung in Ostelbien spielte, stark hervorgestellt bei Broszat "Die Machtergreifung" S.162/165. Ich war diesem Projekt zuerst als Anliegen fortschrittlicher Bauernpolitik begegnet. (R?nneburgs Vortrag auf Ostkundgebung des DStV, in unserer Zeitschrift abgedruckt). Sp?ter h?rte man, andere Kreise waren an den verteidigungspolitischen Aspekten dichterer Besiedlung Ostelbiens interessiert. 14) Bracher S.619 "Der Mord in Potempa war mehr als ein symptomatisches Ereignis des latenten B¨¹rgerkriegs. Er mu?te der ?ffentlichkeit endlich die Augen ?ffnen...". Anmerkungen zu "Nach dem Ende von Weimar" 1) Eine Schilderung seiner Pers?nlichkeit fand ich bei Marion Cr?fin D?hnhoff: "Menschen, die wissen, worum es geht" im Kapitel "Der Basler Gelehrte: Verzauberer und Entzauberer zugleich". Ich erinnere mich an die Seminarsitzung, in der er die Verfasserin als Neuank?mmling einf¨¹hrte, als er von Frankfurt aus politischen Gr¨¹nden weggegangen war. 2) Meine Dissertation hatte ich mit einer Darstellung der klassischen Theorie der internationalen Kapitalbewegungen eingeleitet, basierend auf Franz Gutmanns Beitrag im Handw?rterbuch der Staatswissenschaften, 4.Auflage Ergzgbd. Laufende Erfahrungen w?hrend der Weltwirtschaftskrise, legten viele Vorbehalte betreffs des Funktionierens dieses Mechanismus nahe, und zwar in Richtung der von E. Salin vertretenen Auffassungen. Nach mehr als 50 Jahren finden heute diese Vorbehalte immer wieder Best?tigung durch die Probleme der Drittweltverschuldung und Rolle von IMF und Weltbank. Anmerkungen zu "Emigration nach Hause, in Polen" 1) Dazu siehe Beitrag von S. Karski in "Kattowitz, seine Geschichte und Gegenwart", D¨¹lmen 1985,.S.122,4. 2) Den Vorsitz der deutschen Fraktion hatte er schon 1930 abgegeben. 3) Siehe V. Kauder "Das Deutschtum in Polnisch-Schlesien", Plauen 1932 S.326/7. Dort erw?hnt ist auch ein Rezitationsabend von Edith Herrnstadt Oettingen, Berlin, einer Cousine meiner Mutter, man sieht also, da? das liberale Element in diesem Kulturprogramm gut vertreten war. 4) siehe Lucjan Meissner: "Niemieckie Organizacje Antyfaszystowskie w Polsce 19331939". Warszawa 1973 S.163f. 5) Meissner a.a.O. S.227f. 6) Meissner S.233. 7) W. Hellpach erinnert sich in "Wirken in Wirren" I S.88 und 90/1 an die Unterschiede nationaler Einstellung. die er als Jugendlicher zwischen dem deutschen Landeshut und Trautenau auf der b?hmischen Seite der Sudeten beobachtet hatte. 8) Dr. E. Pant war eng verbunden mit Pater Friedrich Muckermann S.J., der auch durch seinen Widerstand gegen die Nationalsozialisten bekannt wurde. In Pater Mukkermanns Erinnerungen "im Kampf zwischen zwei Epochen" ist Dr. Pant eingehend erw?hnt (S.503/6) und man findet auch den starken Vorbehalt gegen liberale Einfl¨¹sse. 9) Dazu Hans Bernd Cisevius "Bis zum bitteren Ende", Z¨¹rich 1946. I S. 207f und S.282. 10) Auswanderung aus Deutschland schien mir schon damals dringend f¨¹r alle Juden. Wir hatten noch keine Devisenbeschr?nkungen dagegen in Polen und h?tten ihr das Geld z.B. nach London ¨¹berweisen k?nnen, wo es f¨¹r ihr Leben gereicht h?tte. Ich traf mich mit ihr allein in einem Cafe am Zoo, und riet ihr dazu, aber ihre Berater waren dagegen. 11) Dazu geh?ren der Schulfreund Ludel Berliner, die j¨¹ngeren Ernst Berliner und Walter Rosenbusch. Auch Karl-Heinz Lubowski war von den Rassegesetzen von 1935 betroffen, gab sein juristische Laufbahn auf, studierte in Basel protestantische Theologie. kam immer wieder nach Hause, hoffte, nach England auszuwandern, aber fand dann im Krieg Unterschlupf in einer Stellung im Konsistorium in K?nigsberg; auf der Flucht bei Kriegsende ist er umgekommen. 12) In 1937 lief der 15j?hrige Genfer Minderheitenschutzvertrag ab. Es hatte in Deutsch-Oberschlesien die dortigen Juden in unvorhergesehener Weise von manchen Bestimmungen Hitler'scher Rassengesetzgebung vorl?ufig gesch¨¹tzt. Das ?nderte sich nun. Auf der polnischen Seite betraf es auch, wer 1922 f¨¹r Deutsche Staatsb¨¹rgerschaft optiert hatte, sie durften nicht mehr in Polen bleiben. Dazu geh?rte auch Franz Goldstein, er wurde ein deutscher Emigrant, ging zun?chst nach Prag, dann nach Pal?stina. Die Literaturbeilage der Wirtschaftskorrespondenz wurde aufgegeben, und meine Artikel auch. 13) G. Rhode a.a.O S.,491. 14) Nach einem Jahr war die Synagoge schon in Tr¨¹mmern, die Familie zerstreut, der Vater nicht mehr am Leben. Anmerkungen zu "Der 2. Weltkrieg bricht aus" 1) Meine Absicht ist nicht, hier eine eingehende Schilderung des September 1939 in Warschau zu geben, f¨¹r die gro?en Z¨¹ge und einige Einzelheiten, die meinem Ged?chtnis nicht mehr genau gegenw?rtig waren, st¨¹tze ich mich auf das Werk "Cywilna Obrona Warszawy we wrzesniu 1939", Warszawa 1964, im wesentlichen auf die einleitende Chronik von Wladyslaw Bartoszewski. 2) Ein tragischer Gef¨¹hlskonflikt hatte Dr. Hurtigs dorthin gebracht. Sie waren im August auf Ferien in Frankreich; als Krieg unvermeidlich schien, kehrten sie zur¨¹ck. In Kattowitz angekommen, fanden sie alle Freunde schon fort, und fuhren noch schnell nach Warschau, und haben nicht ¨¹berlebt. 3) siehe Cywilna Obrona S.107. 4) Der Schweizer Exporteur J. und Frau, Gesch?ftsfreund Zygmunt Kriegers war auf der R¨¹ckkehr von einer Uhrenverkaufsreise nach Russland in Warschau steckengeblieben, und sie wurden auch evakuiert, ich besuchte sie vorher, wir wurden verhaftet und in heftigem Feuer auf eine Polizeiwache gef¨¹hrt, aber bald freigelassen. 5) Meine Erinnerung war, da? auch ein zweiter j¨¹discher Vertreter, der Bankier Rotwand, unter den Geiseln war, aber ich habe daf¨¹r keine Belege gefunden. 6) Dazu bemerkt Chaim Kaplan in "Buch der Agonie" S.46 f¨¹r den 1. Oktober: "Die Deutschen bewahrten bei ihrem Einmarsch in die Hauptstadt die Disziplin..", und weiter f¨¹r den 3.Oktober, der deutsche Oberbefehlshaber habe wissen lassen, "da? er den Juden keine Schwierigkeiten zu bereiten w¨¹nsche". Aber das sei nur ein politischer Schachzug, kommentiert Kaplan weiter, "in der tagt?glichen Wirklichkeit werden die Juden diskriminiert". 7) Wie man wei?, ist v.Fritzsch vor der Kapitulation Warschaus umgekommen, man wei? nicht, ob seine Anwesenheit dort wirklich die Bedeutung hatte, die man ihr meinte zumessen zu k?nnen. Eine sp?tere Version von deutscher Seite ist, da? er dort den Tod gesucht hat. (siehe u.a. Gisevius a.a.O.Bd.I. S.459). 8) Erst in j¨¹ngster Zeit habe ich erfahren, da? der Schwedische Botschafter sich damals um Hilfe f¨¹r von den Nazis bedrohte Fl¨¹chtlinge sehr verdient gemacht hat, auch schon bei der Evakuation von Ausl?ndern w?hrend der Belagerung. 9) ¨¹ber diese "gr¨¹ne Grenze" siehe auch Kaplan a.a.O S.82f. und S.91. 10) Siehe dazu: Walter Laquer / Richard Breitmann "Der Mann, der das Schweigen brach", wonach der SS Funktion?r Adolf Eichmann aus Berlin im Oktober 1939 nach Kattowitz gekommen war, die Deportation der Juden in das eigentliche Polen zu beaufsichtigen. Die Stadt sollte von Juden ger?umt, sie sollte "judenrein" werden. (S.71). 11) Es gab weiter Kommen und Gehen ¨¹ber die Zonengrenze, und ich bekam noch mehrere Nachrichten von meiner Mutter, immer mit dem absoluten Rat, nicht nach Lemberg zu kommen. Es gab dort auch Bedr¨¹cktheit, Hunger und Ungewissheit. 12) Kaplan a.a.O S.66. 13) siehe Kaplan S.84/S. Es hie? damals, da? der Armeekorpshygieniker Dr. Richter gegen diese massive Bev?lkerungsbewegung wegen Seuchengefahr Einspruch erhoben hatte. 14) Ausreise von neun j¨¹dischen Familien nach Pal?stina ist auch erw?hnt in Kaplans Tagebuch in der Eintragung vom 25.11.1939 (s.90). Ich wei? nicht, ob er von Angeh?rigen dieser Gruppe spricht. 15) Kaplan S,.92. Anmerkungen zu "Kriegsfl¨¹chtling" 1) Er war ein Philosoph im laizistischent Fl¨¹gel, urspr¨¹nglich mir dem Liberalen Benedetto Croce eng verbunden, wurde dann aber Mussolinis Kultusminister, nun aber nicht mehr aktiv politisch, schien er eine ehrenvolle Stellung im italienischen Geistesleben bezogen zu haben. 2) "Wsp¨®lnota Interes¨®w" vorher zum Flickkonzern geh?rig. Der sich unter staatlicher Zwangsverwaltung weitgehend neu bildende Verwaltungsstab unter Przedpelski wurde wichtigster Repr?sentant des polnischen Etatismus in Oberschlesien. 3) Winiewicz hatte bereits in Budapest 1940 eine polnische Zeitung herausgegeben, f¨¹r 1941 wird er als Presseattach¨¦ der Polnischen Botschaft in der T¨¹rkei bezeichnet, von 1942 an "Senior Official, Polish Ministry of Preparatory Work, Peace Conference". Ich wu?te damals nicht, da? er offizielle Funktionen hatte. Die Frage, die er mir stellte, kam aber nicht von ungef?hr. Trotz seiner Herkunft von der ?u?ersten polnischen Rechten, ist er aber schon 1945 "Councillor" und 1946 Charge d'Affairs der polnischen Botschaft in London, also schon der neuen Volksrepublik Polen, dann ihr Delegierter zur ersten UNO Tagung, 1947, Botschafter in Washington und schlie?lich Au?enminister. War es der Drang nach Eroberung der Westgebiete, der ihn auf eine, f¨¹r seine politische Herkunft, so erstaunliche Laufbahn gebracht hat? (F¨¹r seine Biography "World Biography"). 4) Als ich sp?ter Roman Przedpelski fragte, was ihn bewog, mir zu helfen, da er mich doch kaum kannte, erw?hnte er meine Korrespondenz f¨¹r die Entwicklung von neuen Gesch?ften f¨¹r T¨¹rkdal, die er in Istanbul gesehen hatte. Ich h?tte die energischsten Bem¨¹hungen daf¨¹r gemacht, also wollte er mir helfen und hielt es f¨¹r ein verantwortbares Risiko. 5) Klaus T?ubert "Die Welt des Franz Goldstein" in "Trib¨¹ne", Zeitschrift zum Verst?ndnis des Judentums, Heft 98, 1986, beschreibt Lebenslauf, T?tigkeit in Kattowitz, sp?ter Jerusalem, und den Anziehungspunkt, den seine Bibliothek dort bildete. 6) Siehe "Handbuch der Deutschen Exilpresse", herausgegeben von Liselotte Maas I S.86, II S.436. 7) Ich konnte seine Begeisterung nicht teilen, anscheinend nicht dazu geboren, ein guter Zionist zu sein. Zwar kaum im stark verb¨¹rgerlichten deutschen Judentum, aber bei Juden im Osten oder New York hatte es wohl auch gewaltt?tiges Verbrechertum gegeben. 8) Max Pinn hat die Verwirklichung seiner Hoffnungen nicht mehr erlebt, er fiel auf dem Weg nach Jerusalem einem arabischen ¨¹berfall zum Opfer. 9) Rondavels sind runde H¨¹tten kolonialen Stils, meist gebrannter Ton oder Ziegelwerk mit Gras- oder Strohdach, sie konnten ganz ger?umig und komfortabel sein. 10) Die Einwohnerzahl Nordrhodesiens, des heutigen Zambias, wird f¨¹r 1942 auf etwa 1.380.000 gesch?tzt, wovon nur etwa 15.000 Europ?er, auf 288.000 Quadratmeilen. Die S¨¹dgrenze bildete der gro?e Zambesi Flu?, die einzige Eisenbahn durchquerte das Land von S¨¹d nach Nord ¨¹ber etwa 500 Meilen zur n?rdlichen Grenze mit dem damaligen belgischen Kongo. Das Klima ist zwischen subtropisch und tropisch, der "Copperbelt", wo ich sp?ter in Mufulira arbeitete, lag dicht an der Grenze zum Kongo, mit seinem benachbarten Katanga Bergbaugebiet. 11) Zum Schicksal unter deutscher Okkupation siehe Charles Cruikshank "The German Occupation of the Channel Islands" S.113 und Artikel im "Observer" vom 12.Mai 1985 ¨¹ber die vier J¨¹dinnen, die von dort deportiert wurden, mit Photographie auch meiner Schwester Marianne Gr¨¹nfeld. 12) Hierzu siehe Leonard Gross "The last Jews of Berlin" und die Erinnerungen von Maria Gr?fin von Maltzan "Schlage die Trommel und f¨¹rchte Dich nicht" (Berlin 1986). 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Walter Gr¨¹nfeld. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, RUECKBLICKE, BY GRUENFELD *** This file should be named 8rblk10.txt or 8rblk10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8rblk11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8rblk10a.txt We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A preliminary version may often be posted for suggestion, comment and editing by those who wish to do so. 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We need funding, as well as continued efforts by volunteers, to maintain or increase our production and reach our goals. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. As of February, 2002, contributions are being solicited from people and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin, and Wyoming. We have filed in all 50 states now, but these are the only ones that have responded. As the requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund raising will begin in the additional states. Please feel free to ask to check the status of your state. In answer to various questions we have received on this: We are constantly working on finishing the paperwork to legally request donations in all 50 states. If your state is not listed and you would like to know if we have added it since the list you have, just ask. While we cannot solicit donations from people in states where we are not yet registered, we know of no prohibition against accepting donations from donors in these states who approach us with an offer to donate. International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made deductible, and don't have the staff to handle it even if there are ways. Donations by check or money order may be sent to: Project Gutenberg Literary Archive Foundation PMB 113 1739 University Ave. Oxford, MS 38655-4109 Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment method other than by check or money order. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN [Employee Identification Number] 64-622154. Donations are tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund-raising will begin in the additional states. We need your donations more than ever! You can get up to date donation information online at: *** If you can't reach Project Gutenberg, you can always email directly to: Michael S. Hart Prof. Hart will answer or forward your message. We would prefer to send you information by email. ** Information prepared by the Project Gutenberg legal advisor ** (Three Pages) ***START** SMALL PRINT! for COPYRIGHT PROTECTED EBOOKS *** TITLE AND COPYRIGHT NOTICE: Copyright (C) 1998 by Roland Cheney This eBook is distributed by Professor Michael S. Hart through the Project Gutenberg Association (the "Project") under the "Project Gutenberg" trademark and with the permission of the eBook's copyright owner. Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market any commercial products without permission. LICENSE You can (and are encouraged!) to copy and distribute this Project Gutenberg-tm eBook. Since, unlike many other of the Project's eBooks, it is copyright protected, and since the materials and methods you use will effect the Project's reputation, your right to copy and distribute it is limited by the copyright laws and by the conditions of this "Small Print!" statement. 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